TE OGH 2021/12/9 5Ob173/21h

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Veröffentlicht am 09.12.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A*, vertreten durch Dr. Martin Neuwirth, Dr. Alexander Neurauter, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei C* Limited, Comp. Nr. *, vertreten durch Mag. Monika Keki-Angermann, Rechtsanwältin in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei I* GmbH, *, vertreten durch die Hochedlinger Luschin Marenzi Kapsch Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen Feststellung und Rückübertragung (Streitwert 80.400 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Juli 2021, GZ 1 R 69/21f-72, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1]       Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts, mit dem dieses den zwischen dem Kläger und der Beklagten abgeschlossenen Treuhandvertrag über eine Liegenschaft als aufgelöst feststellte und die Beklagte unter anderem verpflichtete, in die Einverleibung des Eigentums für den Kläger an dieser Liegenschaft einzuwilligen. Es gelangte in rechtlicher Hinsicht zum Ergebnis, dass dieses Schuldverhältnis, weil eine Rechtswahl nicht getroffen worden war, nach Art 4 Abs 1 lit c der Rom I-VO dem Recht des Staates unterliege, in dem die unbewegliche Sache gelegen sei. Einen sekundären Verfahrensmangel verneinte es, weil auf der Tatsachenebene der Abschluss einer Treuhandvereinbarung feststehe, sodass es nicht darauf ankomme, wie die Beklagte als Treuhänderin die Liegenschaft in ihrer Bilanz ausgewiesen habe.

Rechtliche Beurteilung

[2]       In ihrem außerordentlichen Rechtsmittel wiederholt die Beklagte die schon in der Berufung vorgetragenen Argumente und vermag damit keine Rechtsfrage von der Bedeutung des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen:

[3]            1.1 Ist fremdes Recht maßgebend, ist es gemäß § 3 IPRG von Amts wegen und wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden. Unterbleibt die Ermittlung der anzuwendenden ausländischen Normen zu Unrecht, liegt ein Verfahrensmangel besonderer Art vor, der dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu unterstellen ist und zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen führen kann (RIS-Justiz RS0116580; RS0040045). In der Rechtsrüge einer außerordentlichen Revision müsste dazu aber zumindest ansatzweise dargelegt werden, warum nach der – den Behauptungen nach – richtig anzuwendenden Rechtsordnung (hier: englisches Recht) ein günstigeres als das vom Berufungsgericht erzielte Ergebnis zu erwarten ist (4 Ob 177/13b; 4 Ob 176/16k; RS0040189 [T5; T6]).

[4]            1.2 Die Beklagte ist eine private limited company nach englischem Recht, die zum Zeitpunkt des Abschlusses der hier in Rede stehenden Vereinbarung eine Zweigniederlassung in Österreich hatte. In ihrer Revision macht sie lediglich geltend, dass der Klagesachverhalt nach englischem Recht zu beurteilen gewesen wäre, womit ein anderes Urteilsergebnis einhergegangen wäre. Dazu unterstellt sie jedoch, dass der Kläger die Liegenschaft als Sacheinlage in die Gesellschaft eingebracht hätte und geht schon insofern nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, dem ausdrücklich das Gegenteil zugrunde liegt. Eine Rechtsrüge scheitert aber schon dann, wenn sie auf sachverhaltsfremden Annahmen beruht (RS0043312 uva).

[5]       1.3 Außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten, für die das Gesellschaftsstatut zum Tragen kommt, selbst wenn eine fremde Gesellschaft ausschließlich über ihre österreichische Zweigniederlassung tätig wird (dazu Feltl, UGB § 12 Rz 1 [Stand 7. 6. 2017, rdb.at]), ist stets gesondert zu prüfen, welche Rechtsordnung konkret zur Anwendung gelangt. Für vertragliche Schuldverhältnisse ist auf die Regelungen der Rom I-VO (Verordnung [EG] 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. 6. 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht) abzustellen. Daran hat das Brexit-Referendum vom 23. 6. 2016 für den hier vorliegenden Fall keine Änderung gebracht, weil nach Art 67 Abs 1 des Austrittsübereinkommens (AustrÜbk) auf vor dem 1. 1. 2021 eingeleitete Verfahren weiterhin Unionsrecht anzuwenden ist (dazu Fucik, Internationales Zivilverfahrensrecht und IPR zwischen Österreich und dem Vereinigten Königreich nach dem Brexit, ÖJZ 2021/17). Inwieweit dem Berufungsgericht eine Fehlbeurteilung unterlaufen sein soll, weil es das auf das festgestellte Schuldverhältnis anzuwendende Recht nach Art 4 Abs 1 lit c der Rom I-VO ermittelte und damit zur Anwendung österreichischen Rechts gelangte, kann die Revisionswerberin mit ihren nicht vom Sachverhalt gedeckten Ausführungen nicht aufzeigen.

[6]            3. Mit ihrer Argumentation zu „sekundären Feststellungsmängeln“ bekämpft die Beklagte in Wahrheit die Feststellungen zum Inhalt der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung. Darauf ist nicht einzugehen, weil der Oberste Gerichtshof als Rechtsinstanz ausschließlich zur Überprüfung von Rechtsfragen angerufen werden kann (vgl RS0123663).

[7]            4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E133783

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00173.21H.1209.000

Im RIS seit

10.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.02.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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