TE OGH 2022/1/26 14Os4/22b

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.01.2022
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Jänner 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Schriftführerin Jäger in der Strafsache gegen * H* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 17 Hv 75/21b des Landesgerichts St. Pölten, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 22. Dezember 2021, AZ 19 Bs 329/21b, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

[1]            Mit dem angefochtenen Beschluss setzte das Oberlandesgericht Wien die vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 11. März 2021 über * H* verhängte (ON 509 der Hv-Akten) und mehrmals – nach Anklageerhebung beim Landesgericht St. Pölten (ON 530) von diesem im Hauptverfahren – fortgesetzte Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO fort (ON 614 der Hv-Akten). Dabei ging es – soweit als hafttragend erachtet und somit hier relevant – vom dringenden Verdacht aus, H* habe vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Kokain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 70 % in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, * K* durch gewinnbringenden Verkauf überlassen, nämlich im Frühling 2017 in S* (I) 250 Gramm (175 Gramm Cocain Reinsubstanz), im Sommer 2018 nahe H* (II) 500 Gramm (350 Gramm Cocain Reinsubstanz) und im Dezember 2018 in O* (III) 500 Gramm (350 Gramm Cocain Reinsubstanz). Diese Taten subsumierte es dem Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG.

Rechtliche Beurteilung

[2]            Dagegen richtet sich die fristgerecht eingebrachte Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten H*.

[3]            Soweit die Beschwerde pauschal kritisiert, das Beschwerdegericht habe in der Hauptverhandlung vorgekommene Beweisergebnisse „übergangen bzw nicht ausreichend gewürdigt“ (vgl RIS-Justiz RS0114488 [zur sinngemäßen Anwendbarkeit der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO bei Überprüfung der Sachverhaltsannahmen des Beschwerdegerichts im Grundrechtsbeschwerdeverfahren]) und dabei bloß auf – wörtlich wiedergegebene – Passagen der Haftbeschwerde verweist, verfehlt sie den gebotenen konkreten Bezug auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung (RIS-Justiz RS0112012) und entzieht sich von vornherein einer inhaltlichen Erwiderung.

[4]            Der Einwand, die Beschwerdeentscheidung lasse „nicht erkennen, wieso die belastenden Angaben des Zeugen K* bezüglich Suchtgiftübergaben weiter glaubwürdig sein sollen“, übergeht die eingehenden Erwägungen des Beschwerdegerichts (vgl aber RIS-Justiz RS0119370; BS 9 ff), die im Übrigen unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken begegnen (vgl RIS-Justiz RS0118317).

[5]            Gleiches gilt für die Kritik an der Herleitung der Annahme zum Reinheitsgehalt des Suchgifts (von zumindest 70 %) aus der Aussage des Zeugen K*, der nach den Verfahrensergebnissen jahrelange Erfahrung mit Konsum und Handel von Kokain aufweist (BS 11 iVm ON 566a S 51 ff [insbesondere S 66 f]). Das dazu erstattete Vorbringen erschöpft sich in – auf spekulative Überlegungen gestützter – Beweiswürdigungskritik außerhalb des von der Grundrechtsbeschwerde gesteckten Anfechtungsrahmens.

[6]            Der Vorwurf, das Beschwerdegericht habe sich mit in der Haftbeschwerde angeführten Aussagen der Zeugen * S* und * Sc* nicht auseinandergesetzt, übergeht ein weiteres Mal die Begründung des angefochtenen Beschlusses. Im Übrigen lassen diese Aussagen – wie schon das Beschwerdegericht zutreffend bemerkte (BS 11) – ebenso wie die übrigen, als übergangen reklamierten Verfahrensergebnisse keinen Bezug zu (mit Blick auf den als hafttragend erachteten Verdacht) entscheidenden Tatsachen erkennen und waren schon deshalb nicht gesondert erörterungsbedürftig (vgl RIS-Justiz RS0118316).

[7]       Aktenwidrigkeit wird zwar mehrfach nominell eingewendet, unrichtige Wiedergabe des Inhalts von Beweismitteln jedoch gar nicht behauptet, sondern bloß deren Wertung durch das Beschwerdegericht bekämpft (vgl aber RIS-Justiz RS0099431).

[8]       Soweit der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf einen im Hauptverfahren gestellten Beweisantrag „unvollständige Erhebungen und die unvollständige Benützung von Beweisquellen“ moniert, übersieht er, dass die analoge Heranziehung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 5a StPO im Sinn einer Aufklärungsrüge im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nicht in Betracht kommt (RIS-Justiz RS0122321 [insb T3]).

[9]            „In sinngemäßer Anwendung der Z 9“ (lit b) „des § 281 StPO“ bringt der Beschwerdeführer vor, mangels Verzichts auf den Spezialitätsgrundsatz (§ 31 EU-SZG) könne sich ein „dringender Tatverdacht“ zufolge Abweichungen der Anklage (vgl ON 530 S 1 f) vom Europäischen Haftbefehl (vgl ON 241 S 9 f) in Bezug auf Zeiten und Mengen der angelasteten Kokainübergaben „nur auf eine Suchtmittelmenge von 800 g beziehen“. Weshalb davon ausgehend – unter Zugrundelegung der nicht erfolgreich bekämpften Sachverhaltsannahme des Beschwerdegerichts zum Reinheitsgehalt des tatverfangenen Suchtgifts (von zumindest 70 %) – „das Überschreiten des 25-fachen der Grenzmenge fraglich“ sei, legt die Beschwerde nicht schlüssig dar.

[10]           Indem sie auf dieser beschlussfremden Prämisse (gemeint offenbar: eines nur dem Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG zu subsumierenden Verdachts) die Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft und deren Substituierbarkeit durch (nicht näher bezeichnete [vgl aber RIS-Justiz RS0116422]) gelindere Mittel einwendet, entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung. Auf das auch in diesem Zusammenhang – statt eigenständiger Argumentation der Grundrechtsbeschwerde – zitierte Vorbringen der Haftbeschwerde war mangels Bezugnahme auf die Erwägungen des Beschwerdegerichts (BS 20 f) nicht einzugehen.

[11]     Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.

Textnummer

E133682

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00004.22B.0126.000

Im RIS seit

03.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

03.02.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten