TE OGH 2022/4/22 4Ob9/22k

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Veröffentlicht am 22.04.2022
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka und die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. B* K*, vertreten durch Dr. Alexander Knotek Mag. Florian Knotek, LL.M., Rechtsanwälte in Baden, gegen die beklagte Partei Dipl.-Ing. A* N*, vertreten durch Dr. Ernst Brunner, Rechtsanwalt in Wien, wegen 13.600 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28. Oktober 2021, GZ 36 R 124/21h-120, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Liesing vom 9. März 2021, GZ 1 C 237/16p-114, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1]             Die Klägerin beauftragte den beklagten Architekten 2013 mit der Einreichplanung für den Umbau eines ererbten Einfamilienhauses. Ziel war eine offenere, modernere Gestaltung desselben.

[2]            Die Baubehörde teilte dem Beklagten nach Vorprüfung seiner Einreichpläne mit, dass Ergänzungen und Korrekturen erforderlich seien. Zwar konnten Einwände der Behörde gegen die geschlossene Bauweise im ersten Obergeschoß ausgeräumt werden. Jedoch waren andere gravierende Mängel am eingereichten Plan – insbesondere eine Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe von 5 m um 2,1 m – so gravierend, dass sie ohne eine Abänderung des geplanten Gebäudes, welche sich auf die Erscheinung und Nutzbarkeit auswirken würden, nicht behoben werden könnten. Nach Behebung wäre das geplante Gebäude nicht mehr jenes, dessen Entwurf die Klägerin freigegeben hatte. Die Klägerin wäre grundsätzlich auch mit vom ursprünglichen Einreichplan abweichenden Lösungen einverstanden gewesen.

[3]            Die Klägerin war sehr enttäuscht und ersuchte den Beklagten unmittelbar nach der Baubesprechung, mit seinen Arbeiten innezuhalten, weil ihr Vertrauen aufgrund der Planungsmängel und der nicht in ihrem Interesse liegenden Lösungsvorschläge erschüttert sei. Nach einer Bedenkzeit beendete die Klägerin die Zusammenarbeit endgültig.

[4]            Die Klägerin hat dem Beklagten bereits 23.600 EUR an Werklohn bezahlt. Für die erbrachten Leistungen sind 21.744 bis 24.624 EUR als Entgelt angemessen.

[5]            Die Klägerin begehrte die Rückzahlung von 13.600 EUR an Werklohn. Sie habe den Vertrag aufgelöst, weil die Einreichplanung wegen der Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe nicht genehmigungsfähig und daher unbrauchbar gewesen sei. Für die mangelhafte Leistung des Beklagten seien nur 10.000 EUR angemessen.

[6]            Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Die Klägerin habe das Werk abbestellt, ohne dem Beklagten Gelegenheit zur Verbesserung zu geben. Das Beweisverfahren habe auch keine Hinweise darauf ergeben, dass eine Verbesserung aussichtslos gewesen wäre. Die geleisteten Zahlungen der Klägerin überstiegen nicht den angemessenen Werklohn.

[7]            Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil Rechtsprechung dazu fehle, wen die Beweislast dafür treffe, ob das Werk fertiggestellt werden könne.

Rechtliche Beurteilung

[8]       Die Revision ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[9]            1. Die Klägerin beruft sich in ihrem Rechtsmittel auf ihr freies Abbestellungsrecht. Dieses stellt jedoch für sich genommen keine taugliche Rechtsgrundlage für eine Rückforderung des Werklohns dar, weil der Werkunternehmer gemäß § 1168 Abs 1 ABGB den Anspruch auf das vereinbarte Entgelt behält, wenn die Ausführung des Werks durch Umstände auf Seiten des Bestellers unterbleibt. Dazu gehört grundsätzlich auch die Abbestellung des Werks, sofern diese nicht auf ein schuldhaftes Verhalten des Unternehmers zurückzuführen ist (RS0021829 [T2]).

[10]           2.1. Wenn ein entgeltlicher Vertrag von einem Teil entweder nicht zur gehörigen Zeit, am gehörigen Ort oder auf die bedungene Weise erfüllt wird, kann der andere gemäß § 918 Abs 1 ABGB unter Festsetzung einer angemessenen Frist zur Nachholung den Rücktritt vom Vertrag erklären.

[11]           Das Rücktrittsrecht unter Nachfristsetzung steht also nicht nur bei Leistungsverzug zu, sondern auch bei einem in der Verweigerung der Zuhaltung von vereinbarten wesentlichen Vertragsbedingungen gelegenen Vertragsbruch, wenn er mit einer schweren Erschütterung des Vertrauens in die Person des Vertragspartners einhergeht (vgl RS0018286; RS0111147).

[12]           2.2. Der Rücktritt wird erst nach einer angemessenen Nachfrist wirksam (RS0018395). Rücktrittserklärung und Nachfristsetzung bilden eine Einheit, die dem Schuldner eine letzte Chance zur Vertragserfüllung geben soll (RS0018375). Von der Nachfristsetzung kann in Ausnahmefällen abgesehen werden – etwa, wenn der Schuldner offensichtlich nicht in der Lage ist, die Leistung nachzuholen (RS0018400) oder die Leistung bereits ernsthaft und endgültig verweigert hat (RS0018371; vgl RS0018428).

[13]           Konkret beim Architektenvertrag berechtigt die Erstellung eines mangelhaften Einreichplans nicht zur Vertragsauflösung, wenn die Mängel verbesserungsfähig sind (vgl 2 Ob 163/13d [Pkt 5]; vgl auch 6 Ob 196/15i zu einem erst in der zweiten Version genehmigungsfähigen Einreichplan).

[14]           2.3. Im Zivilprozess hat grundsätzlich jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen (RS0037797). Die Beweislast für einen Rücktrittsgrund trifft daher denjenigen, der sich auf diesen beruft (2 Ob 163/13d [Pkt 5] mwN; vgl auch RS0018286 [T9]). Daher trifft nach der Rechtsprechung den Werkbesteller, der ohne Setzung einer Nachfrist zurücktritt, die Beweislast für die Entbehrlichkeit derselben (4 Ob 587/87 – hier wegen offensichtlicher Unfähigkeit zur Fertigstellung des Werks).

[15]           Die Entscheidung der Vorinstanzen bewegt sich im Rahmen oder von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Kriterien. Nach den Feststellungen war zwar der Einreichplan zum konkreten, von der Klägerin freigegebenen Entwurf nicht genehmigungsfähig. Daraus ist aber weder zwingend auf eine Unfähigkeit des Beklagten zu schließen noch abzuleiten, dass das von der Klägerin bestellte Werk, nämlich die Planung einer moderneren und offeneren Gestaltung des Hauses endgültig gescheitert war.

[16]           2.4. Ob nach den konkreten Umständen derartig wichtige Gründe vorliegen, die zu einer sofortigen Vertragsaufhebung nach § 918 ABGB berechtigen würden, ist im Übrigen immer eine Frage des Einzelfalls, der keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt (RS0018286 [T9]).

[17]           Die Revision zeigt in diesem Zusammenhang keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen auf.

[18]            3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40 und 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen, sodass er die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen hat (RS0035979).

Textnummer

E134860

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00009.22K.0422.000

Im RIS seit

24.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

24.05.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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