TE Lvwg Erkenntnis 2022/3/30 LVwG-2022/25/0617-3

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Veröffentlicht am 30.03.2022
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Entscheidungsdatum

30.03.2022

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §87 Abs1 Z1
GewO 1994 §91 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde der AA GmbH, **** Z, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 1, **** Y, vom 02.03.2022, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 08.02.2022, Zl ***, betreffend Verfahren gemäß §§ 26 Abs 4 und 87 Abs 1 Z 1 iVm 91 Abs 2 GewO 1994, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Hinsichtlich Spruchpunkt I) wird der Beschwerde Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

2.       Hinsichtlich Spruchpunkt II) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

3.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

In Spruchpunkt I) des bekämpften Bescheides entzog die Bezirkshauptmannschaft X der AA GmbH mit Sitz in **** W, Adresse 3, gemäß § 87 Abs 1 Z 1 iVm § 91 Abs 2 GewO 1994 die Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gewerbes „Gastgewerbe mit dem Berechtigungsumfang nach § 111 Abs 1 Z 1 Gewerbeordnung 1994 in der Betriebsart Gästehaus“ mit dem Standort **** Z, Adresse 4.

In Spruchpunkt II) wies die Bezirkshauptmannschaft X den Antrag der AA GmbH auf Nachsicht vom Gewerbeausschluss wegen gerichtlicher Verurteilung gemäß § 26 Abs 4 GewO 1994 als unzulässig zurück.

Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde der AA GmbH, die den Bescheid seinem gesamten Umfang nach anficht, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften. Zusammengefasst wird im Rechtsmittel ausgeführt, dass die Behörde bei richtiger Beurteilung zum Schluss kommen hätte müssen, dass beim Geschäftsführer CC noch keine ausreichenden Gründe für einen Entzug der Gewerbeberechtigung vorliegen und er eine ausreichende Zuverlässigkeit für die Ausübung des Gewerbes besitze und somit keine Gründe für eine Entfernung als Geschäftsführer vorgelegen seien. Die Erstbehörde habe es unterlassen, eine Beurteilung und Bewertung des Persönlichkeitsbildes des Geschäftsführers vorzunehmen, wobei sich bei gebotener Beurteilung ergeben hätte, dass CC ausreichend zuverlässig ist. Es sei unterlassen worden, sich mit dem Wohlverhalten des Geschäftsführers und der bedingten Strafnachsicht auseinanderzusetzen. Zur Beurteilung des Entziehungstatbestandes nach § 87 Abs 1 Z 1 GewO sei es erforderlich, dass die Gewerbebehörde eine nachvollziehbar begründete, selbständige Prognose über das zukünftige Verhalten der Person anstellt. Die Beschwerdeführerin habe ausführlich dargetan, warum eine Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht mehr zu befürchten sei. Auf eine Beurteilung des Persönlichkeitsbildes und eine Zukunftsprognose sei gänzlich verzichtet worden. Der Geschäftsführer habe sich in der Zeit vom 20.06.2016 bis 02.08.2016 dazu hinreißen lassen, mittels Kreditkarte private Einkäufe bzw Bezahlungen hiefür zu tätigen, obwohl sein Konto hier keine ausreichende Deckung hatte. Er habe bereits eine Teilschadensgutmachung von Euro 4.255,25 geleistet und den restlichen Betrag schon seit langem beglichen. Bereits das Strafgericht habe eine entsprechende Beurteilung und Charakter- und Persönlichkeitseinschätzung vorgenommen und dabei die bisherige Unbescholtenheit und die Schadensgutmachung zum Anlass für eine bedingte Nachsicht der Hälfte der verhängten Geldstrafe genommen. Die endgültige Strafnachsicht sei bereits eingetreten und habe sich Herr CC bereits mehr als 5 Jahre wohlverhalten sowie unbescholten verhalten. Es liege keine derart schwerwiegende Verurteilung vor, die eine mangelnde Zuverlässigkeit von CC darstellen würde. Er habe auch stets an der Feststellung des Sachverhaltes mitgewirkt. Es liege über ihn nur diese einzige Strafe vor, die im Jahr 2023 getilgt sein werde, was auch von der Erstbehörde nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Es wäre daher zu prognostizieren gewesen, dass Herr CC bei Ausübung des Gewerbes nicht wieder das gleiche oder ein ähnlich strafbares Verhalten setzen werde. Bei diesem einmaligen Fehlverhalten seien die Voraussetzungen für die Entziehung der Gewerbeberechtigung nicht gegeben. Die Überlegungen des Strafgerichts könnten bei der Anwendung der bedingten Strafnachsicht nicht schematisch außer Betracht bleiben. Obwohl gegenständlich eine günstige Prognose durch das Strafgericht vorläge, habe die Erstbehörde keine näheren Erörterungen angestellt, warum dennoch der Entziehungstatbestand nach § 87 Abs 1 Z 1 iVm § 91 Abs 2 GewO erfüllt sein solle. Bei Herrn CC wären die Voraussetzungen für die Erteilung der Nachsicht vom Gewerbeausschluss im Sinne des § 27 GewO gegeben und hätte eine solche genehmigt werden müssen. Es werde deshalb beantragt, den angefochtenen Bescheid zur Gänze aufzuheben, in eventu von der Entziehung der Gewerbeberechtigung abzusehen.

II.      Sachverhalt:

Der tschechische Staatsangehörige CC ist in der Tschechischen Republik geboren, hat dort die Schule besucht und die Berufsausbildung als Koch und Kellner absolviert. Seit dem Jahr 2010 lebt er in Österreich; er arbeitete anfangs als Schilehrer, danach in einer Bäckerei und hat sich danach als Unternehmer im Gastgewerbe in der Vermietung selbständig gemacht.

Er ist seit 28.03.2014 handelsrechtlicher Geschäftsführer der AA GmbH mit dem Sitz in Adresse 3, **** W, und seit 24.04.2014 gewerberechtlicher Geschäftsführer dieser Gesellschaft. Die AA GmbH verfügt seit dem 15.12.2008 über das Gastgewerbe mit dem Berechtigungsumfang nach § 111 Abs 1 Z 1 GewO 1994 in der Betriebsart Gästehaus am Standtort Adresse 4, **** Z.

Dieser Betrieb verfügt über 22 Gästebetten. Es erfolgt dort die reine Beherbergung, Frühstück wird keines verabreicht. Die meisten Arbeiten im Unternehmen erledigt der Geschäftsführer CC, die AA GmbH hat neben ihm nur noch ein Zimmermädchen beschäftigt.

CC hat zwischen 20.06.2016 und 02.08.2016 mit seiner privaten Kreditkarte Zahlungen getätigt, obwohl sein privates Bankkonto dafür nicht gedeckt war. Die mit der Kreditkarte in diesem Zeitraum getätigten Zahlungen bezogen sich auf private Ausgaben von CC. Dadurch entstand ein Gesamtschaden in der Höhe von Euro 7.393,18, wovon am 24.06.2016 eine Teilschadensgutmachung durch Zahlung von Euro 4.255,25 geleistet wurde. Dies ergab sich daraus, als zu dieser Zeit wieder eine teilweise Deckung seines privaten Bankkontos gegeben war. Aufgrund dieser Malversation wurde CC mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 26.04.2018, rechtskräftig am 01.05.2018, Zl ***, wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 1. Fall StGB schuldig gesprochen und über ihn nach § 153 Abs 3 in Anwendung des § 37 Abs 1 StGB eine Geldstrafe in der Höhe von 240 Tagessätzen (im Uneinbringlichkeitsfall 120 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes wurde mit Euro 4,00 bemessen, sodass die gesamte Geldstrafe Euro 960,00 betrug.

Gemäß § 43a Abs 1 StGB wurde ein Teil der Geldstrafe, und zwar 120 Tagessätze, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Bei der Strafbemessung mildernd bewertete das Gericht die bisherige Unbescholtenheit und die Teilschadensgutmachung durch Zahlung von Euro 4.255,25 am 24.06.2016, erschwerend die Tatwiederholungen.

Der unbedingte Teil der Geldstrafe wurde am 24.05.2018 vollzogen. Die Tilgung der Strafe wird voraussichtlich am 24.05.2023 eintreten. Bis zur Verurteilung war CC unbescholten und hat nach dem 02.08.2016 keine gerichtlich strafbaren Handlungen mehr begangen.

Über CC scheinen fünf Verwaltungsstrafvormerkungen auf, neben einer Strafe nach § 20 Abs 2 StVO erfolgte viermal eine Bestrafung gemäß § 12 Abs 2 iVm § 7 Abs 1 Tiroler-Aufenthaltsabgabegesetz.

III.     Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den Akten der Bezirkshauptmannschaft X und des Landesverwaltungsgerichts Tirol und dabei wieder insbesondere aufgrund der Einvernahme des Geschäftsführers CC in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht und der vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen.

IV.      Rechtslage:

Im vorliegenden Verfahren sind folgende Bestimmungen der Gewerbeordnung maßgeblich:

㤠13

(1) Natürliche Personen sind von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie

1. von einem Gericht verurteilt worden sind

a) wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) oder

b) wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und

2. die Verurteilung nicht getilgt ist.

Von der Ausübung eines Gastgewerbes sind natürliche Personen ausgeschlossen, wenn gegen sie eine nicht getilgte gerichtliche Verurteilung wegen Übertretung der §§ 28 bis 31a des Suchtmittelgesetzes, BGBl. I Nr. 112/1997, in der jeweils geltenden Fassung, vorliegt. Bei Geldstrafen, die nicht in Tagessätzen bemessen sind, ist die Ersatzfreiheitsstrafe maßgebend. Bei Verhängung einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe sind Freiheitsstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe zusammenzuzählen. Dabei ist ein Monat dreißig Tagen gleichzuhalten. Die Bestimmungen dieses Absatzes gelten auch, wenn mit den angeführten Ausschlussgründen vergleichbare Tatbestände im Ausland verwirklicht wurden.

(…)

§ 26

„5. Nachsicht von den Voraussetzungen für die Ausübung von Gewerben

(1) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist.

(2) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 3 oder 4 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage des Rechtsträgers erwartet werden kann, daß er den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird.

(3) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 5 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn auf Grund der Umstände, die zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt haben und nach der Persönlichkeit der natürlichen Person erwartet werden kann, daß sie den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungsverpflichtungen nachkommen wird.

(4) Die Nachsicht gemäß Abs. 1, 2 oder 3 ist nicht zu erteilen, wenn andere Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen als jene, für die die Nachsicht erteilt werden soll.“

§ 87

(1) Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn

1. auf den Gewerbeinhaber die Ausschlußgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist oder

(…)

§ 91

(…)

(2) Ist der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine eingetragene Personengesellschaft und beziehen sich die im § 87 angeführten Entziehungsgründe oder der in § 85 Z 2 angeführte Endigungsgrund sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, so hat die Behörde (§ 361) dem Gewerbetreibenden eine Frist bekanntzugeben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde die Gewerbeberechtigung zu entziehen.“

Weiters ist das Tilgungsgesetz 1972 von Bedeutung, wo in § 2 Abs 1 festgelegt ist, dass die Tilgungsfrist beginnt, sobald alle Freiheits- oder Geldstrafen und die mit Freiheitsentzug verbundenen vorbeugenden Maßnahmen vollzogen sind, als vollzogen gelten, nachgesehen worden sind oder nicht mehr vollzogen werden dürfen.

V.       Erwägungen:

Nach der herrschenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt dem alleinigen handelsrechtlichen Geschäftsführer einer GesmbH ein maßgebender Einfluss im Sinn des §  91 Abs 2 GewO zu (vgl VwGH 23.03.1995, 95/04/0038).

Die Aufforderung des § 91 Abs 2 GewO hat der Gewerbeentziehung nach dieser Gesetzesstelle voranzugehen und stellt insofern eine Voraussetzung für diese dar. Diese stellt keinen Bescheid dar. Dem Rechtsschutzbedürfnis dessen, dem bei nicht fristgerechter Befolgung der Aufforderung die Gewerbeberechtigung entzogen wird, ist jedoch Rechnung getragen, wenn er die Rechtmäßigkeit der Aufforderung, also auch die hiefür bestimmenden Gründe, im sodann folgenden Entziehungsverfahren geltend machen sowie den allenfalls ergangenen Entziehungsbescheid auch aus diesen Gründen im Rechtsmittelweg bekämpfen kann (VwGH Slg 14.203 A).

Für das gewerbebehördliche Entziehungsverfahren sind gerichtliche Aussprüche über die bedingte Strafnachsicht nicht von Relevanz. Vielmehr hat die Gewerbebehörde eigenständig die Voraussetzungen für die Entziehung zu beurteilen. Jedoch können die Überlegungen des Gerichts bei der Anwendung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs 1 StGB nicht schematisch außer Betracht bleiben. Vielmehr bedarf es bei Vorliegen besonderer Umstände im Entziehungsverfahren näherer Erörterungen, weshalb ungeachtet der günstigen Prognose durch das Strafgericht die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen für die Entziehung der Gewerbeberechtigung nach § 87 Abs 1 Z 1 GewO erfüllt sind (VwGH 03.09.2008, 2008/04/0121). Die Behörde hat, bevor sie die Entziehung der Gewerbeberechtigung verfügt, alle in Betracht kommenden Umstände bis zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung einer Prüfung zu unterziehen. Hiezu gehört auch das Verhalten, das der Bestrafte seit seiner Verurteilung an den Tag gelegt hat; ein einwandfreies Verhalten durch einen längeren Zeitraum kann geeignet sein, die Besorgnis eines Missbrauchs der Gewerbeberechtigung auszuschließen (VwGH Slg 7.470 A). Die Prognose nach § 87 Abs 1 Z 1 GewO 1994, ob nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist, setzt die Feststellung der Tathandlungen voraus, die der den Ausschlussgrund nach § 13 Abs 1 GewO 1994 bildenden Verurteilung konkret zugrunde gelegen sind und von denen die Gewerbebehörde in Bindung an die rechtskräftige Verurteilung bei ihrer Prognose auszugehen hat (VwGH 22.06.2011, 2011/04/0014).

Bei bestehender Gewerbeberechtigung ist für die Erteilung einer Nachsicht von dem gemäß § 13 Abs 1 bestehenden Gewerbeausschluss gemäß § 26 Abs 1 kein Raum; diesfalls kommt das Verfahren gemäß § 87 Abs 1 Z 1 und gegebenenfalls das Absehen von der Entziehung der Gewerbeberechtigung in Betracht (VwGH 17.09.2010, 2009/04/0237). Deshalb hat die belangte Behörde in ihrem Spruchpunkt II) den Antrag auf Nachsicht vom Gewerbeausschluss korrekterweise als unzulässig zurückgewiesen, weshalb die Beschwerde hinsichtlich dieses Spruchpunktes als unbegründet abzuweisen war.

Bei der Prüfung der Frage, ob die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist, hat die Behörde sowohl auf die Eigenart der strafbaren Handlung als auch das Persönlichkeitsbild des Verurteilten Bedacht zu nehmen (VwGH 17.04.2012, 2008/04/0009). Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit der Erteilung der Nachsicht gemäß § 26 Abs 1 ausgesprochen, dass diesbezüglich eine Prognoseentscheidung über das zukünftige Verhalten des Betroffenen zu treffen ist, bei der auch auf seine Persönlichkeit bzw auf sein Wohlverhalten abzustellen ist (VwGH 27.10.2014, 2013/04/0103). Der VwGH hat auch wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass bei Erstellung einer Zukunftsprognose die Verschaffung eines – im Rahmen einer mündlichen Verhandlung gewonnenen – persönlichen Eindrucks von der betroffenen Person besondere Bedeutung zukommt (VwGH 18.02.2015, Ra 2014/04/0035).

Durch die Verurteilung durch das Landesgericht Innsbruck vom 26.04.2018 zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen ist bei CC der Ausschlussgrund nach § 13 Abs 1 Z 1 lit b und Z 2 GewO vorgelegen.

Bei der nach § 87 Abs 1 Z 1 GewO zu treffenden Zukunftsprognose war zu berücksichtigen, dass CC die Untreue in keinem Zusammenhang mit der Gewerbeausübung beging. Er verwendete seine private Kreditkarte für die Deckung privater Aufwendungen, das nicht ausreichend gedeckte Privatkonto war sein privates.

Wenngleich die Ausschlussgründe des § 13 Abs 1 und 2 GewO nicht bei der Ausübung des betreffenden Gewerbes verwirklicht werden müssen, lässt der Umstand, dass das strafbare Verhalten nicht im Zusammenhang mit der Gewerbeausübung erfolgte, eine günstigere Zukunftsprognose zu, als wenn es im Rahmen der Gewerbeausübung stattgefunden hätte. In diesem Rahmen zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass CC zum Zeitpunkt der Verurteilung durch das Landesgericht Innsbruck unbescholten war und sich seit dem Ende des strafbaren Verhaltens am 02.08.2016 – sohin seit mehr als fünfeinhalb Jahren – strafgerichtlich wohlverhalten hat. Der gesamte Schaden wurde von ihm längst gutgemacht. Die Tilgung der Verurteilung vom 26.04.2018 wird voraussichtlich mit 24.05.2023 eintreten, sohin in knapp mehr als einem Jahr. Bei CC kann davon ausgegangen werden, dass er geläutert ist, sodass die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gastgewerbes nicht zu befürchten erscheint.

In seinem Erkenntnis vom 27.10.2014, 2013/04/0103, hat der Verwaltungsgerichtshof unter anderem ausgeführt, dass es im vorliegenden Fall ausschließlich um die Prognose gehe, ob beim Betroffenen angesichts des zuletzt gesetzten deliktischen Verhaltens weiterhin ein gleiches oder ein ähnliches Verhalten zu befürchten sei (§ 87 Abs 1 Z 1 GewO 1994). Nur dann war die Beschwerdeführerin nämlich gemäß § 91 Abs 2 GewO 1994 verpflichtet, die Person, der maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, aus seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer (bei sonstigen Entzug ihrer eigenen Gewerbeberechtigung) zu entfernen. Weiters wird in dieser Entscheidung auch darauf verwiesen, dass nach der herrschenden Rechtsprechung bei der Frage, ob nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung einer gleichen oder ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist (Prognose gemäß § 87 Abs 1 Z 1 GewO 1994 inhaltsgleich mit der Prognose zu § 26 Abs 1) das Wohlverhalten des Betroffenen zu berücksichtigen ist. Dabei wurde auf den seit der Begehung der Delikte verstrichenen Zeitraum abgestellt. CC ist seit nunmehr bald sechs Jahren nicht mehr strafrechtlich auffällig geworden und hat den entstandenen Schaden gutgemacht. In einer Gesamtbetrachtung geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei der Ausübung des Gewerbes durch CC nicht mehr zu befürchten ist, weshalb im Spruch 1. der Entzug der Gewerbeberechtigung zu Punkt I) aufzuheben war.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hohenhorst

(Richter)

Schlagworte

Ausschluss
Gewerbeausübung
maßgeblicher Einfluss

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.25.0617.3

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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