TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/17 93/06/0128

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Veröffentlicht am 17.02.1994
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Index

L80008 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
BauRallg;
PZV Vlbg 1975;
RPG Vlbg 1973 §19 Abs6 lita;
RPG Vlbg 1973 §19 Abs6;
RPG Vlbg 1973 §2 Abs1;
RPG Vlbg 1973 §2 Abs2;
RPG Vlbg 1973 §21 Abs1;
RPG Vlbg 1973 §21 Abs2;
RPG Vlbg 1973 §21;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der Gemeinde Viktorsberg, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 5. Mai 1993, Zl. VIIa-310.92, betreffend Versagung der Genehmigung einer Änderung des Flächenwidmungsplanes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der beschwerdeführenden Gemeinde Aufwendungen von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 8. April 1992 teilte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde der Raumplanungsstelle der belangten Behörde die Absicht der Gemeinde mit, das Grundstück Gp. 14/1 (von bisher: Freifläche-Landwirtschaftsgebiet) in Bauland umzuwidmen. Zwei Bauansuchen lägen bereits vor. Das Grundstück liege an der Gemeindestraße und sei hinsichtlich Kanalisation, Wasser und Strom voll erschlossen. Diesem Ansuchen lag eine Ablichtung (augenscheinlich) des diesbezüglichen Ausschnittes des Flächenwidmungsplan bei, in welchem das Grundstück Nr. 14/1, aber auch der angrenzende Weg und ein Teil des jenseits des Weges liegenden Grundstückes Nr. 14/2 schraffiert dargestellt sind. Mit Schreiben vom 12. Mai 1992 teilte die Raumplanungsstelle der Gemeinde mit näherer Begründung mit, daß auch eine nur teilweise Bebauung des in Betracht kommenden Grundstückes die für die Gemeinde charakteristische ortsbildliche Situation negativ beeinflussen und zu einer negativen Siedlungsentwicklung führen würde. Gerade der Schutz solch ausgeprägter orts- und landschaftsbildlich wirksamer Situationen sei Aufgabe einer planerisch sinnvollen Siedlungsentwicklung. Darüberhinaus würde eine Bebauung aufgrund der Steilheit des Geländes Baukörperfigurationen mit sich bringen, die sich "sicherlich auch formal ausgesprochen" negativ auf das Orts- und Landschaftsbild auswirken würden. Nur teilweise horizontale Ebenen würden unweigerlich Hanganschnitte bzw. überdimensionale Stützmauern mit sich bringen. Ebenfalls wäre aufgrund der Steilheit mit einer weit überzogenen Geschoßzahl zu rechnen, da eine mögliche Erschließung nur bergseitig in Frage käme. Diese Geländeverhältnisse würden unweigerlich zu einer für das Orts- und Landschaftsbild negativen Baufiguration führen. Im Interesse der Erhaltung eines intakten Orts- und Landschaftsbildes werde die Gemeinde ersucht, von einer Umwidmung der Gp. 14/1 in Baugebiet Abstand zu nehmen.

Mit Schreiben vom 14. Dezember 1992 teilte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde der Raumplanungsstelle beim Amt der Vorarlberger Landesregierung mit, daß die Gemeindevertretung der beschwerdeführenden Gemeinde in der Sitzung vom 9. Dezember 1992 unter Punkt 3. das Grundstück Gp. 14/2 in Baugebiet umgewidmet habe. Dieses Grundstück liege zwischen der Landesstraße und der Gemeindestraße 1009/1 und habe Wasser-, Strom- und Abwasseranschluß. Ein entsprechendes Bauansuchen liege vor. Diesem Schreiben lag - nach den vorgelegten Verwaltungsakten - neuerlich eine Ablichtung eines Ausschnittes des Flächenwidmungsplanes bei, wobei die (nunmehr offenbar umgewidmete) Fläche wiederum schraffiert dargestellt war. Im Gegensatz zum Ansuchen um Vorbegutachtung vom 8. April 1992 umfaßte die schraffierte Fläche nur mehr einen Teil des Grundstückes Nr. 14/1.

Aufgrund dieses als "Antrag" behandelten Schreibens wurde mit Bescheid vom 29. April 1993 der Änderung des Flächenwidmungsplanes gemäß § 21 Abs. 2 in Verbindung mit § 19 Abs. 6 lit. a und b RPG, LGBl. Nr. 15/1973, die Genehmigung versagt. Unter Bezugnahme auf die negative Stellungnahme des Amtssachverständigen für Raumplanung und Baugestaltung vom 12. Mai 1992 (dabei handelt es sich um das Schreiben, welches der Gemeinde im Zuge der "Vorbegutachtung" übermittelt wurde) vertrat die belangte Behörde - zusammengefaßt - die Auffassung, es sei aufgrund der schlüssigen Ausführungen des Amtssachverständigen davon auszugehen, daß die geplante Bebauung der umgewidmeten Grundfläche die "landschaftsbildlich äußerst reizvolle Konstellation der Gemeinde ..." schwer beeinträchtigen würde. Eine Genehmigung der Umwidmung würde überörtliche Interessen des Schutzes des Landschaftsbildes verletzen. Überdies liege eine geordnete Entwicklung der Raumplanung dann nicht vor, wenn diese nur dazu diene, Bauwünsche von Grundeigentümern zu legitimieren. Die belangte Behörde erachte daher die Versagungsgründe nach § 19 Abs. 6 lit. a und b RPG als gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Aktenlage steht im Gemeindegebiet der beschwerdeführenden Gemeinde der mit Beschluß der Vorarlberger Landesregierung vom 2. Mai 1978 genehmigte Flächenwidmungsplan vom 1. April 1978 in Geltung. Das Grundstück Nr. 14/1 ist nach diesem Flächenwidmungsplan als Freifläche-Landwirtschaftsgebiet gewidmet.

Gemäß § 21 Abs. 1 des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes (RPG), LGBl. Nr. 15/1973, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 61/1988, darf der Flächenwidmungsplan nur aus wichtigen Gründen geändert werden. Er ist bei Änderung der maßgebenden Rechtslage (lit. a) oder bei wesentlicher Änderung der für die Raumplanung bedeutsamen Verhältnisse (lit. b) zu ändern.

Gemäß § 21 Abs. 2 RPG gelten für das Verfahren bei Änderungen des Flächenwidmungsplanes die Vorschriften des § 19 (mit Ausnahme jener über die Planauflage) sinngemäß.

Gemäß § 19 Abs. 6 RPG bedarf der Flächenwidmungsplan zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung der Landesregierung. Die Landesregierung hat die Genehmigung durch Bescheid zu versagen, wenn der Flächenwidmungsplan den in § 2 genannten Zielen oder einem Landesraumplan widerspricht oder sonst rechtswidrig ist (lit. a), überörtliche Interessen, insbesondere solche des Umweltschutzes und des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes, verletzt (lit. b) oder einen finanziellen Aufwand zur Folge hätte, durch den die Erfüllung der gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen der Gemeinde gefährdet würde (lit. c).

Gemäß § 19 Abs. 7 ist der Flächenwidmungsplan durch Bescheid zu genehmigen, wenn keine Versagungsgründe gemäß Abs. 6 vorliegen.

Die Beschwerdeführerin bekämpft in ihrer Beschwerde im wesentlichen die Schlüssigkeit des Raumordnungsgutachtens, auf welches sich die belangte Behörde nach der Begründung des angefochtenen Bescheides stützte, wobei auch Lichtbilder vorgelegt und Umstände vorgetragen werden, die dartun sollen, daß der Sachverständige von unrichtigen Voraussetzungen (gemeint: in der Befundaufnahme) betreffend die örtliche Situation in landschaftsbildlicher Hinsicht ausgegangen sei. Die Beschwerdeführerin rügt, daß die belangte Behörde vor Erlassung des angefochtenen Bescheides kein Ermittlungsverfahren durchgeführt und der beschwerdeführenden Gemeinde daher auch keine Gelegenheit gegeben habe, zu dem Gutachten Stellung zu nehmen.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis im Recht:

Die belangte Behörde hatte - in Ermangelung verfahrensrechtlicher Sonderbestimmungen - gemäß Art. II Abs. 2 lit. A Z. 1 EGVG das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz in vollem Umfang anzuwenden, darunter auch die auf den Gang des Ermittlungsverfahrens bezughabenden Vorschriften.

Gemäß § 37 AVG ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Die belangte Behörde hat ihre Ermittlungspflicht schon dadurch verletzt, daß sie ihre Entscheidung aufgrund unzulänglicher Unterlagen getroffen hat. So entspricht die von der Gemeinde vorgelegte, augenscheinlich nicht den Bestimmungen der Planzeichenverordnung, LGBl. Nr. 39/1975, entsprechende Handskizze nicht den Erfordernissen, die an einen Flächenwidmungsplan zu stellen sind. Auch besteht ein Widerspruch zwischen dieser Handskizze (wonach ein - nicht vermessener - Teil des Grundstückes Nr. 14/1 augenscheinlich als umgewidmetes Grundstück gekennzeichnet ist) und dem Ansuchen, wonach das jenseits des angrenzenden Weges gelegene Grundstück Nr. 14/2 umgewidmet worden sein soll. Die belangte Behörde geht in der Begründung des angefochtenen Bescheides wieder davon aus, das Grundstück Nr. 14/2 sei ein Teil des Grundstückes Nr. 14/1.

Abgesehen von diesem Widerspruch hat die antragstellende Gemeinde weder den Beschluß der Gemeindevertretung über die beschlossene Umwidmung (somit den eigentlichen Gegenstand des Genehmigungsverfahrens) vorgelegt, noch jene Unterlagen, aus denen ihre zur Umwidmung führenden Überlegungen hervorgehen. Solche Unterlagen sind schon deshalb erforderlich, weil die Zulässigkeit der Änderung des Flächenwidmungsplanes gemäß § 21 Abs. 1 RPG das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraussetzt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könnte etwa der (bloße) Wunsch der Grundeigentümer, ihre Grundstücke als Bauland gewidmet zu erhalten, noch keinen wichtigen, eine Widmungsänderung rechtfertigenden Grund im Sinne des Gesetzes darstellen (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 26. April 1990, Zl. 89/06/0102 und Zl. 89/06/0103, sowie die Erkenntnisse vom 11. Juni 1992, Zl. 88/06/0169 und Zl. 88/06/0170, das Erkenntnis vom 24. September 1992, Zl. 88/06/0208 u.a.).

Aufgrund dieser schon in der Antragstellung liegenden Mängel hätte die belangte Behörde in Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG die beschwerdeführende Gemeinde zur Behebung der Formgebrechen durch Nachbringung der Unterlagen, Darlegung der Gründe, die dem Beschluß der Gemeindevertretung zugrunde lagen, und Klarstellung, welches Grundstück tatsächlich umgewidmet wurde, auffordern müssen. Auch wäre klarzustellen gewesen, ob das eine schlichte Mitteilung von der erfolgten Umwidmung enthaltende Schreiben vom 14. Dezember 1992 überhaupt als Ansuchen um Genehmigung gemäß § 19 Abs. 7 RPG gewertet werden soll, zumal ein ausdrücklicher Antrag in diese Richtung dem Schreiben nicht zu entnehmen ist. Wäre die beschwerdeführende Gemeinde diesen Aufträgen nicht nachgekommen, so hätte die belangte Behörde den Antrag nicht ab- sondern (§ 13 Abs. 3 erster Satz AVG) zurückzuweisen gehabt.

Eine Abweisung des Antrages ohne den Versuch, ein Verbesserungsverfahren im aufgezeigten Sinne durchzuführen und die Unklarheiten über den eigentlichen Gegenstand des Verfahrens zu beheben, verletzt die beschwerdeführende Gemeinde in ihren Rechten.

Die beschwerdeführende Gemeinde ist aber auch mit ihrem Vorwurf der Verletzung des Parteiengehörs im Ergebnis im Recht. Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung auf ein Sachverständigengutachten gestützt, zu welchem sie der Gemeinde keine Gelegenheit zur Stellungnahme im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG gegeben hat. Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift war die Einholung einer solchen Stellungnahme auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Gemeinde dieses Gutachten schon aus der sogenannten "Vorbegutachtung" bekannt gewesen ist: Die Gemeinde mußte nämlich im Hinblick auf die von ihr vorgenommene (wenn auch unklare) Änderung des Vorhabens nicht davon ausgehen, daß die belangte Behörde

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ungeachtet dieser Änderung - ihren Bescheid auf ein Sachverständigengutachten stützen werde, welches zu dem früheren Vorhaben erstattet wurde. Aufgrund der Änderung des Vorhabens bestand für die Gemeinde auch keine Veranlassung, gleichsam vorsichtsweise eine Stellungnahme zu diesem Gutachten zu übermitteln. Es wäre vielmehr Aufgabe der belangten Behörde gewesen, zumindest eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen zu dem geänderten Vorhaben der Gemeinde

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unter der Voraussetzung seiner Zulässigkeit im Sinne des § 21 Abs. 1 RPG - einzuholen und der Gemeinde Gelegenheit zu geben, zu diesem Ergänzungsgutachten Stellung zu nehmen. Die von der Beschwerdeführerin behauptete Verletzung des Parteiengehörs liegt daher selbst dann vor, wenn man mit der belangten Behörde die "Vorbegutachtung" und das eigentliche Genehmigungsverfahren als ein einheitliches Verfahren ansieht. Ob letzteres zutrifft, kann daher auf sich beruhen.

Da das Verfahren vor der belangten Behörde ergänzungsbedürftig geblieben ist und die belangte Behörde überdies Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Abstandnahme vom Parteiengehör Besondere Rechtsgebiete Baurecht Parteiengehör Allgemein Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993060128.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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