TE OGH 2022/4/22 4Ob58/22s

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Veröffentlicht am 22.04.2022
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka sowie die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K* Z* GmbH, *, vertreten durch Dr. Bernhard Fink und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagten Parteien 1. Z* GmbH, 2. M* K*, vertreten durch Dr. Franz-Martin Orou, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisiorialverfahren 47.200 EUR) über den Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 24. Februar 2022, GZ 2 R 5/22k-12, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 20. Dezember 2021, GZ 69 Cg 114/21w-4 abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen. Die beklagten Parteien haben die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1]            Die Klägerin vertreibt Produkte aus Zirbenholz, insbesondere Zirbenwürfel, Zirbenkissen, Wasserkaraffen, Äpfel und Birnen sowie Kugeln aus Zirbenholz. Die Erstbeklagte bietet ebenfalls vergleichbare Waren aus Zirbenholz an. Der Zweitbeklagte ist Geschäftsführer der Erstbeklagten.

[2]            Die Erstbeklagte sendete am 13. 10. 2021 per Mail einen Newsletter mit (auszugsweise) folgender Gestaltung und Inhalt an alle ihre Kunden aus und verwies darin auf einen TV-Beitrag „Die Zirbe – mehr als ein Baum“ von Servus TV, der am 8. 10. 2021 auf Servus TV ausgestrahlt worden war:

[3]            Der Beitrag war über den von der Erstbeklagten bei „hier geht‘s zur Servus TV Mediathek“ gesetzten Link über die Mediathek von Servus TV abrufbar.

[4]            In der Sendung wurden unter Bezugnahme auf eine Studie des Joanneum Research verschiedene positive Eigenschaften der Zirbe auf die Gesundheit des menschlichen Körpers hervorgehoben. Es wurde behauptet, dass die Zirbe zur Entspannung, zu einer niedrigeren Herzschlagfrequenz und zu einem besseren Schlaf führe, entzündungshemmend sei und desinfizierend wirke. Die Firma der Erstbeklagten wurde erwähnt.

[5]            Es gibt bislang keine wissenschaftlich fundierten Studien, die die in der Sendung hervorgehobenen Eigenschaften bestätigen. Die Studie des Joanneum Research ist nicht geeignet, um medizinische Wirkungen nachzuweisen.

[6]            Die Klägerin beantragte zur Sicherung ihres klagsweise geltend gemachten Unterlassungsanspruchs die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wonach den Beklagten verboten werde, damit zu werben, dass Zirbenholz Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen habe, antibakteriell, schädlingshemmend und/oder desinfizierend wirke, dies insbesondere durch die Verwendung von im Begehren konkret angeführten und ähnlichen Aussagen. Mit gesundheitsbezogenen Angaben dürfe grundsätzlich nur geworben werden, wenn diese eindeutig belegt seien und eine Irreführung für die umworbenen Verbraucher ausgeschlossen sei.

[7]            Die Beklagten wandten unter anderem ein, dass die Aussagen vom Publikum im Gesamtzusammenhang nicht als werbliche Aussagen der Erstbeklagten aufgefasst würden.

[8]            Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die gesundheitsbezogenen Aussagen über angebliche Wirkungen des Zirbenholzes im Servus TV-Beitrag seien den Beklagten nicht zuzurechnen, weshalb der Sicherungsantrag abzuweisen sei. Es sei nicht bescheinigt, dass der von der Erstbeklagten in ihrem Newsletter gesetzte Link direkt zum TV-Beitrag geführt habe. Es sei nicht auszuschließen, dass noch weitere „Klicks“ innerhalb der Mediathek notwendig gewesen seien, um den Beitrag ansehen zu können. Selbst wenn der Link aber direkt auf den Beitrag in der Mediathek geführt habe, habe die Erstbeklagte damit noch nicht den Inhalt der Sendung zum Inhalt ihres Newsletters gemacht. Sie habe lediglich auf einen TV-Beitrag verwiesen, vergleichbar mit einem Fundstellennachweis.

[9]            Das Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Durch den unmittelbaren Verweis der Erstbeklagten auf einen als „spannende Dokumentation“ bezeichneten redaktionellen Beitrag im Fernsehen samt Hinweis, dass nun auch die „Zirbenfamilie“ aus dem TV bekannt sei, würde sie ihre eigenen Produkte mit dem Inhalt dieses redaktionellen Beitrags verknüpfen. Dem Leser werde suggeriert, dass die im Beitrag enthaltenen Aussagen auf ihre Produkte zuträfen, somit ihre Produkte die im Beitrag behaupteten gesundheitsfördernden Wirkungen hätten, obwohl es dafür keine wissenschaftlich fundierten Studien gebe. Während ein Verbraucher bei offener Werbung in Rechnung stelle, dass sie stets subjektiv gefärbt sei, und deshalb geneigt sei, gewisse Abstriche zu machen, bringt er Stellungnahmen von neutraler Seite oft unbegrenztes Vertrauen entgegen. Diese Wirkung mache sich die Erstbeklagte durch die Verlinkung zunutze, weil für den Konsumenten gerade nicht ersichtlich sei, dass dieser Link „nur“ der Bewerbung der eigenen Produkte diene. Sie habe daher den fremden Inhalt genutzt und diesen in ihren eigenen Newsletter eingebettet, um den Endverbraucher in seiner Kaufentscheidung zu beeinflussen. Es liege daher (ua) eine Irreführung nach § 2 UWG vor.

[10]           Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und ließ den Revisionsrekurs mangels Rechtsprechung zur Frage zu, ob allein durch das Verlinken eines Newsletters mit einem redaktionellen Beitrag dessen Inhalt zum Bestandteil der eigenen Werbung gemacht wird.

[11]           Die Beklagten beantragen mit ihrem – von der Klägerin beantworteten – Revisionsrekurs die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[12]     Der Revisionsrekurs ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Rekursgerichts in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[13]           1. Die Beklagten stützen die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels auf den Umstand, dass ihnen durch die bloße Verlinkung auf einen redaktionellen TV-Beitrag die darin getätigten Aussagen nicht als Werbeaussage zuzurechnen seien, zumal der fremde Beitrag (mangels einer Handlung im geschäftlichen Verkehr) nicht wettbewerbswidrig sei. Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

[14]           2.1. In der lauterkeitsrechtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Inhalt einer (iaR eigenen) Website, auf den ein Unternehmer mit einem Link verweist, bei der Beurteilung der Irreführung einer Werbeaussage nach § 2 UWG zu berücksichtigen ist (zB 4 Ob 208/06a; 4 Ob 47/07a; 4 Ob 177/18k; 4 Ob 187/21k).

[15]           2.2. Für den Anlassfall macht es keinen Unterschied, dass die Erstbeklagte auf eine fremde Website verwiesen hat.

[16]           2.3.1. Nach der (im Zusammenhang mit der Haftung für fremde Wettbewerbsverstöße entwickelten) lauterkeitsrechtlichen Rechtsprechung muss sich ein Linksetzer den Inhalt einer fremden Website als eigenen Inhalt zurechnen lassen, wenn der Link eigene Ausführungen ersetzen soll (4 Ob 274/00y, jobmonitor.com; 4 Ob 225/00t, 4 Ob 30/01t; 4 Ob 219/03i). Der Linksetzer bringt in einem solchen Fall zum Ausdruck, dass seine Website ohne die fremde Leistung nicht so vollständig wäre, wie dies aus Sicht des Anbieters erforderlich ist (4 Ob 219/03i).

[17]           2.3.2. Das Erfordernis des „Zu-eigen-Machens“ des fremden Inhalts zeigt, dass nach der bisherigen Rechtsprechung der Setzer eines Links lauterkeitsrechtlich nicht in jedem Fall und ohne weitere Voraussetzungen für den Inhalt der fremden Website haftet. Die Haftung für reine Link-Sammlungen, die erkennbar als Serviceleistung auf Websites angeboten werden, bzw bei dem der Link bloß als Fundstellennachweis dient, wurde etwa in der Entscheidung 4 Ob 274/00y ausdrücklich offen gelassen.

[18]           2.3.3. Dem Linksetzer ist der Inhalt der fremden Website nach der aufgezeigten Rechtsprechung als eigener Inhalt deshalb zurechenbar, weil der Link eigene Ausführungen ersetzen soll. Der Setzer eines Links zu einer fremden Website will in einem solchen Fall, dass der Internet-Nutzer von seiner Seite auch auf den Inhalt der über den Link erreichbaren fremden Seite zugreifen kann. Er vermittelt den Zugriff auf die fremde Seite und trägt zu deren Sichtbarmachung bei (RS0114467). Die angefochtene Entscheidung hält sich im Rahmen der Rechtsprechung.

[19]           2.3.4. Dass der referierten Rechtsprechung die Haftung für fremde Wettbewerbsverstöße zugrundeliegt, macht sie im Anlassfall (bei dem ein fremder Wettbewerbsverstoß unstrittig nicht vorliegt) nicht unanwendbar. Kernfrage der aufgezeigten Judikatur ist die Zurechenbarkeit fremder Äußerungen, nicht aber eine (auf die Zurechenbarkeit aufbauende allfällige) Haftung für einen fremden Verstoß.

[20]           2.4. Ob sich der Linksetzer die fremden Inhalte zu eigen gemacht hat, kann naturgemäß nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.

[21]           2.4.1. Das Rekursgericht verwies darauf, dass die Erstbeklagte in ihrem Newsletter unter der in Großbuchstaben gedruckten Wortbildmarke der „Zirben Familie“ und den Hinweisen auf eine „spannende Dokumentation“ bzw auf „die Zirbe – mehr als ein Holz“ mit dem Zusatz „Zirbenfamilie jetzt auch bekannt aus TV“ eine Verlinkung zu diesem redaktionellen Beitrag vorgenommen und die Kunden dadurch veranlasst habe, durch einfaches Anklicken des Links (gegebenenfalls unter zusätzlichem Aufruf des namentlich bezeichneten Beitrags in der Mediathek) zum Beitrag zu gelangen. Sie habe damit den Inhalt des TV-Beitrags räumlich und sachlich in ihren Newsletter eingegliedert und dadurch zum Ausdruck gebracht, die darin getätigten Äußerungen zum Inhalt der eigenen Werbung zu machen.

[22]           2.4.2. Diese Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass sich die Erstbeklagte die Ausführungen im TV-Beitrag im Sinne der Rechtsprechung „zu eigen machte“, ist jedenfalls vertretbar und bedarf keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.

[23]           3.1. Gesundheitsbezogene Angaben sind dann irreführend, wenn Wirkungen behauptet werden, die nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis nicht hinreichend belegt sind (RS0051518; vgl auch zum Maßstab einer Irreführungseignung bei Arzneimittelwerbung: RS0121785).

[24]           3.2. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass gesundheitsbezogene Angaben wie jene im TV-Beitrag irreführend seien, weil Wirkungen behauptet werden, die nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis nicht hinreichend belegt seien, deckt sich mit dieser Judikatur.

[25]           3.3. Dem tritt das Rechtsmittel auch nicht entgegen. Es wird insbesondere nicht damit argumentiert, dass die Angaben über die (in der Sendung) behaupteten positiven Wirkungen auf die Gesundheit durch Studien hinreichend belegt seien. Die Rechtsmittelwerber behaupten vielmehr, dass sich die Aussagen im Beitrag nicht auf die Produkte der Klägerin bezogen bzw nicht die vom Unterlassungsbegehren umfassten Äußerungen zum Zirbenholz enthalten hätten. Auch im Zusammenhang mit den im TV-Beitrag getätigten Aussagen zeigt das Rechtsmittel keine korrekturbedürftige Fehlentscheidung auf.

[26]           3.4. Wie die angesprochenen Kreise eine Werbeaussage oder Ankündigung verstehen und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher in der Regel ebenso wenig eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RS0107771; RS0043000; RS0053112) wie die Frage, ob eine andere Beurteilung der festgestellten Aussage vertretbar ist (RS0107768). Die Frage, nach dem Bedeutungsinhalt von Äußerungen richtet sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck, den ein redlicher Mitteilungsempfänger gewinnt (RS0031883). Auch damit wird – von krassen Fehlentscheidungen abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage tangiert (RS0031883 [T28]).

[27]     3.5. Die Ausführungen im Rechtsmittel blenden die Feststellung aus, dass im TV-Beitrag auf die Studie des Joanneum Research verwiesen wurde. Ebenso wurde festgestellt, dass in der Sendung die relevierten gesundheitsbezogenen Angaben getätigt wurden. Schließlich steht auch fest, dass konkret Bezug auf die „Zirbenfamilie“ und ihre Produkte genommen wurde.

[28]           3.6. Die Ansicht des Rekursgerichts, dem Leser des Newsletters werde suggeriert, dass die im Beitrag enthaltenen Aussagen auf die Produkte der Erstbeklagten zuträfen, somit ihre Produkte die im Beitrag behaupteten gesundheitsfördernden Wirkungen hätten, stellt jedenfalls keine grobe Fehlbeurteilung dar.

[29]     4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 43 Abs 2, 50 ZPO.

Textnummer

E134896

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00058.22S.0422.000

Im RIS seit

25.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

25.05.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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