TE OGH 2022/2/22 8Ob9/22i

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Veröffentlicht am 22.02.2022
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Insolvenzsache der Schuldnerin R* GmbH, *, Insolvenzverwalter Dr. Emilio Stock, Rechtsanwalt in Kitzbühel, aus Anlass des Revisionsrekurses (I.) sowie über den Revisionsrekurs (II.) der B* NV/SA, *, vertreten durch den Kreditschutzverband von 1870, 6020 Innsbruck, Templstraße 30, dieser vertreten durch Kroker Tonini Höss & Lajlar, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 4. November 2021, GZ 1 R 187/21s-33, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 12. Oktober 2021, GZ 19 S 30/21s-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Der Beschluss des Erstgerichts auf Insolvenzeröffnung vom 21. Juli 2021 wird dahin berichtigt, dass an die Stelle des Wortes „Konkursverfahren“ zu treten hat: „Sanierungsverfahren (ohne Eigenverwaltung)“.

Die Durchführung der Berichtigung in der Urschrift und den Ausfertigungen obliegt dem Erstgericht.

II. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird in ihrem Spruchpunkt II. dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

[1]       Die Schuldnerin beantragte mit am 19. 7. 2021 bei Gericht eingelangtem Antrag, über ihr Vermögen ein „Insolvenzverfahren ohne Eigenverwaltung“ zu eröffnen, und legte unter einem einen Sanierungsplan vor.

[2]       Das Erstgericht eröffnete mit Beschluss vom 21. 7. 2021 „das Konkursverfahren“ und beraumte im Eröffnungsbeschluss für den 27. 9. 2021 die Sanierungsplantagsatzung an. Eine Begründung für die Bezeichnung des Verfahrens als „Konkursverfahren“ enthielt der Beschluss nicht. In der Insolvenzdatei und im Firmenbuch wurde das Verfahren als „Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung“ bezeichnet. Auch die Anberaumung der Sanierungsplantagsatzung für den 27. 9. 2021 wurde am 21. 7. 2021 in der Insolvenzdatei bekanntgemacht.

[3]       Das Erstgericht beschloss, weil die Schuldnerin die Tagsatzung vom 27. 9. 2021 unbesucht ließ und damit nach Beurteilung des Erstgerichts der Sanierungsplan als iSv § 145 Abs 3 IO zurückgezogen galt, noch in der Tagsatzung die Abänderung der Bezeichnung des Verfahrens auf „Konkursverfahren“. Das Firmenbuchgericht machte am 29. 9. 2021 im Firmenbuch aufgrund der Mitteilung des Insolvenzgerichts sowohl die „Änderung der Bezeichnung von Sanierungs- auf Konkursverfahren“ als auch, dass die „Gesellschaft […] infolge Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst [ist]“, ersichtlich.

[4]       Die Schuldnerin beantragte am 11. 10. 2021 mit der wesentlichen Begründung, sie sei zur Tagsatzung nicht wie von § 145 Abs 2 IO verlangt besonders geladen worden, weshalb nicht iSv § 145 Abs 3 IO von der Zurücknahme des Sanierungsplans ausgegangen werden könne, die „Berichtigung“ des die Bezeichnung des Verfahrens (vermeintlich; Anm) abändernden Beschlusses vom 27. 9. 2021 dahin, „dass dieser Beschluss mit der Wirkung ex tunc ersatzlos entfällt und der Sanierungsplanvorschlag nach wie vor aufrecht ist“ (Pkt 1.), und „in weiterer Folge“ – im Wesentlichen – den ersatzlosen Entfall der Eintragungen vom 29. 9. 2021 und deren Löschung im Firmenbuch (Pkt 2.).

[5]            Das Erstgericht wies den Antrag laut Pkt 1. des Schriftsatzes vom 11. 10. 2021 ab. Es habe sich um keine Sanierungsplantagsatzung iSd § 145 IO, „sondern um die Anberaumung der Sanierungsplantagsatzung im Rahmen eines Sanierungsverfahrens ohne Eigenverwaltung gemäß § 168 IO auf Antrag der Schuldnerin“ gehandelt, weshalb es keiner besonderen Ladung der Schuldnerin bzw ihres Geschäftsführers bedurft habe.

[6]            Gegen diesen Beschluss erhoben die Schuldnerin und deren Geschäftsführer Rekurs mit einem auf Stattgebung des am 11. 10. 2021 gestellten Antrags gerichteten Abänderungsantrag.

[7]            Das Rekursgericht wies den Rekurs des Geschäftsführers – in Rechtskraft erwachsen – zurück (Spruchpunkt I.) und änderte in Stattgebung des Rekurses der Schuldnerin den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass er zu lauten habe (Spruchpunkt II.): „Die Bezeichnung des Verfahrens auf Konkursverfahren wird dahingehend berichtigt, dass das Insolvenzverfahren – wie vor der Bezeichnungsänderung – als Sanierungsverfahren zu bezeichnen ist.

[8]            Rechtlich führte das Rekursgericht zu seinem Spruchpunkt II. zusammengefasst aus, es bestehe kein Zweifel, dass ein Schuldner aufgrund der Wirkungen einer Bezeichnungsänderung von „Sanierungsverfahren“ auf „Konkursverfahren“, zB der Auflösung der Gesellschaft gemäß § 84 Abs 1 Z 4 GmbHG, zur Stellung des in § 167 Abs 4 IO vorgesehenen Antrags auf Berichtigung der Bezeichnung des Verfahrens legitimiert sei. Es sei auch von einem zulässigen Rekurs der Schuldnerin gegen die Verweigerung der Berichtigung auszugehen, weil sich der Rechtsmittelausschluss des § 167 Abs 4 Satz 2 HalbS 1 IO nur auf die Bezeichnung des Verfahrens und die Änderung der Bezeichnung, nicht aber auf die in HalbS 2 leg cit vorgesehenen Berichtigung beziehe. Der Rekurs sei auch berechtigt. Das Erstgericht habe im Insolvenzeröffnungsbeschluss das Verfahren irrtümlich als „Konkursverfahren“ statt –  aufgrund der Erfüllung der Voraussetzungen des § 167 Abs 1 IO  – richtig als „Sanierungsverfahren (ohne Eigenverwaltung)“ bezeichnet, dies aber selbst –  wenn auch nicht in Beschlussform, sondern implizit  – bereits dadurch von Amts wegen berichtigt, dass in der Insolvenzdatei die Verfahrenseröffnung als „Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung“ öffentlich bekannt gemacht wurde. Der nähere Ablauf der Sanierungsplantagsatzung sei entgegen dem Standpunkt des Erstgerichts nicht in §§ 166 ff IO, sondern in §§ 140 ff IO geregelt, weshalb nach § 145 Abs 2 IO die Schuldnerin zur Sanierungsplantagsatzung besonders zu laden gewesen wäre.

[9]            Die im Schrifttum vertretene Auffassung, dass eine Verletzung der die besondere Ladung einzelner Beteiligter zur Sanierungsplantagsatzung regelnden Vorschrift des § 145 Abs 2 IO sanktionslos sei, beziehe sich nur darauf, ob den Insolvenzgläubigern gleichzeitig mit der Ladung je eine Abschrift des Sanierungsplanvorschlags zugestellt wurde, werde doch dies damit begründet, dass der wesentliche Inhalt des Sanierungsplans öffentlich bekannt zu machen ist. Werde der Schuldner nicht besonders geladen und/oder nicht auf die Rechtsfolgen des Nichterscheinens iSd § 145 Abs 3 IO hingewiesen, so sei nach Ansicht des Rekursgerichts das Unterbleiben einer mit derartiger Rechtsbelehrung verbundenen besonderen Ladung nicht sanktionslos, sondern als Mangelhaftigkeit des Verfahrens anzusehen. Ist solch eine besondere Ladung oder eine dementsprechende Rechtsbelehrung eines rechtsfreundlich unvertretenen Schuldners unterblieben, so trete die im Falle des Nichterscheinens vorgesehene Rechtsfolge, dass damit der Antrag auf Abschluss eines Sanierungsplans als zurückgezogen gelte, nicht ein. Damit sei die in der Tagsatzung vom 27. 9. 2021 ausgesprochene Bezeichnungsänderung von Sanierungsverfahren auf Konkursverfahren zu Unrecht erfolgt. Genau für diesen Fall sei eine Berichtigung von Amts wegen und auch über Antrag möglich. Das Erstgericht habe den Berichtigungsantrag der Schuldnerin zu Unrecht abgewiesen. Sein Beschluss sei in Stattgebung des Rekurses im Sinne einer Berichtigung der Bezeichnungsänderung abzuändern.

[10]           Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 30.000 EUR und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Bestimmung des § 167 Abs 4 IO zu.

[11]           Gegen diese Entscheidung richtet sich der aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revisionsrekurs einer Gläubigerin mit dem Antrag, den Rekurs der Schuldnerin gegen den Beschluss des Erstgerichts zurück- und hilfsweise abzuweisen. Für das Hauptbegehren auf Zurückweisung des Rekurses wird ins Treffen geführt, dass die Schuldnerin durch die Abweisung ihres Berichtigungsantrags nicht beschwert gewesen sei, sei es einem Schuldner doch nach § 140 Abs 1 IO bis zur Insolvenzaufhebung möglich, den Abschluss eines Sanierungsplans zu beantragen. Zudem müsse der in § 167 Abs 4 IO enthaltene Rechtsmittelausschluss auch im Fall der Entscheidung über einen Berichtigungsantrag greifen, da ansonsten die Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Verfahrensbezeichnung umgangen würde. Das Eventualbegehren auf Abweisung des Rekurses wird im Revisionsrekurs damit begründet, dass es bei § 167 Abs 4 IO um eine Berichtigung gehe, eine solche nach ständiger Rechtsprechung aber nur im Falle einer offenbaren Unrichtigkeit zulässig sei. Auch sei nach richtiger Rechtsansicht eine Verletzung der Ladungsvorschrift des § 145 Abs 2 IO sanktionslos und die in § 145 Abs 3 aE IO für den Fall des Fernbleibens des Schuldners vorgesehene Rechtsfolge nicht davon abhängig, ob dieser zur Tagsatzung besonders geladen wurde.

[12]           Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[13]           1. Das Rechtsmittelverfahren in Insolvenzsachen ist nach ständiger Rechtsprechung – mit Ausnahme des Eröffnungsverfahrens sowie im Gesetz genannter Sonderfälle – einseitig (§ 260 Abs 4 IO; RIS-Justiz RS0116129 [T2]). Es bestand hier auch keine Veranlassung, der Schuldnerin ausnahmsweise aus Gründen der „Waffengleichheit“ die Möglichkeit einer Revisionsrekursbeantwortung einzuräumen, hat sie doch ihren Rechtsstandpunkt bereits im Berichtigungsantrag vom 11. 10. 2021 und im Rekurs dargelegt (vgl RS0118686 [T17]).

[14]           2. Nach ständiger Rechtsprechung setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer voraus, weil es nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanzen ist, rein theoretische Fragen zu entscheiden. Voraussetzung ist nicht nur die formelle, sondern auch die materielle Beschwer. Sie liegt vor, wenn der Rechtsmittelwerber ein Bedürfnis auf Rechtsschutz gegenüber der angefochtenen Entscheidung hat (statt vieler 2 Ob 149/20f [Rz 9] mwN).

[15]           Gemäß § 167 Abs 1 IO ist das Insolvenzverfahren als Sanierungsverfahren zu bezeichnen, „wenn der Schuldner 1. dessen Eröffnung sowie 2. unter Anschluss eines zulässigen Sanierungsplans die Annahme eines Sanierungsplans beantragt und dieser Antrag vom Gericht nicht zugleich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgewiesen wird“. Liegen die Voraussetzungen des § 167 Abs 1 IO nicht vor, so heißt das Insolvenzverfahren zufolge § 180 Abs 1 IO „Konkursverfahren“.

[16]           Die Ausdrücke Sanierungs- und Konkursverfahren sind zwar bloß Bezeichnungen für unterschiedliche Verfahrensstrukturen innerhalb des einheitlichen Insolvenzverfahrens, aus der Verwendung des einen oder anderen Begriffs wissen aber alle Beteiligten über die Heranziehung teilweise anderer Bestimmungen der IO Bescheid (Konecny, Das Verfahrensgebäude der Insolvenzordnung, in Konecny, IRÄG 2010 [2010] 1 [6]). Die Bezeichnung als „Sanierungsverfahren“ dient dazu, dass „von Beginn an klar [ist], dass der Schuldner eine Sanierung durch Abschluss eines Sanierungsplans anstrebt“ (ErläutRV 612 BlgNR 24. GP 29). Wird hingegen später wegen Eintritts einer in § 167 Abs 3 Z 1 bis 4 IO genannten Situation – zB weil der Schuldner den Sanierungsplanantrag zurückzieht (Z 2) – die Verfahrensbezeichnung auf „Konkursverfahren“ abgeändert, so wissen die Beteiligten, dass es fortan grundsätzlich um keine Sanierung mehr geht. So besteht aufgrund der Umbenennung Klarheit, dass die Verwertungssperre nach § 168 Abs 2 IO nicht mehr anzuwenden ist (Mohr, Sanierungsplan und Sanierungsverfahren [2010] Rz 903).

[17]           Die in §§ 167, 180 IO vorgesehene Terminologie dient also der grundlegenden Orientierung aller Beteiligten. Aus der Bezeichnung „Konkursverfahren“ folgt beispielsweise – für die Befriedigung der Gläubiger von unmittelbarem Interesse –, dass keine Verwertungssperre nach § 168 Abs 2 IO mehr bestehen kann. Die Revisionsrekurswerberin ist als am Insolvenzverfahren teilnehmende Gläubigerin durch die Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses, mit dem das Erstgericht auf der Richtigkeit seiner Entscheidung vom 27. 9. 2021 (fortan liege ein – zumindest grundsätzlich nicht auf Sanierung, sondern Vermögensverwertung abzielendes – Konkursverfahren vor) beharrte, durch die Entscheidung des Rekursgerichts, wonach „das Insolvenzverfahren – wie vor der Bezeichnungsänderung – als Sanierungsverfahren zu bezeichnen ist“, beschwert.

[18]           3. Die Revisionsrekurswerberin begründet ihr Begehren auf Zurückweisung des von der Schuldnerin erhobenen Rekurses zum einen damit, dass die Schuldnerin durch die erstgerichtliche Entscheidung nicht beschwert sei, könne sie doch gemäß § 140 Abs 1 IO noch bis zur Insolvenzaufhebung wieder einen Sanierungsplanantrag stellen.

[19]           Abgesehen davon, dass – wie unter Punkt 2. ausgeführt – die Bezeichnung des Verfahrens als Sanierungs- oder als Konkursverfahren der Orientierung aller Beteiligten und damit auch jener der Schuldnerin dient, liegt deren materielle Beschwer durch die erstgerichtliche Entscheidung auch darin, dass die Bezeichnung eines Verfahrens als Konkursverfahren automatisch zu ihrer Auflösung führt. Nach § 84 Abs 1 Z 4 erster Fall GmbHG wird eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung „durch die Eröffnung des Konkursverfahrens“ aufgelöst. Als eine solche Konkurseröffnung ist nach einhelliger Ansicht auch die Abänderung der Bezeichnung eines Insolvenzverfahrens von „Sanierungsverfahren“ auf „Konkursverfahren“ nach § 167 Abs 3 IO anzusehen (ErläutRV 771 BlgNR 24. GP 8; Lentsch in KLS § 167 IO Rz 25; Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 84 Rz 43). Dabei geht es ja um das „Kippen“ eines Sanierungsverfahrens in ein Konkursverfahren (Jelinek, Insolvenzrechtsreform 2010, wbl 2010, 377 [381]). Durch Abweisung des Berichtigungsantrags beharrte das Erstgericht auf der Richtigkeit der Bezeichnung des Verfahrens als Konkursverfahren und damit auch auf der gesetzlichen Rechtsfolge der Auflösung der Schuldnerin als GmbH. Die Schuldnerin war durch den erstgerichtlichen Beschluss entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin beschwert.

[20]           4. Die Revisionsrekurswerberin begründet ihr Begehren auf Zurückweisung des Rekurses der Schuldnerin zum anderen mit der in § 167 Abs 4 IO enthaltenen Rechtsmittelbeschränkung.

4.1. § 167 Abs 4 IO lautet:

„(4) Die Änderung der Bezeichnung auf Konkursverfahren ist öffentlich bekannt zu machen. Gegen die Bezeichnung und deren Änderung ist kein Rekurs zulässig; die Bezeichnung kann jedoch auf Antrag oder von Amts wegen vom Gericht berichtigt werden.“

4.2. Die ErläutRV führen zu dieser Bestimmung wie folgt aus (612 BlgNR 24. GP 29):

Da dem Insolvenzgericht bei der Bezeichnungsänderung kein Entscheidungsspielraum verbleibt, sondern die Änderung an bestimmte Vorgänge im Insolvenzverfahren“ [nämlich die in § 167 Abs 3 IO genannten, Anm] „anknüpft, ist eine gesonderte Anfechtungsmöglichkeit dieser Bezeichnungsänderung entbehrlich. Sollte (was kaum zu erwarten ist) die Bezeichnung zu Unrecht abgeändert worden sein, ist eine Berichtigung von Amts wegen und auch auf Antrag möglich.

Muss die Bezeichnung von Sanierungsverfahren auf Konkursverfahren abgeändert werden, so soll dies auch in der Insolvenzdatei bekannt gemacht werden.“

[21]     4.3. Zu § 167 Abs 4 IO liegen nur spärlich Äußerungen in Lehre und Rechtsprechung vor:

[22]     Nach Konecny ist eine Berichtigung der Verfahrensbezeichnung nur bei Irrtümern möglich (aaO 10).

[23]           Unter Hinweis auf diesen Autor kommentiert Lentsch (in KLS § 167 Rz 26), die Berichtigung erfolge „wohl nur in den Fällen der irrtümlichen Falschbezeichnung oder Bezeichnungsänderung“.

[24]           Jelinek (aaO 381) und Buchegger (Insolvenzrecht3 [2017] 212) lehren unter Anlehnung an den Gesetzestext, dass die Änderung der Bezeichnung in der Insolvenzdatei öffentlich bekannt zu machen ist und dass dagegen kein Rechtsmittel zulässig sei, letzterer mit der Ergänzung, wohl aber sei eine Berichtigung durch das Insolvenzgericht auf Antrag oder von Amts wegen möglich.

[25]           Im Fall 8 Ob 133/17t hatte das Erstgericht – nach Beurteilung der zweiten Instanz sowie auch des Senats – zu Unrecht den „Abbruch des Sanierungsverfahrens“ ausgesprochen und (unter anderem) die Bezeichnung des Verfahrens von Sanierungs- auf Konkursverfahren abgeändert. Das Rekursgericht hob den Beschluss auf. Der Senat wies den von einem Gläubiger erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs, in dem geltend gemacht wurde, dass hinsichtlich der Verfahrensbezeichnung der Beschluss des Erstgerichts jedenfalls nicht abgeändert werden hätte dürfen, mangels Rechtsfrage erheblicher Bedeutung zurück. Zu dem ins Treffen geführten Rechtsmittelausschluss des § 167 Abs 4 IO führte der Senat unter Hinweis auf die ErläutRV aus, dass die Änderung der Bezeichnung des Verfahrens an bestimmte faktische Vorgänge im Insolvenzverfahren geknüpft sei, dass dem Insolvenzgericht bei der Bezeichnungsänderung kein Entscheidungsspielraum verbleibe, und dass – so damals der Senat – „nur aus diesem Grund“ gemäß § 167 Abs 4 IO „eine gesonderte Anfechtungsmöglichkeit der Bezeichnungs-änderung entbehrlich [ist]“. Weil der Ausspruch über den „Abbruch des Sanierungsverfahrens“ durch das Erstgericht zu Unrecht erfolgt sei, habe – nach damaliger Beurteilung des Senats – „auch die Änderung des Verfahrens nicht erfolgen [dürfen]“ und seien die Voraussetzungen nach § 167 Abs 3 IO nicht gegeben gewesen.

4.4. Der Senat hat erwogen:

[26]           4.4.1. Der Gesetzeswortlaut des § 167 Abs 4 IO sieht einen Rechtsmittelausschluss für die Bezeichnung des Verfahrens und deren Änderung vor. Wird einem Berichtigungsantrag stattgegeben und damit die Bezeichnung des Verfahrens geändert, so ist gegen diese Änderung der Rekurs nicht zulässig.

[27]           Dass gegen die Verweigerung der begehrten Berichtigung der Bezeichnung des Verfahrens der Rekurs ebenso ausgeschlossen sei, besagt jedenfalls der Wortlaut des Gesetzes nicht. Dieser Sicht entsprechen auch die – wenngleich insofern nicht näher ausgeführten – oben zitierten Darstellungen von Jelinek und Buchegger.

[28]           4.4.2. Der Ausschluss des Rekurses gegen die Bezeichnung des Verfahrens hat zum Hintergrund, dass die richtige Terminologie zumindest im Normalfall nur eine einfache Subsumtion ist, bei der ein Rechtsirrtum nicht zu erwarten ist. Sehr wohl ist aber mit anderen Fehlern zu rechnen, etwa dass durch einen Übertragungsfehler der falsche Begriff verwendet wird oder dass ein dem Insolvenzeröffnungsantrag beiliegender Sanierungsplan übersehen wird. Unterlief dem Gericht bei Insolvenzeröffnung bei der Bezeichnung des Verfahrens ein Fehler, so entspricht es der Verfahrensökonomie, diesen nicht – das Verfahren unnötig verzögernd – im Rechtsmittelweg, sondern im Wege einer Berichtigung über Antrag oder von Amts wegen zu korrigieren. Wird die Berichtigung vom Insolvenzgericht hingegen verweigert, so ist bereits aufgrund der Bedeutung der Verfahrensbezeichnung, etwa hinsichtlich der Auflösung der schuldnerischen Gesellschaft oder einer Verwertungssperre, die Möglichkeit der Erhebung eines Rekurses geboten. Nach Beurteilung des Senats hat das Rekursgericht zutreffend den Rechtsmittelausschluss des § 167 Abs 4 Satz 2 HalbS 1 IO nicht auf den vorliegenden Fall der Abweisung eines Berichtigungsantrags nach § 167 Abs 4 Satz 2 HalbS 2 IO unmittelbar oder analog zur Anwendung gebracht.

[29]           Das Rekursgericht hat demnach zu Recht den Rekurs der Schuldnerin nicht zurückgewiesen.

[30]           5. Nach § 252 IO sind, soweit in der IO nichts anderes angeordnet ist, auf das Verfahren die JN, die ZPO und ihre Einführungsgesetze sinngemäß anzuwenden. Die ZPO enthält in § 419 ZPO für „Schreib- und Rechnungsfehler oder andere offenbare Unrichtigkeiten“ in Urteilen eine Berichtigungsvorschrift, die gemäß § 430 ZPO auch für Beschlüsse gilt. Ist ein Fehler in einer gerichtlichen Entscheidung Folge einer unrichtigen Rechtsansicht des Gerichts, so ist er nach herrschender Ansicht keiner Berichtigung iSd § 419 ZPO zugänglich (vgl RS0041362; M. Bydlinski in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 III/2 § 419 ZPO Rz 6 mwN).

[31]           Die Ansicht der Revisionsrekurswerberin, der in der Sanierungsplantagsatzung vom Erstgericht gefasste Beschluss auf Abänderung der Bezeichnung des Verfahrens auf „Konkursverfahren“ beruhe auf einer bestimmten Rechtsansicht (nämlich dass die Schuldnerin zur Tagsatzung nicht gemäß § 145 Abs 2 IO besonders zu laden gewesen sei und daher ihr Sanierungsplan wegen Nichterscheinens zur Tagsatzung gemäß § 145 Abs 3 IO als zurückgezogen gelte), und dass aus diesem Grunde keine Berichtigung statthaft gewesen sei, beruht auf der Annahme, die Berichtigungsmöglichkeit nach § 167 Abs 4 IO wäre eine solche nach § 252 IO iVm §§ 419, 430 ZPO.

[32]           Für die Ermöglichung der Berichtigung der Bezeichnung des Insolvenzverfahrens bei Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit iSd § 419 ZPO hätte es aber der Vorschrift des § 167 Abs 4 Satz 2 HalbS 2 IO wegen der Verweisungsnorm des § 252 IO nicht bedurft. Es ist anerkannt, dass eine Gesetzesbestimmung im Zweifel nicht so verstanden werden darf, dass sie überflüssig ist (8 ObA 75/21v [Rz 25] mwN). Wenn das Gesetz ausspricht, dass gegen die Bezeichnung des Verfahrens oder deren Änderung kein Rekurs möglich ist, dass die Bezeichnung „jedoch“ auf Antrag oder von Amts wegen vom Gericht berichtigt werden kann, so ist – auch aufgrund der bereits dargelegten Wirkungen der Verfahrensbezeichnung – davon auszugehen, dass der Gesetzgeber auch eine Berichtigung einer auf einer unrichtigen Rechtsansicht des Gerichts fußenden Fehlbezeichnung ermöglichen wollte.

[33]           6. Gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, auch bei Anberaumung einer Sanierungsplantagsatzung nach § 168 IO sei § 145 Abs 2 IO zu beachten, wendet sich die Revisionsrekurswerberin mit Grund nicht. Sie beruft sich aber darauf, dass die Verletzung des § 145 Abs 2 IO sanktionslos sei und dass die gesetzliche Anordnung in § 145 Abs 3 IO, dass der Sanierungsplan bei Nichterscheinen der Schuldnerin als zurückgezogen gelte, keine gehörige Ladung iSd § 145 Abs 2 IO verlange. Sie befindet sich damit im Recht.

[34]           6.1. Zunächst ist festzuhalten, dass die Sanierungsplantagsatzung für den 27. 9. 2021 anberaumt war und seit 1. 1. 2021 die besondere Regelung des § 8 2. COVID-19-JuBG (BGBl I 202/24) über „Zustellungen im Insolvenzverfahren“ nicht mehr galt, sondern wieder die Rechtslage quo ante (Trenker in Resch, Corona-HB1.06 [Stand 1. 7. 2021] Kap 14 Rz 16/1 mwH).

[35]           6.2. Bereits Bartsch/Pollak (Konkursordnung [1937] I 623 f) lehrten zu den damals in § 145 Abs 2 KO (nunmehr IO) vorgesehenen besonderen Ladungen zur damals Ausgleichs-, heute Sanierungsplantagsatzung, „dass sich an die Vornahme oder Unterlassung dieser individuellen Zustellungen [keine] Rechtsfolgen knüpfen (§ 174 Abs 2 [KO])“. Nach der verwiesenen, sich heute praktisch wortgleich in § 257 Abs 2 IO findenden Vorschrift treten, wenn neben der öffentlichen Bekanntmachung eine besondere Zustellung vorgeschrieben ist, die Folgen der Zustellung schon durch die öffentliche Bekanntmachung ein, auch wenn die besondere Zustellung unterblieben ist.

[36]           Nach § 145 Abs 2 Satz 1 IO ist die Tagsatzung öffentlich bekannt zu machen. Satz 2 leg cit sieht zusätzliche („außerdem“) individuelle („besondere“) Ladungen vor. Es liegt damit ein Fall des § 257 Abs 2 IO vor. Dass – vorausgesetzt, die Tagsatzung wurde rechtzeitig öffentlich bekannt gemacht – eine Verletzung der Pflicht zur besonderen Ladung nach § 145 Abs 2 IO (KO) sanktionslos ist, ist aus diesem Grund bereits seit Bartsch/Pollak zutreffend herrschende Ansicht (zB Petschek/Reimer/Schiemer, Insolvenzrecht [1973] 665 f; Riel in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze [29. Lfg 2007] § 145 KO Rz 6; zum Zahlungsplan: G. Kodek, Privatkonkurs3 [2021] Rz 13.96; ebenso generell wohl auch Nunner-Krautgasser/Anzenberger in KLS § 145 IO Rz 7). Auch der Senat bezeichnete bereits in einem – allerdings nicht zu § 145 Abs 3 IO (KO) ergangenen – Fall, in welchem die (damals) Zwangsausgleichstagsatzung öffentlich bekannt gemacht worden war, die Frage des Zukommens der Ladung an eine Gläubigerin unter Hinweis auf § 174 Abs 2 KO als unerheblich (8 Ob 9/94; vgl auch OLG Linz 2 R 278/93 und 8 Ob 237/98f). Dass bei ordnungsgemäßer öffentlicher Bekanntmachung iSd § 257 Abs 2 IO (früher § 174 Abs 2 KO) im Ergebnis das Unterbleiben einer besonderen Ladung nicht schadet, geht auch aus § 126 Abs 2 lit d Satz 1 Geo hervor, wonach im „Konkurs- und Ausgleichsverfahren [...] zufolge § 174 IO [gemeint: § 257 IO; Anm], § 63 AusglO Zustellung ohne Ausweis in allen Fällen, wo die öffentliche Bekanntmachung durch Edikt vorgeschrieben ist[, genügt]“).

[37]           6.3. Somit ist trotz Fehlens einer besonderen Ladung iSd § 145 Abs 2 IO zur Sanierungsplantagsatzung vom 27. 9. 2021 wegen der ordnungsgemäßen Bekanntmachung der Tagsatzung in der Insolvenzdatei am 21. 7. 2021 die Schuldnerin aufgrund von § 257 Abs 2 IO als gehörig geladen zu behandeln. Hieran ändert der Umstand, dass sie nicht über die durch § 145 Abs 3 IO für den Fall ihres Fernbleibens drohende Rechtsfolge belehrt wurde und dass sie anwaltlich unvertreten war, nichts (§ 2 ABGB). Der Oberste Gerichtshof hält die Beurteilung des Erstgerichts, es liege ein Fall des § 145 Abs 3 aE (iVm § 167 Abs 3 Z 2 Fall 1) IO vor, im Ergebnis für richtig.

[38]           7. Wie vom Rekursgericht zutreffend erkannt, hätte das Insolvenzverfahren im Insolvenzeröffnungsbeschluss vom 21. 7. 2021 wegen Erfüllung der Voraussetzungen des § 167 Abs 1 IO als „Sanierungsverfahren (ohne Eigenverwaltung)“ bezeichnet werden müssen. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts kann der Umstand, dass bei Bekanntmachung des Insolvenzeröffnungsbeschlusses in der Insolvenzdatei sowie auch im Firmenbuch das Verfahren als „Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung“ bezeichnet wurde, nicht als implizite Berichtigung des Insolvenzeröffnungsbeschlusses angesehen werden. Die Bekanntmachung eines Beschlusses muss dem Beschlussinhalt folgen, nicht umgekehrt, weshalb die Bekanntmachungen (insofern) fehlerhaft waren.

[39]           Aus Gründen der Rechtsklarheit ist der Insolvenzeröffnungsbeschluss vom Obersten Gerichtshof – zumal das Erstgericht darin offenkundig versehentlich das Wort „Konkursverfahren“ verwendete – in Anwendung der §§ 419, 430 ZPO iVm § 252 IO dahingehend zu berichtigen, dass anstelle von „Konkursverfahren“ „Sanierungsverfahren (ohne Eigenverwaltung)“ tritt (Spruchpunkt I. der Entscheidung). Die Kompetenz des Senats zu dieser Berichtigung folgt aus § 419 Abs 3 ZPO. Nur der Vollzug der Berichtigung obliegt dem ursprünglich erkennenden Gericht (8 ObA 31/21y [Rz 2] mwN]).

[40]           8. Ausgehend von der Eröffnung eines Sanierungsverfahrens (ohne Eigenverwaltung) am 21. 7. 2021 sind die Entscheidung des Erstgerichts vom 27. 9. 2021 auf Abänderung der Bezeichnung des Verfahrens auf Konkursverfahren wegen Ausbleibens der Schuldnerin von der Sanierungsplantagsatzung und seine Entscheidung vom 12. 10. 2021 auf Abweisung des von der Schuldnerin gestellten Berichtigungsantrags im Ergebnis nicht zu beanstanden. Es war somit dem Revisionsrekurs in seinem auf „Abweisung des Rekurses“ gerichteten Eventualbegehren Folge zu geben und der den Berichtigungsantrag abweisende Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen (Spruchpunkt II. der Entscheidung).

Textnummer

E134695

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00009.22I.0222.000

Im RIS seit

10.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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