TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/6 W247 1261546-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.10.2021
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Entscheidungsdatum

06.10.2021

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52

Spruch


W247 1261546-2/53E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA Russische Föderation, vertreten durch RA XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.12.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.02.2021, am 24.03.2021 und am 12.04.2021 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, idgF., iVm §§ 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4, 8 Abs. 1 Z 2, 10 Abs. 1 Z 4, 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), idgF., iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, idgF., iVm §§ 52 Abs. 2 Z 3 und Abs. 9, 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1, 55 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), idgF., als unbegründet abgewiesen.
B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Der Beschwerdeführer (BF) ist russischer Staatsangehöriger, dem muslimischen Glauben und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig.

I. Verfahrensgang

1. Vorverfahren

1.1. Der BF reiste spätestens am 15.07.2004 als Minderjähriger unrechtmäßig mit seinen Eltern und seiner älteren Schwester in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte sein Vater für ihn, als sein gesetzlicher Vertreter, am 15.07.2004 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes führte der Vater des BF am 15.07.2004 zu seinen Ausreisegründen befragt aus, seine beiden Brüder seien im Krieg umgebracht oder verschleppt worden. Im Zuge der Ersteinvernahme im Erstaufnahmezentrum XXXX am 19.07.2004 gab der Vater des BF zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er sein Heimatland verlassen habe, weil sein Bruder Untergrundkämpfer gewesen und im Jahr 2000 gefallen sei. Sein zweiter Bruder sei vor drei Monaten von den Russen verschleppt worden und sei seitdem verschwunden. Die Russen würden auch den Vater des BF verfolgen, weshalb er mit seiner Familie geflohen sei. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem ehemaligen Bundesasylamt am 30.05.2005 führte der Vater des BF zu seinen Fluchtgründen befragt aus, dass sein jüngerer Bruder im Jahr 2000 verschwunden sei und danach Säuberungen stattgefunden hätten, im Zuge derer auch er (Anm.: der Vater des BF) festgenommen worden sei. Seine Mutter hätte ihn freigekauft und sei ihm gesagt worden, er würde keine weiteren Probleme haben. Danach sei allerdings sein mittlerer Bruder verschwunden und hätten wieder Säuberungen stattgefunden, im Rahmen derer der Vater des BF ebenfalls gesucht worden sei.

1.2. Mit Bescheid des ehemaligen Bundesasylamtes vom 03.06.2005, Zl. XXXX , wurde der Asylantrag des BF gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen, seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Russland gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig erklärt und der BF gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.

Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des ehemaligen unabhängigen Bundesasylsenats (UBAS) vom 10.08.2005, Zl. XXXX stattgegeben, der Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.06.2005 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

1.3. Der Vater des BF wurde am 29.08.2006 neuerlich niederschriftlich vor dem ehemaligen Bundesasylamt einvernommen, wobei er im Wesentlichen angab, sich nach seiner Freilassung meist bei seiner Schwester aufgehalten zu haben, er sei aber auch in XXXX gewesen. Befragt dazu, wie seine Entlassung aus der Haft abgelaufen sei, führte der Vater des BF aus, sein Cousin habe in der Struktur gearbeitet und das Geld sei über ihn bezahlt worden. Sein Cousin und seine Mutter seien gekommen, wobei seine Mutter das Geld bezahlt habe. Der Vater des BF sei sodann freigelassen worden und sein Bruder, sowie sein Cousin hätten ihn nach Hause gebracht. Er sei eine Woche zu Hause gewesen, dann sei sein Bruder Anfang März 2004 verhaftet worden. Nach der Verhaftung seines Bruders sei der Vater des BF nur mehr selten zu Hause gewesen, er sei bei seiner Schwester und bei Freunden gewesen. Mit seiner Ehefrau habe er sich immer wieder bei ihrer Mutter, ihrer Schwester oder seiner Mutter getroffen. Auf Vorhalt eines Widerspruchs aus den ersten Einvernahmen gab der Vater des BF an, nach seiner Freilassung habe er eine Zeit lang mit seiner Ehefrau gemeinsam zu Hause gewohnt. Nachdem sein Bruder festgenommen worden war, habe er jedoch nicht mehr zu Hause bleiben können. Als sein Bruder verhaftet worden sei, sei er selbst nicht zu Hause gewesen, aber seine Ehefrau sei bei jenem Vorfall dabei gewesen. Auf Vorhalt, dass die Mutter des BF im Verfahren angegeben habe, der Vater des BF sei nicht mehr zu Hause gewesen, sondern sei zu seiner Mutter gezogen, vermeinte der Vater des BF mit seiner Ehefrau nicht darüber gesprochen zu haben, er könne nur sagen, was ihm passiert sei. Er habe von seiner Mutter gehört, dass jener Cousin, welcher in der Struktur arbeite, in einer Nacht überfahren und getötet worden sei. Es soll absichtlich geschehen seien.

1.4. Mit Bescheid des ehemaligen Bundesasylamtes vom 29.08.2006, Zl. XXXX wurde dem Asylantrag des BF im Rahmen des Familienverfahrens gemäß § 7 AsylG 1997 stattgegeben und festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass das Bundesasylamt aufgrund des amtswegigen Ermittlungsverfahrens zur Ansicht gelange, dass alle Voraussetzungen der Asylgewährung im Rahmen des Familienverfahrens vorliegen würden.

2. Gegenständliches Verfahren über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten

2.1. Mit Urteil des LG XXXX wurde der BF am 19.06.2013, rechtskräftig am 19.06.2013, wegen § 142 (2) StGB und wegen § 15 § 83 (1) StGB als Jugendlicher zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten, welche unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

Mit Urteil des LG XXXX wurde der BF am 27.08.2014, rechtskräftig am 01.09.2014, wegen § 142 (1) StGB, § 105 (1) StGB, § 15 StGB §§ 142 (1), 143 2. Fall; §§ 127, 130 1. Fall StGB; § 15 §§ 127, 129 Z 1 StGB; § 15 StGB § 12 2. Fall StGB § 142 (1) StGB; § 229 (1) StGB, als Jugendlicher zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, wobei 16 Monate davon unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurden, verurteilt.

Mit Urteil des LG XXXX wurde der BF am 28.10.2015, rechtskräftig am 28.10.2015, wegen §§ 127, 129 Z 2 StGB und wegen § 142 (1) StGB als Jugendlicher zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt.

2.2. Mit Schreiben vom 15.12.2015 wurde dem BF mitgeteilt, dass gegen ihn wegen seiner im Bundesgebiet begangenen Straftaten ein Aberkennungsverfahren eingeleitet wurde, wobei er mit seiner nunmehrigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten die Grenze für die Aberkennung gerade noch nicht erreicht habe, weshalb das Aberkennungsverfahren eingestellt werde. Im Falle einer weiteren Verurteilung würde der BF jedoch als Gefahr für die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich angesehen und würde ihm sein Asylstatus aberkannt. Diesfalls sei davon auszugehen, dass er Österreich verlassen müsste.

2.3. Am 20.10.2017 wurde der BF im Rahmen seines Aberkennungsverfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX , niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zusammenfassend an, dass er gesund sei, seit 2004 in Österreich lebe, davon seit 2006 als anerkannter Flüchtling und derzeit in XXXX , an der Adresse XXXX , wohne. Dort wohne er mit einem Freund namens XXXX . Die Eltern und die drei Geschwister des BF würden in XXXX wohnen. Der BF wohne seit Juni 2017 in XXXX , habe jedoch täglich mit seinen Eltern und Geschwistern Kontakt. Der BF lebe seit Juli 2017 in einer Partnerschaft, wie seine Freundin heiße, wolle er jedoch nicht sagen. Der BF habe keine Kinder, gehe abends in die Schule, arbeite tagsüber und hole nachmittags seine Freundin von der Schule ab. Er mache auch Sport. Der BF besuche die Abendschule des XXXX und mache die Matura nach. Tagsüber arbeite er nicht jeden Tag, sondern nur ab und zu, er baue beispielsweise den XXXX auf. Der BF übe Hilfstätigkeiten über eine Firma aus und sei angestellt gewesen, doch jetzt gäbe es nicht viel Arbeit. Zu dieser Arbeit habe ihm der Vater eines Freundes seiner Freundin verholfen und habe der BF lediglich ein Einkommen, wenn er arbeite. Ansonsten habe er nichts, sein Reisepass sei abgelaufen und das XXXX sage, er solle einen neuen Reisepass bringen, sonst gäbe es nichts. Derzeit erhalte der BF keine staatliche Unterstützung. Miete bezahle er nicht viel, lediglich EUR 200-, welche ihm seine Mutter schicke. Befragt dazu, ob der BF darüber hinaus Geld von seinen Eltern bekomme, gab er an, nicht alles von seinen Eltern zubekommen, sondern gebe ihm seine Freundin auch ab und zu Geld. Seine Mutter sei Friseurin, sein Vater Fleischhauer und seine große Schwester Bankkauffrau. Die kleinen Geschwister des BF würden noch in die Schule gehen. Er sei aus keinem bestimmten Grund nach XXXX übersiedelt, hier sei es ruhiger. Weitere Verwandte habe der BF in Österreich nicht. Ursprünglich stamme er aus XXXX , dort würden noch ein Cousin und eine Tante leben, mit denen er nicht in Kontakt sei. Der letzte Kontakt zu ihnen sei vor einem Jahr gewesen. Großeltern habe der BF keine mehr. Der BF sei vier oder fünf Jahre alt gewesen als er nach Österreich gekommen sei und habe im Herkunftsstaat noch keine Ausbildung gemacht. Im Bundesgebiet habe er die Volks- und die Hauptschule besucht, sowie eine Lehre als Kellner begonnen, diese jedoch nicht abgeschlossen. In die Abendschule gehe der BF seit September 2017 und in seiner Freizeit mache er Sport mit Freunden und gehe ab und zu etwas Trinken. Der BF gehe dreimal die Woche Boxen. Mit seiner Familie spreche er in seiner Muttersprache und sehe er diese regelmäßig, zuletzt habe er sie vor einem Monat gesehen. Seine Eltern seien schon in XXXX gewesen, sie hätten ein Haus in XXXX gekauft, weil seine Mutter wegziehen habe wollen. Jetzt sei das Haus vermietet. Wenn er in den Herkunftsstaat zurückkehren müsste, wüsste der BF nicht, wohin er gehen sollte. Der BF sei vorbestraft und zweimal zu Haftstrafen verurteilt worden. Zu seinen Verurteilungen befragt, vermeinte der BF sowas nicht mehr zu machen und nicht suchtgiftabhängig zu sein. Sein Verhalten in Österreich sei früher schlecht gewesen, jetzt sei es gut. In Zukunft wolle der BF die Matura machen, 6 Monate einen Kurs für die Vorbereitung zum Immobilienmakler besuchen und im Anschluss als Immobilienmakler arbeiten. Im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation könne der BF umgebracht werden, umsonst seien sie nicht weggezogen. Nachgefragt, was der BF damit meine, gab er an, dass der Präsident dort sei. Befragt, ob es bestimmte Personen gäbe, die den BF bedrohen würden, vermeinte er, dass sein Vater bedroht würde. Ob von einer bestimmten Person, wisse der BF jedoch nicht. Freiwillig wolle er nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren.

2.4. Mit Urteil des BG XXXX vom 30.11.2017, rechtskräftig am 04.12.2017, wurde der BF wegen § 83 (1) StGB als junger Erwachsener zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt.

2.5.1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.12.2017 wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 29.08.2006 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.) und wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Gegen den Beschwerdeführer wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG 2005 ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

2.5.2. In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF, seinen strafgerichtlichen Verurteilungen, seiner Rückkehrsituation, seinem Privat- und Familienleben in Österreich, sowie zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass dem BF, aufgrund der Gesamtheit seiner Verurteilungen und der Tatsache, dass er nach der Einvernahme in seinem Aberkennungsverfahren sofort wieder straffällig wurde, sein Asylstatus abzuerkennen sei. Für den BF bestehe keine Gefährdungs- und Bedrohungslage in der Russischen Föderation und stelle eine Rückkehr seinerseits keine Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention dar.

2.5.3. Beweiswürdigend führte das BFA im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen aus, dass sich aus den strafgerichtlichen Verurteilungen eine kontinuierlich ansteigende kriminelle Energie, sowie die Gewaltbereitschaft des BF feststellen lasse. In Zusammenschau seiner Straftaten, habe der BF ein besonders schweres Verbrechen begangen und sei nicht zu prognostizieren, dass sich sein Verhalten in Zukunft ändern werde. Der BF sei seit seiner Einvernahme vor dem BFA, sowie der Verbüßung seiner letzten Haftstrafe, neuerlich straffällig geworden und sitze nun aktuell wieder wegen des Verdachts der Körperverletzung und des schweren Raubes in Untersuchungshaft. Es scheine kein Unrechtsbewusstsein vorzuliegen und könne nicht ausgeschlossen werden, dass der BF erneut straffällig werde. Der BF habe keine Gefährdungspotentiale vorgebracht und sei im Alter von 6 Jahren in das Bundesgebiet eingereist, wobei für ihn keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht worden seien. Der BF habe lediglich vorgebracht, es würde in Tschetschenien einen Präsidenten geben, eine Gefahr von privater oder staatlicher Seite habe er nicht vorgebracht. Eine Verfolgung im Herkunftsstaat sei daher nicht zu erwarten. Der BF sei jung, gesund und im erwerbsfähigen Altern, spreche Tschetschenisch, sowie Russisch und habe überdies Verwandte in der Russischen Föderation, weshalb nicht davon auszugehen sei, dass er bei einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage geraten werde. Der BF habe keine ausgeprägten, individuellen integrativen Anknüpfungspunkte und zu seinen Eltern oder Geschwistern sei keine besondere Beziehungsintensität hervorgekommen. Überdies sei der BF nur sehr kurz in XXXX aufhältig gewesen, ehe er wieder in XXXX Unterkunft genommen habe.

2.5.4. In der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde zusammenfassend aus, dass der BF bis dato dreimal strafgerichtlich, insbesondere wegen Körperverletzung, Raubes und Diebstahlsdelikten verurteilt worden sei und sich aktuell wegen des Verdachts des schweren Raubes und der schweren Körperverletzung in Untersuchungshaft befinde. Nach der Judikatur des VwGH sei davon auszugehen, dass es sich im vorliegenden Fall um ein besonders schweres Verbrechen handle. Objektiv seien besonders wichtige Rechtsgüter, nämlich das Vermögen und die körperliche Unversehrtheit betroffen. Angesichts seines Verhaltens sei auch keine positive Zukunftsprognose zu erstellen. Der BF sei als gemeingefährlich anzusehen, weil er die ersten Straftaten innerhalb eines kurzen Zeitraumes in regelmäßigen Abständen begangen habe. Die Festsetzung einer Probezeit habe den BF nicht von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten und sei er mit 15 Jahren das erste Mal wegen Raubes verurteilt worden, wobei er danach weitere Straftaten begangen habe. Es könne auch nicht prognostiziert werden, dass sich der BF in Zukunft wohlverhalte, weil er bereits kurz nach seiner Einvernahme vor dem BFA erneut straffällig geworden sei. Seine Aussage, er wolle keine Straftaten mehr begehen und Immobilienmakler werden, habe der BF damit verworfen. Der BF habe damit einen Asylausschlussgrund gesetzt, weshalb die Aberkennung seines Asylstatus vorzunehmen sei. Aus seinem Vorbringen sei nichts ersichtlich, das im Falle seiner Rückkehr eine unmenschliche Behandlung oder sonst extreme Gefährdungslage erkennen lassen würde. Der BF befinde sich seit 13 Jahren im Bundesgebiet, habe in Österreich die Schule besucht, spreche sehr gut Deutsch und habe sich einen Freundes- und Bekanntenkreis im Bundesgebiet aufgebaut. Überdies habe der BF auch angegeben eine Freundin zu haben, doch sei er mehrfach vorbestraft. Vor dem Hintergrund seiner massiven Straffälligkeit sei eine Rückkehrentscheidung jedoch trotz seines langen Aufenthalts im Bundesgebiet, zulässig und erweise sich ein Einreiseverbot in der Dauer von 5 Jahren als notwendig.

2.6. Mit Verfahrensanordnung vom 11.12.2017 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

2.7.1. Mit fristgerecht eingebrachtem Schriftsatz vom 08.01.2018 wurde für den BF durch seinen damaligen rechtsfreundlichen Vertreter das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid des BFA, zugestellt am 12.12.2017, in vollem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für den BF günstiger Bescheid erzielt worden wäre, erhoben.

2.7.2. Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass der BF seit seinem 5. Lebensjahr in Österreich lebe und sich seit dem Jahr 2004 nicht mehr im Herkunftsstaat befunden habe. Er habe keinerlei Beziehungen zu Tschetschenien mehr und habe dort keinerlei Schulbildung erhalten. Lediglich die Tante des BF wohne noch in Tschetschenien, zu welcher er jedoch seit seiner Flucht im Jahr 2004 keinen Kontakt mehr habe. Der Cousin des BF sei vergangenes Jahr bei einem Autounfall verstorben, das habe der BF erst nach seiner Einvernahme vor dem BFA erfahren. Der BF spreche Deutsch auf muttersprachlichem Niveau, gut Tschetschenisch und könne Russisch verstehen. Weder Russisch noch Tschetschenisch könne der BF lesen oder schreiben. Der BF habe im Herkunftsstaat auch selbst Bedrohungen durch Bewaffnete erlebt, so könne er sich erinnern, dass er sich einmal mit seiner Schwester unter dem Bett verstecken habe müssen. Ein weiteres Mal seien Soldaten zu ihnen nach Hause gekommen und hätten auch den BF bedroht, indem eine Waffe in Anschlag auf ihn gerichtet worden sei. Der BF habe seine Kindheit in XXXX verbracht und hätten sich seine Eltern 2012 scheiden lassen, weshalb die Mutter des BF mit allen Kindern nach XXXX gezogen sei. Der BF habe in XXXX Probleme gehabt den Wiedereinstieg in der Schule zu finden, weshalb er die 3. Klasse Hauptschule wiederholen habe müssen und die Schule schlussendlich geschmissen habe. Er sei in einen abträglichen Freundeskreis geraten und straffällig geworden. Der BF sei sportlich aktiv gewesen, indem er von 2005 bis 2010 in der Jugendmannschaft des XXXX Fußball gespielt habe. Ab 2010 habe sich der BF in Mixed Martial Arts betätigt, sei in XXXX in einem Boxverein und in XXXX bei einem Sportverein gewesen. Im Rahmen dessen habe er an zahlreichen Wettkämpfen teilgenommen worden. Der BF sei mehrfach straffällig und zu mehreren Haftstrafen verurteilt worden, wobei er in Haft an einem Anti-Aggressionstraining teilgenommen habe. Er habe sich entschlossen eine Lehre zum Koch-Kellner absolvieren zu wollen. Nach Verbüßung seiner letzten Haftstrafe habe der BF beschlossen nach XXXX zu ziehen, um sich Distanz zu XXXX und seinen bisherigen Haftstrafen zu verschaffen. Dort habe der BF versucht Arbeit zu finden und sei bis zu seiner Selbsterhaltungsfähigkeit von seinem Vater unterstützt worden, wobei er auch beim XXXX um Unterstützung angesucht habe. Der BF habe sich um zahlreiche Stellen beworben und sei seit Juli 2017 mit XXXX liiert, die ebenfalls in XXXX lebe. Im Herbst 2017 habe der BF begonnen das Abendgymnasium zu besuchen und sich eine langfristige Lebensgrundlage zu schaffen. Am 01.11.2017 habe der BF eine eigene Wohnung bezogen, doch sei er kurz darauf in Untersuchungshaft genommen worden, wo er sich immer noch befinde. Bis auf seine Zeit in Haft und nunmehr in XXXX , habe der BF immer mit seiner Familie zusammengelebt. Er unterhalte enge familiäre Verbindungen zu allen Familienmitglieder, sowohl zum Vater, als auch zur Mutter und seinen Geschwistern, trotz der Trennung seiner Eltern. Der Vater des BF arbeite als Fleischhauer, die Mutter des BF habe zuletzt als Friseurin gearbeitet, kümmere sich derzeit jedoch um ihr Enkelkind und sei aufgrund ihrer psychischen Probleme nicht in der Lage zu arbeiten. Auch in Haft sei der BF regelmäßig von seiner Familie besucht worden und habe der BF sogar eine Besuchsverlängerung erhalten, weshalb er seine Familie dreimal pro Woche für je zwei Stunden habe sehen können. Der BF habe auch seine Mutter unterstützt und habe seine jüngeren Geschwister in den Kindergarten gebracht, sowie Einkäufe erledigt. Die Familie könne den BF im Herkunftsland überdies nicht besuchen, weil diesen als anerkannte Flüchtlingen die Reise in die Russische Föderation verwehrt sei. Die Beschwerde rügt überdies das mangelhafte Ermittlungsverfahren und die mangelhaften Länderberichte, weil keine ausreichende individualisierte Gefährlichkeitsprognose stattgefunden hätte. Auch das Kindeswohl in Bezug auf die Eltern des BF sei zu erwähnen. Die Länderfeststellungen seien unvollständig, teilweise veraltet und würden sich nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen des BF befassen. Im Übrigen sei auch die Beweiswürdigung mangelhaft und habe der BF den Status des Asylberechtigten erhalten, weil er aus glaubhafter Furcht vor Verfolgung geflüchtet sei. Diese Verfolgungsgefahr sei immer noch aufrecht. Die belangte Behörde habe sich in keinster Weise damit auseinandergesetzt, sondern begnüge sich mit einem Hinweis auf die Verurteilungen des BF. Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben des BF seien unvollständig und würden lediglich einseitig zu dessen Ungunsten gewertet. Die belangte Behörde habe außerdem übersehen, dass der BF zum Zeitpunkt der Begehung seiner Straftaten minderjährig bzw. ein junger Erwachsener gewesen sei, weshalb das JGG anwendbar sei. Ziel dieser Bestimmung sei, die Chance straffällig gewordener Jugendlicher auf Resozialisierung nicht durch zusätzliche Folgewirkungen zu erschweren und werde als Beispiel eines unzulässigen Ausschlusses jener der Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft genannt. Analog müsse das auch auf den Ausschluss der Zuerkennung des Asylberechtigten sowie den Ausschluss der Aberkennung des Asylberechtigten gelten. Im vorliegenden Fall sei daher festzuhalten, dass jene Verurteilungen, welche sich auf Straftaten zu einem Tatbegehungszeitpunkt vor dem 18. Geburtstag des BF beruhen, für die Beurteilung im gegenständlichen Aberkennungsverfahren nicht herangezogen werden dürften.

Die belangte Behörde habe aufgrund des mangelhaften Ermittlungsverfahrens gar keine Gefahrenprognose durchführen können und müsse sich die begangene Straftat im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen, sodass unter anderem auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen sei. Dazu werden in der Beschwerde verschiedene Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs, sowie des BVwG zitiert, insbesondere zum Aspekt des besonders schweren Verbrechens. Die meisten dem BF vorgeworfenen Straftaten seien nicht einmal Verbrechen und habe das BFA das Vorliegen von Jugendstraftaten völlig außer Acht gelassen. Überdies lasse der angefochtene Bescheid eine von den Höchstgerichten geforderte umfassende Zukunftsprognose vermissen, wobei wiederum höchstgerichtliche Judikatur zitiert wird. Nicht verständlich sei darüber hinaus, warum die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die Interessen des BF am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen würden. Der BF habe mit seiner Familie flüchten müssen, lebe seit 14 Jahren in Österreich und habe keine Anknüpfungspunkte mehr in der Russischen Föderation. Der BF sei in Österreich sehr gut integriert, sein gesamtes soziales Netz habe der BF in Österreich und wolle er die derzeitige Haftstrafe zum Anlass nehmen, sein Leben von Grund auf zu ändern. Er wolle die Abendmatura machen und nach seiner Haftentlassung einer geregelten Erwerbstätigkeit nachgehen, weshalb nicht von Wiederholungsgefahr auszugehen sei. Die belangte Behörde hätte eine Güterabwägung vorzunehmen, ob die Interessen des Zufluchtstaates jene des Flüchtlings überwiegen würden. Habe der Asylwerber mit Folter oder dem Tod zu rechnen, würden die öffentlichen Interessen eher selten überwiegen und sei sogar Kriminellen Asyl zu gewähren. Folglich müsse die Güterabwägung gegenständlich jedenfalls dazu führen, dass kein Asylausschlussgrund vorliege. Überdies stehe dem BF keine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Ihm sei nicht zumutbar in andere Landesteile zu übersiedeln, weil er Tschetschenien im Alter von 5 Jahren verlassen habe und ihm daher alle Landesteile völlig fremd seien. Tschetschenen würden in anderen Landesteilen außerdem massiv diskriminiert, sowie verfolgt und drohe ihm als Rückkehrer aus dem Westen besondere Gefahr der Verfolgung seitens der Behörden, weil ihm bereits internationaler Schutz gewährt worden sei. Beim BF handle es sich um einen mittellosen, beruflich ungebildeten Mann ohne Berufsausbildung und verfüge er in Tschetschenien über keinerlei soziale oder familiäre Kontakte. Mit seiner Tante sei er zuletzt vor seiner Flucht in Kontakt gewesen, er wisse nicht, wo sie wohne und sei auch nicht mehr in Tschetschenien aufhältig gewesen. Der BF habe im Herkunftsstaat keine Schule besucht und könne weder Tschetschenisch, noch Russisch lesen oder schreiben. Beim BF handle es sich um einen säkularen Muslimen, der Ostern und Weihnachten feiere und wegen seiner Unkenntnis über islamische Glaubensvorschriften in Tschetschenien auffallen würde. Der BF habe sein gesamtes privates und familiäres Leben in Österreich und verhalte sich wie ein Österreicher. Wenn der BF das Land verlassen müsste, würde dies einen massiven Eingriff in die ihm durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte bedeuten. Die Beschwerde zitiert dazu Judikatur des VwGH, VfGH und des EGMR. Die Rückkehrentscheidung hätte sohin für dauerhaft unzulässig erklärt werden müssen. Beantragt werde, 1.) den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und festzustellen, dass dem BF der mit Bescheid zuerkannte Status des Asylberechtigten nicht abzuerkennen sei, sondern ihm der Status eines Asylberechtigten zukomme; 2.) alle Rechtswidrigkeiten im angefochtenen Bescheid amtswegig aufzugreifen; 3.) eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

2.8. Die Beschwerdevorlage vom 10.01.2018 und der Verwaltungsakt langten beim Bundesverwaltungsgericht am 15.01.2018 ein.

2.9. Mit Stellungnahme vom 23.01.2018 erstattete der BF durch seinen vormaligen rechtsfreundlichen Vertreter ein ergänzendes Vorbringen, wonach die Ladung der Zeugin XXXX zum Zweck der Erstellung einer umfassenden Zukunftsprognose beantragt wurde. Bei ihr handle es sich um die Freundin des BF, welche über seinen Lebenswandel und dessen geplante Vorhaben aussagen könne. Überdies sei dem BF mit Beschluss des OLG XXXX vom 05.04.2017 für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet und ihm die Weisung erteilt worden, eine bereits begonnene Antigewalttherapie fortzusetzen. Ein Betreuungsverhältnis bestehe derzeit zu einem Sozialarbeiter des Vereins Neustart. Der BF habe sich außerdem um eine eigene Wohnung gekümmert, sich beim XXXX arbeitssuchend gemeldet und Arbeit gesucht.

Mit der Stellungnahme wurden folgende Unterlagen vorgelegt:

?        Schreiben des XXXX vom 22.08.2017;

?        Ansuchen des BF um Wohnbeihilfe vom 30.10.2017;

?        Antwortschreiben des XXXX vom 16.11.2017 hinsichtlich der Bewerbung des BF;

?        Antwortschreiben der XXXX vom 17.11.2017 hinsichtlich der Bewerbung des BF;

?        Mietvertrag des BF beginnend mit 01.11.2017;

?        Provisorischer Stundenplan WS 2017/18 der Abendschule;

?        Beschluss des OLG XXXX , XXXX ;

2.10. Mit Beschwerdenachreichung vom 27.02.2018 übermittelte die belangte Behörde den Haftmeldezettel und die Bestätigung über die Entlassung des BF aus der Untersuchungshaft am 26.02.2018.

2.11. Mit Beschwerdenachreichung vom 23.03.2018 übermittelte die belangte Behörde eine gegen den BF erlassene Strafverfügung vom 04.12.2017 wegen einer Verletzung gegen das Meldegesetz und den Bericht der LPD XXXX vom 22.03.2018, wonach der BF als Beschuldigter gemäß § 27 Abs. 2 SMG geführt werde, weil man in seiner Hosentasche im Zuge einer sicherheitspolizeilichen Durchsuchung Suchtgift gefunden und sichergestellt habe.

2.12. Mit Beschwerdenachreichung vom 03.05.2018 übermittelte die belangte Behörde den Abtretungs-Bericht der LPD XXXX vom 02.05.2018 an die StA, welche das Ermittlungsverfahren gegen den BF am 14.12.2018 einstellte.

2.13. Mit Urteil des LG XXXX vom 17.07.2018, rechtskräftig am 17.07.2018, wurde der BF wegen §§ 83 (1), 84 (5) Z 2, 3 StGB und § 12 3. Fall StGB §§ 127, 129 (1) Z 1 StGB als junger Erwachsener zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von 21 Monaten verurteilt.

Mit Urteil des LG XXXX vom 04.09.2018, rechtskräftig am 08.09.2018, wurde der BF wegen §§ 142 (1), 143 (1) 2. Fall, 143 (2) 1. Fall StGB als junger Erwachsener zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt.

Mit Urteil des LG XXXX vom 26.11.2018, rechtskräftig am 27.02.2019, wurde der BF wegen §§ 142 (1), 143 (2) 1. Fall StGB als junger Erwachsener zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt.

Am 19.06.2020 wurde gegen den BF wegen § 125 StGB und § 83 (1) StGB neuerlich Anklage erhoben.

2.14. Mit Ladung vom 01.02.2021, vom zum Zeitpunkt der Ladung unvertretenen BF persönlich übernommen am 04.02.2021, übermittelte das BVwG dem Beschwerdeführer eine Auflistung der aktuellen Feststellungen zur Situation in der Russischen Föderation, mit der Information, dass es beabsichtige seiner Entscheidung diese Feststellungen zu Grunde zu legen. Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen 10 Tagen einlangend schriftlich Stellung zu nehmen, wovon die Beschwerdeseite keinen Gebrauch machte.

Am 19.02.2021 fand vor dem BVwG unter der Beiziehung einer Dolmetscherin für RUSSISCH eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu welcher der Beschwerdeführer ordnungsgemäß geladen wurde und der BF im Rahmen einer Videokonferenz in der JA XXXX auch teilnahm, sowie angab von einem Rechtsanwalt vertreten zu werden, welcher jedoch zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Der BF bestand darauf nur unter Beiziehung seines Rechtsanwalts einvernommen zu werden.

Die Niederschrift lautet auszugsweise:

„[…]

RI: Im Gericht ist kein Rechtsvertreter von Ihnen erschienen. Haben Sie einen Rechtsvertreter?

BF: Ja, ich habe einen Rechtsvertreter. Er heißt Herr Wendt Wagner.

RI: Warum ist er heute nicht da?

BF: Weil ich nicht wusste, dass ich heute dieses Gericht habe. Ich habe ihn angerufen, er hat gemeint, es ist zu kurzfristig, ich selber habe nicht gewusst, dass heute Gericht ist.

[…]

RI: Herr BF, Sie haben gesagt, dass heute kein Rechtsvertreter von Ihnen anwesend ist, weil die Anwesenheit Ihres Rechtsvertreters für diesen zu kurzfristig gewesen ist. Meine Frage an Sie ist: Sind Sie damit einverstanden, dass diese Verhandlung auch ohne Rechtsvertreter durchgeführt wird oder bestehen Sie darauf, dass bei Ihrer Verhandlung ein Rechtsvertreter anwesend ist?

BF: Ich bestehe darauf, dass bei meiner Verhandlung ein Rechtsvertreter anwesend ist.

RI: Wenn Sie kein Russisch verstehen, welche anderen Sprachen sprechen Sie?

BF: Ich spreche Tschetschenisch und Deutsch, aber Deutsch spreche ich besser.

RI: Sind Sie damit einverstanden, dass die nächste Verhandlung mit Ihnen auf Deutsch geführt wird?

BF: Ja. Mein Anwalt hat gemeint, dass das Protokoll der Verhandlung bitte an ihn zu schicken ist.

RI: Ist Herr Wendt Wagner ein Rechtsanwalt oder ein Vertreter der BBU?

BF: Er ist mein Privatanwalt.

RI: Im derzeitigen Akt liegt keine Vertretungsvollmacht vor bzw. kein Nachweis, dass Sie durch einen Anwalt vertreten werden. Wir brauchen ein Schriftstück von Ihrem Anwalt, aus dem hervorgeht, dass er Sie vertritt. Sprechen Sie bitte mit Ihrem Anwalt, dass er uns von seinem Vertretungsverhältnis mit Ihnen berichtet.“

2.15. Mit erneuter Ladung vom 23.02.2021, vom zum Zeitpunkt der Ladung immer noch unvertretenen BF persönlich übernommen am 01.03.2021, übermittelte das BVwG dem Beschwerdeführer erneut eine Auflistung der aktuellen Feststellungen zur Situation in der Russischen Föderation, mit der Information, dass es beabsichtige seiner Entscheidung diese Feststellungen zu Grunde zu legen. Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen 10 Tagen einlangend schriftlich Stellung zu nehmen, wovon die Beschwerdeseite keinen Gebrauch machte.

Am 24.03.2021 fand vor dem BVwG unter der Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache TSCHETSCHENISCH erneut eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu welcher der Beschwerdeführer ordnungsgemäß geladen wurde und der BF im Rahmen einer Videokonferenz in der JA XXXX auch teilnahm, sowie angab von einem Rechtsanwalt vertreten zu werden, welcher jedoch zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Der BF bestand darauf nur unter Beiziehung seines Rechtsanwalts einvernommen zu werden.

Die Niederschrift lautet auszugsweise:

„[…]

BF: Wieso habe ich keinen Termin für die Verhandlung bekommen? Meinem Anwalt kann ich nicht Bescheid geben.

RI: Es wurde Ihnen eine Ladung für die heutige Verhandlung geschickt. Sie haben auch am 24.02.2021 eine Nachricht von der BBU erhalten, dass Sie die Möglichkeit haben, sich von der BBU vertreten zu lassen. Sie sind auf die BBU nach heutiger Auskunft aber nicht zugegangen.

BF: Ich habe einen Privatanwalt. Ich habe aber keinen Termin bekommen, dass heute Verhandlung ist.

RI: Ist Ihnen die Ladung nicht übermittelt worden?

BF: Nein, sonst hätte ich meinem Privatanwalt Bescheid gesagt.

RI: Wer ist Ihr Anwalt?

BF: Herr Wagner und Herr Medwed.

RI: Wann haben Sie von der heutigen Verhandlung erfahren?

BF: Jetzt gerade, vor 15 Minuten.

RI: Mir liegt ein Aktenvermerk vor von einem Telefonat mit der JA XXXX , aus diesem Telefonat vom 16.03.2021 geht hervor, dass Sie nachweislich am 01.03.2021 gegen Unterschrift die Ladung zur heutigen mündlichen Verhandlung entgegengenommen haben.

BF: Ich habe von der Verhandlung nichts gewusst, sonst hätte ich meinem Anwalt Bescheid gesagt. Wie soll ich wissen, dass ich Verhandlung habe und meinem Anwalt nichts sagen. Eigentlich sollte ich diese Woche in Graz sein. Dort sollte eine Verhandlung stattfinden, welche aber verschoben worden ist, da das Opfer in Quarantäne ist. Eigentlich hätte die heutige Verhandlung gar nicht stattfinden sollen.

RI: Sie bestreiten also, dass Sie am 01.03.2021 die Ladung zur heutigen mündlichen Verhandlung erhalten haben?

BF: Ja. Herr Richter, ich hätte am 23.03. in Graz eine Verhandlung. Ich sollte eigentlich diese Woche gar nicht hier sein, aber die Verhandlung wurde verschoben, weil die Person, mit dem ich gerauft haben sollte, in Quarantäne ist. Am 23. hätte die Verhandlung stattfinden sollen. Ich hätte am Dienstag letzte Woche wegfahren müssen. Ich wäre diese Woche gar nicht hier gewesen. Entschuldigung Mittwoch, letzte Woche sollte ich eigentlich weg sein, sollte ich in Graz sein.

RI: Ich stelle die Frage an Sie, so wie letztes Mal: Bestehen Sie darauf, dass bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung ein Rechtsvertreter anwesend ist?

BF: Ja.

RI: Das heißt, Sie möchten, dass die heutige mündliche Beschwerdeverhandlung ohne Ihren Rechtsvertreter nicht stattfindet?

BF: Ja, ich möchte nicht ohne meinen Anwalt fortsetzen.

RI: Sie wurden im Rahmen der letzten mündlichen Verhandlung am 19.02.2021 aufgefordert, dass Sie eine Vertretungsvollmacht oder einen Nachweis, dass Sie einen Rechtsvertreter haben, mir zukommen zulassen.

BF: Mein Anwalt hat die E-Mail oder sonst was von Ihnen nicht gehabt, um Ihnen mitzuteilen, dass Sie wissen, dass er mein Anwalt ist.

RI: Herr BF; die Adresse des BVwG dürfte allen Anwälten in Österreich bekannt sein bzw. wenn nicht, dürfte das unschwer herauszufinden sein, welche Adresse das BVwG hat. Das heißt, es dürfte unschwer möglich sein, eine Vertretungsvollmacht an das Gericht zu schicken, Ihren Fall betreffend. Ich frage mich, warum sie das bisher nicht veranlasst haben?

BF: Weil meine Sozialbetreuung gesagt hat, dass mein Anwalt an Ihren Namen die Vollmacht schicken soll. Nachgefragt: Meine Sozialbetreuerin hat gesagt, dass er mein Anwalt ist.

RI: Ich glaube, dass es Ihrem Anwalt möglich sein wird, und auch zuzumuten ist, dass er dem BVwG bekannt gibt, dass er in Ihrem Fall Ihr Rechtsvertreter ist. Dazu braucht er weder meine Privat- noch Büromailadresse. Ihr Anwalt muss lediglich unter Nennung Ihrer Fallzahl dem BVwG bekanntgeben, dass er Ihr Rechtsvertreter ist.

BF: Letztes Mal wurde es mir nicht so weitergegeben, wie Sie es gerade sagen. Meine Sozialarbeiterin hat es mir letztens ganz anders erklärt. Am 20.04 bin ich in Graz. Da habe ich eine Verhandlung. Das wollte ich Ihnen sagen, nur, dass Sie es wissen.

RI: Das heißt, es wird Ihnen jetzt, dass was wir gerade gesprochen habe, zur Unterschrift geschickt. Es wird ein neuer Termin festgesetzt. Sie werden im Rahmen Ihrer Mitwirkungspflicht aufgefordert einen Rechtsvertreter bekanntzugeben und zu veranlassen, dass eine Vollmachtserklärung an das BVwG geschickt wird, da sonst hg nicht von einem Rechtsvertreter in Ihrem Fall auszugehen ist.

BF: Verstanden.“

2.16. Mit erneuter Ladung vom 25.03.2021, vom zum Zeitpunkt der Ladung immer noch unvertretenen BF am 01.04.2021 persönlich übernommen, übermittelte das BVwG dem Beschwerdeführer erneut eine Auflistung der aktuellen Feststellungen zur Situation in der Russischen Föderation, mit der Information, dass es beabsichtigt seiner Entscheidung diese Feststellungen zu Grunde zu legen. Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen 10 Tagen einlangend schriftlich Stellung zu nehmen, wovon die Beschwerdeseite keinen Gebrauch machte.

2.17. Am 06.04.2021 langte die Vollmachtsbekanntgabe des RA XXXX , hg. ein.

2.18. Am 12.04.2021 fand vor dem BVwG unter der Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache TSCHETSCHENISCH erneut eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu welcher der Beschwerdeführer ordnungsgemäß geladen wurde und der BF im Rahmen einer Videokonferenz in der JA XXXX auch teilnahm, wobei der Rechtsvertreter des BF nicht erschienen ist. Der BF bestand neuerlich darauf nur unter Beiziehung seines Rechtsanwalts einvernommen zu werden.

Die Niederschrift lautet auszugsweise:

„[…]

RI: Ich habe letzte Woche von Ihnen bzw. von Ihrem Anwalt eine Vollmachtsbekanntgabe bekommen, wo ist denn heute ihr Anwalt?

BF: Ich habe die Ladung nicht bekommen. Ich weiß es nicht.

R: Sie haben die Ladung erhalten.

BF: Wann habe ich die Ladung erhalten?

RI: Sie haben die Ladung am 01.04.2021 übernommen.

BF: Ich habe die ganzen Papiere meiner Sozialarbeiterin gegeben.

RI: Kommen wir zurück zu meiner ersten Frage: Wo ist Ihr Anwalt heute?

BF: Der Anwalt ist unterwegs zu einer Verhandlung, ich weiß nicht, warum er heute nicht da ist.

RI: Ihr Rechtsanwalt weiß von der heutigen Verhandlung oder weiß er das nicht?

BF: Ich hoffe, dass er davon weiß. Haben Sie die E-Mail erhalten von meinem Anwalt?

RI: Ich habe Ihnen vorhin gesagt, dass wir die Vollmachtsbekanntgabe des Anwaltes letzte Woche erhalten haben, umso mehr wundert es mich, dass er heute nicht da ist.

BF: Ich habe von der Sekretärin meines Anwalts erfahren, dass er auf dem Weg zu einer Verhandlung ist. Kann ich meinen Anwalt kurz anrufen um zu fragen, ob er kommt?

RI: Ja.

BF ruft den RA an.

BF: Mein Anwalt ist in zwei verschiedenen Verhandlungen und er hat von der Verhandlung keinen Brief bekommen, dass er zur heutigen Verhandlung geht.

RI: Die Ladung haben Sie persönlich bekommen, weil Sie zu dem Zeitpunkt als die Ladung herausgegangen ist keinen Rechtsvertreter gehabt haben. Sie hätten Ihren Rechtsvertreter informieren sollen über die heutige Verhandlung.

BF: Ich kenne mich nicht aus, ich habe von der Verhandlung nicht mal etwas gewusst. Ich weiß nicht, mein Anwalt hat gerade gesagt, dass die Vollmacht jetzt da ist und wir einen neuen Termin machen.

RI: Ab dem Moment wo‚ Ihr Anwalt eine Vollmacht gelegt hat, müssen alle Schriftstücke an ihn gehen, aber die Ladung zur heutigen Verhandlung ist zu einem Zeitpunkt erfolgt als Sie keinen Rechtsvertreter hatte, daher ist die Ladung an Ihre Person direkt ergangen.

BF: Ich entschuldige mich, können wir die Verhandlung an einem anderen Termin machen. Es geht ja um meine Abschiebung.

RI: Sind Sie einverstanden mit der heutigen mündlichen Verhandlung fortzufahren auch in Abwesenheit Ihres RA?

BF: Ich bestehe darauf, dass der Rechtsvertreter anwesend ist.“

2.19. Mit Schriftsatz vom 16.07.2021 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerdeseite aktuelle Feststellungen zur Situation in seinem Herkunftsstaat (Beweismittelliste zur Lage in der Russischen Föderation, inkl. Länderinformationsblatt, Version 3, Stand 10.06.2021) und wurde der Beschwerdeseite die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen einer Woche, hg einlangend, Stellung zu nehmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Antrages des BF auf internationalen Schutz durch seinen gesetzlichen Vertreter vom 15.07.2004, des Zuerkennungsbescheides des ehemaligen Bundesasylamtes vom 29.08.2006, Zl. XXXX , der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 20.10.2017, der Beschwerde vom 08.01.2018 gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.12.2017, sowie der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, der Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, dem Fremden- und Grundversorgungs-Informationssystem, dem Strafregister der Republik Österreich und dem AJ-Web, sowie den im Akt befindlichen Strafurteilen gegen den BF und nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.02.2021, am 24.03.2021 und am 12.04.2021, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe und bekennt sich zum muslimischen Glauben.

Der BF ist in XXXX , in Tschetschenien, geboren, wo er bis zu seiner Ausreise im Jahr 2004 auch lebte. Spätestens am 15.07.2004 reiste er als Minderjähriger in Begleitung seiner Eltern und seiner älteren Schwester unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag durch seinen gesetzlichen Vertreter einen Antrag auf internationalen Schutz. Der BF ist seit diesem Zeitpunkt in Österreich aufhältig und wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid des ehemaligen Bundesasylamtes vom 29.08.2006, Zl. XXXX , gemäß § 7 AsylG 1997 stattgegeben und diesem der Status des Asylberechtigten im Familienverfahren zuerkannt. Es wurde gemäß § 12 AsylG 1997 festgestellt, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass das Bundesasylamt aufgrund des amtswegigen Ermittlungsverfahrens zur Ansicht gelange, dass alle Voraussetzungen der Asylgewährung vorliegen würden. Die Asylgewährung beruhte auf dem Vorbringen des Vaters des BF, wonach dessen Bruder Untergrundkämpfer gewesen und im Jahr 2000 verschwunden und nie wiedergefunden worden sei. Im Jahr 2004 seien die Russen immer wieder beim Vater des BF aufgetaucht und hätten diesen mitgenommen. Dieser sei daraufhin freigekauft worden, doch sei danach dessen anderer Bruder ebenfalls verschwunden.

In der Russischen Föderation hat der BF noch keine Schule besucht. Er verfügt in Tschetschenien noch über seine Tante, mit der jedoch nicht in Kontakt steht.

Der BF ist ledig und kinderlos. Seit Juli 2017 befindet sich der BF in einer Beziehung mit XXXX , einer österreichischen Staatsbürgerin. Mit ihr hat zu keinem Zeitpunkt ein gemeinsamer Haushalt bestanden.

Der BF verfügt im Bundesgebiet über seine Eltern und drei Geschwister, welche allesamt in XXXX wohnen und mit denen er vor seiner Inhaftierung täglich in Kontakt stand. Der BF ist bis zum Jahr 2012 in XXXX aufgewachsen, wobei ein gemeinsamer Haushalt mit seinen Eltern und Geschwistern bestanden hat. Nach der Scheidung seiner Eltern in ebendiesem Jahr ist der BF mit seiner Mutter und seinen drei Geschwistern nach XXXX gezogen, wo ebenfalls ein gemeinsamer Haushalt mit diesen bestanden hat. Im Juni 2017 ist der BF alleine zurück nach XXXX gezogen, wo er zunächst mit einem Freund, XXXX , zusammengewohnt und ab 01.11.2017 eine eigene Wohnung bewohnt hat. Die Mutter des BF hat ihn zumindest ab dem Zeitpunkt, in welchem der BF nach XXXX gezogen ist, bis zu seiner Verhaftung am 05.11.2017 mit EUR 200,- monatlich für seine Miete unterstützt. Die Eltern des BF sind in XXXX , in XXXX , im Besitz eines Eigentumshauses, welches vermietet ist. Der Vater des BF arbeitet im Bundesgebiet als Fleischhauer.

Der BF hat im Bundesgebiet die Volksschule absolviert, wie auch die Hauptschule besucht, welche er jedoch abgebrochen hat. Er hat eine Lehre als Koch/Kellner begonnen, diese jedoch lediglich zwei Monate lang von März bis Mai 2015 betrieben und nicht abgeschlossen. Im August 2017 hat der BF drei Wochen als geringfügig Beschäftigter gearbeitet. Von September 2017 bis längstens zu seiner Verhaftung Anfang November 2017 hat der BF die Abendschule eines Gymnasiums besucht, um die Matura nachzuholen. Im Herbst 2017 hat der BF sich um seine berufliche Integration bemüht und einige Bewerbungen verfasst. Darüber hinaus hat der BF keine weitere Berufserfahrung im Bundesgebiet und ist auch keiner sonstigen Berufs-, Aus-, oder Weiterbildung in Österreich, nachgegangen. Insgesamt hat der BF in Österreich etwa 3 Monate Arbeitslosengeld bezogen. Von 2005 bis 2010 hat der BF in der Jugendmannschaft des XXXX Fußball gespielt. Zuletzt ist der BF vor seiner Verhaftung im November 2017 Mitglied in einem Boxverein gewesen. Derzeit ist er weder Mitglied in einem Verein, noch einer sonstigen Organisation.

Der BF spricht Deutsch, sowie Tschetschenisch auf muttersprachlichem Niveau und versteht Russisch. Der BF spricht mit seinen Eltern Tschetschenisch. Lesen und Schreiben kann der BF weder auf Russisch, noch Tschetschenisch.

Der BF leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Er ist gesund und arbeitsfähig.

Der BF wurde im Bundesgebiet straffällig und seither insgesamt siebenmal strafgerichtlich verurteilt, im Strafregister der Republik Österreich sind folgende Verurteilungen ersichtlich:

01) LG XXXX vom 19.06.2013 RK 19.06.2013

§ 142(2) StGB

§ 15 StGB § 83 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 30.03.2013

Freiheitsstrafe 5 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

Jugendstraftat

zu LG XXXX RK 19.06.2013

Probezeit der bedingten Nachsicht verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG XXXX vom 27.08.2014

zu LG XXXX RK 19.06.2013

Aufhebung der Bewährungshilfe

LG XXXX vom 04.12.2015

zu LG XXXX RK 19.06.2013

Bedingte Nachsicht der Strafe wird widerrufen

LG XXXX vom 26.11.2018

02) LG XXXX vom 27.08.2014 RK 01.09.2014

§ 142 (1) StGB

§ 105 (1) StGB

§ 15 §§ 142 (1), 143 2. Fall StGB

§§ 127, 130 1. Fall StGB

§ 15 StGB §§ 127, 129 Z 1 StGB

§ 15 StGB, § 12 2. Fall StGB § 142 (1) StGB

§ 229 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 20.06.2014

Freiheitsstrafe 24 Monate, davon Freiheitsstrafe 16 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Jugendstraftat

zu LG XXXX RK 01.09.2014

Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 01.12.2014, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

LG XXXX vom 20.11.2014

zu LG XXXX RK 01.09.2014

Zuständigkeit gemäß § 179 Abs. 1 STVG übernommen

LG XXXX vom 11.12.2014

zu LG XXXX RK 01.09.2014

Bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe wird widerrufen

LG XXXX vom 28.10.2015

zu LG XXXX RK 01.09.2014

Probezeit des bedingten Strafteils verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG XXXX vom 28.10.2015

zu LG XXXX RK 01.09.2014

Aufhebung der Bewährungshilfe

LG XXXX vom 25.11.2015

03) LG XXXX vom 28.10.2015 RK 28.10.2015

§§ 127, 129 Z 2 StGB

§ 142 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 22.06.2015

Freiheitsstrafe 24 Monate

Jugendstraftat

zu LG XXXX RK 28.10.2015

zu LG XXXX RK 01.09.2014

Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 08.06.2017, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

OB.LDS.GERICHT XXXX vom 11.04.2017

zu LG XXXX RK 28.10.2015

zu LG XXXX RK 01.09.2014

Zuständigkeit gemäß § 179 Abs. 1 STVG übernommen

LG XXXX vom 21.06.2017

zu LG XXXX RK 28.10.2015

Probezeit der bedingten Nachsicht verlängert auf insgesamt 5 Jahre

BG XXXX vom 20.12.2017

zu LG XXXX RK 28.10.2015

zu LG XXXX RK 01.09.2014

Aufhebung der Bewährungshilfe

LG XXXX vom 09.08.2018

zu LG XXXX RK 28.10.2015

zu LG XXXX RK 01.09.2014

Bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe wird widerrufen

LG XXXX vom 26.11.2018

04) BG XXXX vom 30.11.2017 RK 04.12.2017

§ 83 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 07.07.2017

Freiheitsstrafe 2 Monate

Junge(r) Erwachsene(r)

Vollzugsdatum 15.02.2018

05) LG XXXX vom 17.07.2018 RK 17.07.2018

§§ 83 (1), 84 (5) Z 2, 3 StGB

§ 12 3. Fall StGB §§ 127, 129 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 31.10.2017

Freiheitsstrafe 21 Monate

Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf XXXX RK 04.12.2017

Junge(r) Erwachsene(r)

Vollzugsdatum 21.02.2020

06) LG XXXX vom 04.09.2018 RK 08.09.2018

§§ 142 (1), 143 (1) 2. Fall, 143 (2) 1. Fall StGB

Datum der (letzten) Tat 28.10.2017

Freiheitsstrafe 3 Jahre

Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf BG XXXX RK 04.12.2017

Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf LG XXXX RK 17.07.2018

Junge(r) Erwachsene(r)

07) LG XXXX vom 26.11.2018 RK 27.02.2019

§§ 14 (1), 143 (2) 1. Fall StGB

Datum der (letzten) Tat 15.06.2018

Freiheitsstrafe 2 Jahre

Junge(r) Erwachsene(r)

Der 2. strafgerichtlichen Verurteilung lag zugrunde, dass der BF gemeinsam mit einem weiteren Mittäter seinem Opfer, durch Stöße und Versuche auf dieses einzutreten, sowie die sinngemäße Äußerung, sie würden ihn abstechen, wenn das Opfer ihnen sein Mobiltelefon nicht gebe, und durch Verwendung einer Waffe, nämlich durch das Halten eines Messers in der rechten Hand, versucht haben das Mobiltelefon abzunötigen, wobei es infolge der Flucht ihres Opfers beim Versuch blieb.

Darüber hinaus lag dieser Verurteilung zugrunde, dass der BF einem weiteren Opfer eine Armbanduhr der Marke XXXX abnötigte, nämlich durch die sinngemäße Äußerung, er solle ihm seine Uhr geben, sonst würde er ihn schlagen und versetzte der BF ihm anschließend einen Faustschlag ins Gesicht.

Außerdem ist dem Urteil zu entnehmen, dass der BF einem unbekannten Geschädigten, ein Fahrrad der Marke XXXX mit Bereicherungsvorsatz durch Einbruch wegzunehmen versucht hat, indem er die Türe des Fahrradraumes eines Wohnhauses mit einem Schraubenzieher aufbrach, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil der BF von einem Anwohner auf frischer Tat betreten wurde.

Im Übrigen liegt dieser Verurteilung zugrunde, dass der BF einen Dritten aufforderte, er solle einem weiteren Opfer sein Mobiltelefon, das dieser zu dem Zeitpunkt in der Hand hielt, wegnehmen, und der BF so den Dritten zu einem Raub zu bestimmen versuchte, wobei die Wegnahme des Telefons ohne Anwendung von Gewalt erfolgte. Dabei hat der BF den Dritten durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zu einer Handlung, nämlich der Wegnahme des Telefons, genötigt, indem er ihm Schläge androhte, falls er diese nicht begehen würde.

Darüber hinaus hat der BF gewerbsmäßig ein Handy der Marke XXXX , einen schwarzen Rucksack samt Inhalt, nämlich ein Handy der Marke XXXX , Fahrzeugschlüssel für ein Moped, eine optische Brille, eine Brieftasche, sowie Kleidungsstücke zumindest zweier Geschädigter mit Zueignungs- und Bereicherungsvorsatz weggenommen. Im Übrigen hat der BF eine Sozialversicherungskarte, einen Zulassungsschein, welche sich in jenem gestohlenen Rucksack befanden, sohin Urkunden, unterdrückt.

Der BF hat sich somit des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 2. Fall StGB, des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB, des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB, des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 12 2. Fall, 142 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB, des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 1. Fall StGB und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB schuldig gemacht.

Mit Beschluss wurde vom Widerruf zu XXXX abgesehen, die Probezeit jedoch auf 5 Jahre verlängert.

Im Zuge der Strafbemessung erkannte das Gericht als erschwerend das Zusammentreffen von mehreren Vergehen und Verbrechen, die einschlägige Vorstrafe und den raschen Rückfall, sowie als mildernd das Teilgeständnis, den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist und die Reifungsdefizite.

Der 5. strafgerichtlichen Verurteilung lag zugrunde, dass der BF und drei weitere Mittäter ihr Opfer unter Zufügung besonderer Qualen am Körper verletzten, indem sie dieses etwa eine Stunde zwangen, sich nackt auszuziehen, niederzuknien und niederzulegen, es an den Beinen fesselten, sowie aufforderten seine Unterhose in den Mund zu stecken und ihm abwechselnd Faustschläge gegen das Gesicht und Schläge mit einem Gürtel gegen dessen Körper versetzten, wobei sie die Tat teilweise mit einem Handy filmten, wodurch das Opfer Prellungen im Gesicht und am Körper, Hämatome und Rissquetschwunden im Gesicht und am Körper, insbesondere am Rücken, im Beckenbereich und am rechten Schienbein erlitt.

Darüber hinaus hat der BF bei einem durch zwei Mittäter verübten Einbruch, welcher durch Aufbrechen eines gekippten Fensters und Einsteigen in die Geschäftsräumlichkeiten eines Handelsgeschäfts begangen wurde, wobei die Mittäter Bargeld idHv EUR 250,-, ein Tablet im Wert von EUR 200,- und Pflanzensamen unbekannten Wertes wegnahmen, Aufpasserdienste geleistet und dadurch zur Tat beigetragen.

Der BF hat sich somit des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 5 Z 2 und Z 3 StGB, sowie des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch als Beteiligter nach §§ 12 (3. Fall), 127, 129 Abs. 1 Z 1 StGB schuldig gemacht.

Mit Beschluss wurde vom Widerruf der dem BF in den Verfahren XXXX und XXXX des LG XXXX gewährten bedingten Strafnachsichten und der ihm im Verfahren XXXX des LG XXXX gewährten bedingten Entlassung abgesehen.

Im Zuge der Strafbemessung erkannte das Gericht als erschwerend die mehrfache Qualifikation, das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen, die Begehung der Taten während offener Probezeiten, den raschen Rückfall und drei einschlägige Vorstrafen, sowie als mildernd das Alter u

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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