TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/30 W168 2159277-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.08.2021
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Entscheidungsdatum

30.08.2021

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W168 2159277- 1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2017, Zl. 1070155106/150534202, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.07.2021, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und Herrn XXXX gemäß § 3 Abs. 1 des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 i.d.g.F. (AsylG 2005) der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass Herrn XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 20.05.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016BF.

2. Bei der mit einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung des BF am nächsten Tag führte dieser zu seinem Fluchtgrund befragt zusammenfassend aus, dass sein Leben aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten in Gefahr gewesen sei. Zudem sei sein Bruder Polizist gewesen und getötet worden, weshalb er ebenfalls bedroht worden sei. Er wolle in Österreich einen Beruf erlernen, arbeiten und seine Familie finanziell unterstützen. Bei einer Rückkehr fürchte der BF um sein Leben.

Zu seinen persönlichen Umständen befragt, gab der BF an, dass er in der Provinz Ghazni geboren worden sei und im Herkunftsstaat keine Ausbildung absolviert habe. Er sei vor seiner Ausreise Hilfsarbeiter gewesen. Seine Mutter, seine drei Schwestern und zwei Brüder würden sich nach wie vor im Heimatland aufhalten. Ein Bruder sei bereits verstorben, sein Vater sei verschollen. Der BF habe keine Familienangehörigen in Österreich.

3. Am 08.03.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA" genannt), im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Dabei führte er zusammenfassend aus, dass er gesund sei und keine Medikamente einnehme. Er sei wegen Vergesslichkeit in Behandlung gewesen. Die Frage, ob er Angehörige in einem anderen Staat der EU oder Familienangehörige in Österreich habe, wurde vom BF verneint. Er könne keine Personaldokumente vorlegen, da er nie eine Tazkira besessen habe. Überdies habe er in Afghanistan nie strafbare Handlungen begangen und sei wegen Grundstücksstreitigkeiten von der Polizei verfolgt worden. Auf Aufforderung, konkrete Angaben zu tätigen, von welcher Behörde er weswegen, seit wann genau und weshalb er verfolgt werde, entgegnete der BF, dass er bereits seit drei Jahren von der Bezirkshauptmannschaft gesucht werde und er als Ältester der Familie gesucht worden sei. Sein Vater sei vor sieben Jahren ebenfalls verschwunden. Zur weiteren Aufforderung, dass er genaue Angaben tätigen müsse, wann der Zeitraum von drei Jahren beginne und woher er von der Suche der Bezirkshauptmannschaft nach seiner Person wisse, führte der BF an, dass er das genaue Datum nicht kenne und daher keine genauen Angaben machen könne. Nach dem Verschwinden seines Vaters hätten sie ihn eine Woche festgehalten. Nachgefragt, von wem und wo er festgehalten worden sei, gab der BF zu Protokoll, dass er von einem Polizisten festgehalten worden sei und ins Gefängnis gebracht worden sei, wo er eine Woche unter Beobachtung gestanden sei. Zur Frage, in welches Gefängnis er gebracht worden sei und wo sich dieses befinde, erklärte der BF, dass es Miradina heiße und sich in der Bezirkshauptmannschaft befinde. Er kenne jedoch die genaue Adresse nicht und sei in weiterer Folge aus diesem Gefängnis geflohen. Nachgefragt, wie er aus dem Gefängnis entkommen habe können, erwiderte der BF, dass ihn die Polizisten geholfen hätten, da er noch minderjährig gewesen sei. Sie hätten ihm gesagt, dass er sie nicht verraten dürfe. Auf die weitere Aufforderung, detaillierte Angaben zu den Geschehnissen zu machen und die Umstände seiner Festnahme, Zeitpunkt sowie Örtlichkeit und Angaben zu seinem Aufenthalt im Gefängnis sowie seiner Freilassung zu machen, gab der BF an, dass es sich um eine Einzelzelle gehandelt habe, in der er gefoltert und geschlagen worden sei und er während seiner Inhaftierung wenig zu essen erhalten habe. Er sei von den Polizisten unter Druck gesetzt worden, ihnen das Grundstück zu überschreiben, da die Haftbedingungen sich ansonsten noch verschlechtern würden. Auf Wiederholung der Frage brachte der BF vor, dass es eine kleine Einzelzelle gewesen sei, es dunkel gewesen sei und es darin ein kleines Fenster sowie eine Eingangstür gegeben habe. Ansonsten könne er keine weiteren Angaben tätigen. Die Frage, ob gegen ihn ein Haftbefehl bestehe, wurde vom BF verneint. Der Polizist, der ihn festgenommen habe, sei sein Nachbar und habe einen Sohn sowie mehrere Töchter. Der BF habe sich trotz Inhaftierung niemals an örtliche Behörden gewandt, da der erwähnte Polizist in Afghanistan großen Einfluss habe, weshalb man nichts gegen ihn unternehmen habe können. Der BF sei nie politisch oder religiös tätig gewesen und sei nie Mitglied einer Partei oder einer Organisation gewesen. Die Frage, ob sich einer seiner Familienangehörigen politisch oder religiös betätigt habe, wurde ebenfalls verneint. Er sei niemals Verfolgungshandlungen durch private Dritte und/oder heimatliche Behörden, staatliche Stellen aufgrund seiner politischen Gesinnung, religiösen Glaubenszugehörigkeit, sozialen Stellung und Volksgruppenzugehörigkeit ausgesetzt gewesen. Auf Nachfrage gab der BF an, bis zuletzt an seinem Geburtsort in der Provinz Ghazni gewohnt zu haben. Seine Familienangehörigen seien mit ihm gemeinsam in den Iran geflohen. Der BF habe nie eine Schulbildung erfahren. Befragt, was er beruflich gemacht und wovon er in Afghanistan gelebt habe, replizierte der BF, dass seine Familie eine Landwirtschaft gehabt habe. Er habe mit seinem Vater in der Landwirtschaft gearbeitet, als dieser noch am Leben gewesen sei. Da sein Vater jedoch verschollen sei, habe er bei anderen Landwirten mitgeholfen und habe mit diesem Einkommen seine Familie unterstützen können. Auf die Frage, ob er in der Lage gewesen sei, durch seine berufliche Tätigkeit seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt seiner Familie verdienen habe können, führte der BF an, dass er durch seine Tätigkeit in der Landwirtschaft im Sommer und seine Tätigkeit als Reinigungskraft im Winter den Lebensunterhalt für seine Familie verdienen habe können. Die Mutter, die drei Schwestern und die drei Brüder des BF würden nach wie vor im Herkunftsstaat aufhältig sein. Auf Aufforderung, genaue Angaben zu den Umständen des Todes seines Bruders darzulegen, führte der BF an, dass dieser an einer Rauchgasvergiftung durch Abgase gestorben sei und ihn der zuvor erwähnte Polizist umgebracht habe. Nachgefragt, woher er davon wisse, brachte der BF vor, dass der Auspuff des Motors mittels Schlauch mit dem Mund seines Bruders verbunden gewesen sei und die Familie verständigt worden sei, als der Bruder bereits eine Woche verschwunden gewesen sei und daraufhin seine Leiche in einem Dorf gefunden worden sei. Sie hätten bei der örtlichen Polizei nachgefragt, wo sich sein Bruder befinde und ein Polizist habe sie in weiterer Folge zum Leichenfundort des Bruders geführt. Sie seien ungefähr drei Stunden unterwegs gewesen. Zur Frage, wann und von wem sie vom Fundort des Bruders erfahren hätten, dass Reisende aus XXXX in sein Dorf gekommen seien und von einem Leichenfund berichtet hätten. Auf Aufforderung, den konkreten Todeszeitpunkt seines Bruders bekannt zu geben und darzulegen, von wem er genau vom Tod seines Bruders erfahren habe, entgegnete der BF, dass er das Datum nicht mehr wisse, dieser jedoch im Frühjahr vor sieben Jahren gewesen sei, da er über diesen persönlich von einem Reisenden erfahren habe. Auf die weitere Aufforderung, die Einzelheiten zu beschreiben und den Zustand des Leichnams sowie den Fundort wiederzugeben, replizierte der BF, dass die Leiche vor der Polizeistation gelegen sei und mit einem Tuch abgedeckt gewesen sei. Seine Mutter habe seinen Bruder identifiziert und sei im Schockzustand gewesen. Zur Frage, wovon seine Familienangehörigen im Heimatland gelebt hätten, entgegnete der BF, dass sie bis zum Verschwinden seines Vaters von der Landwirtschaft gelebt hätten, anschließend hätten der BF sowie sein jüngerer Bruder für den Unterhalt der Familie gesorgt. Sie hätten in der Landwirtschaft bzw. in der Moschee gearbeitet. Befragt, ob er im Heimatland über Haus- bzw. Grundbesitz verfüge, führte der BF an, dass seine Familie viel Land mit zahlreichen Bäumen besitze. Es handle sich dabei jedenfalls um eine große Landwirtschaft. Das Elternhaus gehöre ebenfalls der Familie des BF. Die Fragen, ob der BF noch Kontakt ins Heimatland habe bzw. noch Verwandte in Afghanistan habe, wurden vom BF verneint. Sie hätten für die schlepperunterstützte Ausreise den gesamten Hausrat verkauft. Auf die weitere Aufforderung, konkrete Angaben zum Verschwinden seines Vaters zu machen, erklärte der BF, dass sein Bruder sowie sein Vater beschlossen hätten, Polizisten zu werden, weshalb sie nach Ghazni gereist seien, um dort notwendige Formalitäten zu erledigen. Am Weg dorthin seien sie jedoch verschwunden und Reisende hätten wenig später von einem Leichenfund berichtet.

Zum Fluchtgrund befragt, führte der BF an, dass ein Mann namens „ XXXX “ nach dem Tod der Tante des BF behauptet habe, dass er Anspruch auf den Grund sowie die Landwirtschaft der Familie des BF habe und ihm deshalb alle Grundstücke der Familie zustehen würden. Nach dem Verschwinden des Vaters des BF hätten die Probleme begonnen, weshalb der BF beschlossen habe, nach Ghazni zu reisen, um dort eine Erwerbstätigkeit zu suchen und dort daraufhin einen Monat lang gelebt und als Maler und Anstreicher gearbeitet habe. „ XXXX “ habe den BF jedoch gefunden und ins Heimatland zurückgebracht. Er habe dem BF erklärt, dass er ihn im gesamten Land finden könnte und verlangt, dass er ihm den gesamten Grund und die Landwirtschaft überschreibe. Da er den BF überdies aufgefordert habe, das Land zu verlassen, sei dieser daraufhin mit seiner Familie nach Verkauf des Hausrates ausgereist. Auf Aufforderung, alle Details der fluchtauslösenden Ereignisse wiederzugeben und auf den Vorhalt, dass er lediglich einen abstrakten Sachverhalt angebe, gab der BF an, dass die Geschehnisse vor drei Jahren begonnen hätten, da „Fakir Shar“ zugegeben habe, den Bruder des BF ermordet zu haben, weshalb ein weiterer Aufenthalt in Afghanistan unmöglich gewesen sei. Auf die weitere Aufforderung, nähere Angaben zu den Grundstücksstreitigkeiten zu machen und befragt, um welche Grundstücke es sich gehandelt habe, wie groß diese gewesen seien, wer Eigentümer gewesen sei und seit wann die Streitigkeiten bestehen würden, führte der BF an, dass die Streitigkeiten vor ungefähr 20 Jahre nach dem Tod seiner Großmutter begonnen hätten. „ XXXX “ habe sich die Grundstücke und alle weiteren Besitztümer der Familie aneignen wollen. Die Probleme seines Vaters mit „ XXXX “ seien nach dessen Verschwinden auf den BF selbst übergegangen. Auf die weitere Bitte, konkrete Angaben zu den Grundstücken hinsichtlich Besitzverhältnisse, Lage, Größe anzugeben, erwiderte der BF, dass es sich um zwei Grundstücke mit Fruchtbäumen sowie eine große Landwirtschaft gehandelt habe, die genaue Größe könne er jedoch nicht angeben. Auf die Aufforderung, konkrete Angaben hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit von „ XXXX “ anzugeben, entgegnete der BF, dass er Polizist und ein mächtiger Mann sei und auf der Polizeistation einer Bezirkshauptmannschaft tätig sei. Seinen genauen Dienstrang könne er nicht angeben. Etwaige Beschwerden gegen diesen Mann wären jedenfalls nicht erfolgsversprechend gewesen. Auf die Frage, ob er an einem anderen Ort Afghanistans leben und arbeiten könnte, erwiderte der BF, dass er es bereits in Ghazni versucht habe, dort jedoch gefunden worden sei, weshalb er davon ausgehe, überall gefunden zu werden. Auf Vorhalt, dass seine Angaben nicht nachvollziehbar seien und jeglicher Logik widersprechen würden, da es nicht verständlich sei, weshalb „ XXXX “ ihn suchen und wieder ins Dorf bringen sollte, obwohl er ihn ursprünglich loswerden habe wollen, replizierte der BF, dass dieser ihm daraufhin aber erklärt habe, dass er Afghanistan verlassen müsse, da er die Grundstücke nie wieder zurückgeben werde. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde der BF mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ermordet werden. Er könne aufgrund der Bedrohung von Seiten des „ XXXX “ jedenfalls nicht nach Afghanistan zurückkehren.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, brachte der BF vor, dass er derzeit einen Deutschkurs besuche und Bekannte vom Deutschkurs habe. Er lebe derzeit von der Bundesbetreuung.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom BF ein Zertifikat über eine gut bestandene ÖSD Prüfung auf dem Niveau A1 vom 03.11.2016, die erfolgreiche Absolvierung eines Deutschkurses auf dem Niveau A2, eine Teilnahmebestätigung des AWS Soziales Wien vom 02.08.2016 über die Teilnahme an einem Intensiv-Deutschkurs vom 20.06.-02.08.2016, eine Teilnahmebestätigung des AWS Soziales Wien vom 19.05.2016 über die Teilnahme an einem Intensiv-Deutschkurs vom 11.04.-19.05.2016, eine Teilnahmebestätigung des Magistrates der Stadt Wien über die Teilnahme am StartWien-Charta Workshop am 28.01.2017, eine Teilnahmebestätigung des Magistrates der Stadt Wien über die Teilnahme am Info-Modul „Bildung“ am 11.10.2016, eine Teilnahmebestätigung des Magistrates der Stadt Wien über die Teilnahme am Info-Modul „Wohnen“ am 18.10.2016, ein Schreiben eines Arztes mit der Diagnose „Bradycardie“ (nachts) (verlangsamter Herzschlag) sowie Holteraufnahmen, eine Bestätigung der Bildungsinstitution Germanica vom 30.09.2016 über die Teilnahme am Basisbildungskurs vom 16.08.2016-10.10.2016, eine Bestätigung der Bildungsinstitution Germanica vom 16.12.2016 über die Teilnahme am Basisbildungskurs vom 19.12.2016-24.02.2016, eine Besuchsbestätigung der Bildungsinstitution Germanica vom 24.02.2017 über den Besuch des Kurses „Bildung für Flüchtlinge“ vom 01.03.2017 bis zum 04.05.2017, eine Besuchsbestätigung der Bildungsinstitution Germanica vom 30.11.2016 über den Besuch eines Basisbildungskurses vom 17.10.2016 bis zum 19.12.2016, Befunde eines Labors, ein Empfehlungsschreiben des Bildungsinstituts Germanica vom 07.03.2017 und eine Teilnahmebestätigung des Bildungsinstituts Germanica vom 24.10.2016 über die Teilnahme an einem Basisbildungskurs vom 17.10.2016-19.12.2016 in Vorlage gebracht.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem BF wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Zusammenfassend führte das BFA aus, dass es dem BF bezüglich seiner eigenen Fluchtgründe nicht gelungen sei, ein in wesentliches Punkten widerspruchsfreies Vorbringen darzulegen und sei er als Person nicht glaubwürdig in Erscheinung getreten. Zusammengefasst sei festzuhalten, dass der BF bei der eigenen Darstellung der Fluchtgründe keinerlei Details oder gar anscheinend unbedeutende Nebensächlichkeiten in sein Vorbringen einfließen habe lassen. Es sei aber davon auszugehen, dass tatsächlich Verfolgte weitschweifig und detailliert vom Erlebten berichten würden. Dazu sei der BF offensichtlich nicht in der Lage gewesen und sei aus diesem Grund davon auszugehen, dass sein Vorbringen jeglicher Realität entbehre. Der BF habe keinerlei Details angedeutet und habe keinerlei konkrete Angaben bezüglich Örtlichkeit, Zeitpunkt sowie seiner erlittenen Folter und körperlichen Misshandlungen bekannt gegeben. So sei er nicht in der Lage gewesen, die genauen Umstände seiner Festnahme und Inhaftierung sowie den Zeitpunkt genauer beschreiben und behaupte hierzu lediglich, dass er von „ XXXX “ festgehalten, ins Gefängnis gebracht und eine Woche in Beobachtung genommen worden sei. Seine Ausführungen zur Festnahme sowie zum Aufenthalt im Gefängnis selbst seien völlig ungeeignet, um die Feststellung nach sich ziehen zu können, dass er tatsächlich jemals in Haft gewesen und Folter ausgesetzt sein hätte können. Die Nachfrage habe lediglich hervorgebracht, dass er in einer kleinen dunklen Einzelzelle mit einem kleinen Fenster gefangen gehalten worden sei und dieser Raum eine Eingangstüre gehabt habe. Der BF sei gefoltert und geschlagen worden und er sei unter Druck gesetzt worden, die Grundstücke zu übergeben. Die Schilderungen über das Zustandekommen seiner Flucht aus der Gefangenschaft würden neuerlich die Absurdität des Vorbringens unterstreichen. Trotz seiner Behauptung, wonach die Grundstücksstreitigkeiten bereits seit 20 Jahren bestanden hätten, sei der BF nicht in der Lage gewesen, konkret und substantiierte Angaben hinsichtlich der umstrittenen Grundstücke sowie der Person seines Verwandten zu tätigen und habe sich eingestanden, nicht mehr zu wissen. Einerseits habe der BF behauptet, dass er nach dem Verschwinden seines Vaters und der Ermordung seines Bruders von seinem Onkel wegen der Übergabe der Grundstücke eine Woche in Haft genommen worden sei und habe das Verschwinden seines Vaters mit vor sieben Jahren datiert, habe jedoch im Laufe der Einvernahme an anderer Stelle zum Zeitpunkt des Ausreiseentschlusses befragt, angegeben, diesen vor drei Jahren nach der Freilassung aus dem Gefängnis gefasst zu haben. Selbst mit größter Fantasie sei nicht nachvollziehbar, weshalb er von „ XXXX “ aufgespürt worden sei und zurück ins Heimatdorf gebracht worden sei, wieder zurückgebracht worden sei und unter Androhung von Gewalt gezwungen worden sei, das Land zu verlassen. Der BF habe ein bloß abstraktes, inhaltsleeres und widersprüchliches Vorbringen dargelegt und keinerlei nähere Details rund um seine Behauptungen geschildert. Es sei aus diesem Grund davon auszugehen, dass sein Vorbringen nicht der Realität entspreche.

5. Gegen den oben genannten Bescheid richtet sich die erhobene Beschwerde, welche fristgerecht beim BFA einlangte. In dieser wurde zusammenfassend insbesondere ausgeführt, dass der BF seine Heimat aus Furcht um sein Leben verlassen habe. Sein Vater sei verschwunden, was die Wiederaufnahme eines alten Familienstreits bezüglich eines Grundstücks ausgelöst habe. Der BF sei aufgrund dieser Auseinandersetzung ohne jede Begründung festgenommen und eine Woche in Haft misshandelt und geschlagen worden. Da dem BF keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung gestanden sei und da er von „ XXXX “ sogar in einer anderen Stadt gefunden worden sei, habe er seine Stadt verlassen müssen. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan würde der BF um sein Leben fürchten müssen und in eine lebensbedrohliche Lage geraten. Laut angefochtenen Bescheid sei die aktuelle Sicherheitslage höchst instabil und geprägt durch den Mangel an rechtsstaatlichen Strukturen, weshalb die Rechte der Bürger nicht garantiert werden könnten. Der BF hole in Österreich die Schulausbildung nach und sei bestrebt, hier Deutsch zu lernen und sich zu integrieren. Die Anzweiflung der Glaubwürdigkeit der belangten Behörde sei nicht nachvollziehbar, da dies damit begründet werde, dass es nicht logisch erscheine, dass der BF festgenommen worden sei und eine Woche inhaftiert gewesen sei. Der BF kenne die Voraussetzungen des Asylverfahren nicht und könne nicht genau wissen, wie detailliert seine Angaben sein müssten. Außerdem sei auch in Betracht zu ziehen, dass der BF zum Zeitpunkt der Inhaftierung noch minderjährig gewesen sei und er während der Haft misshandelt worden sei, was es schwermache, die Geschehnisse im Detail wiederherzustellen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der BF auch eine innerstaatliche Fluchtalternative gesucht habe und nicht unmittelbar nach der ersten Drohung seine Heimat verlassen habe. Der BF habe seine Asylgründe schlüssig, ausführlich und glaubhaft angeführt und Angst vor der Rückkehr glaubhaft gemacht und sei dazu bereit gewesen, zu jeder weiteren Frage Stellung zu nehmen. Die Glaubwürdigkeit sei dem BF ohne plausible und nachvollziehbare Erklärung aberkannt worden. Das Bundesamt sei somit seiner Verpflichtung zur Anwendung der auch im Asylverfahren geltenden AVG-Prinzipien der amtswegigen Erforschung des maßgebenden Sachverhalts und der Wahrung des Parteiengehörs nicht nachgekommen und habe das Verfahren aus diesem Grund mit Mangelhaftigkeit behaftet. Aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage sei nicht davon auszugehen, dass staatliche Stellen den Bürgern Schutz bieten könnten. Eine Schutzunfähigkeit des afghanischen Staates in Bezug auf den Schutz vor Verfolgungshandlungen von nichtstaatlichen Akteuren werde demnach bejaht. Der BF müsste im Falle einer Rückkehr um sein Leben fürchten. Weiters habe auch der Rest seiner Familie in den Iran fliehen müssen, da auch sie um ihr Leben gefürchtet hätten. Wenn der BF in seinen Herkunftsstaat zurückkehren müsste, hätte er dort keine sozialen Kontakte, die ihn unterstützen könnten. Eine Rückkehr würde dem BF daher die Existenzgrundlage entziehen, da er ohne soziales Netzwerk oder außergewöhnliche finanzielle Ressourcen keine Chancen hätte, eine Arbeit oder Unterkunft zu finden.

6. Mit Dokumentenvorlage vom 23.05.2017 wurden vom bevollmächtigten Vertreter des BF eine Teilnahmebestätigung vom 04.05.2017 über die Teilnahme an der Veranstaltung „Weiterbildung, Ausbildung und Deutschkurse“, eine Besuchsbestätigung des Bildungsinstituts Germanica vom 22.05.2017 über den regelmäßigen Besuch des Kurses Bildung für Flüchtlinge und eine Teilnahmebestätigung des AWS Soziales Wien vom 02.08.2016 über die Teilnahme an einem Intensiv-Deutschkurs A2 vom 20.06.-02.08.2016 in Vorlage gebracht.

7. In einer Beschwerdeergänzung vom 09.10.2017 wurde vorgebracht, dass nahezu alle der von der belangten Behörde angesprochenen Widersprüche nicht vorliegen würden. Die belangte Behörde verkenne, dass der BF an keiner Stelle angegeben habe, dass sich seine Inhaftierung unmittelbar nach dem Verschwinden seines Vaters ereignet habe. Die Inhaftierung sei erst vier Jahre nach dem Verschwinden des Vaters erfolgt. Der von der belangten Behörde angenommene Widerspruch liege somit nicht vor. Die belangte Behörde werfe dem BF vor, keinerlei Details in sein Vorbringen eingebaut zu haben, was jedoch nicht richtig sei. Nicht nachvollziehbar seien die Ausführungen der belangten Behörde, wonach der BF seinen Gefängnisaufenthalt nicht genau beschreiben habe können, da ihm nicht genau klar gewesen sei, was die Behörde von ihm erwartet habe. Er habe sich bei seiner Erzählung auf die Elemente beschränkt, die aus seiner Sicht wesentlich seien. Es sei nicht richtig, dass die belangte Behörde davon ausgehe, dass der BF in Kabul eine innerstaatliche Fluchtalternative vorfinde. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe dem BF wegen der sehr schlechten Sicherheitslage nicht offen. Der Beschwerdeergänzung wurde ein Gutachten von Friederike Stahlmann angeschlossen.

8. Mit Schriftsatz vom 05.08.2019 wurde vom BF ein Meldezettel, ein Zertifikat über einen erfolgreich bestandenen energie-Führerschein vom 10.04.2019, eine Bestätigung des Bildungsinstituts über die Teilnahme an dem Projekt des Bundesministeriums für Bildung vom 24.07-27.09.2017, eine Taufurkunde des Bundes der Baptistengemeinde in Österreich vom 24.05.2019 über eine Taufe am 19.05.2019, ein Zertifikat vom 02.10.2017 über eine gut bestandene Prüfung auf dem Niveau A2, ein Zeugnis über die Pflichtabschlussprüfung vom 05.08.2019, ein Abschlussbericht eines Jugendcolleges vom 31.08.2018, eine Teilnahmebestätigung eines Jugendcolleges vom 26.06.2018 über den laufenden Besuch eines Jugencolleges vom 13.04.2018 bis laufend in Vorlage gebracht.

9. Mit Urkundenvorlage vom 07.09.2020 wurde vom BF ein Zeugnis zur Integrationsprüfung auf dem Sprachniveau B1 mit Prüfungsdatum 19.12.2019 übermittelt.

10. Eine für den 17.09.2020 angesetzte Verhandlung wurde aufgrund des Nichterscheinens des BF auf unbestimmte Zeit vertagt.

11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 15.07.2020 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Hierbei wurde dem BF ausführlich Gelegenheit eingeräumt sämtliche Gründe darzulegen, die zum Verlassen des Herkunftsstaates geführt haben. Ebenso wurde der BF ausführlich zu den Gründen und Motiven, sowie hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der notwendig aus glaubensimmanenten Gründen erfolgten Konversion zum Christentum befragt. Ergänzend wurden hierzu, als auch betreffend die konkrete und durchgehende Ausübung des christlichen Glaubens durch den Beschwerdeführer mehrere Zeugen befragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der BF ist in der Provinz Ghazni geboren und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Seine Muttersprache ist Dari.

Der BF hat im Herkunftsstaat keine Schul- oder Berufsausbildung abgeschlossen und hat seinen Lebensunterhalt als Reinigungskraft in einer Moschee sowie in der Landwirtschaft verdient. Er hat sich vor seiner Ausreise ausschließlich in der Provinz Ghazni aufgehalten.

Der Vater des BF ist verschollen, ein Bruder des BF ist bereits verstorben. Die Mutter, drei Schwestern und zwei Brüder des BF sind derzeit im Iran aufhältig. Die finanzielle Situation der Familie des BF war insgesamt gut, die Familie war in Besitz von Land und Mandelbäumen. Der BF hat in Afghanistan keine Verwandte mehr und steht mit niemanden in Afghanistan in Kontakt.

Der BF reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und hält sich zumindest seit dem 20.05.2015 durchgehend in Österreich auf.

Der BF hat in Österreich an Projekten teilgenommen, besucht ein Jugendcollege und hat am 10.04.2019 einen energie-Führerschein absolviert. Er hat den Pflichtabschluss nachgeholt, an mehreren Deutschkursen teilgenommen und eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2 und eine Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 absolviert. Überdies hat er an zahlreichen Workshops und Kursen teilgenommen. Er wurde am 19.05.2019 getauft. Der BF ist gesund und befindet sich nicht in ärztlicher Behandlung.

Der BF hat in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte

Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Gründen für das Verlassen Afghanistans:

Die vom BF ins Treffen geführten Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates werden dem gegenständlichen Verfahren nicht zugrunde gelegt und der Beschwerdeführer hat im Verfahren vor dem BVwG daran nicht festgehalten.

1.3. Zur erfolgten Konversion des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist aus einer nachvollziehbar glaubwürdigen und auf christlichen Glaubensinhalten beruhenden inneren Überzeugung aus glaubensimmanenten Gründen belegt zum Christentum konvertiert.

Der christliche Glaube wird durch den Beschwerdeführer seit längerer Zeit durch eine durchgehende aktive Teilnahme in einer christlichen Gemeinde glaubhaft und nachvollziehbar gelebt und praktiziert.

Der Beschwerdeführer konnte insgesamt glaubhaft machen, dass der christliche Glaube ein integraler Bestandteil seiner Persönlichkeit geworden ist.

Aufgrund einer auf glaubensimmanenten Gründen basierenden Hinwendung des Beschwerdeführers zum Christentum, seiner nachweislichen besonderen Beschäftigung mit verschiedenen Grundlagen des christlichen Glaubens und seines dokumentiert und durch mehrere Zeugen bestätigten besonderen und bereits glaubwürdig langjährig ausgeübten durchgehenden Engagements in seiner christlichen Gemeinde ist diesen eine Rückkehr in seinen Heimatstaat nicht zumutbar und diesen droht dort aufgrund seiner Konversion zum Christentum mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Bedrohung.

1.3. Zur asylrelevanten Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers

Religionsfreiheit:

Nach offiziellen Schätzungen sind 84 % der Bevölkerung sunnitische Muslime und 15 % schiitische Muslime. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften (wie z.B. Sikhs, Hindus, Christen) machen nicht mehr als 1 % der Bevölkerung aus.
Art. 2 der Verfassung bestimmt, dass der Islam Staatsreligion ist. Die ebenfalls in der Verfassung verankerte Religionsfreiheit gilt ausdrücklich nur für die "Anhänger anderer Religionen als dem Islam" (Art. 2, Abs. 2). Auf die Rechte von Muslimen wird kein Bezug genommen. Demnach besteht Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionswahl beinhaltet, für Muslime nicht. Allerdings hält die Verfassung auch die Gültigkeit der von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen fest (Art. 7), was aber wiederum im Lichte des Islamvorbehalts zu lesen ist.
Am 17.09.2003 hat Präsident Karzai die Einsetzung eines zentralen islamischen religiösen Rates (Schura) per Dekret genehmigt. Die Schura, in der Religionsgelehrte aller Provinzen vertreten sein sollen, umfasst rund 2.600 Mitglieder, die dafür Sorge tragen sollen, dass die Gebote des Islams eingehalten werden.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 09.02.2011, 19; siehe auch United States Department of State, "International Religious Freedom Report 2010: Afghanistan", 17.11.2010)
Christen und Konvertiten:

Afghanische Christen sind im Wesentlichen vom Islam konvertiert; ihre Zahl kann nicht annähernd verlässlich geschätzt werden, da Konvertiten sich hierzu nicht öffentlich bekennen, beträgt aber wohl weniger als ein Prozent. Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens. Selbst zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NROs regelmäßig abgehalten werden, erscheinen sie nicht. Konversion wird nach der Scharia als Verbrechen betrachtet, auf das die Todesstrafe steht, und sorgt weiterhin für emotional aufgeladene öffentliche Diskussionen. Laut der AIHRC sind Repressionen gegen Konvertiten in städtischen Gebieten wegen der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften.

2.       Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts, als auch insbesondere der mündlichen Verhandlung am 15.07.2021.

2.1. Zur Person des BF:

Die Feststellungen zur Identität des BF ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, sowie zu seinem Lebenslauf (seine Herkunft, familiäre Situation, sowie seine fehlende Schulbildung und seine Berufserfahrung in der Landwirtschaft sowie als Reinigungskraft) gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben im Verfahren sowie insbesondere in der mündlichen Verhandlung am 15.07.2021. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen Aussagen des BF zu zweifeln.

Die Feststellungen zu seinen familiären und persönlichen Umständen in Österreich und in Afghanistan, ergeben sich aus den gleichlautenden Angaben des BF im Verfahren.

Die Integration in Österreich geht aus in Vorlage gebrachten Unterlagen im gesamten Verfahren hervor.

Der Umstand, dass der BF gesund ist und keine Behandlung benötigt, geht ebenfalls aus den gleichlautenden Angaben des BF im Verfahren hervor.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einem amtswegig eingeholten Strafregisterauszug.

Die erfolgte Konversion des Christentums geht aus einer vorgelegten Taufurkunde, aus den diesbezüglichen Aussagen des Beschwerdeführers, als auch der einvernommenen Zeugen hervor.

2.2. Zu den seitens des Beschwerdeführers angegebenen Fluchtgründen:

Die ursprünglichen angegebenen Gründe für das Verlassen Afghanistans werden dem gegenständlichen Verfahren nicht zu Grunde gelegt, da der Beschwerdeführer insbesondere auch im Zuge der Verhandlung vor dem BVwG am 15.07.2021 an diesen nicht festgehalten hat.

2.3. Zu der nach Antragstellung in Österreich erfolgten Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum:

Durch das im Verfahren vor dem BVwG nunmehr auch erstattete Vorbringen betreffend eines nach der Einreise nach Österreich begonnenen Interesses am christlichen Glauben, bzw. der belegt bereits erfolgten Taufe und damit angegebenen Konversion hat der Beschwerdeführer jedoch einen weiteren auf Glaubwürdigkeit abzuklärend asylrelevanten (Nach)fluchtgrund vorgebracht.

Die Feststellungen hinsichtlich der aus einer nachvollziehbar glaubwürdig erfolgten Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum stützen sich auf die Aussagen der einvernommenen Zeugen, sowie insbesondere auf das diesbezüglich schlüssige und glaubwürdige Vorbringen des Beschwerdeführers im Verfahren vor dem BVwG, sowie die von diesem im Verfahren vorgelegten Bescheinigungsmittel, bzw. auch die Aussagen mehrerer Zeugen betreffend die Ausübung des Glaubens und die Hinwendung zum christlichen Glauben aus glaubensimmanenten Gründen durch den Beschwerdeführer. Über deren Echtheit bzw. die Nachvollziehbarkeit der Aussagen, oder die inhaltliche Richtigkeit sind keine Zweifel aufgekommen.

Bei Nachfluchtgründen, insbesondere solchen, wenn sie eine erst nach Einreise nach Österreich begonnene Zuwendung zu einem Glauben betreffen, ist eine umso genauere Ermittlung der inneren Überzeugung und sämtlicher Umstände die zu einen solchen Konversion geführt haben erforderlich, um einen möglichen Missbrauch eines solchen Vorbringens aus rein asylzweckbezogenen Gründen auszuschließen.

Aus diesen Gründen war es auch in casu erforderlich durch die Vornahme einer umfassenden Befragung vor dem BVwG das Vorliegen eines glaubwürdigen auch nachhaltigen Interesses am christlichen Glauben, bzw. einer aus tatsächlich nachvollziehbar glaubensimmanenten Gründen erfolgten Konversion zu ermitteln.

Weiter war abzuklären, inwieweit der christliche Glauben bereits als integralen Bestandteil der Persönlichkeit des Beschwerdeführers erkannt werden kann, bzw. ob dem BF aus seiner inneren Glaubensüberzeugung eine asylrelevante Bedrohung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Herkunftsstaat droht.

Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes kann diesbezüglich auch nach einer bestätigten Taufe in den meisten Verfahren nur nach einer ausführlichen Befragung und umfassender Ermittlung sämtlicher diesen Nachfluchtgrund betreffender Umstände eine valide Grundlage zur Entscheidung gefunden werden.

Fallgegenständlich ist festzuhalten, dass im Zuge des Verfahrens vor dem BVwG das erkennende Gericht in casu begründet keine substantiell begründbaren Anhaltspunkte finden konnte, die im gegenständlichen Verfahren den Schluss zulassen würden, dass die Konversion des Beschwerdeführers zum christlichen Glauben bloß asylzweckbezogen, bzw. zum Schein erfolgt wäre.

Es ist dennoch festzuhalten, dass fallbezogen eine diesbezügliche Abklärung nicht derart abschließend vorgenommen werden kann, sodass hieraus unwiderruflich und auch für die Zukunft geltend der Schluss ableitbar wäre, dass der christliche Glaube bereits auch nachhaltig zu einem tatsächlich integralen Bestandteil der Persönlichkeit des Antragstellers geworden ist.

Das BFA wird auch in Verfahren, in denen aufgrund eines erst im Bundesgebiet begonnenen Interesses am Christentum, bzw. erst einer im Zuge des Verfahrens erfolgten Konversion und eines ausschließlich deshalb zuerkannten Status nach §3 AsylG gehalten sein ein allfällig hierauf bezogenes weiteres Vorliegen von Asylgründen einer Überprüfung zuzuführen.

Als ein Indiz für eine solche Nachhaltigkeit des Bekenntnisses zum christlichen Glauben, bzw. einer fundamentalen Verfestigung der christlich - religiösen Einstellungen kann im gegenständlichen Verfahren die belegbare glaubwürdige und bereits seit längerer Zeit dokumentiert erfolgte aktive Ausübung des Glaubens in einer Glaubensgemeinschaft bzw. auch die nachvollziehbar dargelegte vertiefte inhaltliche Beschäftigung des Beschwerdeführers mit dem christlichen Glauben und konkreten Glaubensinhalten angesehen werden.

Der Beschwerdeführer hat insgesamt nachvollziehbar und bestätigt durch mehrere Zeugen darlegen können, dass er sich auf Grund einer begründeten persönlichen Entscheidung dem Christentum zugewandt hat. Mehre glaubwürdige Zeugen konnten durch Anführung von konkret individuellen Darlegungen nachvollziehbar den Weg der Glaubenssuche und der Glaubensfindung des Beschwerdeführers deutlich machen.

Ebenso konnte der BF glaubhaft darlegen, dass sich dieser aus glaubwürdiger und begründeter innerer Überzeugung dem Christentum zugewandt hat, sich mit spezifischen christlichen Glaubensinhalten fundiert auseinandergesetzt hat und sich nachhaltig einer bestimmten christlichen Gemeinde zugehörig fühlt.

In casu konnte der Beschwerdeführer zudem im Zuge des Verfahrens vor dem BVwG das erkennenden Gericht davon überzeugen, dass sich dieser aus nachvollziehbaren und glaubensimmanenten Gründen umfassend mit der christlichen Lehre zu beschäftigen begonnen hat und nach wie vor beschäftigt, bzw. sich aus inhaltlich begründeten Motiven, sowie aus inhaltlich nachvollziehbar begründeter Überzeugung letztlich zum christlichen Glauben auch nach außen bekennt.

Gerade basierend auf diesen glaubensimmanenten Gründen hat dieser sich der Konsequenzen bewusst eine Konversion zum Christentum angestrebt und die christliche Taufe empfangen.

Zudem hat der Beschwerdeführer darlegen können, dass er sich bereits seit einer durchgehend längeren Zeit belegbar in einer bestimmten Kirchengemeinde besonders nachhaltig, aktiv einbringt und engagiert.

Auch konnte der Beschwerdeführer glaubhaft darlegen, dass die christlichen Regeln generell ein Maßstab für sein gesamtes Leben darstellen. Der Beschwerdeführer konnte durch seine Aussagen somit insgesamt sein nachvollziehbar glaubwürdiges Interesse an christlichen Glaubensinhalten darlegen und glaubhaft machen, dass der christliche Glaube ein integraler Bestandteil der Persönlichkeit dieses geworden ist.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner erfolgten Konversion vom Islam zum Christentum war somit im Ergebnis ausreichend substantiiert, umfassend, in sich schlüssig und im Hinblick auf die besonderen Umstände des Beschwerdeführers und die allgemeine Situation in Afghanistan plausibel (vgl. allgemein zu den - hier beim Asylwerber vorliegenden - Grundanforderungen, dass eine Flüchtlingseigenschaft glaubwürdig bzw. darüber hinaus glaubhaft ist: Materialien zum Asylgesetz 1991, RV 270 BlgNR 18. GP, zu § 3).

Zudem haben der Beschwerdeführer selbst, als auch die angeführten Zeugen betreffend die Motivation zur Konversion einen glaubwürdigen und authentischen Eindruck hinsichtlich der nachvollziehbar tatsächlich aus innerer Überzeugung begründet bestehenden inneren Motivation betreffend die Konversion zum Christentum vermittelt.

In ganzheitlicher Würdigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere auch unter Berücksichtigung der diesbezüglich vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage sowie zur derjenigen von Christen und Konvertiten in Afghanistan (zu deren Würdigung s. weiter unten Pkt. II.2.2.), war dieses insgesamt als glaubwürdig zu beurteilen (vgl. UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Rz. 203, mit dem Hinweis, nach dem Grundsatz "im Zweifel für den Antragsteller" zu verfahren).

2.2. Der vom erkennenden Gericht festgestellte Sachverhalt hinsichtlich der aktuellen politischen und Menschenrechtslage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, dies insbesondere auch die aktuelle Situation im Herkunftssaat berücksichtigend bzw. bezüglich einer allfälligen Situation von ihm im Falle seiner Rückkehr in diesen Staat beruht im Wesentlichen auf Berichten von als seriös und fachlich-kompetent anerkannten Quellen (zu den in diesen Unterlagen angeführten und auch vom - nunmehr - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie vom Bundesverwaltungsgericht als speziell eingerichtete Bundesbehörden als notorisch anzusehenden und daher jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigenden Tatsachen vgl. die einschlägige Judikatur z.B. VwGH 12.05.1999, 98/01/0365, und VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; zu den laufenden Ermittlungs- bzw. Informationspflichten der Asylbehörden VwGH 06.07.1999, 98/01/0602, u.v.a.).

Die den Feststellungen zugrundeliegenden Ausführungen sind mit weiteren Nachweisen substantiiert, schlüssig und nachvollziehbar. Auf eine Ausgewogenheit von sowohl amtlichen bzw. staatlichen als auch von nichtstaatlichen Quellen, die auch aus verschiedenen Staaten stammen, wurde Wert gelegt.

Die herangezogenen Bescheinigungsmittel wurden im Hinblick sowohl auf ihre Anerkennung als seriöse und zuverlässige Quellen als auch auf ihre inhaltliche Richtigkeit von den Parteien dieses Verfahrens nicht bestritten, bzw. es sind diesbezüglich keine Zweifel hervorgekommen. Weiters wurden im Verfahren von den Parteien keine Umstände vorgebracht und haben sich bisher keine Anhaltspunkte ergeben, auf Grund derer sich die Feststellungen zur Situation im betreffenden Herkunftsstaat in nachvollziehbarer Weise als unrichtig erwiesen hätten.

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 i.d.g.F. sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwal-tungsgericht [...] zu Ende zu führen.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem den Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.1. Zu Spruchpunkt A):

1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes [Statusrichtlinie] verweist).
Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.
Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) vom 28.07.1951, BGBl. Nr. 55/1955, i.V.m. Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.01.1967, BGBl. Nr. 78/1974, ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der [...] in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, 94/20/0858, u.a.m., s.a. VfGH 16.12.1992, B 1035/92, Slg. 13314).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist die Entscheidung, mit der Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
2. Die o.a. Feststellungen (s. Pkt. II.1.) zugrunde legend kann hinreichend davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht (s. für viele VwGH 19.04.2001, 99/20/0273). Diese Beurteilung ergibt sich auf Grund der Gesamtsituation aus objektiver Sicht (s. hierzu VwGH 12.05.1999, 98/01/0365), die nicht nur die individuelle Situation des Beschwerdeführers, sondern auch die generelle politische Lage in seinem Herkunftsstaat sowie die Menschenrechtssituation derjenigen Personen bzw. Personengruppe berücksichtigt, deren Fluchtgründe mit dem Beschwerdeführer vergleichbar sind (s.a. VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389 zur ganzheitlichen Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit [aktuellen] Länderberichten verlange).
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat, können diese neuen - in Österreich eingetretenen - Umstände, mit denen ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung (nunmehr) begründet, grundsätzlich zur Asylgewährung führen. Sie sind daher zu überprüfen, wenn sie geeignet sind, die Annahme "wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung" zu rechtfertigen (VwGH 18.09.1997, 96/20/0923).

Allein aus der Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit kann das Vorliegen von Verfolgung im Sinne der GFK aber nicht abgeleitet werden (VwGH, 09.11.1995, 94/19/1414). Es sind darüberhinausgehende konkret gegen den Asylwerber gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende bzw. von diesen geduldete Verfolgungshandlungen gegen seine Person erforderlich, um die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers zu erweisen (VwGH 08.07.2000, 99/20/0203; 21.09.2000, 98/20/0557).
Gemäß Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG (Statusrichtlinie) kann die begründete Furcht vor Verfolgung oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, auf Aktivitäten des Antragstellers seit Verlassen des Herkunftsstaates beruhen, insbesondere wenn die Aktivitäten, auf die er sich stützt, nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind.
Bei einer erst nach Verlassen des Herkunftsstaates erfolgten Konversion eines Fremden vom Islam zum Christentum ist insbesondere zu prüfen, ob die Konversion allenfalls bloß zum Schein erfolgt ist. Hat der Fremde nicht behauptet, im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat wieder vom christlichen Glauben zum Islam übertreten zu wollen, und ist der Fremde nicht nur zum Schein zum Christentum konvertiert, kommt es nicht auf die Frage an, welche Konsequenzen der Asylwerber wegen einer bloß vorübergehenden, der Asylerlangung dienenden Annahme des christlichen Glaubens zu befürchten hätte. Vielmehr ist maßgeblich, ob er bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion (allenfalls sogar mit der Todesstrafe) belegt zu werden (VwGH 24.10.2001, 99/20/0550; 19.12.2001, 2000/20/0369; 17.10.2002, 2000/20/0102; 30.06.2005, 2003/20/0544).
Aus dem oben zur Person des Beschwerdeführers festgestellten Sachverhalt und den Feststellungen zur Situation der Christen in Afghanistan, insbesondere der vom Islam zum Christentum konvertierten Personen, ergibt sich, dass der Beschwerdeführer als Person mit glaubwürdiger innerer christlicher Überzeugung, die er nicht verleugnen, sondern offen ausüben wollte, im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan insbesondere auch nach der aktuellen Machtergreifung der Taliban in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit massiven Einschränkungen und Diskriminierungen im persönlichen Bereich auf Grund seiner religiösen Überzeugung, einem erheblichen Verfolgungsrisiko für seine persönliche Sicherheit und physische Integrität, sowohl von privater Seite - ohne dass in dieser Hinsicht staatlicher Schutz zukäme - als auch von staatlicher Seite ausgesetzt wäre. Es ist davon auszugehen, dass die Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum Personen in seinem familiären und sozialen Umfeld sowie auch den afghanischen Behörden nicht verborgen bleiben würde.
Auf Grund des in ganz Afghanistan gültigen islamischen Rechts nach der Scharia und der in der Praxis angewendeten islamischen Rechtsprechung sowie auf Grund der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Traditionen und Moralvorstellungen und der allgemein vorherrschenden Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten, insbesondere gegenüber Konvertiten, und den damit zusammenhängenden benachteiligenden Auswirkungen des traditionellen Gesellschaftssystems in ganz Afghanistan ist davon auszugehen, dass sich die oben dargestellte Situation für den Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet Afghanistans ergibt (zur - hiermit gegebenen fehlenden - inländischen Fluchtalternative s. VwGH 03.12.1997, 96/01/0947, 28.01.1998, 95/01/0615, u.a.m.; vgl. dazu auch allgemein zur Gefahrlosigkeit z.B. VwGH 25.11.1999, 98/20/0523, bzw. zur Frage der Zumutbarkeit z.B. VwGH 08.09.1999, 98/01/0614). Auch kann er sich aus den genannten Gründen keinen (ausreichenden) Schutz von Seiten der staatlichen Behörden erwarten (zur Frage des ausreichenden staatlichen Schutzes vor Verfolgung von nichtstaatlicher bzw. privater Seite s. für viele VwGH 10.03.1993, 92/01/1090, 14.05.2002, 2001/01/140 bis 143; s.a. VwGH 04.05.2000, 99/20/0177, u.a.).

Angesichts dieser Umstände war auf die vom Beschwerdeführer im bisherigen Verfahren erstatteten Fluchtgründe nicht mehr weiter einzugehen.

Zusammenfassend ergibt sich, dass sich der Beschwerdeführer aus wohl begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb Afghanistans aufhält und dass auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Apostasie Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Christentum Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit inländische Schutzalternative innerstaatliche Fluchtalternative Konversion mündliche Verhandlung Nachfluchtgründe Religionsausübung Religionsfreiheit religiöse Gründe staatlicher Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W168.2159277.1.00

Im RIS seit

21.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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