TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/19 W196 2247672-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.11.2021
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Entscheidungsdatum

19.11.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4

Spruch


W196 2247672-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch BBU, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.09.2021, Zl.: 740357700/190260560, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 52, 53, 55 FPG und § 18 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF), ein russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, stellte nach illegaler Einreise gemeinsam mit seiner Familie am 02.03.2004 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher zunächst mit Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom 22.09.2004 abgewiesen und womit seine Ausweisung verfügt wurde. Infolge der dagegen erhobenen Berufung wurde dem BF mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates (UBAS) vom 07.06.2006, GZ. 253.629/1-VII/19/06, der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

2. Davor wurde der BF mit rechtskräftigem Urteil eines BG vom 21.04.2005 wegen Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 2.- Euro verurteilt.

Mit rechtskräftigem Urteil eines BF vom 07.10.2009 wurde der BF neuerlich wegen Diebstahls gemäß §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe von allerdings 60 Tagessätzen zu je 4.- Euro verurteilt.

Erneut wurde er mit rechtskräftigem Urteil eines BG vom 07.06.2010 wegen Entwendung nach §§ 15, 141 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 4.- Euro verurteilt.

Mit rechtskräftigem Urteil eines BG vom 30.01.2014 wurde der BF wegen Sachbeschädigung nach § 125 StGB erstmals zu einer Freiheitsstrafe von sechs Wochen, bedingt unter Anordnung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

Mit rechtskräftigem Urteil eines BG vom 23.06.2015 wurde der BF wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 4.- Euro verurteilt.

Mit rechtskräftigem Urteil eines BG vom 08.07.2016 wurde der BF wegen Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer zusätzlichen Geldstrafe von 180 Tagessätzen von je 4.- Euro verurteilt.

Sodann wurde der BF mit rechtskräftigem Urteil eines BG vom 19.02.2018 wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs.1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG zu einer Geldstrafe von nunmehr 70 Tagessätzen von je 6.- Euro verurteilt.

3. Infolge der Straffälligkeit des BF wurde seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 04.05.2018 ein Verfahren zur Aberkennung von Asyl eingeleitet. Zu der dazu anberaumten Einvernahme am 16.05.2018 ist der BF unentschuldigt nicht erschienen.

Mit rechtskräftigem Urteil eines BG vom 04.06.2018 wurde der BF wegen Körperverletzung im Zustand voller Berauschung nach §§ 287 Abs. 1, 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren verurteilt.

Am 25.06.2018 wurde der BF beim BFA zum eingeleiteten Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus persönlich einvernommen.

Infolge der Verständigung des BFA über den Eintritt von Endigungsgründen für den Asylstatus im Sinne der GFK (Ausstellung eines russischen Reisepasses 2015 und Reise in den Herkunftsstaat, Lageänderung im Herkunftsstaat) wurde dem BF ein Aufenthaltstitel (nach dem NAG) „Daueraufenthalt EU“ mit 08.10.2018 rechtskräftig erteilt.

Hierauf wurde dem BF seitens des BFA mit Bescheid vom 22.11.2018 der Asylstatus aberkannt, subsidiärer Schutz jedoch nicht erteilt. Diese Entscheidung erwuchs am 22.12.2018 in Rechtskraft. Eine Beschwerde hat der BF dagegen nicht erhoben.

4. Bereits am 14.03.2019 wurde das gegenständliche Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet.

Am 17.04.2019 wurde ein Betretungsverbot gegen den BF ausgesprochen. Am 22.07.2019 wurde über den BF Untersuchungshaft verhängt.

Mit Schreiben vom 23.07.2019 wurde dem BF hiezu Parteiengehör binnen einer zweiwöchigen Frist zur Stellungnahme eingeräumt. Eine Stellungnahme seitens des BF erfolgte nicht.

5. Mit rechtskräftigem Urteil eines LG vom 13.04.2021 wurde er wegen Diebstahls nach § 127 StGB, wegen Raub nach § 142 Abs. 1 StGB, Erpressung nach §§ 15 Abs. 1, 144 Abs. 1 StGB sowie Raufhandel nach § 91 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 17 Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren verurteilt.

6. Mit Schreiben vom 08.06.2021 wurde abermals ein Parteiengehör an die nach Entlassung aus der Strafhaft von ihm angegebene Adresse des BF übermittelt, diese wurde dem BFA jedoch am 15.06.2021 mit dem Vermerk „unbekannt“ retourniert.

7. Abermals wurde am 16.06.2021 mit Beschluss eines LG Untersuchungshaft gegen den BF verhängt. Am selben Tag wurde ein weiteres Betretungsverbot gegen den BF verhängt.

8. Zu dem mit Schreiben vom 21.06.2021 erneut übermittelten Parteiengehör gab der BF am 29.06.2021 eine schriftliche Stellungnahme ab.

9. Die Bevollmächtigung von XXXX , wohnhaft in XXXX in Deutschland, langte am 08.07.2021 beim BFA ein.

10. Am 20.07.2021 langte eine Stellungnahme von XXXX , des (minderjährigen) Sohnes des BF, beim BFA ein, worin er mitteilte seine Anzeige gegen den BF wegen der zu befürchtenden Abschiebung des BF zu bereuen.

Am 03.08.2021 ging ein Schreiben der Kinder- und Jugendhilfe des Wohnortes beim BFA ein, wonach der inhaftierte BF mit der ihm drohenden Abschiebung massiven Druck auf seine Familie ausübe.

11. Mit rechtskräftigem Urteil eines LG vom 31.08.2021 wurde der BF wegen der Vorenthaltung von Dienstnehmerbeiträgen nach § 153c Abs. 1 StGB, der betrügerischen Anmeldung zur Sozialversicherung nach § 153d Abs. 1 StGB, der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 5 Z 3 und 4 StGB, der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StG, der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1 StGB sowie Nötigung nach §§ 15 Abs. 1, 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt.

12. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid vom 10.09.2021 erließ das BFA gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG (Spruchpunkt I.), stellte fest, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.), verhängte gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen ihn ein Einreiseverbot für die Dauer von acht Jahren (Spruchpunkt III.) und erteilte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Nach Feststellungen zur Person des BF und seinem Aufenthalt in Österreich seit 2004 (aktuell mit dem NAG-Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ nach Aberkennung seines Asylstatus), seinem (nicht schützenswerten) Privat- und Familienleben im Bundesgebiet, seinen Verwandten in der EU, den wiederholt gegen ihn ausgesprochenen Betretungsverboten infolge wiederholter Straftaten zu Lasten seiner Familie, seine jeweils kurzfristigen Erwerbstätigkeiten und sein überwiegender Bezug von Sozialleistungen, seine Situation im Herkunftsstaat im Fall der Rückkehr, zu den Gründen für die Erlassung eines Einreiseverbotes (bislang zehnmalige strafgerichtliche Verurteilung, Verwaltungsstrafen, negative Zukunftsprognose und überwiegendes öffentliches Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) sowie zur Lage im Herkunftsstaat, führte das BFA beweiswürdigend und äußerst ausführlich aus, welche strafbaren Handlungen (siehe im Folgenden unter Feststellungen) den bisherigen Verurteilungen des BF zu Grunde lagen, ferner die gegen den BF bekannten Anzeigen und zu den gegen den BF bestehenden Betretungsverboten in den Jahren 2016, 2019 und zuletzt am 16.06.2021 für die Wohnungen seiner Exfrau und der gemeinsamen Kinder, dem verhängten Waffenverbot, den Verwaltungsübertretungen und seiner Mittellosigkeit sowie welche Zukunftsprognose der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde.

Rechtlich wurde ausgeführt, dass das BFA gemäß § 52 Abs. 5 FPG gegen, dauernd mit dem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ niedergelassene Drittstaatsangehörige unter den Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 FPG und der gerechtfertigten Annahme, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen habe. Nach Zutreffen der Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 FPG infolge der zehnmaligen strafgerichtlichen Verurteilung des BF im Bundesgebiet ging das BFA ferner davon aus, dass von einer gegenwärtig vorliegenden schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit auszugehen sei, da das strafbare Verhalten erst kürzlich begangen worden sei und eine Fortsetzung seines bisherigen delinquenten Verhaltens darstelle. Sämtliche polizeilichen, behördlichen oder gerichtlichen Interventionen seien im Fall des BF gescheitert und die Voraussetzungen des § 52 Abs. 5 FPG lägen vor. Zur Beurteilung seines Privat- und Familienlebens im Sinne des § 9 BFA-VG ging das BFA davon aus, dass in Österreich ein schützenswertes Familienleben zu seiner Ex-Frau auf Grund der Trennung, seiner Straffälligkeit zu deren Lasten und der Betretungsverbote nicht bestehe. Auch sei kein schützenswertes Familienleben hinsichtlich seiner Schwester und seines Onkels anzunehmen. Er lebe zwar fallweise bei seiner Mutter, jedoch lägen keine Hinweise auf ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis vor, selbst angesichts ihrer Krebserkrankung, welche durch das österreichische Sozial- und Gesundheitssystem hinreichend abgesichert werde, sei seine Anwesenheit im Bundesgebiet nicht erforderlich. Hinsichtlich seiner Kinder wurde ausgeführt, dass sich sein Fehlverhalten auch gegen diese richte, insbesondere gegen seinen minderjährigen Sohn, aber auch die psychische Belastung seiner Kinder durch sein Verhalten zum Nachteil ihrer Mutter sei ihm offenbar gleichgültig. Da er nach Hinweisen der Kinder- und Jugendhilfe seines Wohnortes massiven Druck auf seine Familie ausübe, würden seine Angehörigen von seiner Außerlandesbringung durch eine damit einhergehende Beruhigung der Familienverhältnisse jedenfalls profitieren. Eine Gefährdung des Kindeswohls könne darin nicht erblickt werden. Hinsichtlich seines Privatlebens führte das BFA aus, dass angesichts der Dauer seines bisherigen Aufenthalts in Österreich eine gewisse Integration in die österreichische Gesellschaft zu erwarten gewesen wäre. Davon sei jedoch angesichts seiner beharrlichen Straffälligkeit trotz zahlloser staatlicher Interventionsmaßnahmen und seiner beharrlichen Abhängigkeit von Transferleistungen gänzlich abzusehen. Trotz seines 17-jährigen Aufenthalts im Bundesgebiet sei noch immer ein Dolmetscher für Gerichtsverhandlungen notwendig, weil er keine ausreichenden Deutschkenntnisse habe, weshalb nicht davon auszugehen sei, dass er sich ernstlich um eine Integration bemüht habe. Im Rahmen der Abwägung der öffentlichen gegen die privaten Interessen des BF wurde dargelegt, dass für den BF sein Wunsch nach Fortsetzung seines Aufenthalts in Österreich seit 2004 spreche, allerdings dagegen, dass er offensichtlich nicht daran interessiert sei, als Gast die hier geltende Rechts- und Werteordnung einzuhalten. Infolge seiner bisherigen Straftaten sei von einer erheblichen Gefährdung für seine Ex-Frau und seiner Kinder auszugehen. Dagegen spreche auch seine regelmäßige Abhängigkeit von staatlichen Leistungen, was eine Belastung für das Sozialsystem darstelle, da er während der letzten 10 Jahre nur etwa elf Monate erwerbstätig gewesen sei. Zusammengefasst betrachtete das BFA das Gesamtverhalten des BF und eine Fortsetzung seines Aufenthaltes im Bundesgebiet als Gefahr für Leib, Leben, Freiheit und Eigentum Dritter. Auf Grund des langen Zeitraumes seiner Straffälligkeit und der Einschlägigkeit der Delikte sei unter Berücksichtigung der staatlichen Interventionsversuche von einem inhärenten Charaktermangel, der sich stets durch ähnliche Rechtsverstöße zu Lasten eines gleichbleibenden Personenkreises sowie schwere Eigentumskriminalität äußere, auszugehen. Seine früheren familiären Bindungen hätten ihn nicht von wiederholten schweren Straftaten und psychischer bzw. physischer Gewalt gegen seine nächsten Angehörigen abhalten können. Insgesamt sei daher vom Überwiegen der öffentlichen Interessen gegenüber seinen privaten Interessen auf Verbleib im Bundesgebiet auszugehen gewesen. Zudem bleibe es dem BF oder seinen sonstigen Angehörigen unbenommen, ihn im künftigen Aufenthaltsstaat regelmäßig zu besuchen bzw. den Kontakt per Telefon und E-Mail aufrecht zu erhalten oder finanzielle Unterstützungen zukommen zu lassen (Hinweis auf EGMR, Joseph Grant gg. das Vereinigte Königreich, Urteil vom 08.01.2009, Bsw. Nr. 10.606/07). Die Rückkehrentscheidung sei daher zulässig. Eine Prüfung der Voraussetzungen nach § 55 AsylG 2005 komme nur bei unrechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen, also für den BF nicht in Betracht. Da kein Fall des § 58 Abs. 1 AsylG 2005 vorliege, komme auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 nicht in Betracht (zu Spruchpunkt I.). Mangels ersichtlicher Gefährdung gemäß § 50 Abs. 1 bis 3 FPG sei seine Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG auch zulässig (Spruchpunkt II.). Zum Einreiseverbot führte das BFA zusammengefasst aus, dass § 53 Abs. 3 Z 1 FPG erfüllt sei. Der BF sei insgesamt 10 Mal strafgerichtlich verurteilt worden. Seine Delinquenz habe sich gegen verschiedene Rechtsgüter gerichtet und er sei zuletzt zu Freiheitsstrafen von 24 bzw. 12 Monaten verurteilt worden. Dies indiziere gemäß § 53 Abs. 3 FPG das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Zur Bemessung sei das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen sei eine Gefährlichkeitsprognose vorzunehmen, wobei auch auf das zu Grunde liegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen sei. Bezüglich seiner Straftaten und deren Umstände werde auf die ausführlichen Feststellungen samt Beweiswürdigung verwiesen. Er habe durch sein Verhalten gezeigt, dass er kein Interesse daran habe, die Gesetze Österreichs zu respektieren. Sein bisheriger Aufenthalt im Bundesgebiet beeinträchtige ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich jenes an Ruhe, Ordnung und Sicherheit für die Person und ihr Eigentum sowie sozialem Frieden. Durch sein ihm persönlich vorwerfbares Verhalten habe er gezeigt, dass er gewillt sei bzw. es zumindest in Kauf nehme, dadurch eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darzustellen. Da dieses Verhalten erst kürzlich (wieder) gesetzt worden sei und auf Grund seines erheblichen Charaktermangels mit einer Fortsetzung zu rechnen sei, müsse vom Vorliegen einer aktuellen, gegenwärtigen Gefahr gesprochen werden. Es könne auf Grund seiner gesamten Persönlichkeitsstruktur und seines gezeigten Verhaltens eine Gewalteskalation nicht ausgeschlossen werden. Er lege keine Skrupel an den Tag, sondern zeige vielmehr eine erhebliche kriminelle Energie und Gleichgültigkeit gegenüber der Rechtssphäre Dritter (schwere Eigentumskriminalität sowie ausgeprägtes Besitz- und Anspruchsdenken gegenüber seiner Exfrau, was zu mehreren Betretungsverboten geführt habe). Die von ihm in Österreich mit steigender Intensität verübten Straftaten gegen diverse Rechtsgüter seien auch im Herkunftsstaat mit Strafe bedroht, weshalb zumindest von bedingtem Vorsatz und keinesfalls von Fahrlässigkeit oder Unwissen auszugehen sei. In einer Gesamtbetrachtung sei von einer Gefährdung von öffentlichen Interessen, insbesondere an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und eines geordneten Fremdenwesens, auszugehen (Hinweis auf VwGH 19.05.2004, 2001/18/0074). Auf Grund der Schwere seines Fehlverhaltens sei unter Bedachtnahme auf sein Gesamtverhalten sogar davon auszugehen, dass er eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Bei der Bemessung der Höhe des Einreiseverbotes sei selbst unter Einbeziehung seines Privat- und Familienlebens in Österreich davon auszugehen, dass der BF auf Grund der brutalen und skrupellosen Vorgangsweise bei seinen Straftaten, der jüngsten Eskalationen und seiner völlig unzureichenden Verantwortung, die ausschließlich bagatellisierend gewesen sei und künftiges Wohlverhalten sehr unwahrscheinlich erscheinen lasse, dass seine persönlichen Interessen an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet im höchsten Ausmaß relativiert seien, zumal nach Wegfall seiner familiären Bindungen infolge seines Fehlverhaltens gegen seine Familie nur noch sein langer Aufenthalt von ca. 17 Jahren für ihn spreche, wobei ihm eine Integration in die österreichische Gesellschaft bzw. den Arbeitsmarkt offenbar nicht gelungen sei. Im Hinblick auf seine außerordentlich relativierten Interessen und in Zusammenschau damit, dass er zahlreiche Gelegenheiten zur Rehabilitation ungenutzt habe verstreichen lassen und zahlreiche behördliche bzw. gerichtliche Interventionsversuche keine Wirkung gezeigt hätten, erachte das BFA eine Dauer von 8 Jahren als angemessen, notwendig und erforderlich, aber auch als ausreichend, um dem BF Gelegenheit zur Reflektion seiner Taten im Herkunftsstaat zu bieten sowie sich mit den geschützten Werten zu identifizieren und sich finanziell aufzubauen. Durch dieses Einreisverbot werde in die Rechte seiner Kinder nicht eingegriffen, zumal diese durch die Delinquenz des BF gegen die Kindesmutter und seinen Sohn XXXX in hohem Maße belastet würden. Der Vollständigkeit halber wurde angemerkt, dass der BF zudem § 53 Abs. 1 Z 1 (Verwaltungsübertretungen nach § 82, § 81 SPG) und Z 6 (notorische Arbeitslosigkeit) FPG erfülle, welche jeweils für sich die Verhängung eines Einreiseverbotes für die Dauer von bis zu fünf Jahren rechtfertigten, dies jedoch keinen maßgeblichen Einfluss auf die Bemessung des verhängten Einreiseverbotes gehabt habe. Wie bereits zur Rückkehrentscheidung ausgeführt, verletze diese Art. 8 EMRK nicht. Hinsichtlich § 53 Abs. 3 FPG müsse daher ebenfalls von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an Ordnung und Sicherheit gegenüber seinem persönlichen Interesse am Verbleib in Österreich ausgegangen werden (zu Spruchpunkt III.). Bei Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sehe § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise vor (zu Spruchpunkt IV.). Die aufschiebende Wirkung sei gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich sei. Insbesondere auf Grund seiner Nichtakzeptanz der Scheidung von seiner Frau sei seine Familie besonders gefährdet und sei auf Grund seiner Persönlichkeitsstruktur zu befürchten, dass er weiterhin Delikte zu Lasten seiner Exfrau und seiner Kinder setzen werde und könnten auch schwere Gewalttaten nicht ausgeschlossen werden. In Anbetracht seines sich in den letzten Jahren verschlimmernden Verhaltens sei zu befürchten, dass er nach Haftentlassung weiterhin mitunter schwere Straftaten zur Durchsetzung seines Willens oder zur Verbesserung seiner tristen finanziellen Situation begehen und dadurch Mitmenschen viktimisieren werde. Zur Verhinderung all dessen werde eine unverzügliche Ausreise seiner Person als erforderlich erachtet (zu Spruchpunkt V.).

13. In der dagegen erhobenen vollumfänglichen Beschwerde führte der nunmehr Bevollmächtigte des BF aus, dass die Behörde den maßgebenden Sachverhalt nur mangelhaft ermittelt habe. Der BF sei in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt worden, da es verabsäumt worden sei, ihn niederschriftlich einzuvernehmen, was den Anforderungen eines rechtmäßigen Ermittlungsverfahrens widerspreche. Es sei ihm lediglich die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme eingeräumt worden. Eine mündliche Einvernahme wäre jedoch schon auf Grund der erforderlichen Zukunftsprognose notwendig gewesen. Hiezu wurde auf die Judikatur des VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0007, hingewiesen, wonach von der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks abgesehen werden kann, sofern ausnahmsweise ein eindeutiger Fall vorliegt. Das Privat- und Familienleben des BF und seine Rückkehrsituation seien nicht ausreichend eruiert worden. Infolge des nun 17-jährigen Aufenthalts des BF im österreichischen Bundesgebiet würden nach der höchstgerichtlichen Judikatur regelmäßig die privaten Interessen an seinem Verbleib im Bundesgebiet auch ohne gewichtige familiäre oder sonstige Bindungen überwiegen. Der BF verfüge mit seiner aufenthaltsberechtigten Kernfamilie (Exfrau und Kinder, Mutter, Geschwister) jedenfalls über ein schützenswertes Familienleben in Österreich. Er lebe mit seiner Exfrau im selben Haushalt und sie hätten vor, wieder zu heiraten. Die Kinder hätten eine gute Beziehung zum Vater und seit der Geburt des Enkels habe die Familie sich wieder versöhnt. Auf das Schreiben seiner Familienangehörigen werde verwiesen, wonach es deren Wunsch sei, dass der BF hierbleiben solle. Außerdem sei seine Mutter krank und auf ihn angewiesen. Der BF unterstütze seine Schwiegertochter wo er nur könne und verbringe sehr viel Zeit mit seinem Enkel. Er habe also jedenfalls ein schützenswertes Privatleben in Österreich. Er beherrsche Deutsch auf dem Niveau A2 und habe viele österreichische Freunde und Bekannte. Beim BF liege eine Entfremdung zu seinem Herkunftsstaat im Sinne der Judikatur (EGMR 26.03.1993, Beldjoudi vs.France, Nr. 12083/86) vor. Der BF habe sich in seiner Stellungnahme ausführlich zu seiner Lebenssituation in Österreich geäußert. Zur Beweiswürdigung wurde insbesondere zum verhängten Einreiseverbot ausgeführt, dass die mehrmalige Verurteilung des BF ua. wegen Diebstahls und Suchtmitteln keine Kavaliersdelikte darstellten, er jedoch von Alkohol und Drogen abhängig sei und zur Finanzierung seiner Sucht zu anderen Mitteln habe greifen müssen. Er bereue seine Taten und sei für eine Therapie (Entzug) bereit. Die letzte Haftstrafe und die Geburt seines Enkels hätten den BF stark verändert, weil ihm nämlich klar geworden sei, was er in der Vergangenheit falsch gemacht habe, wie wichtig seine Familie sei und er könne ohne sie nicht mehr leben. Er sei bereit, von vorne anzufangen, falls ihm nur noch eine Chance gegeben werde. Gleich nach seiner Haftentlassung habe er sich um einen Job gekümmert und werde ab 18.10.2021 bei einer näher bezeichneten Firma in XXXX arbeiten. Die beweiswürdigenden Ausführungen der Behörde, wonach der BF ihr seinen Reisepass zur Verhinderung der drohenden Abschiebung nicht übergeben habe, träfen nicht zu, da der Reisepass verloren gegangen sei, woran ihn keine Schuld treffe. Der BF sei formal moslemischen Glaubens, praktiziere diesen aber nicht, faste und bete nicht und konsumiere Alkohol. Diesen Verstoß gegen islamische Richtlinien hätte die Behörde berücksichtigen müssen, weil der BF im Fall seiner Abschiebung von Kadyrow verhaftet und misshandelt würde. Die Behörde habe ferner eine falsche Interessensabwägung durchgeführt: Der BF befinde sich seit 2004 in Österreich, spreche ausgezeichnet Deutsch und verfüge hier über ein schützenswertes Familienleben mit seiner Lebensgefährtin, Kinder, Mutter, Geschwistern, Tanten und Cousins, die alle hier lebten. Er verfüge auch über einen nennenswerten Freundeskreis. Das BFA habe zu seinem Familienleben festgestellt, dass er seit mehr als drei Jahren geschieden und mehrere Betretungsverbote gegen ihn verhängt worden seien und er eine Gefahr für das Wohl seiner Familie darstelle. Dies könne der BF nicht nachvollziehen, seine ganze Familie lebe in XXXX und auch nach der Scheidung blieben die Kinder die seinen. Außerdem habe ihn seine Exfrau bzw. Lebensgefährtin in der Justizanstalt mehrmals besucht, die Kinder hätten kein Besuchsrecht gehabt; dies sei vom LG festgelegt worden. Seit seiner Entlassung (aus der Haft) wohne er wieder bei seiner Familie. Zum Beweis würden eine Meldebestätigung und ein Brief seiner Familie vorgelegt. Seine Kinder und seine Exfrau würden an ein und derselben Anschrift, seine Mutter an einer anderen Anschrift in XXXX leben und seine Schwiegertochter lebe in XXXX (Deutschland). Die zeugenschaftliche Einvernahme seiner Familienangehörigen werde daher beantragt, um zu klären, ob sie ein Familienleben mit dem BF fortsetzen möchten oder nicht. Nach der Judikatur des VfGH und art. 24 Abs. 3 GRC habe jedes Kind Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen, es sei denn dies stehe seinem Wohl entgegen. Dies führe zweifellos zu dem Ergebnis, dass eine Außerlandesbringung des BF mit einer Verletzung des Kindeswohls durch eine besonders nachteilige Implikation für die kindliche Entwicklung seiner Kinder einhergehe und damit unverhältnismäßig sei. Erneut werde auf die Judikatur des VfGH verwiesen, wonach körperliche Nähe und nonverbale Interaktion nicht durch fernmündliche Kontakte ersetzt werden können. Nach der Judikatur des VwGH (20.09.2017, Ra 2017/19/0163) sei das Kindeswohl auch bei der Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG zu berücksichtigen. Der BF habe drei Kinder in Österreich, welche im Fall seiner Abschiebung nach Russland ohne Vater aufwachsen müssten. Dies verletze massiv und unverhältnismäßig das Recht auf Familienleben iSd Art. 8 EMRK. Jedenfalls würden bei der Abwägung nach § 9 Abs. 2 BFA-VG die familiären und privaten Interessen des BF die öffentlichen Interessen an einer Rückkehrentscheidung und Abschiebung des BF überwiegen. Hiezu sei festzuhalten, dass Personen, gegen welche in der Russischen Föderation ein Haftbefehl aufrecht sei, Untersuchungshaft erhängt werden könne. Das bedeute, dass der BF wegen seiner politischen Einstellung nach wie vor gesucht werde und direkt am Flughafen festgenommen werden könne. Wegen der Haftbedingungen in der Russischen Föderation drohe dem BF eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung und sei eine Abschiebung dorthin unzumutbar. Seine Abschiebung sei daher unzulässig. Die Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid seien unvollständig und teilweise unrichtig. Zwar würden diese allgemeine Informationen beinhalten, sich jedoch nicht mit der Situation des BF im Fall seiner Abschiebung beschäftigen. Aus den Feststellungen, dass Rückkehrer im Nordkaukasus vor allem vor wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen stünden und grundsätzlich nicht als eigene schutzbedürftige Gruppe betrachtet würden, folge, dass es keine individuelle Unterstützung durch den russischen Staat gebe. Hätte das BFA weitere Ermittlungen zur Situation in Tschetschenien durchgeführt, hätte es erkannt, dass dem BF im Fall der Abschiebung eine Verletzung von Art. 8 EMRK drohe. Außerdem sei außer Acht gelassen worden, dass der BF damals asylberechtigt gewesen sei und ihm im Fall der Rückkehr wegen seiner politischen Überzeugung eine Festnahme direkt am Flughafen drohe. Er beantrage weiters die Aufhebung des Einreiseverbotes allenfalls dessen Verkürzung. Er könne nicht nachvollziehen, dass er sich von seiner in Österreich lebenden Familie trennen und woanders neu beginnen solle. Außerdem verfüge er auf Grund seines 17-jährigen Aufenthalts in Österreich über ein schützenswertes Privatleben. Der BF sei vom BFA nicht mündlich einvernommen worden, dieses verkenne jedoch, dass eine schriftliche Stellungnahme den persönlichen Eindruck vom BF nicht ersetzen könne und nur ansatzweise der nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände ermittelt worden seien. Das BFA habe hinsichtlich der Dauer des Einreiseverbotes die nach der Judikatur erforderliche Beurteilung des bisherigen Verhaltens des BF und des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes unterlassen. Die Rückkehrsituation des BF und die Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage im Fall der Rückkehr seinen nicht konkret eruiert worden. Außerdem wolle der BF angeben, in Düsseldorf wegen Nierenproblemen als Selbstzahler in medizinischer Behandlung gewesen zu sein und auch künftig Zugang zur Gesundheitsversorgung in der EU haben zu wollen. Für eine Prognose werde die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung als wichtig erachtet. Auch seien bei der Gefährdungsprognose die für den BF sprechenden Umstände nicht berücksichtigt worden. Die Behörde habe es verabsäumt, der bisherigen „Unbescholtenheit“ des BF das erforderliche Gewicht beizumessen. Auch sei nicht beachtet worden, dass der BF seine Verwandten auf Grund des „unbefristeten“ Einreiseverbotes nie wieder besuchen könne, was einen erheblichen Eingriff in sein Privatleben darstelle. Nach der Judikatur zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sei die aufenthaltsbeendende Maßnahme bis zur Entscheidung durch das BVwG nicht durchsetzbar und sei eine mündliche Verhandlung durchzuführen, welche abschließend beantragt wurde, weil der Beweiswürdigung substantiiert entgegengetreten worden sei, der persönliche Eindruck und die Unmittelbarkeit in Hinblick auf die Aussage von Zeugen verlangt werde. Beigelegt waren neben der bezughabenden Vollmacht ein Schreiben der Familie des BF vom 04.10.2021, ein Schreiben eines Nachbarn an seiner nunmehrigen Meldeadresse bei seiner Exfrau vom 04.10.2021, Meldezettel vom 16.09.2021 zur Meldung des BF an der Wohnanschrift seiner Ex-Frau, Zahlungsbeleg hinsichtlich Eingabengebühr 30.-€.

14. Die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsakt langte am 25.10.2021 beim BVwG ein.

15. Seitens des BFA wurden am 09.11.2021 zwei polizeiliche Amtsvermerke über den Verdacht auf Körperverletzung und Sachbeschädigung durch den BF gegen eine Frau im Lift einer anderen Wohnhausanlage sowie auf Körperverletzung gegen seine Exfrau am Morgen des 05.11.2021 elektronisch übermittelt, wonach der BF in alkoholisiertem Zustand auf dem Flachdach bei der Wohnung seiner Exfrau aufgegriffen wurde. Weiters sind danach die Familienangehörigen und die Mutter des BF in Österreich asylberechtigt, allerdings wurde gegen den erwachsenen Sohn des BF ebenfalls ein Aberkennungsverfahren eingeleitet. Zur (in Deutschland lebenden) Schwiegertochter des BF liegen keine Informationen über ihren Aufenthaltstitel vor.

16. Nach der am 09.11.201 beim BVwG eingelangten schriftlichen Mitteilung des BFA samt Bezug habenden Polizeiberichten wurde gegen den BF am 05.11.2021 erneut ein Betretungsverbot verhängt und der BF wegen aggressiven Verhaltens festgenommen.

17. Am 11.11.2021 wurde ein Amtsvermerk der LPD nachgereicht, wonach auch der Verdacht auf einen Verstoß des BF am 05.11.2021 gegen das Verbotsgesetz besteht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Zur Person des BF:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe. Seine Identität steht fest. Seinen am 05.05.2015 ausgestellten russischen Reisepass hat er jedoch verloren. Der Beschwerdeführer beherrscht neben seiner Muttersprache Tschetschenisch auch Russisch und Deutsch.

Der Beschwerdeführer ist in der Russischen Föderation in Tschetschenien geboren, in Moskau aufgewachsen und hat dort seine Schul- und Berufsausbildung (nicht abgeschlossenes Studium, Profiboxer) erhalten. Im Alter von 24 Jahren hat er gemeinsam mit seiner Familie wegen Problemen seines Vaters infolge dessen politischer Tätigkeit den Herkunftsstaat verlassen und am 02.03.2004 in Österreich Asyl beantragt. Mit Bescheid des UBAS vom 07.06.2006 wurde ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

1.2.    Aktuelle Aufenthaltsberechtigung des BF in Österreich:

Der Asylstatus wurde dem straffälligen BF mit am 22.12.2018 in Rechtskraft erwachsener Entscheidung des BFA vom 22.11.2018 nach Eintritt von Endigungsgründen wieder aberkannt, nachdem ihm mit 08.10.2018 der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ erteilt worden war. Seither ist der BF in Österreich nach dem NAG aufenthaltsberechtigt.

1.3.    Gegenständliches Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung:

Wegen weiterer Straftaten leitete das BFA schließlich am 14.03.2018 das gegenständliche Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ein. Es folgten am 17.04.2019 sowie am 16.06.2021 anlässlich seiner Haftentlassung Betretungsverbote bezüglich der Wohnung seiner geschiedenen Gattin und der gemeinsamen Kinder.

Wiederholt reagierte der BF auf schriftliche Mitteilungen der Behörde (Parteiengehör) nicht, gab jedoch am 29.06.2021 eine ausführliche schriftliche Stellungnahme dazu ab.

1.4.    Straftaten und strafgerichtliche Verurteilungen des BF in Österreich (dem angefochtenen Bescheid entnommen)

1.4.1.  Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 21.04.2005, Zl. XXXX wurden Sie wegen des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 40 Tagessätzen zu je EUR 2,-- verurteilt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass Sie am 17.04.2004 in XXXX den Verfügungsberechtigten der Firma Bipa eine elektrische Zahnbürste der Marke Braun im Wert von EUR 15,99 mit Bereicherungsvorsatz wegzunehmen versuchten. Mildernd berücksichtigte das Gericht Ihr Geständnis sowie die Unbescholtenheit, erschwerend keinen Umstand.

1.4.2.  Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 07.10.2009, Zl. XXXX wurden Sie wegen des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 60 Tagessätzen zu je EUR 4,-- verurteilt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass Sie am 23.04.2009 in XXXX versuchten, den Berechtigten der Firma Saturn einen Memory Stick im Wert von EUR 46,99 mit Bereicherungsvorsatz wegzunehmen. Mildernd berücksichtigte das Gericht das Geständnis, erschwerend die einschlägige Vorstrafenbelastung.

1.4.3.  Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 07.06.2010, Zl. XXXX wurden Sie wegen des Vergehens der Entwendung nach §§ 15, 141 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 60 Tagessätzen zu je EUR 4,-- verurteilt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass Sie am 30.12.2009 in XXXX aus Unbesonnenheit eine Sache geringen Werts, nämlich eine Flasche Sekt im Wert von EUR 5,49 dem Berechtigten der Firma Billa zu entziehen versuchten. Mildernd berücksichtigte das Gericht das Geständnis, erschwerend zwei Vorverurteilungen.

1.4.4.  Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 30.01.2014, Zl. XXXX wurden Sie wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Wochen, bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit, verurteilt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass Sie am 11.08.2013 in XXXX dadurch, dass Sie mehrmals gegen die Türe zur Wohnung XXXX , traten, eine fremde Sache beschädigten und zum Nachteil des XXXX einen Schaden in der Höhe von EUR 400,-- herbeiführten. Mildernd berücksichtigte das Gericht das Geständnis, erschwerend drei einschlägige Vorstrafen.

1.4.5.  Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 23.06.2015, Zl. XXXX , wurden Sie wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG zu einer Geldstrafe in der Höhe von 60 Tagessätzen zu je EUR 4,-- verurteilt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass Sie am 17.11.2014 in XXXX und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar mindestens 0,44 Gramm Cannabiskraut, zum persönlichen Gebrauch erworben und bis zur Sicherstellung durch die Polizei besessen haben. Mildernd berücksichtigte das Gericht das volle und reumütige Geständnis, erschwerend keinen Umstand.

1.4.6.  Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 08.07.2016, Zl. XXXX , wurden Sie wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu einer zusätzlichen Geldstrafe in der Höhe von 180 Tagessätzen zu je EUR 4,-- verurteilt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass Sie am 11.06.2015 in Villach XXXX durch Versetzen eines Kopfstoßes gegen das Gesicht verletzten, wobei die Tat eine Nasenbeinfraktur ohne Verschiebung der Bruchenden und Kopfschmerzen zur Folge hatte. Mildernd berücksichtigte das Gericht die geständige Verantwortung, die Alkoholisierung und die Bereitschaft zur Schadensgutmachung, erschwerend die fünf Vorstrafen, davon eine einschlägige.

1.4.7.  Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 19.02.2018, Zl. XXXX , wurden Sie wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG zu einer Geldstrafe in der Höhe von 70 Tagessätzen zu je EUR 6,-- verurteilt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass Sie am 06.02.2017 in XXXX wider die bestehenden Vorschriften ein Suchtgift, nämlich 2,1 Gramm Cannabiskraut, erworben und bis zur Sicherstellung durch die Polizei besessen haben, wobei die Tat ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begangen wurde. Mildernd berücksichtigte das Gericht das reumütige Geständnis, erschwerend eine einschlägige Vorstrafe. Festgehalten wurde im Urteil, dass Sie sich ausdrücklich gegen gesundheitsbezogene Maßnahmen ausgesprochen haben.

1.4.8.  Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 04.06.2018, Zl XXXX wurden Sie wegen des Vergehens der Körperverletzung im Zustand voller Berauschung nach §§ 287 Abs 1, 83 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten, bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit, verurteilt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass Sie sich am 23.02.2018 in XXXX , wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzten und in diesem Zustand den XXXX am Körper verletzten, indem Sie ihm mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzten, wodurch der Genannte eine Platzwunde im Bereich des linken Ohrs erlitt. Mildernd berücksichtigte das Gericht das reumütige Geständnis, erschwerend eine einschlägige Vorstrafe.

1.4.9.   Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 13.04.2021, Zl. XXXX , wurden Sie wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB, des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB, des Verbrechens der Erpressung nach §§ 15 Abs 1, 144 Abs 1 StGB sowie des Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten verurteilt, wobei ein Teil von 17 Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Der Verurteilung lag folgende Fakten zugrunde:

I. Sie haben in XXXX fremde bewegliche Sachen des XXXX weggenommen, um sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern und zwar am 28.12.2018 im Wettlokal „Tipp 63“ Bargeld in der Höhe von EUR 600,--, indem Sie der Kellnerin XXXX eine Kellnergeldbörse aus der Hosentasche zogen und am 24.02.2019 im Wettlokal in der XXXX Bargeld in der Höhe von EUR 3.700,--, indem Sie das Geld aus der Kellnergeldbörse und der Kassa an sich nahmen.

II. Sie haben am 09.07.2019 in XXXX dadurch, dass Sie sie am Körper erfassten und zur Seite drängten, sohin mit Gewalt gegen ihre Person, eine fremde bewegliche Sache, nämlich ihre Geldbörse mit Bargeld in der Höhe von EUR 450,--, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern und anschließend im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit einem unbekannten Täter mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, XXXX durch die vom unbekannten Täter getätigte Äußerung, dass diese ihre Geldbörse wiederbekomme, wenn sie Ihnen das gesamte Bargeld im Lokal gebe, somit durch gefährliche Drohung, zu einer Handlung, die sie am Vermögen schädigen sollte, nämlich zur Übergabe von Bargeld, zu nötigen versucht.

III. Sie haben am 15.08.2020 in XXXX gemeinsam mit XXXX und einem bislang unbekannten Mittäter namens „ XXXX “ an einer Schlägerei tätlich teilgenommen.

Mildernd berücksichtigte das Gericht das reumütige Geständnis und dass es hinsichtlich des Verbrechens der Erpressung beim Versuch geblieben ist, erschwerend die Anwendung des § 28 StGB, nämlich das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit mehreren Vergehen, sowie die Vorstrafenbelastung.

Der Berichterstattung der PI XXXX vom 28.12.2018, GZ XXXX , kann zusätzlich entnommen werden, dass der Tathandlung vom 28.12.2018 zuvor ging, dass Ihr Beitragstäter bei der Kellnerin ein Bier bestellte, welches diese aus dem am Boden stehenden, im Kundenraum befindlichen, Mini- Kühlschrank holen musste und somit den Tätern den Rücken zukehren und sich bücken musste. Ihr Beitragstäter gab vor, das Bier bezahlen zu wollen. Die Kellnerin bemerkte den Diebstahl der Geldbörse und insistierte auf eine Rückgabe, andernfalls sie die Polizei alarmieren werde. Sie sagten ihr, dass sie dies „nur tun solle“ und verließen gemeinsam mit Ihrem Beitragstäter, der sein Bier nicht bezahlte, das Wettlokal. Weiters wird festgehalten, dass Sie zwischen 03.12.2018 und 09.12.2018 einen 34-jährigen Wettlokalbesitzer bosnischer Nationalität ( XXXX ) erpressten. Hierbei gaben Sie gegenüber dem Opfer an, dass Sie EUR 20.000,-- haben wollen würden, würde dieser Betrag nicht bezahlt werden, wären sämtliche Tschetschenen aus XXXX gegen das Opfer. Laut Opfer gaben Sie weiters an, dass das Opfer Sie umbringen solle, andernfalls Sie das Opfer umbringen werden. XXXX kam Ihrer Geldforderung nicht nach, sondern setzte sich ins Ausland ab.

Dem Abschlussbericht des SPK XXXX vom 15.02.2019, GZ XXXX , ist zu entnehmen, dass Sie es waren, der der Kellnerin die Geldbörse aus der Gesäßtasche zog. Weitere maßgebliche Informationen können diesem Beweismittel nicht entnommen werden, abgesehen davon, dass Sie zu diesem Zeitpunkt nicht einvernommen werden konnten, da Sie nicht auffindbar waren, jedoch der Verdacht bestand, dass Sie sich im Stadtteil XXXX als U-Boot aufhalten.

Dem Amtsvermerk der PI XXXX vom 09.07.2019, GZ XXXX , kann ergänzend entnommen werden, dass Sie gemeinsam mit einem jüngeren Mittäter um 03:24 Uhr das Wettlokal betraten. Ihr Mittäter setzte sich an einen Spielautomaten, während Sie XXXX ansprachen, wobei Sie von der Genannten einen Bargeldbetrag in der Höhe von EUR 5.000,-- forderten, welchen Ihnen der Inhaber des Geschäftslokals, XXXX , angeblich schuldete. XXXX lehnte Ihr Ansinnen jedoch ab, worauf hin Sie hinter den Tresen gingen, XXXX unter der Anwendung von Körperkraft zur Seite stießen und nach Geld suchten, um sich dieses zuzueignen. Als Sie nichts fanden, griffen Sie über XXXX hinweg in deren Handtasche und stahlen deren Geldbörse.

Daraufhin umklammerte XXXX Sie, um Sie an der Flucht zu hindern. Durch Anwendung von Körperkraft und Stoßen entrissen Sie sich und konnten fliehen, wobei XXXX gegen eine Kante gestoßen und am Körper verletzt wurde. Direkt im Anschluss floh auch Ihr Mittäter. Dieser kehrte kurz darauf mit der Geldbörse der XXXX ins Lokal zurück und bot ihr die Geldbörse im Austausch gegen das gesamte, im Lokal befindliche Bargeld an, woraus sich XXXX jedoch nicht einließ. Der Mittäter verließ daraufhin das Lokal neuerlich mit der Geldbörse.

Der Berichterstattung der PI XXXX vom 09.07.2019, den beiden Zeugenvernehmungen ( XXXX und XXXX ) vom selben Tag, sowie dem Anlassbericht des SPK XXXX vom 15.07.2019, alle GZ XXXX , können keine relevanten zusätzlichen Informationen entnommen werden.

Dem Abschlussbericht des SPK XXXX vom 16.08.2020, GZ XXXX , kann hinsichtlich des Raufhandelsfaktums zusätzlich entnommen werden, dass Sie am 15.08.2020 gegen 01:00 Uhr vor dem Objekt XXXX , gemeinsam mit anderen Tätern (geboren zwischen 1977 und 1997) einen Raufhandel setzten, wobei XXXX leicht und Sie schwer verletzt wurden.

Dem Abschlussbericht des SPK XXXX vom 26.08.2020, GZ XXXX , kann hinsichtlich des Raufhandelsfaktums keine relevante zusätzliche Information entnommen werden.

1.4.10. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 31.08.2021, Zl. XXXX wurden Sie wegen des Vergehens des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen nach § 153c Abs 1 StGB, des Vergehens des betrügerischen Anmeldens zur Sozialversicherung nach § 153d Abs 1 StGB, der Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1, Abs 2 und Abs 5 Z 3 und 4 StGB, des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 83 Abs 1 StGB sowie des Vergehens der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass Sie in XXXX als Einzelunternehmer

I. im Zeitraum Jänner 2018 bis Oktober 2018 als Dienstgeber Dienstnehmeranteile zur Sozialversicherung von EUR 2.343,54 einbehalten und dem berechtigten Sozialversicherungsträger, nämlich der XXXX Gebietskrankenkasse, vorenthalten haben;

II. im Zeitraum von Jänner 2018 bis Juli 2018 die Anmeldung von 35 Personen zur Sozialversicherung in dem Wissen, dass die in Folge der Anmeldung auflaufenden Sozialversicherungsbeiträge nicht vollständig geleistet werden sollen, vorgenommen haben, wobei die auflaufenden Sozialversicherungsbeiträge tatsächlich nicht vollständig geleistet wurden;

III. im Zeitraum von Jänner 2018 bis 25.02.2018 grob fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit dadurch herbeigeführt, dass Sie entgegen der Grundsätze ordentlichen Wirtschaftens

a. Geschäftsbücher und geschäftliche Aufzeichnungen nicht führten, sodass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage erheblich erschwert wurde und Sie sonstige geeignete und erforderliche Kontrollmaßnahmen unterlassen haben, die einen solchen Überblick verschafft hätten;

b. einen übermäßigen, mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand getrieben haben, indem Sie Dienstnehmer beschäftigten, obwohl der Lohnaufwand aus dem regulären Geschäftsbetrieb nicht finanzierbar war;

IV. im Zeitraum 16.02.2018 bis Mai 2018 in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit grob fahrlässig die Befriedigung wenigstens einer der Gläubiger dadurch vereitelt oder geschmälert haben, indem Sie entgegen der Grundsätze ordentlichen Wirtschaftens

a. Geschäftsbücher und geschäftliche Aufzeichnungen nicht führten, sodass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage erheblich erschwert wurde und Sie sonstige geeignete und erforderliche Kontrollmaßnahmen unterlassen haben, die einen solchen Überblick verschafft hätten;

b. einen übermäßigen, mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand getrieben haben, indem Sie Dienstnehmer beschäftigten, obwohl der Lohnaufwand aus dem regulären Geschäftsbetrieb nicht finanzierbar war.

Weiters haben Sie am 17.05.2021 in XXXX XXXX durch die Äußerung „ich mach dich tot … ich mach dich und deine Familie tot, Biljad, ich bin Mohammedaner und Ali“ mit einer Körperverletzung gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen. Am 17.05.2021 versuchten Sie weiters den Genannten am Körper zu verletzen, indem Sie mit der Faust in seine Richtung schlugen und seinen Kopf treffen wollten. Auch packten Sie den Genannten am selben Tag und ließen ihn nicht mehr los, wodurch Sie ihn mit Gewalt zu einer Unterlassung einer Ortsveränderung nötigten. Mildernd berücksichtigte das Gericht das reumütige Geständnis und dass es teilweise beim Versuch blieb, erschwerend die Tatbegehung während zweier offener Probezeiten sowie die einschlägige Vorstrafenbelastung.

Dem Abschlussbericht der PI XXXX vom 17.06.2021, GZ XXXX , kann zusätzlich entnommen werden, dass die Jacke des XXXX bei der Tathandlung beschädigt wurde. Gegenüber der Polizei verantworteten Sie sich leugnend.

1.5.    Verwaltungsstrafen des BF (dem Bescheid entnommen)

Ihrem aktuellen VStV-Auszug der Landespolizeidirektion XXXX sind sieben Vormerkungen zu entnehmen. Die Gesamthöhe der Strafen beläuft sich auf € 910,-:

Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion XXXX vom 21.10.2016, GZ XXXX wurden Sie mit einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 200,-belegt, weil Sie sich entgegen einer einstweiligen Verfügung des Bezirksgerichts XXXX gem. § 382c Abs 3 EO, wonach Ihnen die Rückkehr in die Wohnung samt Liegenschaft der Tatörtlichkeit untersagt wurde, am 05.09.2016 in das Objekt XXXX , Zutritt verschafften. Sie haben dadurch Art 2 § 1 Abs 1 SPG verletzt.

Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion XXXX vom 17.05.2016, GZ XXXX , wurden Sie mit einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 40,-belegt, weil Sie die kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 10 km/h überschritten. Sie haben dadurch § 52 lit 1 Z 10a StVO verletzt.

Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion XXXX vom 07.06.2016, GZ XXXX , wurden Sie mit einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 100 belegt, weil Sie sich gegenüber Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes während einer Amtshandlung zusehend aufbrausend verhielten, mehrmals versuchten, aus dem Fahrzeug zu steigen und bereits bei geöffnetem Beifahrerfenster wild gestikulierten, wobei Sie eine Bierflasche in der Hand hielten. Während der Untersuchung gebärdeten Sie sich wild gestikulierend vor dem Beamten und beschimpften diesen lautstark. Weiters sprangen Sie mit erhobenen Händen auf den Polizeibeamten zu. Sie verletzten dadurch § 82 Abs 1 SPG.

Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion XXXX vom 10.08.2016, GZ XXXX , wurden Sie mit einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 40,-belegt, weil Sie die kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 10km/h überschritten. Sie haben dadurch § 52 lit 1 Z 10a StVO verletzt.

Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion XXXX vom 31.07.2018, GZ XXXX , wurden Sie mit einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 250,-belegt, weil Sie es als Zulassungsbesitzer eines Kraftfahrzeuges unterlassen haben, trotz vollstreckbaren Bescheides über die Aufhebung der Zulassung die Kennzeichentafeln und den Zulassungsschein unverzüglich zurückzustellen. Sie haben dadurch § 44 Abs 4 KFG verletzt.

Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion XXXX vom 09.10.2018, GZ XXXX , wurden Sie mit einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 180,-belegt, weil Sie als Lenker das Rotlicht einer Verkehrssignalanlage missachteten. Sie haben dadurch §§ 38 Abs 5, 38 Abs 1 lit a StVO verletzt.

Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion XXXX vom 14.02.2019, GZ XXXX , wurden Sie mit einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 100,- belegt, weil Sie an einer Bushaltestelle mit den Fäusten geboxt haben, auf ein Fahrzeug eingeboxt haben und Passanten daher die Bushaltestelle nicht ordnungsgemäß benutzen konnten und auf die Fahrbahn ausweichen mussten. Sie haben dadurch § 81 Abs 1 SPG verletzt.

1.6.    Betretungsverbote (ua. aus dem angefochtenen Bescheid):

Bereits im Jahr 2016 wurde ein Betretungsverbot gegen Sie ausgesprochen. Betroffen war das Wohnobjekt XXXX , in welchem zum damaligen Zeitpunkt laut ZMR Ihre Exfrau mit den gemeinsamen Kindern Unterkunft genommen hatte. Dieses Betretungsverbot wurde im Rahmen einer einstweiligen Verfügung gem. § 382c Abs 3 EO vom 19.05.2016, Zl. XXXX , gerichtlich verhängt und verstießen Sie dagegen, weshalb Sie von der Landespolizeidirektion XXXX im Oktober 2016 bestraft wurden.

Mit 17.04.2019, GZ XXXX , wurde von Exekutivbeamten der PI XXXX gegen Sie ein Betretungsverbot für das Objekt XXXX , (gesamtes Gebäude samt Stiegenhaus) ausgesprochen. Grund dafür war, dass Sie laut Ihrer Exfrau in der Vergangenheit gegen diese gewalttätig waren und schon im Jahr 2012 in XXXX eine Wohnungstüre eingetreten haben. Seit vier bis fünf Monaten erschienen Sie während der Zeiträume beruflich bedingter Abwesenheit Ihrer Exfrau immer wieder an der Wohnungstüre und verlangten von den Kindern, eingelassen zu werden. Am 17.04.2019 gegen 07:15 Uhr haben Sie vor der Wohnungstüre gewartet, sprangen auf, als Ihre Exfrau die Wohnung verließ, und verschafften sich mit Körperkraft Zugang zur Wohnung. Sie setzten sich in weiter Folge aufs Sofa und lehnten es ab, die Wohnung zu verlassen. Erst nachdem Ihre Exfrau die Polizei telefonisch kontaktiert hatte, verließen Sie die Wohnung. Ihre Exfrau wurde bei dem Vorfall nicht körperlich verletzt, jedoch war sie um das Wohl der gemeinsamen Kinder besorgt, da Sie schon in der Vergangenheit gewalttätig waren und darüber hinaus Alkohol und Suchtmittel konsumieren.

Mit 16.06.2021, GZ XXXX sowie XXXX , wurde von Exekutivbeamten der PI XXXX gegen Sie ein Betretungsverbot für das Objekt XXXX samt 100 Metern um die Wohnung ausgesprochen. Die gefährdeten Personen waren (neuerlich) Ihr minderjähriger Sohn XXXX sowie Ihre Exfrau XXXX . Grund für das Betretungsverbot ist, dass Sie am 15.06.2021 gegen 15:45 Uhr an der Wohnungstüre klopften. XXXX war zu diesem Zeitpunkt alleine in der Wohnung, fürchtete sich vor Ihnen und ignorierte Sie daher zunächst. Sie klopften circa zehn bis 15 Minuten an die Türe und gaben an, lediglich hungrig zu sein. Nach der angegebenen Zeit sagten Sie zu Ihrem Sohn „Wenn du mir jetzt nicht sofort die Tür aufmachst, werde ich sie einschlagen“, woraufhin Ihr Sohn die Türe aufgrund großer Angst öffnete. Sie stürmten anschließend in die Wohnung, gingen in die Küche und holten sich etwas zu essen. Währenddessen beleidigten Sie Ihren Sohn mehrmals als „Missgeburt“ und sagten, seine Geschwister seien auch nicht besser. Nach circa zehn Minuten erschien Ihre Exfrau, konfrontierte Sie damit, dass sie wissen wolle, was Sie hier machen würden, und forderte Sie zum Verlassen der Wohnung auf, woraufhin Sie diese mehrmals als „Schlampe“ beschimpften und die gemeinsamen Kinder verfluchten. XXXX verließ daraufhin das Wohnzimmer und verständigte die Polizei. Sie bekamen davon nichts mit, Ihre Exfrau zeigte Ihrem Sohn auf dem Handydisplay, dass die Polizei bereits verständigt wurde. In weiterer Folge standen Sie auf, gingen im Flur auf und ab, beleidigten Ihre Exfrau und Ihren Sohn immer wieder und sagten dabei auch: „Ich werde euch alle irgendwann einmal ermorden.“. Als Ihr Sohn genug hatte, setzte er Sie darüber in Kenntnis, dass die Polizei bereits unterwegs sei, worauf hin Sie sagten „Aha, ok, dann gehe ich“ und die Wohnung verließen. Nach Fahndungsmaßnahmen konnten Sie um 23:25 Uhr von einer Streife in XXXX (sohin im unmittelbaren örtlichen Nahebereich der Wohnung Ihrer Exfrau) angetroffen werden, ein Alkovortest um 23:35 Uhr ergab einen Wert von 0,98 mg/l. Ihnen wurde von der Polizei die Möglichkeit zur Äußerung geboten. Sie sagten Folgendes wörtlich aus: „Ich habe nix sagen. Ich wollte nicht über meine Familie was sagen, nein. Wenn sie nicht mehr sehen will, dann soll sie mir sagen. Ich habe bis heute Nachmittag dort gelebt. Meine Ausweise sind noch dort drüben. Es ist alles drüben bei Frau. Ich will jetzt nach Tschetschenien. Ich will ihr nix mehr Geld geben. Gestern noch hat sie mit mir schlafen und heute so. Für was. Nein, wenn ich so was sagen, warum schlafen Exfrau mit mir. Nein sicher nicht mehr.“

Am 05.11.2021, XXXX , wurde außerdem wegen Übergriffen auf seine Exfrau (Körperverletzung) erneut ein Betretungsverbot für die Wohnung seiner Exfrau in XXXX gegen den BF verhängt und der BF anschließend wegen aggressiven Verhaltens im alkoholisierten bzw. berauschtem Zustand festgenommen.

1.7.     Waffenverbot (aus dem angefochtenen Bescheid)

Seitens der Landespolizeidirektion XXXX wurde mit Rechtskraft vom 14.08.2009, vollstreckbar seit 30.07.2009, zu GZ XXXX , zudem ein Waffenverbot (gültig bis 11.02.2024) gegen Sie verhängt.

1.8.    Aktueller Gesundheitszustand des BF

Der Beschwerdeführer gibt an, Alkohol zu konsumieren und (von Suchtgift) abhängig sowie für einen Entzug bereit zu sein. Er war wegen eines Nierenleidens in Deutschland in medizinischer Behandlung. Er hat nicht vorgebracht, aktuell in medizinischer Behandlung zu stehen oder eine solche zu benötigen. Er hat nicht angegeben, zur Covid 19-Risikogruppe zu gehören, außerdem besteht seit Frühjahr 2021 in Österreich die Möglichkeit einer Impfung.

1.9.    Zum Privat- und Familienleben des BF samt Integration während seines Aufenthaltes in Österreich

Der erwachsene Sohn und die drei minderjährigen Kinder sowie die Exfrau des BF sind in Österreich asylberechtigt. Gegen seinen erwachsenen Sohn XXXX ist allerdings zur Zeit ein Aberkennungsverfahren anhängig.

Die Mutter des BF ist ebenfalls in Österreich asylberechtigt. Welchen Aufenthaltstitel bzw. welche Staatsangehörigkeit die in Deutschland lebende Schwiegertochter des BF innehat, ist nicht bekannt. Das Enkelkind des BF lebt ebenfalls in Deutschland. Außerdem hat der BF Verwandte in Frankreich (Cousin), Deutschland (Tante) und Österreich (Onkel, Schwester).

Der BF ist seit 2015 geschieden und lebte anschließend von seiner Exfrau getrennt – zumindest war er an ihrer Wohnanschrift nicht gemeldet und hielt sich zeitweise auch unangemeldet bei seiner Mutter auf. Seine Mutter leidet an Brustkrebs; ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis zum BF oder umgekehrt besteht jedoch nicht. Sein Vater ist 2015 in Österreich verstorben. Sein Onkel lebt ebenfalls in Österreich. Weitere Verwandte (Tante und Cousins) leben in Deutschland und Frankreich.

Es kam wiederholt zu Betretungsverboten betreffend die Wohnung seiner Exfrau, zuletzt am 16.06.2021 unmittelbar nach seiner Haftentlassung. Seit diesem Tag ist der BF jedenfalls wieder in der Wohnung seiner Exfrau behördlich gemeldet und gibt an, dass sie wieder heiraten möchten. Ein Nachweis über eine bereits erfolgte Eheschließung wurde bislang nicht vorgelegt, der BF bringt vor, dass sich seine Familie seinen weiteren Verbleib im österreichischen Bundesgebiet wünscht. Am 05.11.2011 wurde der BF nach einem gewalttätigen Vorfall an einer anderen Adresse von der Polizei in Umgebung der Wohnung seiner Exfrau angetroffen. Es wurde dabei erneut ein Betretungsverbot gegen den BF erlassen und der BF wegen (neuerlichen) Gewalttätigkeiten gegen seine Exfrau erneut festgenommen.

Der BF war zunächst in Österreich als Boxer erfolgreich (Staatsmeister 2005, 2006, 2007 und Angehöriger des österreichischen Nationalteams) und hat nach dem (verletzungsbedingten) Ende dieser Laufbahn (2015) verschiedene Anstrengungen unternommen, Einkünfte durch eine selbständige Erwerbstätigkeit (Reinigungsfirma von 2016 bis 2018) zu erzielen. Einer unselbständigen Erwerbstätigkeit ist er während seines bisher rund 17–jährigen Aufenthalts im Bundesgebiet trotz freiem Zugang zum Arbeitsmarkt hingegen nur etwa elf Monate insgesamt nachgegangen und er hat überwiegend staatliche Leistungen bezogen. Er hat in Österreich bisher verschiedene Berufserfahrungen gesammelt (Tätigkeit in einer Firma für Sandstrahlen, in einer Fleischerei, Reinigungsfirma). Der BF hat eine Ausbildung zum Boxtrainer absolviert und einen Deutschkurs besucht. Er hat sich in Österreich bislang aber noch nicht ehrenamtlich betätigt.

Während seines bisher durchgehend rechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich hat der BF zwar Freundschaften geschlossen, diese waren jedoch nicht immer zu seinem Vorteil. Ab Oktober 2021 hat er in Österreich eine neue Anstellung als unselbständig Erwerbstätiger gefunden.

Im Herkunftsstaat leben aktuell keine Verwandten des BF mehr. Der BF ist erwachsen und nach eigenen Angaben bis auf sein Alkohol- bzw. Suchtproblem, welches behandeln zu lassen er bereit ist, aktuell gesund. Er ist auch arbeitsfähig. Da er in Moskau aufgewachsen ist, dort seine Schulbildung erhalten, sein Studium betrieben hat und als Profiboxer tätig war, ist er mit den örtlichen und kulturellen Gegebenheiten dort vertraut und kann sich dort- insbesondere auch im Hinblick auf seine Alkohol- bzw. Drogenabhängigkeit- wieder niederlassen und seinen Lebensunterhalt aus Eigenem (Erwerbstätigkeit) oder mit staatlicher Unterstützung (Sozialleistungen) bestreiten. Dabei werden ihm auch seine bisher in Österreich gesammelten Erfahrungen (Deutschkenntnisse, Boxkarriere, verschiedene Berufserfahrungen, Ausbildung zum Boxtrainer) von Nutzen sein bzw. besteht auch die Möglichkeit, von seinen in Österreich und Europa aufhältigen Verwandten dort finanziell unterstützt zu werden.

1.10.   Situation im Herkunftsstaat (dem angefochtenen Bescheid entnommen)

Covid-19-Situation

Letzte Änderung: 18.05.2021

Russland ist von Covid-19 landesweit stark betroffen. Regionale Schwerpunkte sind Moskau und St. Petersburg (AA 15.2.2021). Aktuelle und detaillierte Zahlen bietet unter anderem die Weltgesundheitsorganisation WHO (https://covid19.who.int/region/euro/country/ru). Die Regionalbehörden in der Russischen Föderation sind für Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 zuständig, beispielsweise betreffend Mobilitätseinschränkungen, medizinische Versorgung und soziale Maßnahmen (RAD 15.2.2021; v

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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