TE OGH 2022/3/23 1Ob27/22k

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Veröffentlicht am 23.03.2022
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely-Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I* Glaubensgemeinschaft *, vertreten durch Mag. Michael Wirrer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei N*, vertreten durch Dr. Fritz Arlamovsky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 15. Dezember 2021, GZ 39 R 215/21p-31, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 14. Juli 2021, GZ 17 C 738/17p-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]       1.1. Als Kündigungsgrund gemäß § 30 Abs 2 Z 1 MRG (Mietzinsrückstand) kommt auch ein Rückstand mit der Zahlung von Betriebskosten als gesetzlicher Mietzinsbestandteil (§ 15 Abs 1 Z 2 MRG) in Betracht. Diese umfassen aber nur vom Vermieter tatsächlich aufgewendete Kosten iSd § 21 Abs 1 MRG, die dem Mieter entweder gemäß § 21 Abs 3 MRG pauschal (dann sind die Pauschalvorschreibungen gesetzlicher Mietzinsbestandteil; RS0070107) oder gemäß § 21 Abs 4 MRG einzeln (in diesem Fall hängt die Zahlungspflicht des Mieters von der Fälligkeit der Forderung gegenüber dem Vermieter sowie der Vorlage eines Rechnungsbelegs ab; vgl RS0112096) vorgeschrieben werden können.

[2]            1.2. Dass die Beklagte derart vorgeschriebene Betriebskosten nicht bezahlt hätte, hat die Klägerin in erster Instanz nicht behauptet. Vielmehr stützte sie ihre Aufkündigung – hinsichtlich des behaupteten Mietzinsrückstands – nur darauf, dass ihr die Beklagte „durchschnittliche Betriebskosten in Wien von 1,94 EUR netto pro m² pro Monat“ schulde. Damit bezog sie sich – wie ihr die Beklagte bereits in erster Instanz entgegenhielt – auf keine Mietzinsforderung iSd § 15 Abs 1 Z 2 MRG. Die Abweisung ihres auf § 30 Abs 2 Z 1 MRG gestützten Kündigungsbegehrens, der die Revisionswerberin ohnehin nicht substanziiert entgegentritt, begegnet daher keinen Bedenken.

[3]            2.1. Soweit die Klägerin ihre Aufkündigung auf die Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 Z 3 (erheblich nachteiliger Gebrauch vom Mietobjekt) und Z 8 MRG (Eigenbedarf) stützte, versucht sie gar nicht darzulegen, warum die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die insoweit einen Verstoß gegen die Eventualmaxime annahmen, einer Korrektur bedürfte.

[4]            2.2. Gemäß § 33 Abs 1 zweiter Satz MRG hat der Vermieter die Kündigungsgründe in der Aufkündigung kurz anzuführen, andere Gründe kann er im Verfahren nicht mehr geltend machen. Unklare oder mangelhafte Ausführungen gehen zu seinen Lasten (RS0106599 [T14]; RS0069041). Zweck dieser Eventualmaxime ist es, den Gegenstand des Kündigungsstreits auch für Einwendungen des Beklagten von vornherein deutlich abzugrenzen (RS0069958). Ob die Aufkündigung den Kündigungsgrund ausreichend klar bezeichnet, begründet regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl RS0106599 [T18]).

[5]            2.3. Hier wurde im Mietvertrag vereinbart, dass eine Kündigung durch die Vermieterin aus den im MRG genannten Gründen nur erfolgen kann, wenn zusätzlich entweder ein Mietzinsrückstand besteht, oder der Mieterin ein „islamwidriges Verhalten“ vorzuwerfen ist. Die Klägerin behauptete in ihrer Aufkündigung bloß (unschlüssig) das Vorliegen eines Mietzinsrückstands, stützte diese aber nicht auch auf ein „islamwidriges Verhalten“ der Beklagten als weitere (zu den geltend gemachten Kündigungsgründen des § 30 Abs 2 MRG hinzutretende) Kündigungsvoraussetzung. Ein solches Verhalten – nämlich einen (nicht näher konkretisierten) Verstoß der Beklagten gegen die „muslimische Almosenpflicht“ – behauptete sie erstmals in der letzten Tagsatzung vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz.

[6]            2.4. Dass die Vorinstanzen dies im Hinblick auf § 33 Abs 1 zweiter Satz MRG als verspätet ansahen, begründet keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Warum es sich bei den – die Kündigungsgründe des § 30 MRG zulässigerweise (§ 30 Abs 3 erster Satz MRG e contrario; vgl auch RS0021057) einschränkenden – weiteren vertraglichen Kündigungsvoraussetzungen nicht um einen Teil des bereits in der Aufkündigung anzuführenden Kündigungstatbestands handeln sollte, vermag die Revisionswerberin, die damit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, nicht nachvollziehbar darzulegen. Dass das Vorliegen der konkreten vertraglichen Kündigungsvoraussetzung(en) bereits in der Aufkündigung behauptet werden muss, erscheint im vorliegenden Fall schon deshalb sachgerecht, weil für die Mieterin sonst nicht ersichtlich wäre, auf welche der (hier) alternativ vereinbarten Kündigungsvoraussetzungen diese gestützt wurde, was dem Zweck des § 33 Abs 1 zweiter Satz MRG, den Kündigungsstreit auch für die beklagte Partei von vornherein deutlich abzugrenzen, zuwiderliefe.

[7]            3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E134619

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00027.22K.0323.000

Im RIS seit

05.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

05.05.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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