TE Vwgh Erkenntnis 2013/4/10 2011/08/0169

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Veröffentlicht am 10.04.2013
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Peck, über die Beschwerde des M H in L, vertreten durch Dr. Ingrid Stöger und Dr. Roger Reyman, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1A, 3. Stock, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Salzburg vom 27. Mai 2011, Zl 20305- V/14.873/4-2011, betreffend Beitragszuschlag (mitbeteiligte Partei: Salzburger Gebietskrankenkasse in 5020 Salzburg, Engelbert-Weiß-Weg 10), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Einer Anzeige des Finanzamts S an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse vom 21. Oktober 2010 zufolge wurde bei einer Kontrolle auf einer Baustelle in der Pizzeria des Beschwerdeführers am 3. August 2010 um 10:50 Uhr festgestellt, dass der ungarische Staatsbürger J.T. dort Maler- und Gipsarbeiten durchgeführt habe, ohne zur Sozialversicherung angemeldet zu sein. Der Beschwerdeführer habe (bei der Betretung) angegeben, dass J.T. seit 2. August 2010 mit Beginn um 7:00 Uhr für ihn arbeite, ohne dass er diesen zur Sozialversicherung gemeldet habe. Wie lange J.T. für ihn arbeiten werde, habe er den Kontrollorganen nicht sagen können. Die Baustelle müsse aber am 20. August 2010 fertigstellt sein. J.T. erhalte für seine Tätigkeit pro Tag EUR 100,- sowie Verpflegung und Unterkunft. Ebenso werde J.T. das Arbeitsmaterial durch den Beschwerdeführer zur Verfügung gestellt und es würden ihm Arbeitsanweisungen durch den Beschwerdeführer erteilt.

Mit erstinstanzlichem Bescheid vom 25. November 2010 schrieb die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse dem Beschwerdeführer unter Verweis auf die Kontrolle am 3. August 2010 gemäß § 113 Abs 2 iVm § 113 Abs 1 Z 1 ASVG einen Beitragszuschlag in der "Mindesthöhe von EUR 1300,00" vor, da der Beschwerdeführer hinsichtlich der Beschäftigung des J.T. eine Meldepflichtverletzung begangen habe.

In seinem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch vom 10. Dezember 2010 wendete der Beschwerdeführer im Wesentlichen ein, dass es sich bei der Beschäftigung des J.T. um kein Dienstverhältnis, sondern um einen Werkvertrag gehandelt habe. J.T. habe einen Erfolg, nämlich das Ausmalen des Pizzerialokals und nicht eine weisungsgebundene Tätigkeit geschuldet. Er habe seine "Ansprüche als selbständiger Unternehmer durch Rechnungslegung fakturiert". Die Abrechnung sei "auf Regiebasis entsprechend geleisteter Stunden" erfolgt. Die Tätigkeit habe in einem Zeitraum von ca drei Wochen abgeschlossen sein sollen. Als Beweis führte der Beschwerdeführer (unter anderem) die Einvernahme des J.T. an.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Einspruch des Beschwerdeführers abgewiesen. Als entscheidungserheblichen Sachverhalt stellte die belangte Behörde Folgendes fest:

Im Zuge einer Kontrolle durch Beamte der KIAB Finanzamt S am 3. August 2010 um ca 10:50 Uhr auf der Baustelle der Pizzeria des Beschwerdeführers sei J.T. für den Beschwerdeführer entgeltlich tätig angetroffen worden, ohne zur Sozialversicherung gemeldet gewesen zu sein. J.T. sei seit 2. August 2010, 7:00 Uhr, mit der Verrichtung von Maler- und Gipsarbeiten beschäftigt gewesen. Die Tätigkeit sei J.T. vom Beschwerdeführer mit EUR 100,- pro Tag sowie freier Kost und Logis (Unterkunft und Verpflegung) abgegolten worden. "Die finanzielle Abgeltung in Form eines Fixpreises bzw. Fixbetrages nach Beendigung der im Übrigen auch nicht exakt umschriebenen Leistung" sei nicht vereinbart worden.

Das Arbeitsmaterial (Farbe, Pinsel etc) sei vom Beschwerdeführer "unentgeltlich" zur Verfügung gestellt worden. Die Tätigkeiten seien von J.T. "gemäß den Arbeitsanweisungen" des Beschwerdeführers verrichtet worden. J.T. verfüge über keinen einschlägigen Gewerbeschein und die gegenständlichen Arbeiten seien von diesem auch nicht "im Rahmen einer eigenen Unternehmensstruktur" durchgeführt worden.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid Folgendes aus:

"Die (belangte Behörde) stützt sich in Form einer Gesamtschau auf die erst- und zweitinstanzliche Aktenlage und hierbei insbesondere auf die eigenen Wahrnehmungen, Erhebungen und in der Folge Feststellungen der maßgeblichen Sachverhaltselemente durch die Kontrollorgane des Finanzamtes S (KIAB).

Zudem wurde im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme des (Beschwerdeführers) am 03.08.2010 um 10:50 Uhr - und damit in unmittelbarem Zusammenhang mit der Kontrolle vor Ort - von diesem selbst nachfolgend eigenhändig unterfertigt nach Ermahnung zur wahrheitsgemäßen Aussage zu Protokoll gegeben, dass (J.T.) 'nach seinen Arbeitsanweisungen' und mit dem von ihm zur Verfügung gestellten Arbeitsmaterial bei einer finanziellen Abgeltung von EUR 100,00 pro Tag für ihn seit 02.08.2010, 07:00 Uhr Maler- und Gipsarbeiten durchführt. Die nicht erfolgte Vereinbarung eines Fixpreises nach - ggf. auch nur sinngemäß 'erfolgreicher' und 'mängelfreier' Durchführung der Arbeiten - wird sowohl durch die soeben dargestellte Form der finanziellen Abgeltung als auch dadurch, dass der (Beschwerdeführer) die Frage, wie lange (J.T.) noch (wörtlich) 'für ihn arbeiten wird', mit ausreichender Beweiskraft bestätigt. Die im Ergebnis - wenn auch ggf. für einen maximal befristeten Zeitraum - laufende finanzielle Abgeltung erfolgte zudem in Form einer fix vereinbarten Geld- und zudem Sachleistung (Kost und Logis). Wobei aus der vom (Beschwerdeführer) gewählten Formulierung: 'Das Lokal soll bis 20.08.2010 fertig sein' auch kein ausreichender Hinweis für den zwingenden Abschluss der Tätigkeit des (J.T.) abzuleiten ist."

Dass J.T. über einen einschlägigen Gewerbeschein verfüge und die gegenständlichen Arbeiten von diesem im Rahmen einer eigenen Unternehmensstruktur durchgeführt worden seien, sei nicht explizit behauptet worden bzw seien hierzu auch keine konkret weiterführenden Beweisangebote unterbreitetet worden.

Zudem sei auch dem im Akt befindlichen Schriftstück mit dem Titel "Vertrag und arbeitszeit zwischen (dem Beschwerdeführer) und (J.T.)" die ausreichende Beweiskraft für die Wiedergabe der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse und insbesondere auch der Charakter eines Werkvertrags abzuerkennen. Dieses Schriftstück ist im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegeben (zitiert wie dort):

"Arbeits tage hat 21 tage gedauert und. insgesamt = 2700, Euro hat arbeit und material gekostet. und am 19.08.2010 hat (der Beschwerdeführer) ausbezahlt an (J.T.). (J.T.) schickt Ordentliche Rechnung sobald er in Ungarn ist. auf adresse

(Beschwerdeführer mit Adresse)

Fertigungsklausel

Danke erhalten

 

 

Fertigungsklausel"

Abgesehen davon, dass dieses Schriftstück undatiert sei, ergebe die finanzielle Abgeltung für 21 Tage korrekterweise EUR 2.100,-. Die "Verrechnung" des Materials durch J.T. in Höhe von daher EUR 600,- stehe mit der unmissverständlichen Aussage des Beschwerdeführers, er habe selbst J.T. das Arbeitsmaterial (Farbe, Pinsel, etc) "unentgeltlich" zur Verfügung gestellt, in Widerspruch.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, J.T. habe seine Ansprüche als selbständiger Unternehmer durch Rechnungslegung fakturiert, werde daher nicht gefolgt. Im Übrigen sei festzuhalten, "dass die Beurteilung der für sich insoweit unstrittigen einzelnen Merkmale der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit - welche in der Folge rechtlich zu würdigen sind - keiner weiteren Beweisführung bedurften." Die - nochmalige - Einvernahme des Beschwerdeführers und auch des J.T. seien nicht dazu geeignet, zur objektiven Wahrheitsfindung beizutragen und sei diesen Beweisanträgen daher nicht zu folgen gewesen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde nach Wiedergabe verschiedener gesetzlicher Bestimmungen aus, dass die Eigenschaft der KIAB als öffentliches Organ zwar nicht geeignet sei, den Angaben über eigene dienstliche Wahrnehmung der Kontrollorgane von vornherein eine größere Beweiskraft zuzusprechen. Dennoch sei die Behörde verpflichtet, im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu veranschlagen, dass Angaben eines solchen Anzeigers besonders glaubwürdig seien, weil er einen Diensteid abgelegt habe und für falsche Anzeigen disziplinar- und strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden könne und weil außerdem keine Veranlassung gesehen werden könne, dass er einen ihm Unbekannten wahrheitswidrig belasten wolle.

Der Bestand sozialversicherungspflichtiger Dienstverhältnisse im Sinn des § 4 Abs 2 ASVG sei zum Zeitpunkt der Kontrolle vorgelegen. Die "entgeltliche Beschäftigung (Geld- und Sachbezüge) bzw. zumindest ein (ggf. zusätzlich) ausreichender Entgeltanspruch im Sinn des § 49 Abs. 1 ASVG wurde festgestellt".

Zur Dienstnehmereigenschaft des J.T. bzw zur Frage, ob dieser im Rahmen eines Werkvertrags beschäftigt wurde, führte die belangte Behörde weiters aus:

Die vom Beschwerdeführer dargestellten "Vereinbarungen, Tätigkeitsabläufe und Unternehmensformen" würden von der belangten Behörde begründet in Zweifel gezogen und entsprächen über weite Strecken nicht den Tatsachen und wahren wirtschaftlichen Verhältnissen. Vor diesem Hintergrund müsse das "Argumentationskonstrukt" des Beschwerdeführers, welches auf den Bestand eines Werkvertragsverhältnisses gerichtet sei, ins Leere gehen und die ins Treffen geführte vertragliche Vereinbarung - insoweit diese überhaupt den beiderseitigen Willen zum Ausdruck bringe - als "Scheinwerkvertrag" qualifiziert werden.

Ein Werkvertrag liege lediglich vor, wenn die Verpflichtung zur Herstellung eines Werkes gegen Entgelt bestehe, wobei es sich um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit, handeln müsse. Die Verpflichtung aus einem Werkvertrag bestehe darin, die vertraglich genau umrissene Leistung zu erbringen. Das Interesse des Bestellers bzw. die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers sei auf das Endprodukt als solches gerichtet. Für einen Werkvertrag essentiell sei ein "gewährleistungstauglicher" Erfolg der Tätigkeit, nach welchem die für den Werkvertrag typischen Gewährleistungsansprüche bei Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung des Werks beurteilt werden könnten. Eine zwar leistungsbezogene, nicht aber ausreichend dokumentierte erfolgsbezogene Entlohnung spreche gegen das Vorliegen eines Werkvertrags. Wenn - möge dies auch für einen von vornherein befristeten Zeitraum gelten - im Ergebnis bloß ein dauerndes Bemühen geschuldet werde, das bei Erreichen eines angestrebten "Ziels" - zB der Fertigstellung des Ausmalens eines bestimmten Raumes - auch kein Ende finde, spreche dies ebenfalls gegen einen Werkvertrag. Der festgestellte Sachverhalt erfülle demnach in der Gesamtschau in ausreichendem Umfang und mit ausreichender Klarheit nicht die für einen Werkvertrag bzw. ein Werkvertragsverhältnis maßgeblichen Kriterien. Vielmehr sei von einem unselbständigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen.

Im Sinn des § 4 Abs 2 ASVG finde hier maßgeblich die wirtschaftliche Abhängigkeit ihren sinnfälligen Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall für den Betrieb wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel und werde diese bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen im Sinne des § 49 Abs 1 ASVG durch die persönliche Abhängigkeit indiziert. Werden - wie hier - die maßgeblichen Betriebsmittel (nämlich Farbe und Pinsel) vom Arbeitgeber (unentgeltlich) zur Verfügung gestellt, sei die wirtschaftliche Abhängigkeit jedenfalls gegeben.

Als Grundvoraussetzung für die persönliche Abhängigkeit sei primär die persönliche Arbeitspflicht, keine freie Übertragbarkeit der Leistung an Dritte, die fehlende Möglichkeit der sanktionslosen Leistungsablehnung, die organisatorische Einbindung, die alleinige Verantwortung gegenüber dem Dienstgeber, die weitgehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit, die fehlende generelle Vertretungsbefugnis, die fehlende freie Disposition über die Arbeitszeit und die nahezu ausschließliche Nutzung von Betriebsmitteln des Dienstgebers anzunehmen. Insbesondere sei J.T. hierbei auch gegenüber dem Beschwerdeführer laut eigenen Angaben weisungs- und kontrollunterworfen gewesen. Die wirtschaftliche Abhängigkeit werde hierbei auch durch die persönliche Abhängigkeit indiziert. Die wirtschaftliche Abhängigkeit sei damit einhergehend primär bei Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall für den Betrieb wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel zu Grunde zu legen.

Vor diesem Hintergrund würden im gegenständlichen Fall die maßgeblichen Tatbestandsmerkmale eines Dienstverhältnisses in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt im Sinne des § 4 Abs 2 ASVG vorliegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 33 Abs 1 ASVG haben die Dienstgeber oder deren gemäß § 35 Abs 3 ASVG Bevollmächtigte jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (vollversicherte und teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

Nach § 113 Abs 1 ASVG kann ein Beitragszuschlag vorgeschrieben werden, wenn die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde. Nach Abs 2 dieser Bestimmung setzt sich der Beitragszuschlag nach einer unmittelbaren Betretung aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf EUR 500,- je nicht vor Arbeitsantritt angemeldete Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf EUR 800,-. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf EUR 400,- herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.

2. Im Beschwerdefall ist im Wesentlichen strittig, ob es sich bei dem bei einer Kontrolle betretenen J.T. um einen Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs 2 ASVG handelt, der vom Beschwerdeführer vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet hätte werden müssen, oder ob es J.T. als selbständiger Werkunternehmer unternommen hat, das Geschäftslokal des Beschwerdeführers auszumalen und folglich keine Meldepflicht bestand.

Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs 2 ASVG ist, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; dazu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Mit der Abgrenzung des Dienstvertrags vom freien Dienstvertrag einerseits und vom Werkvertrag andererseits hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. Mai 1980, VwSlg Nr 10.140 A, grundlegend beschäftigt und - in Übereinstimmung mit der in diesem Erkenntnis zitierten Lehre - ausgeführt, dass es entscheidend darauf ankommt, ob sich jemand auf gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen (den Dienstgeber) verpflichtet (diesfalls liege ein Dienstvertrag vor) oder ob er die Herstellung eines Werks gegen Entgelt übernimmt (in diesem Fall liege ein Werkvertrag vor), wobei es sich im zuletzt genannten Fall um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handelt, während es im Dienstvertrag primär auf die rechtlich begründete Verfügungsmacht des Dienstgebers über die Arbeitskraft des Dienstnehmers, also auf die Bereitschaft des Letzteren zur Erbringung von Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit (in Eingliederung in den Betrieb des Leistungsempfängers sowie in persönlicher und regelmäßig damit verbundener wirtschaftlicher Abhängigkeit von ihm) ankommt.

Die Verpflichtung aus einem Werkvertrag besteht darin, die genau umrissene Leistung (in der Regel bis zu einem bestimmten Termin) zu erbringen. Das Interesse des Bestellers bzw die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers sind auf das Endprodukt als solches gerichtet. Für einen Werkvertrag essenziell ist ein "gewährleistungstauglicher" Erfolg der Tätigkeit, nach welchem die für den Werkvertrag typischen Gewährleistungsansprüche bei Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung des Werks beurteilt werden können. Mit der Erbringung der Leistung endet das Werkvertragsverhältnis. Eine zwar leistungsbezogene, nicht aber erfolgsbezogene Entlohnung spricht gegen das Vorliegen eines Werkvertrags. Wenn ein dauerndes Bemühen geschuldet wird, das bei Erreichen eines angestrebten "Ziels" auch kein Ende findet, spricht dies ebenfalls gegen einen Werkvertrag (vgl das hg Erkenntnis vom 16. Oktober 2008, Zl 2008/09/0232, mwN).

3. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Annahme eines Dienstverhältnisses im Sinne des § 4 Abs 2 ASVG und macht geltend, dass der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt eine solche rechtliche Schlussfolgerung nicht zu tragen vermöge. In Wahrheit liege ein Werkvertrag vor, da J.T. einen Erfolg, nämlich die Fertigstellung der Maler- und Gipsarbeiten bis zum vereinbarten Endtermin, geschuldet habe. Der Beschwerdeführer habe die Einvernahme des J.T. zum Beweis dafür beantragt, dass dieser als selbständiger Werkunternehmer beschäftigt worden sei. Die belangte Behörde habe sich mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt und vielmehr ohne Beweismittel festgestellt, dass J.T. über keinen Gewerbeschein verfügt habe und die gegenständlichen Arbeiten nicht im Rahmen einer eigenen Unternehmensorganisation durchgeführt habe. Die Befragung des J.T. als Zeuge hätte belegen können, dass Gegenteiliges der Fall gewesen sei und dass J.T. nicht in die Betriebsorganisation des Beschwerdeführers eingegliedert gewesen sei, er seine Arbeitszeit und seinen Arbeitsablauf frei habe einteilen können, er hinsichtlich seiner Arbeitsorganisation nicht an Weisungen gebunden gewesen sei, er einen konkreten Erfolg bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (20. August 2010) geschuldet habe, das Material zu einem wesentlichen Teil selbst beigestellt und verrechnet habe, dass er für seine Tätigkeit eine ordentliche Rechnung gelegt habe und für die Arbeiten zuzüglich Material pauschal EUR 2.700,- verrechnet habe.

Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausführe, dass vor dem Hintergrund der aktuellen Beweislage ergänzende Ermittlungen nicht mehr geboten seien und die Auffassung vertrete, dass der Sachverhalt ausreichend geklärt sei, weshalb sie nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet sei, von weiteren allenfalls zu Verfahrensverzögerungen führenden Ermittlungen Abstand zu nehmen, stelle dies nichts anderes als eine vorgreifende Beweiswürdigung dar, welche das Verfahren mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belaste.

4. Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer im Ergebnis einen wesentlichen Verfahrensmangel auf:

Nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheids wurde J.T. bei einer Kontrolle des Finanzamts S, Team KIAB, am 3. August 2010 um ca 10:50 Uhr auf der Baustelle des Beschwerdeführers bei der Verrichtung von Maler- und Gipsarbeiten angetroffen.

Zwar ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, dies jedoch nur sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl das hg Erkenntnis vom 12. September 2012, Zl 2010/08/0237).

In seinem Einspruch vom 10. Dezember 2010 hat der Beschwerdeführer vorgebracht, dass er mit der Renovierung seines Gastronomiebetriebs mehrere Unternehmen, darunter J.T., beauftragt habe. J.T. habe einen Erfolg, nämlich das Ausmalen des Lokals, geschuldet. Es habe sich dabei um keine weisungsgebundene Tätigkeit gehandelt. Zum Beweis für sein Vorbringen beantragte er u. a. die Einvernahme von J.T. als Zeuge.

Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl dazu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren Band I2, E 84 zu § 39 AVG).

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die beantragte Einvernahme des J.T. dazu hätte führen können, dass die belangte Behörde zum Ergebnis gekommen wäre, dass J.T. als selbständiger Unternehmer über eine eigene Unternehmensstruktur verfügte.

Dass im Antrag des Beschwerdeführers auf Einvernahme des J.T. keine ladungsfähige Adresse genannt wurde schadet in diesem Zusammenhang nicht, da in einem solchen Fall die Behörde verpflichtet ist, eine angemessene Frist zur Bekanntgabe einer ladungsfähigen Anschrift des Zeugen von Amts wegen festzusetzen und erst nach Ablauf dieser Frist annehmen darf, dass der Beweis nicht erbracht werden könne (vgl das hg Erkenntnis vom 16. November 2011, Zl 2008/08/0102).

5. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455. Ein Ersatz der Eingabengebühr war im Hinblick auf die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehende sachliche Gebührenfreiheit gemäß § 110 ASVG nicht zuzusprechen.

Wien, am 10. April 2013

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Erheblichkeit des BeweisantragesParteiengehör Erhebungen ErmittlungsverfahrenBegründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Behandlung von Parteieinwendungen Ablehnung von Beweisanträgen Abstandnahme von BeweisenSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Parteivorbringen Erforschung des Parteiwillens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2011080169.X00

Im RIS seit

10.05.2013

Zuletzt aktualisiert am

23.08.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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