TE OGH 2011/1/24 5Ob191/10i

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Veröffentlicht am 24.01.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek, den Hofrat Dr. Höllwerth und die Hofrätin Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elfriede O*****, vertreten durch Mag. Helmut Rieger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Jelica N*****, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, wegen 142.500 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Juli 2010, GZ 16 R 77/10a-51, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Entgegen den Darlegungen der außerordentlichen Revision hat sich das Berufungsgericht bei Erledigung der Beweisrüge nicht mit „inhaltsleeren Floskeln“ und einer nicht nachvollziehbaren, bloß kursorischen Behandlung begnügt, sondern in der entscheidungswesentlichen Frage, ob die Hilfs- und Pflegetätigkeiten der Beklagten für die Erblasserin entgeltlich oder unentgeltlich erfolgten, mit konkreten Beweisergebnissen auseinandergesetzt. Auch wurde auf die Tatsache hingewiesen, dass nach der Formulierung des Übergabsvertrags diese Hilfstätigkeiten ausdrücklich nur Motiv sein sollten, als Gegenleistung aber keine Erwähnung fanden. Hinsichtlich der vom Erstgericht einer anderen Zeugenaussage zugemessenen Unglaubwürdigkeit hat sich das Berufungsgericht mit konkreten, in der Person gelegenen Umständen auseinandergesetzt.

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin muss nach ständiger Rechtsprechung in der Erledigung einer Beweisrüge nicht auf jedes einzelne Beweisergebnis und jedes einzelne Argument des Berufungswerbers eingegangen werden (RIS-Justiz RS0042170; RS0043205; RS0043226; RS0040165; RS0042189; RS0043162), sodass die vorliegende Erledigung der Beweisrüge den Voraussetzungen einer mängelfreien Entscheidung genügt (RIS-Justiz RS0043150; RS0043371; RS0043268; RS0043185).

Ausführungen zur Beweiskraft von Verfahrensergebnissen oder zur Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Sachverhalts stellen eine in dritter Instanz unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung dar (RIS-Justiz RS0043131; RS0043143; RS0040125; RS0043175).

2. Auch die Rechtsrüge zeigt keine die Anrufung des Obersten Gerichtshofs rechtfertigenden erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Dass der Übergabsvertrag bereits lange vor dessen schriftlicher Ausfertigung abgeschlossen worden wäre, eine Aufnahme von Gegenleistungsverpflichtungen der Beklagten in die Vertragsurkunde nur aus „gebühren-(steuer-)rechtlichen Gründen“ unterblieben sei und die Pflegeleistungen nicht gänzlich abgegolten worden seien, ist dem festgestellten (und für den Obersten Gerichtshof maßgeblichen) Sachverhalt nicht zu entnehmen. Die Beklagte hat auch die Erblasserin nicht „über Jahrzehnte“ betreut und gepflegt. Nach den maßgeblichen Feststellungen war die Erblasserin nur die letzten beiden Monate vor ihrem Tod pflegebedürftig und die Beklagte hat davor einmal wöchentlich gegen Bezahlung im Haushalt gearbeitet; auch für die Pflege bis zum Tod erhielt die Beklagte „eine Entlohnung und auch ein Auto geschenkt“.

Ausgehend vom maßgeblichen Sachverhalt sind die Vorinstanzen in Übereinstimmung mit dazu ergangener Rechtsprechung zur Beurteilung der Unentgeltlichkeit der Eigentumsübertragung an der Liegenschaft gelangt. Hervorzuheben ist, dass ein vorbehaltenes Wohnungsgebrauchsrecht nicht als Gegenleistung, sondern als Wertminderung der übergebenen Sache zu veranschlagen ist (vgl RIS-Justiz RS0012978), und aufgrund der Tatsache des erkennbar bevorstehenden Ablebens der Erblasserin durch deren Erwartung, von der Beklagten weiter gepflegt zu werden, der Charakter der Unentgeltlichkeit nicht ausgeschlossen wird (vgl zuletzt 3 Ob 217/09x; RIS-Justiz RS0017193; RS0018852). Zutreffend hat das Berufungsgericht auch dargestellt, dass sogar bei einem krassen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Schenkungszeitpunkt unter besonderen, hier vorliegenden Umständen, konkret auch infolge des schutzwürdigenden Interesses der pflichtteilsberechtigten Klägerin das Vorliegen von Schenkungsabsicht indiziert ist (Apathy in KBB3 Rz 2 zu § 785 ABGB mwN). Illustrativ kann hier noch angefügt werden, dass Punkt V des hier in Frage stehenden „Übergabsvertrags“ sogar eine eingehende Rechtsbelehrung des Vertragsverfassers über das Rechtsinstitut des Schenkungspflichtteils enthält.

3. Eine Schenkung, mit der einer sittlichen Pflicht entsprochen wurde, ist nur anzunehmen, wenn dazu eine besondere aus den konkreten Umständen des Falls erwachsene, in den Geboten der Sittlichkeit wurzelnde Verpflichtung des Schenkers (Erblassers) bestand. Das lässt sich jeweils nur von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der persönlichen Beziehungen zwischen Schenker und Beschenkten, ihres Vermögens und ihrer Lebensstellung entscheiden (RIS-Justiz RS0012972). Erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO stellen sich dabei regelmäßig wegen der jeweiligen Einzelfallbezogenheit nicht (vgl 9 Ob 53/05t). Dem Berufungsgericht, das in diesem Zusammenhang hervorgehoben hat, dass die Beklagte für ihre Haushalts- und Pflegeleistungen laufend honoriert wurde und Dankbarkeit gegenüber der Beklagten lediglich eines von mehreren Motiven für die Schenkung darstellte, ist bei der entsprechenden Beurteilung jedenfalls keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen.

4. In Einklang mit dazu ergangener Rechtsprechung steht auch die Beurteilung der Vorinstanzen hinsichtlich der Nichtanrechenbarkeit eines allfälligen Vorempfangs der Klägerin durch Eigentumsübertragung des Hälfteanteils an einer anderen Liegenschaft. Vorschüsse iSd § 789 ABGB sind Zuwendungen des Erblassers unter Lebenden, die ohne Rechtspflicht gegeben werden und bei deren Hingabe die Verrechnung auf den Pflichtteil bedungen wird (RIS-Justiz RS0012996; RS0012980). Eine solche Vereinbarung ist weder behauptet noch erwiesen. In den Pflichtteil einrechnen lassen müsste sich die Klägerin nur das, was ihr von der Erblasserin als Vorschuss auf den Pflichtteil geleistet wurde. Ihr sonst zugekommene Schenkungen wären nur auf Verlangen eines pflichtteilberechtigten Kindes oder des pflichtteilberechtigten Ehegatten in Anschlag zu bringen (RIS-Justiz RS0081632; zuletzt 3 Ob 47/97a mwN).

Es trifft zwar zu, dass ein Einverständnis auch stillschweigend erfolgen kann, jedoch sind einseitige Erklärungen eines der beiden Teile, wie hier im Übergabsvertrag, unwirksam (vgl RIS-Justiz RS0012996 [T1]). Dass die Klägerin einer solchen Anrechnung im Verfahren schlüssig zugestimmt hätte, ist mit dem Akteninhalt nicht zu vereinbaren.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO war daher das außerordentliche Rechtsmittel der Beklagten zurückzuweisen.

Textnummer

E96204

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0050OB00191.10I.0124.000

Im RIS seit

11.02.2011

Zuletzt aktualisiert am

29.04.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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