TE Bvwg Beschluss 2021/10/29 W152 2146575-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.10.2021
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Entscheidungsdatum

29.10.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


W152 2146575-1/9E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Walter KOPP als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Volksrepublik China, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.01.2017, Zl. 643855503-161179556, beschlossen:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG idgF aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.


Text


Begründung:

1. Verfahrensgang:

1.1.    Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Volksrepublik China.

1.2.    Mit Schriftsatz vom 05.08.2016 teilte die Bezirkshauptmannschaft XXXX dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit, dass die Beschwerdeführerin im Besitz einer Aufenthaltskarte (gültig bis 11.12.2018) sei, und sich am 15.06.2016 von ihrem Ehegatten XXXX , geb. XXXX , habe scheiden lassen (rechtskräftig seit 12.07.2016). Die Beschwerdeführerin erfülle damit nicht mehr die Voraussetzungen des § 51 NAG und daher sei ein Verfahren gemäß § 55 Abs. 3 NAG einzuleiten.

1.3.    Mit Schriftsatz vom 29.08.2016 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit, gegen sie eine fremdenpolizeiliche Maßnahme erlassen zu wollen und stellte der Beschwerdeführerin frei, sich zu den bisherigen Beweisergebnissen binnen zwei Wochen zu äußern.

1.4.    Mit Schriftsatz vom 07.09.2016 nahm die Beschwerdeführerin zu den Beweisergebnissen Stellung.

1.5.    Mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 11.01.2017 wurde die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm
§ 55 Abs. 3 NAG ausgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde der Beschwerdeführerin ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II). Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe selbst angegeben, keine Familienangehörigen im österreichischen Bundesgebiet zu haben. Es würde sich lediglich eine Nichte und ein Neffe in Österreich aufhalten, sodass nicht von einer familiären Bindung in Österreich ausgegangen werden könne. Die Beschwerdeführerin habe am 26.08.2013 geheiratet. Die Ehe sei am 12.07.2016 rechtskräftig geschieden worden. Die Ehe habe daher weniger als 3 Jahre bestanden. Somit lasse sich von ihrem ehemaligen Ehegatten kein Aufenthaltsrecht mehr ableiten. Die Beschwerdeführerin habe lediglich Verwandte als soziale Anknüpfungspunkte. Die Beschwerdeführerin sei zwar einer Beschäftigung nachgegangen, dies alleine rechtfertige aber keine hinreichende und nachhaltige Integration. Des Weiteren könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin, etwa aufgrund ihres mehrjährigen Aufenthaltes außerhalb ihres Herkunftsstaates, über keinerlei Bindung mehr an ihren Herkunftsstaat verfüge. Es sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin sowohl Kenntnisse der chinesischen Sprache habe, als auch mit der dortigen Kultur vertraut sei. Das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen überwiege das private Interesse an einem weiteren Verbleib in Österreich. Eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung sei nicht erkennbar, weshalb Durchsetzungsaufschub zu gewähren war.

1.6.    Mit Schriftsatz vom 26.01.2017 erhob die Beschwerdeführerin gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Der Bescheid wurde vollinhaltlich angefochten und neben Mangelhaftigkeit des Verfahrens auch inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht. Die Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt. Die Behörde habe festgestellt, dass Neffe und Nichte der Beschwerdeführerin in Österreich leben und die Beschwerdeführerin bei der Nichte unentgeltlich leben könne. Jedoch komme die Behörde weiter zu dem Schluss, dass die Beschwerdeführerin keine Familienangehörigen in Österreich habe. Weiters gelange die Behörde zu folgender Feststellung: „Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration in Österreich in beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.“. Die Beschwerdeführerin habe Meldebestätigung, Wohnungsbestätigung, Arbeitsbestätigung und Lohn- und Gehaltsabrechnung vorgelegt. Aus diesen Nachweisen gehe hervor, dass die Beschwerdeführerin seit ihrer Ankunft in Österreich (20.08.2013) bei ihrer Nichte wohne, sowie seit 18.01.2014 in einem Restaurant bei ihrem Neffen beschäftigt sei. Bei korrekter Würdigung des Vorbringens sei unmissverständlich festzustellen gewesen, dass die Beschwerdeführerin in Österreich sowohl in gesellschaftlicher, als auch in beruflicher Hinsicht integriert sei. Das Bundesamt habe außerdem den angefochtenen Bescheid ohne persönliche Einvernahme der Beschwerdeführerin erlassen. Die Beschwerdeführerin sei lediglich dazu aufgefordert worden, eine Stellungnahme abzugeben. Im Rahmen der Einvernahme hätte die Beschwerdeführerin angeben können, dass der Scheidungsgrund die Spielsucht des Ex-Ehemannes gewesen sei. Aufgrund der Spielsucht des Ex-Ehemannes liege ein überwiegendes Verschulden des Zusammenführenden (Ex-Ehemannes) vor und der BF wäre ein weiterer Aufenthaltstitel mit demselben Berechtigungsumfang zu erteilen gewesen. Ebenso hätte die Beschwerdeführerin angegeben können, dass ihre Schwester XXXX , geb. XXXX , sich ebenfalls in Österreich befinde. Bei richtiger rechtlicher Würdigung hätte die Behörde berücksichtigen müssen, dass beim Nicht-Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen, trotzdem ein weiteres Aufenthaltsrecht erteilt werden müsse, wenn eine Scheidung aus überwiegendem Verschulden des Zusammenführenden vorläge. Der Beschwerdeführerin wäre daher ein weiterer Aufenthaltstitel mit demselben Berechtigungsumfang zu erteilen gewesen. Des Weiteren überwiegen die privaten Interessen an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2. Feststellungen (Sachverhalt):

2.1. Das Bundesverwaltungsgericht stellt den Verfahrensgang fest, wie dieser unter Punkt 1 wiedergegeben ist.

2.2. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Volksrepublik China. Die Beschwerdeführerin hält sich seit 2013 ununterbrochen im österreichischen Bundesgebiet auf und ist in XXXX , XXXX , gemeldet. Die Beschwerdeführerin heiratete am 26.08.2013 vor dem Standesamt XXXX den österreichischen Staatsangehörigen XXXX , geb. XXXX . Der Ehegatte war während aufrechter Ehe genauso wie die Beschwerdeführerin in XXXX , XXXX , gemeldet. Der Ehegatte war seit 2004 bis zum Entscheidungszeitpunkt durchgehend in Österreich (Hauptwohnsitz) gemeldet. Der Beschwerdeführerin wurde in Österreich der Aufenthaltstitel „Angehörige von Österreichern“ gemäß § 54 NAG (gültig von 12.12.2013 bis 11.12.2018) erteilt und somit eine Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers ausgestellt. Mit rechtskräftigem Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 15.06.2016, GZ. XXXX (rechtskräftig seit 12.07.2016), wurde die Ehe der Beschwerdeführerin geschieden. Die Beschwerdeführerin ist derzeit nicht verheiratet. Die Beschwerdeführerin war zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung erwerbstätig. Im Dezember 2016 verdiente die Beschwerdeführerin ohne Feiertagszuschlag € 1432,00 brutto im Monat. In der Stellungnahme vom 07.09.2016 brachte die Beschwerdeführerin vor, sie würde bei ihrer Nichte wohnen, die Wohnung sei für sie unentgeltlich. Weiters gab die Beschwerdeführerin an, bei ihrem Neffen zu arbeiten. Nichte und Neffe sind in Vorarlberg gemeldet.

2.3. Mit Schriftsatz vom 05.08.2016 teilte die Bezirkshauptmannschaft XXXX dem Bundesamt mit, dass die Ehe der Beschwerdeführerin rechtskräftig geschieden worden sei und regte die Prüfung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme an.

2.4. Mit Schriftsatz vom 29.08.2016 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit, gegen die Beschwerdeführerin eine fremdenpolizeiliche Maßnahme erlassen zu wollen und stellte ihr frei, sich zu den bisherigen Beweisergebnissen binnen zwei Wochen zu äußern. Mit Schriftsatz vom 07.09.2016 nahm die Beschwerdeführerin zu den Beweisergebnissen Stellung.

2.5. Die Beschwerdeführerin wurde im Verfahren niederschriftlich nicht einvernommen. Eine Belehrung hinsichtlich der Bestimmung des § 54 NAG (insbesondere zum Vorliegen eines Härtegrades im Hinblick auf § 54 Abs. 5 Z 4 NAG) hat trotz Vorliegens einer Scheidungsproblematik nicht stattgefunden. Ebenso wenig erfolgte eine zeugenschaftliche Einvernahme der Nichte und des Neffen der Beschwerdeführerin.

2.6. Mit Bescheid vom 11.01.2017, Zl. 643855503-161179556, wurde die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG ausgewiesen (Spruchpunkt I) und ihr gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit der Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II).

3. Beweiswürdigung:

3.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

3.2. Die Feststellung zur Nationalität ergibt sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichts. Die Feststellung zum erteilten Aufenthaltstitel ergibt sich aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister. Die Feststellung zum Aufenthaltsort der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einem aktuellen Auszug des Zentralen Melderegisters. Die Feststellungen zum gemeldeten Aufenthaltsort des vormaligen Ehegatten der Beschwerdeführerin – XXXX – ergeben sich aus einem aktuellen Auszug des Zentralen Melderegisters. Die Feststellung zur Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus der Arbeitsbestätigung vom 04.08.2016. Die Feststellung zur Höhe des Arbeitsentgeltes ergibt sich aus der Lohn- und Gehaltsabrechnung vom Dezember 2016. Die Feststellungen zum Vorbringen hinsichtlich der Wohn- und Arbeitssituation der Beschwerdeführerin ergeben sich aus der Stellungnahme vom 07.09.2016. Die Feststellungen zum gemeldeten Aufenthaltsort der Nichte der Beschwerdeführerin und des Neffen der Beschwerdeführerin ergeben sich aus einem aktuellen Auszug des Zentralen Melderegisters.


3.3. Die Feststellung zur geschlossenen Ehe ergibt sich aus der vorgelegten Heiratsurkunde vom 26.08.2013. Die Feststellung der rechtskräftigen Scheidung der Beschwerdeführerin ergibt sich aus dem im Akt aufliegenden Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 15.06.2016, GZ. XXXX .

4. Rechtliche Beurteilung:

4.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch Einzelrichter:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz; BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz; BVwGG), BGBl I 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

4.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz; VwGVG), BGBl I Nr. 22/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl 51/1991 (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes, BGBl 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu Spruchteil A)

4.3. Zur Zurückverweisung der Angelegenheit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl:

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn „die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen“ hat.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenen des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung der mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ([vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0167: Tatsachenbereich], Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsverfahren, Manz, Anmerkung 2 und 11, Seiten 150 und 153f).

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Diese Vorgangsweise setzt voraus, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet, welche er seitdem in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0019;VwGH 06.07.2016, Ra 2015/01/0123):

Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststehe. Dies werde jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergebe.

Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen sei.

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlange das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck finde, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werde. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen komme daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen habe, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt habe. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen würden, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen habe, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Die verwaltungsgerichtliche meritorische Entscheidungszuständigkeit hält grundsätzlich hintan, dass die Erledigung eines von einer Verwaltungsbehörde eingeleiteten Verfahrens erst nach einem längeren Zeitraum hinweg in einer Art eines "Pingpongspiels" erfolgenden Wechsels zwischen verwaltungsgerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Entscheidungen erfolgen kann. Zudem wird nur ein solches Verständnis der mit der Etablierung der Verwaltungsgerichte erfolgenden Zielsetzung gerecht, den Anforderungen der EMRK sowie denen des Rechts der Europäischen Union im Bereich des Verwaltungsrechtsschutzes zu entsprechen. Zum einen ist aufgrund dieser Anforderungen bei der Interpretation der sich aus § 28 Abs. 3 VwGVG für die meritorische Entscheidungskompetenz ergebenden Ausnahmen ohnehin auch das grundsätzlich zu einer restriktiven Sicht dieser Ausnahmen führende Gebot einer angemessenen Verfahrensdauer zu berücksichtigen. Zum anderen ist nicht zu übersehen, dass auf dem Boden der meritorischen Entscheidungskompetenz getroffene Entscheidungen der Verwaltungsgerichte grundsätzlich eine verlässliche Gewähr dafür bieten, dass den von diesen Vorgaben an die behördliche Entscheidungskompetenz gerichteten Anforderungen entsprochen wird (vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist. Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründungen hinwegsetzen (vgl. VwGH 10.04.2013, 2011/08/0169).

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, etwa in seinem Erkenntnis vom 07.11.2008, Zl. U 67/08-9, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).

Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Pflicht zur Durchführung notwendiger Ermittlungen des Sachverhalts nicht nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aufgrund folgender Erwägungen:

Gemäß § 66 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt bei der Ausweisung insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen. Bei der Interessensabwägung nach
§ 66 FPG ist Art. 8 EMRK maßgebend (VwGH 28.02.2019, Ro 2019/01/0003-3). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen neben den zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienleben bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Als Kriterien hierfür kommen in einer Gesamtbetrachtung etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Intensität und die Dauer des Zusammenlebens bzw. die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Sich bei der Prüfung allein auf das Kriterium der Abhängigkeit zu beschränken, greift jedenfalls zu kurz (vgl. VwGH vom 26.01.2006, Zl. 2002/20/0423).

Die Beschwerdeführerin brachte vor, bei ihrer Nichte unentgeltlich zu wohnen. Damit liegen substantiierte Anhaltspunkte vor, dass die Beziehung zwischen der Beschwerdeführerin und ihrer Nichte ein schützenswertes Familienleben im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung darstellen könnte. Die belangte Behörde unterließ dennoch eine persönliche Einvernahme sowohl der Beschwerdeführerin als auch der Nichte und ging im angefochtenen Bescheid davon aus, die Beschwerdeführerin führe in Österreich kein Familienleben (vgl. Seite 6 des Bescheides). Die Beschwerdeführerin gab weiters an, im Restaurant ihres Neffen erwerbstätig zu sein. Damit liegen ebenfalls Anzeichen für einen intensiveren Beziehungsgrad vor („finanzielles Abhängigkeitsverhältnis“). Persönliche Einvernahmen der Beschwerdeführerin, ihrer Nichte und des Neffen sind trotzdem unterblieben, obwohl diese im Bundesgebiet ordnungsgemäß gemeldet sind. Ungeachtet dessen liegen auch weitere Ermittlungsmängel hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 NAG vor.

§ 54 NAG idgF lautet:

„Aufenthaltskarten für Angehörige eines EWR-Bürgers

§ 54. (1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.

(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass, die Anmeldebescheinigung oder die Bescheinigung des Daueraufenthalts des zusammenführenden EWR-Bürgers sowie folgende Nachweise vorzulegen:
1.         nach § 52 Abs. 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft;
2.         nach § 52 Abs. 1 Z 2 und 3: ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern über 21 Jahren und Verwandten des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung.

(3) Das Aufenthaltsrecht der Angehörigen gemäß Abs. 1 bleibt trotz Tod des EWR-Bürgers erhalten, wenn sie sich vor dem Tod des EWR-Bürgers mindestens ein Jahr als seine Angehörigen im Bundesgebiet aufgehalten haben und nachweisen, dass sie die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 bis 2 erfüllen.

(4) Das Aufenthaltsrecht von minderjährigen Kindern eines unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt auch nach dem Tod oder nicht bloß vorübergehenden Wegzug des EWR-Bürgers bis zum Abschluss der Schulausbildung an einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule erhalten. Dies gilt auch für den Elternteil, der Drittstaatsangehöriger ist, sofern dieser die Obsorge für die minderjährigen Kinder tatsächlich wahrnimmt.

(5) Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 oder 2 erfüllen und
1.         die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;
2.         die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;
3.         ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird;
4.         es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann, oder
5.         ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang – solange er für nötig erachtet wird – ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf.

(6) Der Angehörige hat diese Umstände, wie insbesondere den Tod oder Wegzug des zusammenführenden EWR-Bürgers, die Scheidung der Ehe oder die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben.

(7) Liegt eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30), eine Zwangsehe oder Zwangspartnerschaft (§ 30a) oder eine Vortäuschung eines Abstammungsverhältnisses oder einer familiären Beziehung zu einem unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger vor, ist ein Antrag gemäß Abs. 1 zurückzuweisen und die Zurückweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Antragsteller nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fällt.“

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Volksrepublik China. Die Beschwerdeführerin war vom 26.08.2013 bis 15.06.2016 mit dem österreichischen Staatsangehörigen XXXX , geb. XXXX , verheiratet. § 54 NAG regelt im Abs. 5 nun die Voraussetzungen unter denen ein geschiedener Drittstaatsangehöriger trotzdem weiterhin im Bundesgebiet bleiben darf. Die Ehe der Beschwerdeführerin hat zwar bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens nicht mindestens drei Jahre bestanden. Allerdings hätte die belangte Behörde sich mit dem Vorliegen eines Härtefalls iSd § 54 Abs. 5 Z 4 NAG („Vermeidung einer besonderen Härte“) auseinandersetzen müssen. Im gegenständlichen Fall wurde die Beschwerdeführerin nicht einmal über die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 NAG belehrt, sondern nur mit Schriftsatz vom 29.08.2016 vom vorläufigen Beweisergebnis informiert.

Die belangte Behörde hat somit im konkreten Fall gegen die in § 37ff AVG determinierten Ermittlungspflichten verstoßen. Die im AVG verankerte Ermittlungspflicht verpflichtet das Bundesamt, in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass der maßgebliche Sachverhalt festgestellt werden kann (vgl. VwGH vom 23.11.2017, Ra 2016/11/0160). Im Sinne einer Gesamtbetrachtung drängt sich auch der Eindruck auf, dass die belangte Behörde Ermittlungen zum Härtegrad im Hinblick auf § 54 Abs. 5 Z 4 NAG unterlassen hat, damit diese dann vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommen werden müssten (vgl. VwGH vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063). Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren die Beschwerdeführerin im Hinblick auf eine allfällige Unzumutbarkeit des Festhaltens an der Ehe sowie zum Intensitätsgrad ihrer Beziehungen zu ihrer Nichte und ihrem Neffen einvernehmen zu haben. Ebenso werden ihre Nichte und ihr Neffe als Zeugen zum Beziehungsausmaß einzuvernehmen sein.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht kann – im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG – nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht „im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden“ wäre, ist – angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes – nicht ersichtlich. Die Beschwerdeführerin, ihre Nichte und ihr Neffe sind allesamt in Vorarlberg gemeldet. Eine Einvernahme in Wien durch das Bundesverwaltungsgericht würde im Verhältnis zur Einvernahme durch die Regionaldirektion Vorarlberg einen unverhältnismäßigen Reiseaufwand begründen. Das Bundesamt kann somit die notwendigen – auch darüber hinausgehenden – Ermittlungsschritte wesentlich rascher, effizienter und vor allem erheblich kostengünstiger nachholen.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Da der maßgebliche Sachverhalt aufgrund der Unterlassung notwendiger Ermittlungen seitens der belangten Behörde im gegenständlichen Fall noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen im vorliegenden Fall das dem Bundesverwaltungsgericht im Sinne des § 28 VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben, der angefochtene Bescheid des Bundesamtes gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Verwaltungsbehörde (lediglich) an die rechtliche Beurteilung des gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufhebenden und zurückverweisenden Beschlusses des Verwaltungsgerichtes gebunden ist (§ 28 Abs. 3 dritter Satz VwGVG; vgl. auch z.B. VwGH 22.12.2005, Zl. 2004/07/0010, VwGH 08.07.2004, Zl. 2003/07/0141 zu § 66 Abs. 2 AVG); durch eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG tritt das Verfahren aber in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hatte (Wirkung der Aufhebung ex tunc, s. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) Anm. 14 zu § 28 VwGVG; vgl. auch 22.05.1984, Zl. 84/07/0012), sodass die belangte Behörde das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstattete weitere Parteivorbringen zu berücksichtigen und gemäß § 18 Abs. 1 AsylG 2005 gegebenenfalls darauf hinzuwirken haben wird, dass dieses ergänzt bzw. vervollständigt wird.

Zu Spruchteil B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich stets auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR/EuGH stützen; diesbezügliche Zitate finden sich in der rechtlichen Beurteilung. Sofern die oben angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und der Verfassungsgerichtshofes zu (zum Teil) alten Rechtslagen erging, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Im konkreten Fall ging das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab und ist diese auch nicht uneinheitlich. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Interessenabwägung Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Privat- und Familienleben Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W152.2146575.1.00

Im RIS seit

17.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

17.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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