TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/2 W103 1414347-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.11.2021
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Entscheidungsdatum

02.11.2021

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52

Spruch


W103 1414347-3/49E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX ehemals XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.10.2018, Zl. 740874001-180363183, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht.

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7 Abs. 1 Z 1, Z 2 und Abs. 4, 8 Abs. 1, 57, 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie §§ 52 Abs. 2 Z 3 und Abs. 9, 46, 53 Abs. 1 Z 1, 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Vorangegangene Verfahren:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig, gelangte gemeinsam mit seiner damaligen Ehegattin, ebenfalls einer Staatsangehörigen der Russischen Föderation, sowie seiner minderjährigen Tochter im April 2004 unter Umgehung der Grenzkontrollen auf österreichisches Bundesgebiet und stellte gemeinsam mit diesen am 23. April 2004 einen Antrag auf Gewährung von Asyl.

Nach erfolgter Rechtsbelehrung erklärte die Ehegattin des Beschwerdeführers gelegentlich der Befragung des Beschwerdeführers durch Organe der belangten Behörde am 3. Dezember 2004 dem Grunde nach, über keinerlei eigene Fluchtgründe zu verfügen und zur Wahrung der Familieneinheit lediglich einen auf das Verfahren ihres Ehemannes gestützten Asylerstreckungsantrag zu stellen.

Der Beschwerdeführer führte gelegentlich der im vorigen Absatz erwähnten, und im Beisein seiner Ehegattin erfolgten niederschriftlichen Einvernahme aus, er habe den Herkunftsstaat aufgrund der ihm dort drohenden Gefahr verlassen. Er habe im August 2003 einen, gelegentlich einer bewaffneten Auseinandersetzung mit russischen Soldaten verwundeten Bruder eines Freundes zu entfernten Verwandten gebracht und auch dessen „Uniform“, Maschinenpistole sowie die übrige Ausrüstung dem Kommandanten des in weiterer Folge Verstorbenen zukommen lassen. Untersuchungsbeamte seien im Nachhang zu der zu Grunde liegenden Kampfhandlung in seinem Elternhaus vorstellig geworden und hätten sein Erscheinen vor der „Bezirkskommandantur“ verlangt. Schließlich sei er am 30. August 2003 auf offener Straße von Soldaten festgenommen und an einen unbekannten Ort verbracht worden. Gelegentlich der anschließenden mehrtägigen Anhaltung sei er physisch misshandelt und ihm der „Schädel“ „gebrochen“ worden. Er habe alles erzählt, was er (in Bezug auf den Vorfall) „gesehen und gehört habe“. Die Zeit zwischen den einzelnen Verhören habe er „in Unterhosen“ „im Freien“ verbringen müssen. Am 5. Tag sei er schließlich unter näher ausgeführten Umständen zur Unterfertigung eines Dokumentes aufgefordert worden, in dem er sich zur Leistung von Spitzeldiensten verpflichten sollte. Er habe sich zunächst geweigert das in Rede stehende Dokument zu unterzeichnen, habe aber schließlich infolge weiterer Misshandlungen klein beigegeben. Schließlich sei ihm am 4. September 2003 seine Kleidung zurückgegeben und er „halb tot“ auf einer Straße ausgesetzt worden. Man habe ihn an der Fernstraße nach XXXX aus einem LKW geworfen. Bewohner des nahe gelegenen Dorfes XXXX hätten ihn dort aufgefunden und zu sich nach Hause bzw. am nächsten Tag in ein Krankenhaus gebracht, wo man seine „Kopfwunde“ genäht habe. Als er schließlich nach Hause gekommen sei, habe er „alle Leute“ davon in Kenntnis gesetzt, dass er „alles erzählt“ habe und diese gewarnt. Etwa einen Monat nach seiner Freilassung habe er einen anderen Bewohner seines Dorfes namens XXXX getroffen, der ihm im Gespräch berichtet habe, dass er eine gleichartige (Kooperations)verpflichtung unterschreiben habe müssen. Schließlich seien im Januar 2004 „Kopf und Pass“ des XXXX vor einem Geschäft im Dorf in einem „Plastiksack“ aufgefunden worden. Im Anschluss habe er mit Hilfe seiner Eltern und Freunde Geld gesammelt und sei von zu Hause „weggefahren“. Für den Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat drohe ihm „im besten Fall das Schicksal des XXXX “. Die Schreie, die er während seiner Anhaltung vernommen habe, könnten einen Menschen „verrückt machen“. Er wisse nicht, ob nach ihm gefahndet werde. Schon allein die Tatsache, dass er Tschetschene sei, sei im Herkunftsstaat für Probleme ausreichend. Nach Österreich gekommen sei er, um hier zu arbeiten, zu leben und seine Familie „vor Lebensgefahr zu bewahren“.

Gelegentlich der vorbehandelten Einvernahme vor der belangten Behörde brachte der Beschwerdeführer seinen russischen Führerschein sowie seine Heiratsurkunde in Vorlage.

1.2. Mit am 26. Februar 2005 in Rechtskraft erwachsenem Bescheid der belangten Behörde vom 9. Februar 2005, Zl. XXXX , wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Asyl gem. § 7 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 stattgegeben, diesem Asyl gewährt und ausgesprochen, dass diesem kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Eine nähere Begründung ist der vorgenannten Erledigung nicht zu entnehmen.

Ebenfalls mit am 26. Februar 2005 in Rechtskraft erwachsenen Bescheiden vom gleichen Tage wurde der Ehegattin des Beschwerdeführers zu Zl. XXXX sowie der minderjährigen Tochter zu Zl. XXXX gem. § 11 AsylG 1997 durch Erstreckung Asyl gewährt.

Am XXXX brachte die Ehegattin des Beschwerdeführers einen Sohn zur Welt. Mit am 12. Mai 2005 in Rechtskraft erwachsenem Bescheid des Bundesasylamtes vom 21. April 2005, Zl. XXXX , wurde dem vorbezeichneten Kind gem. § 10 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003, Asyl gewährt.

Mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft XXXX wurde dem Beschwerdeführer, seiner Ehegattin und den ehelichen Kindern mit Wirksamkeit zum 25. Mai 2005 die Änderung der bisher geführten Familiennamen, sowie dem Beschwerdeführer die Änderung seines Vornamens genehmigt.

Am XXXX brachte die Ehegattin des Beschwerdeführers einen Sohn zur Welt. Mit am 26. Mai 2006 in Rechtskraft erwachsenem Bescheid der belangten Behörde vom 9. Mai 2006, Zl. XXXX , wurde dem vorbezeichneten Kind gem. § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005, Asyl gewährt.

Mit am XXXX in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Bezirksgerichtes XXXX an XXXX vom XXXX wurde der Beschwerdeführer zu GZ. XXXX gem. § 88 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 100 Tagsätzen verurteilt.

Mit XXXX in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX wurde der Beschwerdeführer zu GZ. XXXX gem. § 125 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagsätzen verurteilt.

Am XXXX brachte die Ehegattin des Beschwerdeführers eine Tochter zur Welt. Mit am 21. Dezember 2007 in Rechtskraft erwachsenem Bescheid der belangten Behörde vom 29. November 2007, Zl. XXXX , wurde dem vorbezeichneten Kind gem. § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 Asyl gewährt.

Mit am XXXX in Rechtkraft erwachsenem Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX wurde der Beschwerdeführer zu GZ. XXXX gem. § 127 StGB zu einer Geldstrafe von 80 Tagsätzen verurteilt.

Mit am XXXX in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Amtsgerichtes XXXX (Deutschland) vom selben Tage wurde der Beschwerdeführer zu GZ. XXXX wegen unerlaubtem Handelstreiben mit Betäubungsmitteln zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt.

1.3. Mit Schreiben vom 4. Juni 2009 übermittelte der polizeiliche Verbindungsbeamte des Bundesministeriums für Inneres an der österreichischen Botschaft in XXXX dem bezeichneten Ministerium einen seitens der Hauptkommandantur der Grenzwache Polens übermittelten Bericht der Grenzwachstelle XXXX vom 13. Mai 2009. Diesem Bericht zu Folge haben sich die Ehegattin des Beschwerdeführers und ihre mitreisenden vier minderjährigen Kinder bei der Einreise nach Polen mit österreichischen Reisedokumenten ausgewiesen. Während der Kontrolle sei aus der Tasche der Genannten eine auf den Namen XXXX ausgestellte Flüchtlingskarte des Flüchtlingszentrums XXXX (Polen) herausgefallen und seien hierauf im Koffer derselben neben Blankoformularen weiters auf die ursprünglichen Namen des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin sowie auf die Namen XXXX ausgestellte (internationale) Reisepässe (der Russischen Föderation) aufgefunden worden.

Dem Schreiben des Verbindungsbeamten vom 4. Juni 2009 waren neben einer Kopie des (österreichischen) Konventionspasses des Beschwerdeführers ferner u.a. in Kopie beigefügt:

Internationaler Reisepass der Russischen Föderation, ausgestellt am XXXX lautend auf den ehemaligen Namen des Beschwerdeführers

Inlandspass der Russischen Föderation, ausgestellt am XXXX lautend auf den ehemaligen Namen des Beschwerdeführers

1.4. Mit Aktenvermerken vom 18. Juni 2009 leitete das Bundesasylamt hinsichtlich des Beschwerdeführers, seiner Ehefrau sowie der asylberechtigten Kinder Verfahren zur Aberkennung der Status der Asylberechtigten ein.

Bei seiner in dieser Angelegenheit erfolgten niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 1. September 2009 führte der Beschwerdeführer nach Angaben zu seiner gesundheitlichen Situation dem Grunde nach aus, er sei seit der Stellung seines Asylantrages am 25. April 2004 nicht mehr in den Herkunftsstaat zurückgekehrt. Weiter weg als in Polen, sei er (seither) noch nie gewesen. Er sei nicht einmal an der ukrainischen Grenze gewesen und habe seit 2004 noch nie Kontakt mit Grenzwachebeamten gehabt. Die im Rahmen des Asylverfahrens gemachten Angaben entsprächen der Wahrheit. Im Herkunftsstaat seien noch seine Eltern, eine Schwester sowie drei Brüder in XXXX aufhältig. Während seine Mutter an Herzproblemen leide, sei sein Vater nur als Kranführer berufstätig und bestreite aus dieser Tätigkeit resultierenden Einkommen den Lebensunterhalt der Familie. Befragt, welches Schicksal er im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat zu erwarten habe, erklärte der Beschwerdeführer, es seien seit seinem Fortgang bereits fünf Jahre vergangen und könne er derzeit (daher) nichts sagen. Vor fünf Jahren sei er nach Österreich gekommen, weil er Angst um sein Leben gehabt habe. Er sei (damals) noch jung gewesen und alle Jugendlichen seien (im Herkunftsstaat) damals als Banditen und Terroristen bezeichnet worden. Seit Februar 2005 sei er in Österreich berufstätig und habe hier auch eine Lehre absolviert. Er wolle mit seiner Familie weiterhin in Österreich bleiben.

Mit am XXXX in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX wurde der Beschwerdeführer zu GZ. XXXX gem. § 15 Abs. 1 iVm § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 7 Wochen verurteilt.

Am XXXX brachte die Ehegattin des Beschwerdeführers eine Tochter zur Welt, und beantragte der Beschwerdeführer mit an die belangte Behörde gerichtetem Schreiben vom 15. Februar 2010 für dieses Kind die Gewährung von internationalem Schutz im Rahmen des Familienverfahrens.

Mit Schreiben vom 25. Mai 2010 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau das Ergebnis des von ihr angestrengten Ermittlungsverfahrens hinsichtlich der Ausstellung von (internationalen) Reisepässen durch die Russische Föderation mit der Aufforderung zur Stellungnahme binnen einer Woche zur Kenntnis.

Am 16. Juni 2010 kontaktierte der Beschwerdeführer die belangte Behörde fernmündlich und teilte zum o.a. Ergebnis der Beweisaufnahme unter anderem mit, dass er die ganze Angelegenheit nicht verstehe, weil seine Frau nur einmal wegen des Todes ihres Vaters „zuhause“ gewesen sei. Diese und die gemeinsamen Kinder hätten ja „zu Hause“ keine Probleme.

1.5. Mit Bescheid vom 30. Juni 2010 erkannte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer den diesem mit Bescheid vom 9. Februar 2005 zuerkannten Status des Asylberechtigten gem. § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ab und stellte gem. § 7 Abs. 3 leg.cit. fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 2 (AsylG 2005) wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Ein Abspruch über die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet erfolgte unter Hinweis auf eine hinsichtlich der Ausweisung der Ehegattin angeblich gegebene Zuständigkeit der Fremdenbehörden nicht.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dem Ergebnis der durch den Verbindungsbeamten des Bundesministerium für Inneres an der österreichischen Botschaft in XXXX durchgeführten Beweisaufnahme zu Folge werde die Ausstellung eines internationalen Reisepasses („Auslandsreisepass“) durch die Behörden der Russischen Föderation nur durch Vorlage konkret benannter Dokumente, Passbilder und Gebührenerlag vorgenommen. Die Daten des Passantragsstellers würden in diesem Zusammenhang vom sogenannten Zagranpasport-Informationssystem kontrolliert und die Identität der Partei vom nationalen Sicherheitsdienst am Wohnsitz überprüft. Dabei werde insbesondere gecheckt, ob Umstände vorliegen, die gegen eine Ausreise des Antragstellers sprechen bzw. ob dieser vom FSB gesucht werde. Ein Auslandsreisepass müsse auch persönlich bei der ausstellenden Behörde abgeholt und dort unterzeichnet werden. Aus der vorbehandelten Anfragebeantwortung des Verbindungsbeamten sei daher abzuleiten, dass die Ausstellung eines Reisepasses in Abwesenheit des Betroffenen nicht möglich sei und wäre daher daraus zu folgern, dass der Beschwerdeführer zu diesem Zwecke in der Russischen Föderation aufhältig gewesen sei, dort seinen Reisepass beantragt und auch persönlich abgeholt habe. Die Angaben der Ehegattin des Beschwerdeführers, wonach ihre Schwiegermutter die Pässe habe ausstellen lassen, sie selbst aber nicht in der Russischen Föderation aufhältig gewesen wäre, seien nicht einsichtig bzw. sei der Grund für eine derartige Passausstellung auf Grundlage des Umstandes, dass sowohl der Beschwerdeführer als auch dessen Ehegattin (ohnedies) über Konventionsreisepässe verfügten nicht nachvollziehbar. Die Eheleute würden mit den ihnen ausgestellten Konventionspässen nämlich jederzeit in ein fremdes Land ausgenommen ihren Herkunftsstaat reisen können. Tatsache sei, dass gelegentlich der Personenkontrolle durch die polnischen Grenzbehörden bei der Ehefrau des Beschwerdeführers nicht nur ein am XXXX auf den Namen des Beschwerdeführers ausgestellter Auslandsreisepass, sondern auch ein am XXXX für diesen ausgefertigter Inlandspass aufgefunden worden sei und in diesen Dokumenten sowohl die ehelichen Kinder als auch die Eheschließung vermerkt worden seien. Aufgrund dessen sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer entgegen der im Asylverfahren aufgestellten Behauptung im Herkunftsstaat nicht gesucht werde bzw. um sein Leben fürchten müsse. Es sei daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer freiwillig in den Herkunftsstaat zurückgekehrt sei und bei tatsächlicher Verfolgung bei der Ausfolgung des Reisepasses festgenommen worden wäre. Der Beschwerdeführer könne es daher nicht mehr ablehnen den Schutz der Russischen Föderation in Anspruch zu nehmen. Gründe für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 8 AsylG lägen nicht vor.

Inhaltlich gleichlautende Entscheidungen ergingen in den Verfahren der damaligen Ehegattin und der minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer und seine Familienmitglieder erhoben gegen diese Entscheidungen jeweils fristgerecht Beschwerde.

Nach Anberaumung einer öffentlich mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Asylgerichtshof gaben der Beschwerdeführer sowie die übrigen Familienmitglieder die Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts bekannt. In der zeitgleich zu den übermittelten Länderfeststellungen abgegebenen Stellungnahme führte der Vertreter aus, dass die Voraussetzungen für eine Aberkennung des gewährten Asyls nicht vorlägen. Der Beschwerdeführer und seine Familie hätten sich nicht freiwillig wieder unter den Schutz der Russischen Föderation gestellt und hätten auch das Staatsgebiet derselben nicht betreten. Vielmehr seien die Ehegattin des Beschwerdeführers und dessen Kinder lediglich nach Weißrussland gereist, um den kranken Schwiegervater des Beschwerdeführers zu besuchen, der mittlerweile dort (auch) verstorben sei. Der Beschwerdeführer habe den Rest seiner Familie auf diese Reise gar nicht begleitet und sei in Österreich verblieben. Auch vermöge die Ausstellung russischer Inlands- bzw. Auslandsreisepässe die Asylaberkennung nicht zu rechtfertigen. „Die Ausstellung der Pässe“ sei „durch die Mutter“ des Beschwerdeführers „erfolgt“ (sic!). Ob diese Pässe überhaupt echt seien, stünde aufgrund der bisherigen Verfahrensergebnisse nicht fest. Ob bzw. in wie weit eine Überprüfung durch den FSB erfolgt sei, sei ebenso wenig erwiesen. Diesbezüglich handle es sich um bloße Spekulationen der belangten Behörde, für die jedwedes Beweisergebnis fehle. Intention der Vorgehensweise (der Ehegattin des Beschwerdeführers und ihrer Kinder) sei es nicht gewesen, nach „Russland“ zurückzukehren, sondern lediglich ein krankes Familienmitglied vor dessen Tod noch einmal in Weißrussland zu besuchen und sich von diesem zu verabschieden. Nach Weißrussland könne man aber mit einem europäischen Konventionsdokument nicht einreisen, weshalb lediglich aus diesem Grunde die Ausstellung russischer Reisedokumente gewählt worden sei. Dies stelle aber keinen Asylaberkennungsgrund dar. Die Bedrohungssituation sei für die Familie des Beschwerdeführers in der Russischen Situation nach wie vor gegeben. Gegenteiliges ergäbe sich auch nicht aus den übermittelten Länderinformationen, die allgemein gehalten seien und auf die „konkrete Förderungssituation“ des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht Bezug nähmen.

1.6. In der vor dem Asylgerichtshof durchgeführten öffentlich mündlichen Beschwerdeverhandlung führte die Ehegattin des Beschwerdeführers im Wesentlichen aus, sie verfüge im Herkunftsstaat noch über zwei Brüder und vier Schwestern. Auch ihre Mutter sei nach wie vor dort aufhältig. Ihr Vater sei „vor 1 oder 2 Jahren verstorben“. Über Feststellung, dass die Ausstellung eines Inlandspasses im Jahre 2006 sowie der weitere Geburtennachtrag des Jahres 2008 ohne ihr Zutun bzw. Wissen nicht glaubhaft sei und in diesem Dokument sogar die Eheschließung sowie ein Meldestempel angeführt bzw. angebracht seien, erklärte die Ehegattin des Beschwerdeführers, sie sei jedenfalls (bereits) acht Jahre lang nicht in Tschetschenien gewesen. Der Parteienvertreter ergänzte in diesem Zusammenhang, dass die Annahme des erkennenden Senates nur dann für zutreffend erachtet werden könne, sofern es sich bei den bei der Ehefrau des Beschwerdeführers aufgefundenen Dokumenten auch um solche handle, die (tatsächlich) auf legalem Wege „erworben“ worden seien.

Über Aufforderung sämtliche Dokumente nunmehr in Original beizubringen, brachte die Ehegattin des Beschwerdeführers u.a. zur Vorlage:

Internationaler Reisepass der Russischen Föderation, ausgestellt am XXXX , lautend auf die ehemaligen Personalien des Beschwerdeführers sowie Inlandspass der Russischen Föderation, ausgestellt am XXXX vom Pass- und Visumsamt des russischen Innenministeriums, ebenfalls lautend auf die vormaligen Personalien des Beschwerdeführers; auf Seite 19 vermerkt: Vorhergehender Inlandspass ausgestellt am XXXX sowie Ausstellung des internationalen Reisepasses am XXXX

Befragt, warum (sie hinsichtlich der in Österreich geborenen Kinder) russische Geburtsurkunden, die als Geburtsort XXXX ausweisen, mit sich führe und wie sie in deren Besitz gelangt sei, entgegnete die Ehegattin des Beschwerdeführers, ihre Schwiegermutter habe ihr mitgeteilt, dass sie diese Urkunden unbedingt mitnehmen solle. Sie (Anm: die Ehefrau) habe gesagt, dass sie nur einen Auslandsreisepass benötige („Ich sagte, dass ich die Dokumente nicht brauche, ich bräuchte nur den Auslandsreisepass.“). Die Geburtsurkunden habe sie in von ihrer Schwiegermutter bekommen. Über Vorhalt, warum sie dann überhaupt angeblich nicht benötigte und wissentlich falsche Geburtsurkunden mit sich führe, erklärte die Ehefrau, es treffe zu, dass die Urkunden gefälscht seien. Sie benötige diese Urkunden zu 100% nicht und könne sie wegwerfen. Auf den Hinweis, dass sie bei ihrer Einreise nach Polen zudem auch noch Urkunden dritter Personen mit sich geführt habe, antwortete die Ehegattin des Beschwerdeführers, eine Frau, deren Namen sie nicht kenne, habe ihr diese auf dem Bahnhof in XXXX übergeben. Diese habe sie nach ihrem Reiseziel befragt und ihr nach entsprechender Antwort mitgeteilt, dass sie die in Rede stehenden Dokumente „mitnehmen und jemanden geben soll.“

Der Beschwerdeführer führte nach der Befragung seiner Ehefrau zu den Fluchtgründen aus, wenn er gewusst hätte, dass er (wegen der Reise seiner Frau) solche Probleme bekommen werde, hätte er dieser nicht erlaubt „hinzufahren“. Seine Schwiegermutter habe seinerzeit angerufen und mitgeteilt, dass sich der Vater seiner Frau in Weißrussland im Krankenhaus befände. Seit ihm der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden sei, sei er nach Tschechien, Polen und Deutschland gereist. Nach Polen sei er gefahren, um seine Frau dorthin zu begleiten. Das wäre glaublich im April 2009 der Fall gewesen. Seine Schwiegermutter habe (damals) angerufen und mitgeteilt, dass „die Ärzte“ angerufen und mitgeteilt hätten, dass sein Schwiegervater sterben werde. Er habe nach Weißrussland nicht weiterreisen können, weil er keine Dokumente gehabt habe. Er hätte ein Visum gebraucht. Damals habe es „Gespräche gegeben, dass Weißrussland schon fast wie Russland“ sei. Seine Mutter habe die russischen Auslandsreisepässe besorgt, damit auch er nach Weißrussland kommen könne. Befragt, warum er dann trotz entsprechender Dokumente nicht nach Weißrussland gefahren sei, erklärte der Beschwerdeführer, diese Dokumente habe „man erst gebracht“, als seine Frau zurückgekommen sei (sic!). In Polen habe „man“ gesagt, dass an der Grenze „Russen zusammen mit den Weißrussen stehen.“. Über Vorhalt, dass er sohin auch in Kenntnis gewesen sei, dass seine Mutter die entsprechenden Dokumente besorgen werde, antwortete der Beschwerdeführer, nein, das habe er nicht gewusst. „Das“ sei erst (der Fall) gewesen, als sein Schwiegervater (bereits) verstorben gewesen sei. Seine Mutter habe ihm (damals) mitgeteilt, dass sie ihn sehen wolle. Diese habe ja selbst bereits zwei Herzinfarkte erlitten und ihm vorgehalten, dass es ihr gleich dem verstorbenen Schwiegervater ergehen könnte. Er habe seine Mutter aber (dennoch) nicht gesehen. Angesprochen, inwiefern dann für seine Frau (überhaupt) die Notwendigkeit bestanden habe, die besagten Dokumente mit sich zu führen, führte der Beschwerdeführer aus, dies sei „im Nachhinein objektiv betrachtet“ „eine sehr dumme Taktik“ gewesen. Befragt, wie seine Mutter zu den Passbildern der Kinder gekommen sei, erklärte der Beschwerdeführer, die Fotos seien in Polen angefertigt worden. In Polen sei eine Bestätigung ausgestellt worden, damit seine Ehefrau nach Weißrussland habe reisen können. Man habe hierfür für jedes Kind ein Foto benötigt, diese seien aber nicht nur für „diese Dokumente“ gemacht worden. Über Vorhalt, dass für ihn selbst zu Folge der aufgezeigten Abfolge, die Anfertigung von Fotos gar nicht notwendig gewesen sei, da nach seinem Vorbringen für seine Person gar kein Reisedokument für Weißrussland ausgestellt worden sei, gab der Beschwerdeführer an, bei dem (für die für ihn ausgestellten Dokumente verwendeten) Foto, habe es sich um eine alte Aufnahme gehandelt („Mein Foto war ein altes Foto.“). Für die Kinder (hingegen) seien damals drei oder vier Fotos angefertigt worden. Seine Frau sei damals ja fast zwei Monate in XXXX („dort“) „im Krankenhaus“ gewesen. Die Familie seiner Frau („Sie“) hätte (dort) eine private Wohnung gemietet, in der seine Frau, seine Schwiegermutter, „alle zusammen gelebt“ hätten. „Aha vielleicht im Hotel“, er wisse es nicht. Er selbst habe nichts übermittelt („Ich selbst habe nichts geschickt.“). Sie seien damals eineinhalb Monate dort gewesen. Er wisse überhaupt nichts bezüglich der in Rede stehenden Dokumente, sie („wir“) hätten „keine diesbezüglichen Pläne“ gehabt, „dorthin zu fahren“. Befragt, warum er und seine Frau im Besitz russischer Geburtsurkunden für die in Österreich geborenen Kinder seien bzw. über Vorhalt, dass die Verwendung falscher Urkunden rechtswidrig sei, entgegnete der Beschwerdeführer, er wisse das nicht genau, glaube aber, dass man diese an der Grenze benötige. Von Österreich seien sie nur mit ihren österreichischen Dokumenten weggefahren. Sie seien mit ihren österreichischen Pässen nach Polen gefahren und hätten dort erst erfahren, dass (für die Einreise nach Weißrussland) ein Visum von Nöten sei. Viele „Sachen“ seien ungesetzlich.

Mit Schreiben vom 3. November 2010 übermittelte der Vertreter des Beschwerdeführers die von dessen Ehefrau in der öffentlich mündlichen Beschwerdeverhandlung zum Zwecke einer kriminaltechnischen Untersuchung im Original angeforderte und im Asylverfahren vorgelegte Geburtsurkunde lediglich in Kopie sowie ebenfalls in Kopie nachfolgenden „Arztbrief“ des Notfallkrankenhauses in XXXX , Weißrussland

Die seitens des Asylgerichtshofes hierauf für Weißrussland in Auftrag gegebene Recherche brachte mit Schreiben vom 3. Februar 2011 zum Ergebnis, dass der von der Ehegattin in Kopie vorgelegte Arztbrief zu Folge der angeführten Kennung von einer Werbefirma in XXXX abgesandt worden ist. Laut Auskunft des Leichenschauhauses in XXXX sei die Person des Vaters der Ehegattin des Beschwerdeführers dort nicht bekannt. Die Initialen des im Arztbrief angeführten Arztes lauteten richtig „A.N.“ (und nicht wie angeführt „S.K.“). Nach Mitteilung des in XXXX angeführten Krankenhauses (Hinweis: seitens der Ehegattin des Beschwerdeführers war als Ort des Krankenhausaufenthaltes bzw. Todes des Vaters darüber hinaus stets XXXX angeführt worden) sei die in dem vorgelegten Dokument angeführte Person dort weder behandelt worden, noch verstorben. Auch die vorgelegte Epikrise wäre dort nicht aufzufinden.

Mit Schreiben vom 27. Januar 2011 brachte das Bundeskriminalamt dem Asylgerichtshof das Ergebnis der seinerseits in Auftrag gegebenen kriminaltechnischen Untersuchung der auf den Namen des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin ausgestellten internationalen russischen Reisepässe sowie der Inlandspässe zur Kenntnis. Demzufolge haben die urkundentechnischen Untersuchungen keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen von falschen oder verfälschten Urkunden ergeben.

Mit Schreiben vom 18. Februar 2011 brachte das Bundeskriminalamt dem Asylgerichtshof das Ergebnis der seinerseits in Auftrag gegebenen kriminaltechnischen Untersuchung der in der öffentlich mündlichen Beschwerdeverhandlung für die ehelichen Kinder zur Vorlage gebrachten russischen Geburtsurkunden zur Kenntnis. Diesem zu Folge haben auch die in diesen Fällen vorgenommenen urkundentechnischen Untersuchungen keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen von falschen oder verfälschten Urkunden ergeben.

1.7. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.02.2011, Zl. XXXX , wurde der Bescheid über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, idgF in Erledigung der Beschwerde ersatzlos behoben.

Jene Entscheidung begründete der Asylgerichtshof im Wesentlichen wie folgt:

„(…) Wie bereits im Sachverhalt ausgeführt, wurde der Beschwerdeführer insgesamt drei Mal wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist und in die Zuständigkeit der Bezirksgerichte fällt, rechtskräftig verurteilt, sodass bei diesem eine Straffälligkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 AsylG 2005 gegeben ist und die Fünfjahresfrist grundsätzlich nicht zum Tragen komme würde.

Die Neufassung der §§ 2 Abs. 3 und 7 Abs. 2 bis 4 AsylG 2005 trat gemäß § 73 Abs. 7 AsylG 2005 idF BGBl. I 122/2009 allerdings erst mit 1.1.2010 in Kraft. Vor Inkrafttreten der vorzitierten Novelle hatte die als Vorgängerbestimmung des § 7 Abs. 3 AsylG 2005 idF nach der Novelle BGBl I Nr. 122/2009 zu betrachtende Bestimmung des § 7 Abs. 2 AsylG 2005 folgenden Wortlaut:

„Das Bundesasylamt kann einem Fremden den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesasylamt – wenn auch nicht rechtskräftig – nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesasylamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesasylamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.“

Nach § 7 Abs. 2 AsylG 2005 idF vor der Novelle BGBl I Nr. 122/2009 war daher – anders als zu Folge der Nachfolgebestimmung des § 7 Abs. 3 AsylG 2005 idgF – eine Aberkennung des Status des Asylberechtigten auf Grundlage der Bestimmung des § 7 Abs. 1 AsylG 2005 nach Ablauf der Fünfjahresfrist grundsätzlich nicht mehr zulässig. Eine Durchbrechung der Fünfjahresfrist für den Fall qualifizierter Straffälligkeit sah § 7 Abs. 2 AsylG 2005 idF vor der Novelle BGBl I Nr. 122/2009 sohin entgegen dem Wortlaut seiner Nachfolgebestimmung nicht vor.

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. Dezember 2010, U 1769/10-7, festgehalten hat, sind Gesetze im Allgemeinen auf Sachverhalte anzuwenden, die sich nach ihrem Inkrafttreten ereignen, sofern der Gesetzgeber nicht ausdrücklich anderes bestimmt. Die in § 7 Abs. 3 erfolgte Neufassung des seinerzeitigen § 7 Abs. 2 AsylG 2005 ist am 21. Oktober 2009 vom Nationalrat beschlossen worden und wie bereits vorerwähnt nach § 73 Abs. 7 leg. cit. am 1. Januar 2010 in Kraft getreten, sodass eine ausdrückliche Rückwirkung vom Gesetzgeber nicht vorgesehen wurde.

Aus dem Gesagten folgt aber, dass auf den gegenständlichen Fall, in dem die belangte Behörde die Aberkennung auf einen ihrer Ansicht nach vor dem 1. Januar 2010 verwirklichten Sachverhalt stützt (Reise in den Herkunftsstaat, Ausstellung von Dokumenten und daraus abgeleitete Unterschutzstellung), die Bestimmung des § 7 Abs. 2 AsylG 2005 vor der Novelle BGBl I Nr. 122/2009 zur Anwendung gelangt und somit eine Straffälligkeit der Beschwerdeführerin der Anwendbarkeit der Fünfjahresfrist keinen Abbruch tut.

Überschießend bleibt auch festzustellen, dass sich eine Aberkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 auch bei Anwendbarkeit der Bestimmung des § 7 Abs. 3 leg. cit. idF BGBl I Nr. 122/2009 konsequent nur dann als zulässig erweist, wenn die eine qualifizierte Straffälligkeit im Sinne des durch die Novelle BGBl I Nr. 122/2009 eingeführten § 2 Abs. 3 AsylG 2005, idF vor der Novelle BGBl I Nr. 122/2009, begründenden strafrechtlichen Verurteilungen nach dem 1. Januar 2010 erfolgt sind.

Aus dem Gesagten folgt, dass sich die im angefochtenen Bescheid erfolgte Aberkennung des dem Beschwerdeführer zuerkannten Status des Asylberechtigten in Folge Ablaufes der Fünfjahresfrist gem. § 7 Abs. 2 idF vor Novelle BGBl I Nr. 122/2009 jedenfalls als nicht im Einklang mit dem Gesetz erweist, sodass in eine Prüfung der in § 7 Abs. 1 normierten Voraussetzungen erst gar nicht einzutreten und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben war. (…)“

1.8. Mit Schreiben vom 03.03.2011 hat die Abteilung D10 des Asylgerichtshofes beim Bundesasylamt eine Prüfung der Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG aufgrund im zuvor dargestellten Verfahren aufgetretener Widersprüche betreffend das Fluchtvorbringen sowie einer vollkommenen Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und seiner Frau im Aberkennungsverfahren angeregt.

Am 06.07.2011 fand vor dem Bundesasylamt im Verfahren zur Prüfung der Wiederaufnahme des Asylverfahrens eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers statt, anlässlich derer der Beschwerdeführer nochmals zu seinen Fluchtgründen befragt wurde. Der Beschwerdeführer schilderte insbesondere, seine Heimat aufgrund einer einmaligen Mitnahme/Anhaltung verlassen zu haben, deren Grund darin gelegen hätte, dass viele Schulkollegen und Nachbarn des Beschwerdeführers aktiv im tschetschenischen Widerstand beteiligt gewesen wären. Man habe ihn zur Unterzeichnung eines Schriftstückes zwingen wollen, mit welchem er sich verpflichte, den Behörden Informationen zu liefern. In weiterer Folge sei es zur Ermordung des jüngeren Bruders seines Freundes gekommen. Der Beschwerdeführer sei im Jahr 2003 einige Male mitgenommen worden und zu Kriegsbeginn aus XXXX in ein Dorf gezogen. Der Beschwerdeführer schilderte weiters, eine namentlich bezeichnete Person aus diesem Dorf vom Sehen her gekannt zu haben. Deren Kopf und Pass seien eines Tages in einer Plastiktüte vor einem Geschäft gefunden worden. Nach diesem Vorfall habe der Beschwerdeführer den Entschluss gefasst, seine Heimat endgültig zu verlassen. Zwischenzeitlich befänden sich auch der Bruder und die Mutter des Beschwerdeführers in Österreich. Sein Vater, seine Schwester und zwei Brüder hielten sich noch in der Heimat auf.

Der Beschwerdeführer wurde in der Folge zwecks Erstellung eines Sachverständigen-Gutachtens zu einem Facharzt aus dem Bereich Psychologie und Neurologie geladen, blieb der Untersuchung jedoch fern.

Ein Wiederaufnahmeverfahren fand schlussendlich nicht statt.

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1. Mit Aktenvermerk vom 16.04.2018 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten gegen den Beschwerdeführer aufgrund des Vorliegens eines Asylausschlussgrundes ein.

Mit Schreiben vom 23.07.2018 verständigte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer vom Ergebnis einer stattgefundenen Beweisaufnahme, in welchem der Beschwerdeführer über die seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl beabsichtigte Aberkennung des Status des Asylberechtigten, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes informiert wurde. Das Bundesamt verwies auf die insgesamt zehn rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers in Österreich und in Deutschland sowie die gegenwärtige Verletzung seiner Meldeverpflichtung. Weiters wurde der Beschwerdeführer über die am 25.06.2018 an seine letzte Anschrift übermittelte Ladung zu einer Einvernahme vor der Behörde informiert, welche er nach erfolgter Hinterlegung nicht behoben hätte und der anberaumten Einvernahme ferngeblieben sei. Der Beschwerdeführer wurde – unter Anführung eines diesbezüglichen Fragenkatalogs – zur Bekanntgabe allenfalls zwischenzeitlich eingetretener Änderungen in seinen privaten und familiären Lebensumständen sowie seiner Rückkehrsituation aufgefordert. Zudem wurden ihm die seitens der Behörde herangezogenen Länderberichte zur Situation in seinem Herkunftsstaat übermittelt. Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit eingeräumt, zur stattgefundenen Beweisaufnahme binnen Frist Stellung zu beziehen.

Nachdem der Beschwerdeführer ab dem 23.07.2018 an einer näher bezeichneten Anschrift obdachlos gemeldet war, hat die Behörde die Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Schriftstückes (im Sinne einer Ladung zu einer Einvernahme) an der dortigen Postadresse des Beschwerdeführers hinterlassen. Nach Ablauf der Zustellfrist von 14 Tagen, in denen das Schriftstück seitens des Beschwerdeführers nicht behoben wurde, wurde dieses an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl retourniert.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete in der Folge am 14.09.2018 ein mit „Zeugenbefragung“ betiteltes Schreiben an die zwischenzeitig geschiedene Ehegattin des Beschwerdeführers, in welcher sie zur Beantwortung näher angeführter Fragen zur Person des Beschwerdeführers und des Kontaktes desselben zu ihr und den gemeinsamen Kindern aufgefordert wurde. Mit elektronischer Eingabe vom 17.09.2018 gab die Ex-Ehefrau des Beschwerdeführers bekannt, seit April 2017 vom Beschwerdeführer geschieden zu sein und seit fünf Jahren nicht mehr mit ihm zusammenzuleben. Die Ex-Ehefrau des Beschwerdeführers habe keinen Kontakt zu dem Beschwerdeführer, ihr sei lediglich bekannt, dass dieser in XXXX wohne. Der Beschwerdeführer sei unterhaltspflichtig, zahle jedoch nichts. Er besuche die gemeinsamen Kinder nicht, sie hätten ihn drei Jahre lang nicht mehr gesehen.

Mit Schreiben vom 18.09.2018 regte das Bundesamt für Fremdendwesen und Asyl bei einem Bezirksgericht die Bestellung eines Abwesenheitskurators für den Beschwerdeführer an. Durch das Bezirksgericht wurde mit Schreiben vom 25.09.2018 bekanntgegeben, dass der Beschwerdeführer in regelmäßigen Abständen an der Anschrift seiner Obdachlosenmeldung erscheine und diesem dort zugestellt werden könne. Auch sei der Genannte unter einer näher angeführten Mobiltelefonnummer erreichbar. Das Bundesamt zog daraufhin mit Schreiben vom 26.09.2018 den Antrag auf Bestellung eines Abwesenheitskurators zurück.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete daraufhin neuerlich ein Schreiben im Rahmen des Parteiengehörs an die Anschrift der Obdachlosenmeldung des Beschwerdeführers, welches am 02.10.2018 durch Hinterlegung zugestellt wurde.

Im Rahmen einer am 10.10.2018 eingelangten bezughabenden schriftlichen Stellungnahme führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, die seitens des Bundesamtes angeführten strafrechtlichen Verurteilungen würden nicht unter „besonders schwere Verbrechen“ fallen, sondern würden Vergehen darstellen, welche eine Aberkennung nach § 7 AsylG nicht begründen könnten, zumal bei den Straftaten auch keine Gemeingefährlichkeit vorliege. Die Verurteilung aus Deutschland aus Juli 2008 wäre nach österreichischer Rechtsprechung nach zehn Jahren bereits getilgt. Der Beschwerdeführer verfüge über einen Konventionsreisepass, sei grundsätzlich gesund und befinde sich seit kurzem in einem Substitutionsprogramm. Er hätte in Tschetschenien die Pflichtschule sowie fünf Jahre lang eine Wirtschaftsschule besucht. Seine Ex-Frau und die fünf gemeinsamen Kinder würden als anerkannte Flüchtling ein Österreich leben. Der Beschwerdeführer habe regelmäßigen Kontakt zu seinen Kindern und besuche diese zwei- bis dreimal monatlich. Der Beschwerdeführer sei derzeit auf Arbeitssuche, beziehe Mindestsicherung, sei versichert und habe in Österreich bereits gearbeitet, u.a. etwa vier Jahre bei einer Holzfirma. In Belgien wohne ein Cousin seiner Mutter. Der Beschwerdeführer habe viele Freunde in Österreich, habe in seiner früheren Wohngemeinde geholfen und spreche sehr gut Deutsch. Ein Teil seiner Familie lebe noch in Tschetschenien. Der Beschwerdeführer könne mit seinem Einkommen seine Lebenserhaltungskosten abdecken und verfüge über keine übrigen Barmittel. Er wolle sich gar nicht vorstellen, was ihn in seinem Heimatland erwarten würde. Er sei nicht ohne Gründe geflüchtet und habe seinen Namen nicht umsonst ändern lassen. Er würde nicht freiwillig nach Tschetschenien zurückkehren, da er dort mit dem Tod bedroht sei. Die diesbezüglichen Gründe hätte er bereits bei seinem Interview im Jahr 2004 geschildert. Der Beschwerdeführer lebe seit bereits über 14 Jahren in Österreich, wolle sein Leben wieder in geordnete Bahnen bringen und betrachte Österreich als seine Heimat.

2.2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.10.2018 wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 09.02.2005, Zahl: XXXX , zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Absatz 1 Ziffer 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, aberkannt und gemäß § 7 Absatz 4 AsylG festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Weiters wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 4 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.) und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 und 4 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VII.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte die Identität des Beschwerdeführers fest und legte seiner Entscheidung Feststellungen zur aktuellen Situation in dessen Herkunftsstaat zugrunde. Das Bundesamt stellte des Weiteren fest, dass der Beschwerdeführer der Volksgruppe der Tschetschenen angehöre, sich zum moslemischen Glauben bekenne, die tschetschenische Sprache beherrsche, an keinen lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Erkrankungen leide und arbeitsfähig sei. Zu den Gründen der Aberkennung des Status des Asylberechtigten verwies die Behörde auf die zehn im Strafregister der Republik Österreich aufscheinenden rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers und hielt fest, dass der Beschwerdeführer aufgrund der wiederholten Verurteilung wegen ähnlich gelagerter Delikte, welche objektiv besonders wichtige Rechtsgüter, wie Leib und Leben bzw. die körperliche Unversehrtheit von Personen betreffen würden, eine erhebliche Gefahr für die Gemeinschaft darstelle. Demnach liege ein Asylausschließungsgrund gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG vor, weswegen eine Aberkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 leg.cit. von Amts wegen durchzuführen sei. Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erweise sich vor dem gleichen Hintergrund als ausgeschlossen. Es könne zudem nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat einem realen Risiko unterworfen wäre, einer Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Gefahr ausgesetzt oder einer dem 6. oder 13. Zusatzprotokoll widersprechenden Behandlung unterworfen zu sein. Der Beschwerdeführer habe Familienangehörige im Herkunftsstaat und es könne nicht festgestellt werden, dass dieser in der Russischen Föderation in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde. Zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich wurde festgestellt, dass dieser geschieden sei und fünf Kinder hätte. Es bestünde daher ein Familienleben, doch habe er seine Kinder seit drei Jahren nicht mehr getroffen und unterstütze diese auch nicht finanziell. Der Beschwerdeführer sei nicht selbsterhaltungsfähig. Das Vorliegen einer ausgeprägten und verfestigten entscheidungswesentlichen sozialen oder beruflichen Integration im Bundesgebiet könne nicht festgestellt werden. Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen seien nicht hervorgekommen.

Im Rahmen der Beweiswürdigung hielt die Behörde in Zusammenhang mit einer etwaigen Gefährdung des Beschwerdeführers im Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation sowie in Bezug auf dessen Privat- und Familienleben in Österreich insbesondere Folgendes fest:

„(…) Punkt 17 des Länderinformationsblattes ist zu entnehmen, dass laut Volkszählung 2010 etwa in Moskau über 14.000 Tschetschenen (von insgesamt 1.4 Mio landesweit) lebten. Es ist anzunehmen, dass die tatsächliche Zahl größer ist, insbesondere wenn man sie mit den Angaben über andere, kleinere Nationalitäten vergleicht (ca. 11.400 Osseten, über 17.000 Mordwinen). Laut einer aktuellen Analyse des Carnegie-Zentrums in Moskau sollen die meisten Tschetschenen derzeit aus rein ökonomischen Gründen emigrieren, Tschetschenien bleibe zwar unter der Kontrolle von Kadyrow, seine Macht erstrecke sich allerdings nicht über die Grenzen Tschetscheniens hinaus.

Was die sozio-ökonomischen Grundlagen für die tschetschenische Diaspora innerhalb Russlands betrifft, ist davon auszugehen, dass die wirtschaftlich stärkeren Metropolen und Regionen in Russland trotz der derzeitigen Wirtschaftskrise bei vorhandener Arbeitswilligkeit auch entsprechende Chancen für russische Staatsangehörige aus der bislang eher strukturschwachen Region des Nordkaukasus bieten. Laut UNHCR in Moskau gibt es in der gesamten Russischen Föderation tschetschenische Communities. Die größten befinden sich in Moskau, der Region Moskau und in St. Petersburg. Hauptsächlich arbeiten Tschetschenen im Baugewerbe und im Taxibusiness. In der Region Wolgograd leben ca. 20.000 Tschetschenen. Einige von ihnen leben dort schon seit 30 Jahren. Viele flohen aus Tschetschenien während der beiden Kriege. Laut Memorial Wolgograd gibt es keine Beschwerden von Tschetschenen in der Region aufgrund von Rassismus oder Diskriminierung. Tschetschenen haben denselben Zugang zum Gesundheits- und Bildungssystem wie alle anderen russischen Staatsbürger.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die tschetschenischen Behörden Unterstützer und Familienmitglieder einzelner Kämpfer auf dem gesamten Territorium der Russischen Föderation suchen und/oder finden würden, was aber bei einzelnen bekannten oder hochrangigen Kämpfern sehr wohl der Fall sein kann (BAA Staatendokumentation 20.4.2011). Sie waren jedoch ein einfacher Kämpfer, zumindest behaupteten Sie dies im damaligen Verfahren auf internationalen Schutz, wenn auch erst in der vierten Einvernahme.

Auch für die Gewährung des Abschiebungsschutzes ist die maßgebliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Verletzung der Menschenrechte gefordert. Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre, konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde, die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen genügen nicht.

Die bloße Möglichkeit einer dem Art 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 50 FPG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (Hinweis E 1.7.1999, 97/21/0804, ergangen zum FrG 1993) (VwGH 9.5.2003, 98/18/0317).

In Ihrem Fall sind keine Gründe hervorgekommen, die eine Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 erforderlich machten.

Sie geben in Ihrer Stellungnahme an, dass ein Teil Ihrer Familie in XXXX in Tschetschenien lebt. Somit sind bei einer eventuellen Rückkehr auch soziale Anknüpfungspunkte vorhanden.

Sie sind bereits als Erwachsener aus Ihrem Herkunftsstaat ausgereist. Es ist daher davon auszugehen, dass Ihnen eine Wiedereingliederung in die russische bzw. tschetschenische Gesellschaft wieder möglich ist. Weiters leiden Sie an keiner schweren Erkrankung und sind damit auch arbeitsfähig. Das Bundesamt geht daher davon aus, dass Ihnen eine Beschäftigung im Herkunftsstaat möglich ist, um so für den weiteren Unterhalt selbst sorgen zu können. Anfängliche Schwierigkeiten stehen dem nicht entgegen.

Es ist Ihnen, wie schon erwähnt, zumutbar, durch eigene und notfalls auch wenig attraktive Arbeit das zu Ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen zu können, zumal es sich bei Ihnen um einen arbeitsfähigen Mann handelt und Sie über eine qualifizierte Schulbildung verfügen.

Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine oder wenig Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht bestimmten Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keine besonderen Fähigkeiten erfordern und Tätigkeiten, die nur zeitweise etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können, auch soweit diese Arbeiten im Bereich einer Schatten- oder Nieschenwirtschaft stattfinden. Von kriminellen Aktivitäten ist dabei ausdrücklich nicht die Rede. Der Verwaltungsgerichtshof betont in seiner ständigen Rechtsprechung die erforderliche Exzeptionalität der Umstände und die hohe Schwelle, die auch in Fällen schlechter wirtschaftlicher Existenzgrundlage vorliegen muss, um eine Verletzung von Art. 3 EMRK darzustellen. (VwGH 23.09.2009, Zl. 2007/01/0515).

Dass in der Russischen Föderation die Grundversorgung der Bevölkerung vorliegend ist und sohin auch für Sie eine Existenzgrundlage besteht, ergibt sich aus den Länderfeststellungen und aus dem Amtswissen. Zudem ergibt sich aus den Länderfeststellungen, dass die Verhältnisse in der Russischen Föderation nicht das Ausmaß erreichen, um von einer Gefährdung ausgehen zu können, die in den Nahebereich des Art. 3 EMRK gelangen könnte.

Betreffend die Feststellungen zu Ihrem Privat- und Familienleben und zu Ihrem Aufenthalt in Österreich:

Aus der Aktenlage aus dem Asylzuerkennungsverfahren und der vorgelegten Heiratsurkunde geht hervor, dass Sie am XXXX Frau…geheiratet haben. Laut schriftlicher Auskunft von … sind sie beide seit 06.04.2017 geschieden. Im Zentralen Melderegister (ZMR) ist bei Frau … als Familienstand geschieden angeführt. Bei Ihnen ist im ZMR als Familienstand verheiratet angeführt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Sie Ihren aktuellen Familienstand bei der Meldebehörde noch nicht korrigiert haben. Für die Behörde steht fest, dass Sie seit 06.04.2017 von Frau … geschieden sind.

Laut Aktenlage, der Auskunft Ihrer geschiedenen Gattin Frau … und Ihrer Stellungnahme haben Sie mit Ihr gemeinsam fünf minderjährige Kinder. Es besteht daher ein Familienleben.

Dieses Familienleben zwischen Elternteil und Kind besteht '''unabhängig''' davon, ob die Eltern im Zeitpunkt der Geburt '''zusammenleben''' oder ob ihre Beziehung später in die Brüche gegangen ist. Es hält nach Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe weiter an (EGMR 21.6.1988, 10730/84, Berrehab gg. die Niederlande, EGMR v. 11.07.2000, 29192/95, Ciliz gg. die Niederlande, VfGH 22.6.1989, G142/88; G168/88, Slg. 12.103).

Es ist dabei '''unerheblich''', ob das Kind '''legitimiert ist oder nicht''' und ob es mit dem Kind ein Zusammenleben gab bzw. gibt. Gibt es rechtlich einen Vater, der sich um das Kind sorgt, haben '''biologische Väter gegenüber rechtlichen Vätern grds. keinen Vorrang''' auf Vaterschaft (EGMR v. 22.03. 2012, 45071/09, Ahrens gg. Deutschland, 23338/09, Kautzor gg. Deutschland).

Dieses Familienleben ist jedoch insofern zu relativieren, dass Sie mit Ihren Familienmitgliedern dieses Familienleben in der Praxis nicht leben. Die ehemalige Gattin gibt an, dass sie mit Ihnen seit 06.04.2017 geschieden ist und sie mit Ihnen seit fünf Jahren nicht mehr zusammen lebt. Laut ZMR-Abfrage war die letzte gemeinsame Wohnanschrift von Ihnen und …. Sie waren dort bis zum 23.09.2013 gemeldet. Sie geben in Ihrer Stellungnahme an, dass Sie zu Ihren Kindern regelmäßig Kontakt hätten und Sie Ihre Kinder 2-3x monatlich besuchen würden. Im Gegensatz dazu gibt Ihre Gattin an, dass Sie Ihre fünf Kinder nicht besuchen und Ihre Kinder Sie schon seit drei Jahren nicht mehr gesehen haben. Dass Sie bereits zehnmal rechtskräftig wegen Straftaten rechtskräftig verurteilt wurden, beweist, dass Sie die österreichischen Gesetze missachten und daher sind die Angaben Ihrer geschiedenen Gattin glaubwürdiger. Für die Behörde steht daher fest, dass Sie mit Ihrer geschiedenen Gattin und Ihren fünf minderjährigen Kindern keine persönlichen Kontakte mehr haben.

Ihre geschiedene Gattin gibt auch an, dass Sie an Ihre Familienmitglieder keine finanzielle Unterstützung leisten. Dennoch ist anzumerken, dass Sie falls Sie ein Einkommen beziehen, Ihre Familie auch vom Ausland aus unterstützen können.

Sie geben bei Ihrer Stellungnahme an, dass Sie in Österreich bereits gearbeitet haben. Laut der AJ-WEB-Abfrage waren Sie in den letzten fünf Jahren nur etwas mehr als drei Monate beschäftigt. Zurzeit beziehen Sie die bedarfsorientiert Mindestsicherung. Auch wenn Sie angeben, dass Sie zurzeit eine Beschäftigung suchen, kann bis zum jetzigen Zeitpunkt keine berufliche Integration festgestellt werden. Wenn Sie in Ihrer Stellungnahme angeben, dass Sie durch Ihr jetzigen Einkommen auch versichert seien, ist festzuhalten, dass die Mindestsicherung kein Einkommen, sondern eine Sozialleistung des Staates darstellt. Es steht somit fest, dass Sie Ihre Existenz nur mit staatlicher Unterstützung sichern können und nicht selbsterhaltungsfähig sind.

Sie leben in XXXX . Ihre geschiedene Gattin und Ihre fünf minderjährigen Kinder leben … in der Steiermark. Aufgrund Ihres geringen Einkommens ist für die Behörde auch nicht nachvollziehbar, wie Sie es sich finanziell leisten könnten, Ihre Kinder 2-3x monatlich in … zu besuchen. So wie Sie dies in Ihrer Stellungnahme angeben.

Sie haben seit Ihrem Aufenthalt im Bundesgebiet über 40 Monate in Justizhaftanstalten (JA) oder Polizeianhaltezentren (PAZ) verbracht. Sie waren in dieser Zeit auch über 8 Monate als obdachlos gemeldet, wobei Sie aktuell auch wieder seit 23.07.2018 als Obdachlos gemeldet sind. Sie gehen keiner Beschäftigung nach. Sie leben von Ihrer eigenen Familie getrennt und hatten mit Ihren Familienmitgliedern seit mindestens drei Jahren keinen persönlichen Kontakt mehr. Obwohl Sie, wie Sie auch in Ihrer Stellungnahme angeben, sich bereits seit über 14 Jahren im Bundesgebiet aufhalten kann auch keine soziale Integration festgestellt werden.

Insgesamt kann daher nicht festgestellt werden, dass eine ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche soziale und berufliche Integration Ihrer Person in Österreich vorliegt. (…)“

2.3. Gegen den oben angeführten, dem Beschwerdeführer am 18.10.2018 zugestellten, Bescheid wurde mit Eingabe vom 31.10.2018 fristgerecht die verfahrensgegenständliche vollumfängliche Beschwerde eingebracht, in welcher zunächst die Nachreichung einer Beschwerdeergänzung in Aussicht gestellt wurde. Begründend wurde zusammengefasst festgehalten, der Beschwerdeführer habe seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung seitens des russischen Militärs/Geheimdienstes verlassen. Der Beschwerdeführer sei in Österreich gut integriert, er lebe bereits seit 14 Jahren in Österreich, spreche sehr gut Deutsch und habe fünf Kinder, welche in Österreich leben würden und hier geboren worden seien. Zu diesen habe er laufend Kontakt, was durch Beweise belegt werden könne. Zuletzt habe er all seine Kinder Mitte Oktober 2018 anlässlich des Geburtstags einer seiner Töchter gesehen. Zu seinem Herkunftsstaat bestünde kein Bezug mehr. Die Behörde habe die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren missachtet und das Verfahren dadurch mit Mangelhaftigkeit belastet. Der Beschwerdeführer sei zwar straffällig geworden, er sei jedoch auf dem besten Weg, sich zu resozialisieren, da er seine Sucht unter Kontrolle gebracht hätte, auf einen betreuten Wohnplatz warte, sich in freiwillige Betreuung durch eine Haftentlassungseinrichtung begeben hätte und bemüht sei, eine Arbeit zu finden. Seine Lebenserhaltungskosten seien derzeit durch die Mindestsicherung gedeckt. Die noch nicht getilgten strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers würden nicht unter „besonders schwere Verbrechen“ fallen, weiters liege auch keine Gemeingefährlichkeit bei den Straftaten vor. Alle anderen Verurteilungen seien bereits getilgt. Die Verurteilung aus Deutschland aus Juli 2008 wäre nach österreichischer Rechtsprechung bereits getilgt. Der Beschwerdeführer müsse in seinem Herkunftsstaat Verfolgung und Tod befürchten. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände könne nicht davon ausgegangen werden, dass die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung schwerer wiegen als die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt.

2.4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 28.11.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Eingabe vom 07.12.2018 wurde unter gleichzeitiger Bekanntgabe des im Spruch ersichtlichen Vertretungsverhältnisses ein mit „Beschwerdeergänzung“ betitelter Schriftsatz eingebracht, in welchem zusammengefasst ausgeführt wurde, es liege eine massive Verletzung des Parteiengehörs vor, da die belangte Behörde ihre Tatsachenfeststellungen, Beweiswürdigung und in weiterer Folge die Gefährdungsprognose allein auf die Aktenlage stütze, zumal im Verfahren nicht einmal eine Einvernahme des Beschwerdeführers erfolgt sei. Im gegenständlichen Fall handle es sich keineswegs um einen eindeutigen Fall, da davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer kein besonders schweres Verbrechen begangen hätte und sich die vorgenommene Gefährdungsprognose als unschlüssig erweise. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien zwar umfassend, würden sich jedoch nur am Rande mit dem konkreten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers befassen. Verwiesen wurde auf ergänzendes Berichtsmaterial des USDOS, aus welchem sich unter anderem ergebe, dass infolge eines Terrorangriffs in Grosny im Dezember 2016 die tschetschenischen Sicherheitskräfte nach eigenen Angaben hunderte Verdächtige festhalten würden und einem Bericht zufolge 27 der festgehaltenen Personen von tschetschenischen Sicherheitskräften exekutiert worden seien. Aus einem weiteren Bericht ergebe sich die Anwendung von Folter durch Sicherheitskräfte in der Russischen Föderation, welche weitgehend ungestraft blieben. Bei gesetzmä

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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