TE OGH 2022/1/24 15Os135/21y

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Veröffentlicht am 24.01.2022
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Jänner 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen * K* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 10. September 2021, GZ 37 Hv 57/21v-63, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]       Mit dem angefochtenen Urteil wurde * K* je des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB als Beteiligter nach § 12 (richtig:) zweiter Fall StGB (1./1./) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (1./2./) sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (1./3./) und nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (2./) schuldig erkannt.

[2]       Danach hat er – soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz – in W* und Wi*

1./ vorschriftswidrig Suchtgift

1./1./ in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge „als Beitragstäter (§ 12 dritter Fall StGB)“ ein- und ausgeführt, indem er Suchtgifte bestellt und sich mit der Post von Deutschland nach Österreich liefern hat lassen, wobei es infolge Sicherstellung teilweise beim Versuch geblieben ist (1./1./2./, 1./1./3./ und 1./1./4./), und zwar

1./1./1./ im Jahr 2020 zumindest 2 Gramm Heroin mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 18,69 %;

1./1./2./ zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem 14. September 2020 49,32 Gramm Methamphetamin mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 70,3 %, 175,24 Gramm Kokain mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 60,1 %, 24,59 Gramm Kokain mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 59,8 % und 344,94 Gramm Heroin mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 22,6 %;

1./1./3./ zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem 18. September 2020 49,76 Gramm Kokain mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 68,4 % und 100,73 Gramm Heroin mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 22,9 %;

1./1./4./ zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem 22. Februar 2021 50 Gramm Kokain mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 47,12 % und 100 Gramm Heroin mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 18,69 %;

1./2./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er ab Herbst 2018 insgesamt rund 72 Gramm Heroin mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 18,69 %, zumindest 2 Gramm Kokain mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 47,12 %, zumindest zehn Stück Substitol-Tabletten mit dem Wirkstoff Morphin sowie 1 Gramm Methamphetamin mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 50 % an folgende Abnehmer verkauft hat, und zwar an

a./ * R* rund 50 Gramm Heroin;

b./ * H* zumindest 2 Gramm Heroin, zumindest zehn Stück Substitol-Tabletten sowie 1 Gramm Methamphetamin;

c./ * H* zumindest 2 Gramm Kokain;

d./ unbekannte Abnehmer rund 20 Gramm Heroin;

...

Rechtliche Beurteilung

[3]            Dagegen wendet sich der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Sie verfehlt ihr Ziel.

[4]          Der zu 1./1./2./, 1./1./3./ und 1./1./4./ erhobenen Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch Abweisung der in der Hauptverhandlung gestellten Anträge (ON 62 S 20 ff) auf Auswertung aller elektronischen Geräte und E-Mail-Adressen des Angeklagten zum Beweis dafür, dass „das […] Email vom 29. September 2020 weder [vom Angeklagten] noch von seinen Geräten versendet wurde und er im anklagerelevanten Zeitraum diese Email-Adresse nicht verwendete […] und somit das Suchtgift nicht bestellt hat“, und auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus den Bereichen Informationstechnologie und Bankwesen zum Beweis dafür, dass „der elektronische Verkehr und die Wallets des Angeklagten belegen, dass keine Zahlungen des Angeklagten im Zusammenhang mit den verfahrensgegenständlichen Paketen erfolgt sind“, Verteidigungsrechte nicht verletzt.

[5]       Denn zum einem kann der Verfasser einer E-Mail nicht durch die Auswertung von Geräten ausgeforscht werden, zum anderen konnten die Bestellung und Bezahlung der Suchtgifte auch mittels anderer als der sichergestellten Geräte erfolgen. Die angebotenen Beweismittel waren somit nicht geeignet, erhebliche Tatsachen zu beweisen (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO). Zudem legte der Antrag nicht dar, wieso das begehrte Gutachten zu einem anderem Ergebnis führen sollte als die polizeiliche Auswertung der sichergestellten Daten (ON 31, 42, 35 ff: Bitcoin Transaktionsanalyse; Krypto Wallet-Analysebericht; ITB-Untersuchungsbericht).

[6]       Das zur Antragsfundierung erst in der Nichtigkeitsbeschwerde erstatte Vorbringen ist prozessual verspätet (RIS-Justiz RS0099618).

[7]       Die zu 1./2./a./ ausgeführte Mängelrüge (Z 5 dSn zweiter Fall), die einen Verkauf von 50 Gramm Heroin an * R* bestreitet und bloß einen Verkauf von 30 Gramm Heroin zugesteht, spricht mit Blick auf die auch bei mengenmäßig geringerem Suchtgiftverkauf überschrittene Grenzmenge iSd § 28a Abs 1 SMG iVm § 28b SMG keine für die Schuld- und Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache an. Im Übrigen kritisiert die Rüge mit eigenständigen Beweiswerterwägungen bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld, ohne damit ein Begründungsdefizit aufzeigen zu können.

[8]       Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen vermag die Tatsachenrüge (Z 5a) mit Überlegungen, wonach die Angabe des korrekten Namens und der richtigen Zustelladresse wider die „Verbrechenslogik“ ebenso gegen eine Täterschaft des Angeklagten spreche, wie dessen zur Vorfinanzierung der Suchtgiftankäufe unzureichenden finanziellen Mittel und somit von einer Bestellung unter fremdem Namen „hinter dem Rücken“ des Angeklagten auszugehen sei, nicht zu wecken (RIS-Justiz RS0118780). Der Umstand, dass aus den von den Tatrichtern angeführten Prämissen allenfalls auch andere für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen hätten gezogen werden können, ist für sich allein nicht geeignet, erhebliche Bedenken darzutun (RIS-Justiz RS0099674).

[9]       Soweit die Sanktionsrüge (Z 11 dritter Fall) die erschwerende Berücksichtigung der Tatbegehung während eines – vom Erstgericht allerdings nicht spezifizierten – „anhängigen Strafverfahrens“ (US 15) bekämpft, macht sie einen Berufungsgrund geltend (zu den Voraussetzungen für die Annahme dieses Erschwerungsgrundes vgl RIS-Justiz RS0119271).

[10]     Auch die erschwerende Wertung des zu 1./1./ festgestellten „zweifachen Überschreitens“ der Fünfundzwanzigfachen Grenzmenge iSd § 28a Abs 4 Z 3 SMG (US 15) verstößt – weil für die Strafdrohung nicht relevant (RIS-Justiz RS0130193) – der Rechtsmittelkritik (Z 11 zweiter Fall) zuwider nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 StGB; RIS-Justiz RS0088028).

[11]     Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hierzu erstatteten Äußerung – bereits bei nichtöffentlicher Sitzung sogleich zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen (§ 285i StPO).

[12]     Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E133759

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00135.21Y.0124.000

Im RIS seit

10.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.02.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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