TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/25 W189 2244490-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.10.2021
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Entscheidungsdatum

25.10.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W189 2244490-2/3E

IM NAMEN DER REPBULIK

I. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU-GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Gemäß § 28 Abs. 1 und § 33 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde gegen den Bescheid stattgegeben und der Bescheid dahingehend abgeändert, dass er zu lauten hat: „Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 23.06.2021 wird als unzulässig zurückgewiesen.“

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

BESCHLUSS

II. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU-GmbH), gegen den „Bescheid“ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX :

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 1. Fall VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, stellte am 23.10.2004 nach Einreise unter Umgehung der Grenzkontrollen einen Asylantrag im Bundesgebiet.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX wurde dem Asylantrag des BF stattgegeben und ihm in Österreich Asyl im Familienverfahren gewährt.

3. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX .07.2018 wurde der BF – als junger Erwachsener – wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB sowie des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt.

4. Der BF befand sich vom XXXX .04.2018 bis XXXX .04.2019 in Anhaltung, Untersuchungshaft bzw. Strafhaft und wurde bedingt aus der Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren sowie Anordnung von Bewährungshilfe entlassen.

5. Mit Aktenvermerk vom 24.09.2018 hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) die Nichteinleitung eines Ermittlungsverfahrens für ein Aberkennungsverfahren fest, da die begangene Straftat des BF nicht als besonders schwere(s) Verbrechen im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 einzustufen sei.

6. Am 04.03.2020 prüfte das BFA neuerlich die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens und ging dem diesbezüglichen Aktenvermerk zufolge von der Erfüllung des Tatbestandes des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus. Aufgrund der Straffälligkeit des BF sei ein Aufenthaltstitel bei der Aufenthaltsbehörde nicht zu erwirken.

7. Am 04.03.2020 wurde die Zustellung einer Mitteilung über die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens sowie eines Ladungsbescheids für eine Einvernahme am 01.04.2020 samt Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG, jeweils vom 04.03.2020, mit RSa an die damalige Meldeadresse des BF in XXXX verfügt, an welcher laut Rückschein am 06.03.2020 ein erfolgsloser Zustellversuch erfolgte. In der Folge wurden die Dokumente laut Rückschein nach Hinterlassung einer Verständigung hinterlegt und langten die Dokumente mit dem Hinweis „Zurück, nicht behoben“ am 25.03.2020 beim BFA ein.

8. An der in der Zustellverfügung genannten Adresse wies der BF bis 05.03.2020 eine behördliche Meldung auf und war er seit dem Tag an einer Adresse eines Vereins in XXXX bis 16.09.2020 als obdachlos gemeldet.

9. Die an die XXXX Adresse des Vereins adressierte, am 17.03.2020 bei der Post aufgegebene, Abberaumung der Einvernahme am 01.04.2020 wurde dem BFA mit dem Hinweis „Verzogen“ am 20.03.2020 einlangend retourniert.

10. Am 20.03.2020 ersuchte das BFA eine Polizeiinspektion, den BF, welcher nun obdachlos gemeldet sei und somit der Mitwirkungspflicht nach § 13 Abs. 2 BFA-VG unterliege, im Zuge seiner Meldeverpflichtung über die Abberaumung der Einvernahme am 01.04.2020 zu verständigen. Das Schriftstück wurde in der Folge – laut Mitteilung der ersuchten Polizeiinspektion – per Fax an den Verein übermittelt und in seinem dortigen Postfach hinterlegt.

11. Am 23.03.2020 wandte sich eine Mitarbeiterin des Vereins von einem Standort in XXXX an das BFA und teilte u.a. mit, dass der BF am 23.03.2020 die schriftliche Abberaumung einer Ladung erhalten habe.

12. Eine am 19.05.2020 verfügte Zustellung einer Mitteilung über die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens sowie eines Ladungsbescheids für den 18.06.2020 samt Verfahrensanordnung mittels RSa an die XXXX Adresse des Vereins verlief erfolglos und wurden die Dokumente mit dem Hinweis „Verzogen“ an das BFA retourniert.

13. Das BFA übermittelte in der Folge den Ladungsbescheid per E-Mail an den XXXX Standort des Vereins und ersuchte um Ausfolgung an den BF.

14. Der BF wurde am 18.06.2020 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen und gab u.a. an, er werde nicht vertreten. Er sei vor drei Monaten nach XXXX gezogen und besuche dort eine Bewährungshilfe. Momentan wohne er bei seiner Freundin und bestreite seinen Lebensunterhalt durch seine Freundin.

15. Mit „Bescheid“ vom XXXX wurde der dem BF mit Bescheid vom XXXX zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Des Weiteren wurde ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei und wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Ferner wurde gegen den BF gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

16. Am 23.06.2020 verfügte das BFA die Zustellung jenes „Bescheids“ mittels RSa an die XXXX Adresse des Vereins, an welcher der BF zu jenem Zeitpunkt noch immer als obdachlos gemeldet war. Die Dokumente wurden mit dem Vermerk „Unbekannt“ dem BFA einlangend am 02.07.2020 retourniert.

17. Das BFA ersuchte in der Folge am 03.07.2020 den Verein um Mitteilung, ob der BF aktuell betreut werde. Laut Auskunft des Vereins vom 15.07.2020 befinde sich der BF seit einiger Zeit nicht mehr auf der Postliste und werde die amtliche Abmeldung zweimal im Jahr durchgeführt, sofern sich der ehemalige Klient nicht an einem Wohnort amtlich anmelde. Der BF werde nicht mehr durch den Verein in XXXX betreut.

18. Am 17.07.2020 ersuchte das BFA den Vater des BF um Bekanntgabe einer aktuellen Wohnadresse des BF und wurde das diesbezügliche Schreiben des BFA nach Zustellversuch hinterlegt.

19. Am 21.08.2020 erfolgte – unter Verweis auf die Auskunft des Vereins vom 15.07.2020 – die Hinterlegung des Bescheids vom XXXX gemäß § 8 Abs. 2 iVm. § 23 ZustG im Akt ohne vorhergehenden Zustellversuch, da der BF an der angegebenen Zustelladresse nicht mehr aufhältig sei. Eine neuerliche Abgabestelle könne nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden. Eine Verständigung gemäß § 23 Abs. 3 ZustG erscheine aufgrund des unbekannten Aufenthalts des BF als nicht zweckmäßig.

20. Die im Spruch genannte Rechtsvertretung des BF wandte sich am 31.05.2021 sowie 07.06.2021 an das BFA und forderte schließlich am 08.06.2021 unter Beifügung einer Vollmacht die Übermittlung des Aberkennungsbescheides sowie des Zustellnachweises per E-Mail an. Am 09.06.2021 übermittelte das BFA laut im Akt einliegenden E-Mail-Ausdruck unter dem Betreff „an BBU _ Mitteilung betreffend Zustellung und Aberkennungsbescheid Zahl XXXX “ eine PDF-Datei, mit dem Hinweis, dass die Behörde aufgrund der Anfrage vom 08.06.2021 den Aberkennungsbescheid übermittle und dieser am 21.08.2020 durch Hinterlegung im Akt zugestellt worden sei.

21. Mit Eingabe vom 23.06.2021 stellte der BF durch seine im Spruch genannte Rechtsvertretung den „Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gem § 71 AVG“ sowie erhob gleichzeitig gegen den „Bescheid“ vom XXXX das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang.

Begründend wurde insbesondere ausgeführt, der BF habe bis zum 05.03.2020 in XXXX über eine Hauptwohnsitzmeldung und zuletzt von 05.03.2020 bis 16.09.2020 in XXXX bei einem Verein über eine Kontaktstellenmeldung verfügt. Ab dem 16.09.2020 sei der BF in einer Obdachlosenunterkunft gemeldet gewesen. Diese Meldeänderung habe der BF dem BFA bekannt gegeben. Der BF habe selbst erst im Rahmen der Beratung zu dem Entzug seines Konventionsreisepasses im Mai 2021 vom gegenständlichen Bescheid bzw. dem Abschluss des Aberkennungsverfahrens erfahren. Im Rahmen der Akteneinsicht sei für die Rechtsvertretung eine versuchte Kontaktaufnahme, etwa über die Familie des BF, oder sonstige über einen Datenauszug hinausgehende Erhebungen zur Adresse des BF nicht ersichtlich gewesen. Zum „Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gem. § 71 AVG“ wurde im Wesentlichen näher ausgeführt, der BF habe am 28.05.2021 im Zuge seiner Beratung zum Entzug des Konventionsreisepasses von der Erlassung des Bescheides vom XXXX erfahren. Eine Kopie des Bescheides sei der Rechtsvertretung nach Anforderung mit Vollmacht am 09.06.2021 übermittelt worden, wodurch der Bescheid erstmalig ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung beginne – nach Anführung einer Kommentarstelle – frühestens mit Zustellung des gegenständlichen Bescheides an die nunmehrige Rechtsvertretung des BF am 09.06.2021, da frühestens zu diesem Zeitpunkt Kenntnis vom Inhalt des Bescheids bestanden habe. Der Antrag auf Wiedereinsetzung erfolge somit binnen offener zweiwöchiger Frist. Dem BF sei der angefochtene Bescheid durch Hinterlegung im Akt gemäß § 23 ZustG nicht rechtswirksam zugestellt worden. Zunächst sei davon auszugehen, dass der BF seine Mitwirkungspflicht gemäß § 8 ZustG nicht verletzt habe, da er zum Zeitpunkt der Änderung der Abgabestelle, nämlich am 05.03.2020 noch keine Kenntnis des am Vortrag (04.03.2020) eingeleiteten Verfahrens gegen ihn gehabt habe. Den BF würde eine Pflicht zur Mitteilung gemäß § 8 Abs. 1 ZustG jedoch nur – wie sich zweifelsfrei aus dem Gesetzeswortlaut ergeben – bei Kenntnis des Verfahrens treffen. Bereits aus diesem Grund sei eine Zustellung durch Hinterlegung ohne vorherigen Zustellversuch durch die Behörde nicht rechtmäßig erfolgt. Zudem sei als bisherige Abgabestelle jene Abgabestelle anzusehen, die nach Kenntnis der Partei vom Verfahren der Behörde als deren Abgabestelle bekannt sei. Daraus lasse sich schließen, dass die Verpflichtung zur Mitteilung einer Änderung der Abgabestelle erst mit dem Tag beginne, an dem der BF Kenntnis vom Verfahren vor der Behörde erlange. Seit diesem Zeitpunkt habe der BF jedoch nur Kontaktstellenmeldung und somit keine aufrechte Abgabenstelle gehabt. Auch aus diesem Grund könne den BF keine Pflicht zur Mitteilung über eine Änderung der Abgabestelle treffen, weil sohin auch nie eine bestanden habe, während der BF Kenntnis vom Verfahren gehabt habe. Das BFA hätte somit nicht gemäß § 8 Abs. 2 ZustG iVm. § 23 ZustG zustellen müssen, sondern hätte eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustG vornehmen müssen. Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht davon ausgehe, dass der BF, bereits in diesem Stadium des Verfahrens, seine Pflicht zur Mitteilung über die Änderung seiner Abgabestelle verletzt habe, hätte das BFA aus weiteren Gründen keine Zustellung durch Hinterlegung ohne vorherigen Zustellversuch vornehmen dürfen. Ein Vorgehen nach § 8 Abs. 2 ZustG sei nur zulässig, wenn eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden könne. Die Behörde müsse daher vor einer Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch die ihr zumutbaren Ermittlungen zur Feststellung einer Abgabestelle vornehmen. Sie müsse auch in der Lage sein, nachzuweisen, dass sie solche Ermittlungen vorgenommen habe. Der BF habe zum Zeitpunkt der Zustellung, wie auch bei der Zustellung der Ladung, noch immer die gleiche Kontaktstellenmeldung gehabt. Es wäre für das BFA ohne Schwierigkeiten möglich gewesen, den genannten Verein zu kontaktieren, bei dem der BF im gegenständlichen Zeitpunkt seine aufrechte Kontaktstellenmeldung gehabt habe, und nach der aktuellen Abgabestelle zu fragen. Das BFA habe lediglich den Verein um Ausfolgung der Ladung zur Einvernahmen ersucht – insbesondere habe es nicht gefragt, ob eine aktuelle Abgabestelle bestehe. Es wäre auch zumutbar gewesen, den Verein oder in XXXX befindliche Familienangehörige des BF nach dem derzeitigen Aufenthaltsort des BF zu fragen oder bei einer im Akt befindlichen Telefonnummer des BF anzurufen und die aktuelle Abgabestelle zu erfragen. Derartige zumutbare Ermittlungen bzw. Nachforschungen seien nicht unternommen worden und könnten nicht nachgewiesen werden. Eine ordnungsgemäße Zustellung an den BF selbst sei nicht erfolgt, sei der Bescheid dem BF erst mit Übermittlung an die Rechtsvertretung erstmals wirksam zugestellt worden und erfolge eine Beschwerdeerhebung binnen offener Frist. Auch der BF habe erst im Zuge der Rechtsberatung Kenntnis von der Existenz des angefochtenen Bescheides erlangt und frühestens mit Zustellung der Kopie des Bescheides an die Rechtsvertretung am 09.06.2021 Kenntnis vom Inhalt des Bescheides. Ein Verschulden, das der BF unter Umständen zu verantworten habe, sei ihm nicht zuzurechnen bzw. handle es sich hierbei – wenn – lediglich um einen minderen Grad des Versehens. Dem vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei stattzugeben, zumal auch kein Zweifel darüber bestehe, dass der BF infolge Versäumnis der Beschwerdefrist einen Rechtsnachteil erleide.

22. Das BFA legte die Beschwerde samt Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht am 19.07.2021 vor. Am 06.08.2021 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt – unter Verweis auf § 33 Abs. 4 VwGVG – an das BFA zurück.

23. Mit Bescheid vom XXXX wies das BFA den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG ab (Spruchpunkt I.) und wurde gemäß § 71 Abs. 6 dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die aufschiebende Wirkung zuerkannt (Spruchpunkt II.)

Begründend wurde insbesondere ausgeführt, der BF sei am 18.06.2020 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen worden und habe seitdem von gegen ihn geführtem Aberkennungsverfahren Kenntnis. Ein unabwendbares, unvorhergesehenes Ereignis, welches den BF daran gehindert habe, rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde einzubringen, liege nicht vor bzw. sei er nicht in der Lage gewesen, dies glaubhaft zu machen. Die vom ihm angeführten Gründe der verspäteten Einbringung seien auf seine Nachlässigkeit zurückzuführen und habe das BFA, wie aus dem Akt hervorgehend, alles versucht, um eine Zustelladresse herauszufinden. Unrichtig sei die Behauptung im Antrag, dass das BFA keinen Kontakt mit dem Verein aufgenommen habe. Des Weiteren sei der Vater des BF kontaktiert worden, damit dieser dem BFA eine aktuelle Adresse des BF bekannt gebe. Dieser habe auf das Schreiben jedoch nicht reagiert. Das BFA alles in seiner Macht gemacht, um an eine Zustelladresse zu gelangen, jedoch sei dies nicht möglich gewesen. Die Hinterlegung sei „richtig“ gewesen, umso mehr der BF spätestens mit 18.06.2020 von dem Aberkennungsverfahren gewusst habe, zumal er an diesem Tag vom BFA in diesem Verfahren einvernommen worden sei und hätte er spätestens ab diesem Tag bekannt geben müssen, wo seine Abgabestelle sei und hätte er das BFA auch informieren müssen, wenn sich die Abgabestelle ändere. Dies ergebe sich aus § 8 Abs. 1 ZustG. Es liege eine ordnungsgemäße Zustellung des Aberkennungsbescheids vor. In einer Gesamtschau würden sich die vorgebrachten Gründe für die Fristversäumnis nicht als ausreichend darstellen, um eine Wiedereinsetzung des Verfahrens zu erwirken, zumal es sich hierbei um kein unabwendbares, unvorhergesehenes Ereignis handle, sondern um das Verschulden des BF. Der BF, dem als ordentliche Prozesspartei entsprechende Sorgfaltspflichten träfen – hätte – bei Interesse an seinem Verfahren – sehr wohl die Möglichkeit gehabt, fristgerecht ein Rechtsmittel einzubringen, wenn der BF das BFA bezüglich der Abgabestelle informiert bzw. eine solche gemeldet hätte.

24. Dagegen erhob der BF durch seine im Spruch gerichtete Rechtsvertretung das Rechtsmittel der Beschwerde und führte im Wesentlichen, ergänzend zum Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag, aus, der BF sei im gegenständlichen Verfahren durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen und habe ihn höchstens ein minderer Grad des Versehens getroffen. Das BFA habe sich mit dem tatsächlichen, detaillierten Vorbringen des BF sowie mit der Frage des Grades des Verschuldens in keinster Weise auseinandergesetzt. Der BF habe sich zum Zeitpunkt der Bescheidzustellung in XXXX aufgehalten. Dies sei dem Verein bekannt gewesen und sei jener vom BFA über die versuchte Bescheidzustellung informiert worden. Hierbei habe es offenbar einen Irrtum gegeben und sei laut Bescheid dem BFA mitgeteilt worden, dass der BF von der Postliste abgemeldet worden sei. Tatsächlich sei dem Verein der Aufenthaltsort bekannt gewesen. Im Übrigen wurde in der Beschwerde im Wesentlichen darauf verwiesen, dass die Zustellung des Aberkennungsbescheides durch Hinterlegung im Akt gemäß § 23 ZustG nicht rechtswirksam erfolgt sei, zumal insbesondere die Verpflichtung zur Änderung der Abgabestelle erst mit dem Tag beginne, an dem der BF Kenntnis von dem Verfahren vor der Behörde erlange. Seit diesem Zeitpunkt habe der BF jedoch nur eine Kontaktstellenmeldung gehabt und somit keine aufrechte Abgabestelle, weshalb dem BF keine Pflicht zur Mitteilung über eine Änderung der Abgabenstelle treffen könnte. Eine Zustellung hätte durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustG erfolgen müssen. Auch hätte das BFA das Verfahren vorläufig einstellen können, da der Aufenthaltsort des BF zu diesem Zeitpunkt dem BFA nicht bekannt gewesen sei. Beantragt wurden u.a. die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung sowie die Stattgebung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

25. Am 06.10.2021 legte das BFA die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das BFA leitete am 04.03.2020 gegen den BF ein Aberkennungsverfahren gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ein und wurde am nämlichen Tag eine Zustellung eines Ladungsbescheides für den 01.04.2020 sowie eine Mitteilung über die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens an die damalige Abgabestelle des BF verfügt.

Der BF verfügte bis 05.03.2020 über eine Abgabestelle und war ab 05.03.2020 bis 16.09.2020 obdachlos gemeldet. Eine etwaige Abgabestelle des BF war dem BFA in der Folge nicht bekannt und hat der BF eine solche etwaige auch nicht gegenüber dem BFA angegeben. Ab 16.09.2020 liegt eine Hauptwohnsitzmeldung des BF vor.

Der BF hat am 23.03.2020 im Wege des Vereins, bei welchem er als obdachlos gemeldet war, eine Abberaumung der Ladung für den 01.04.2020 erhalten. Am 18.06.2020 wurde er im Aberkennungsverfahren vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Im Zuge dessen hat der BF angegeben, vor drei Monaten nach XXXX gezogen zu sein und bei der Freundin zu wohnen.

Nicht festgestellt werden kann, dass der BF bereits am 05.03.2020 in Kenntnis des gegen ihn eingeleiteten Aberkennungsverfahrens war bzw. darüber in Kenntnis gesetzt wurde.

Seitens des BFA wurde die Zustellung des als Bescheid bezeichneten Schriftstücks vom XXXX am nämlichen Tag an die damalige Meldeadresse (obdachlos) des BF mittels RSa verfügt. Dass dem BF jenes Dokument tatsächlich zugekommen ist, kann nicht festgestellt werden.

Am 21.08.2020 erfolgte, nach Rückfrage beim Verein sowie Versuch der Kontaktaufnahme mit dem Vater des BF seitens des BFA, die Hinterlegung des als Bescheid bezeichneten Schriftstücks vom XXXX im Akt gemäß § 23 Abs. 2 ZustG. Dass dem BF jenes Dokument tatsächlich zugekommen ist, kann nicht festgestellt werden.

Die im Spruch genannte Rechtsvertretung forderte am 08.06.2021 unter Beifügung einer Vollmacht für „Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht“ die Übermittlung des Aberkennungsbescheides sowie des Zustellnachweises per E-Mail beim BFA an. Am 09.06.2021 übermittelte das BFA per E-Mail unter dem Betreff „an BBU _ Mitteilung betreffend Zustellung und Aberkennungsbescheid Zahl XXXX “ eine PDF-Datei an die Rechtsvertretung, mit dem Hinweis, dass die Behörde aufgrund der Anfrage vom 08.06.2021 den Aberkennungsbescheid übermittle und dieser am 21.08.2020 durch Hinterlegung im Akt zugestellt worden sei. Die PDF-Datei ist der im Spruch genannten Rechtsvertretung zugekommen. Dass dem BF jenes Dokument tatsächlich zugekommen ist, kann nicht festgestellt werden.

Am 23.06.2021 stellte der BF durch seine im Spruch genannte Rechtsvertretung einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gemäß § 71 AVG und erhob Beschwerde gegen das als Bescheid bezeichnete Schriftstück vom XXXX .

Mit Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen und gemäß § 71 Abs. 6 AVG dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Dagegen erhob der BF durch seine im Spruch genannte Rechtsvertretung am 10.08.2021 das Rechtsmittel der Beschwerde.

2. Beweiswürdigung:

Der gegenständlich relevante Verfahrensgang und die relevanten Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des Verwaltungsaktes und der Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes. Einsicht genommen wurde insbesondere in das Zentrale Melderegister den BF betreffend.

Dass der BF bis 05.03.2020 über eine Abgabestelle verfügte, ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister und wurde auch vom BF nicht bestritten.

Dass er am 23.03.2020 im Wege des Vereins, bei welchem er als obdachlos gemeldet war, eine Abberaumung der Ladung für den 01.04.2020 erhalten hat, ergibt sich aus der im Akt einliegenden E-Mail des Vereins an das BFA vom 03.04.2020 (AS 47).

Dass eine etwaige Abgabestelle des BF dem BFA in der Folge nicht bekannt war und der BF auch eine solche etwaige nicht gegenüber dem BFA angegeben hat, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und hat der BF im Rahmen der Einvernahme am 18.06.2020 lediglich angegeben, vor drei Monaten nach „ XXXX “ gezogen zu sein und bei der Freundin zu wohnen. Eine Abgabestelle hat er nicht angegeben.

Dass der BF bereits am 05.03.2020 in Kenntnis des gegen ihn eingeleiteten Aberkennungsverfahrens war bzw. darüber in Kenntnis gesetzt wurde, konnte nicht festgestellt werden, zumal auch hinsichtlich der am 04.03.2020 verfügten Zustellung erst am 06.03.2020 ein erfolgloser Zustellversuch an der zu dem damaligen Zeitpunkt nicht mehr bestehenden Abgabenstelle des BF erfolgte. Auch das BFA geht im Bescheid vom XXXX davon aus, dass der BF seit 18.06.2020 Kenntnis davon habe, dass ein Aberkennungsverfahren gegen ihn geführt werde (AS 316).

Dass die vom BFA per E-Mail übermittelte PDF-Datei der im Spruch genannten Rechtsvertretung zugekommen ist, ergibt sich aus dem Vorbringen des BF durch die Rechtsvertretung im Verfahren. Dass dem BF jenes Dokument tatsächlich zugekommen ist, konnte nicht festgestellt werden, da jener nach dem Vorbringen bloß Kenntnis vom Inhalt des Bescheides habe und die E-Mail des BFA mit der PDF-Datei an eine E-Mail-Adresse der Rechtsvertretung gerichtet war.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und Verfahren:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird weder im VwGVG noch in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005) getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.2. Zum als Bescheid bezeichneten Schriftstück vom XXXX

3.2.1. Zum Zustandekommen eines Bescheides ist es erforderlich, dass er erlassen wird. Erst mit seiner Erlassung erlangt ein Bescheid rechtliche Existenz (VwGH 26.04.2000, 99/05/0239; 23.07.2009, 2007/05/0139). Solange ein Bescheid noch nicht erlassen wurde, kann er keine Rechtswirkung nach außen entfalten. Die Erlassung schriftlicher Bescheide hat durch Zustellung oder Ausfolgung zu erfolgen. Erlassen ist ein Bescheid ab dem Zeitpunkt, ab dem eine rechtswirksame Zustellung oder Ausfolgung vorliegt (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 [2019] Rz 426 f; mit Hinweis auf VwGH 26.06.2001, 2000/04/0190).

Eine physische Zustellung im Inland darf grundsätzlich nur an einer Abgabestelle im Sinne des § 2 Z 4 ZustG vorgenommen werden (aaO Rz. 205 mwN). Abgabestelle im Sinne der genannten Bestimmung sind die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort.

Eine Kontaktstelle im Sinne des § 19a Abs. 1 Z 2 MeldeG gilt als Abgabestelle im Sinne des ZustG, sofern der Obdachlose hiezu die Zustimmung des für diese Stelle Verfügungsberechtigten nachweist (Abs. 2 leg.cit.). Nach § 19a Abs. 1 MeldeG hat die Meldebehörde einem Obdachlosen auf Antrag nach dem Muster der Anlage D in zwei Ausfertigungen zu bestätigen, dass er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in dieser Gemeinde hat (Hauptwohnsitzbestätigung), wenn er glaubhaft macht, dass er seit mindestens einem Monat den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen ausschließlich im Gebiet dieser Gemeinde hat ( Z 1 leg cit) und im Gebiet dieser Gemeinde eine Stelle bezeichnen kann, die er regelmäßig aufsucht (Kontaktstelle) (Z 2 leg cit).

Eine Kontaktstelle gemäß § 19a Abs. 2 MeldeG ist in Verfahren vor dem Bundesamt jedoch keine Abgabestelle im Sinne des ZustG (§ 11 Abs. 1 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 56/2018 sowie idgF, BGBl. I Nr. 53/2019).

Gemäß § 8 Abs. 1 ZustG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist gemäß Abs. 2 leg. cit., soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Der mit „Hinterlegung ohne Zustellversuch“ betitelte § 23 ZustG lautet:

„§ 23. (1) Hat die Behörde auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift angeordnet, daß ein Dokument ohne vorhergehenden Zustellversuch zu hinterlegen ist, so ist dieses sofort bei der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes, beim Gemeindeamt oder bei der Behörde selbst zur Abholung bereitzuhalten.

(2) Die Hinterlegung ist von der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes oder vom Gemeindeamt auf dem Zustellnachweis, von der Behörde auch auf andere Weise zu beurkunden.

(3) Soweit dies zweckmäßig ist, ist der Empfänger durch eine an die angegebene inländische Abgabestelle zuzustellende schriftliche Verständigung oder durch mündliche Mitteilung an Personen, von denen der Zusteller annehmen kann, daß sie mit dem Empfänger in Verbindung treten können, von der Hinterlegung zu unterrichten.

(4) Das so hinterlegte Dokument gilt mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt.“

Der mit „Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung“ betitelte § 25 ZustG lautet:

„§ 25. (1) Zustellungen an Personen, deren Abgabestelle unbekannt ist, oder an eine Mehrheit von Personen, die der Behörde nicht bekannt sind, können, wenn es sich nicht um ein Strafverfahren handelt, kein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist und nicht gemäß § 8 vorzugehen ist, durch Kundmachung an der Amtstafel, daß ein zuzustellendes Dokument bei der Behörde liegt, vorgenommen werden. Findet sich der Empfänger zur Empfangnahme des Dokuments (§ 24) nicht ein, so gilt, wenn gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, die Zustellung als bewirkt, wenn seit der Kundmachung an der Amtstafel der Behörde zwei Wochen verstrichen sind.

(2) Die Behörde kann die öffentliche Bekanntmachung in anderer geeigneter Weise ergänzen.“

Unter "bisheriger Abgabestelle" im Verständnis des § 8 Abs. 1 ZustG ist jedenfalls eine solche zu verstehen, die die Partei während des anhängigen Verwaltungsverfahrens hatte und von der er weiß, dass sie der Behörde bekannt war (etwa VwGH 20.11.2001, 2000/09/0018).

Wann ein Verfahren anhängig wird, bestimmt sich nach den im jeweiligen Verfahren anzuwendenden Vorschriften. Bei amtswegigen Verfahren bedarf es, sofern die Tatsache der amtswegigen Einleitung eines Verwaltungsverfahrens nicht nach außen bekannt gegeben worden ist, jedenfalls eines von der Behörde intern eindeutig gesetzten Verwaltungshandelns, aus dem sich klar die Einleitung eines bestimmten Verfahrens ergibt. Es genügt noch nicht, dass die Behörde von einem sie zum amtswegigen Einschreiten verpflichtenden Sachverhalt Kenntnis erlangt, damit ein Verfahren „anhängig“ ist. (vgl. Bumberger/Schmid, Praxiskommentar zum Zustellgesetz § 8 K6 (Stand 1.1.2018, rdb.at).

Gegenständlich ist davon auszugehen, dass das amtswegige Aberkennungsverfahren am 04.03.2020 durch das BFA behördenintern eingeleitet wurde, zumal an jenem Tag die Verfahrenseinleitung mittels Aktenvermerk behördenintern dokumentiert wurde und Zustellungen an den BF verfügt wurden.

Von 05.03.2020 bis 16.09.2020 war der BF obdachlos gemeldet und verfügte über keine Abgabestelle, weil nach dem klaren Wortlaut des § 11 Abs. 1 letzter Satz BFA-VG eine Kontaktstelle gemäß § 19a Abs. 2 Meldegesetz im Verfahren vor dem Bundesamt keine Abgabestelle im Sinne des ZustG ist (dementsprechend erwiesen sich auch die verfügten physischen Zustellungen an die Obdachlosenadresse durch das BFA als unrechtmäßig). Eine etwaige Abgabestelle des BF war dem BFA nicht bekannt und hat der BF eine solche etwaige auch nicht gegenüber dem BFA angegeben.

An Fremde, die eine Kontaktstelle angegeben haben, ist grundsätzlich durch unmittelbare Ausfolgung nach § 24 ZustG, durch Zustellung am Ort des Antreffens gemäß § 24a ZustG, durch öffentliche Bekanntmachung nach § 25 ZustG oder durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach § 11 Abs 6 BFA-VG zuzustellen (vgl. Lipphart-Kirchmeir in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 11 BFA-VG Anm. 3 aE (Stand 1.3.2016, rdb.at); vgl. VwGH 11.6.2015, Ra 2014/20/0184, mwN, wonach ein Vorgehen nach § 8 Abs. 2 ZustG iVm § 23 ZustG – mangels Verletzung einer Mitteilungspflicht über eine Änderung der Abgabestelle – dann nicht in Betracht, wenn eine Partei (schon von Anfang an) keine Abgabestelle hatte. Dass eine Partei allenfalls ihren nach dem AsylG 2005 bestehenden Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist, ist dabei nicht relevant, weil es für die Zustellung nach § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustG nur auf eine Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 8 Abs. 1 ZustG ankommt).

Davon zu unterscheiden ist jene Sachverhaltskonstellation, in der eine Partei die unverzügliche Mitteilung der Änderung ihrer Abgabestelle unterlassen hat, wobei auch die Aufgabe einer Abgabestelle (selbst bei anschließender Obdachlosigkeit) eine solche Änderung darstellt (vgl. VwGH 11.6.2015, Ra 2014/20/0184, mwN).

Für vorliegenden Fall ist daher – entsprechend der angeführten Rechtsprechung – zu untersuchen, ob der BF die Pflicht der unverzüglichen Mitteilung der Änderung seiner Abgabestelle verletzt haben könnte, zumal jene Sachverhaltskonstellation, in welcher eine Partei (schon von Anfang an) keine Abgabestelle hatte, für gegenständlichen Fall nicht zur Anwendung gelangt, weil der BF zu mindestens für einen Tag – bis 05.03.2020 – während des ab 04.03.2020 (behördenintern) anhängigen Verfahrens über eine Abgabestelle verfügte.

Eine Pflicht zur Mitteilung im Sinne des § 8 Abs. 1 ZustG trifft den BF jedoch nur dann, wenn ein Verfahren anhängig war, von dem er Kenntnis hatte (etwa VwGH 12.05.2010, 2006/20/0766). Eine Partei hat dann im Sinne des § 8 Abs. 1 ZustG Kenntnis von einem Verfahren, wenn sie durch eigene Prozesshandlungen (z.B. Antragstellung) oder durch Amtshandlungen (z.B. Zustellung einer Ladung) tatsächlich vom Verfahren wusste (aaO).

Nicht festgestellt werden konnte, dass der BF bereits am 05.03.2020 in Kenntnis des gegen ihn eingeleiteten Aberkennungsverfahrens war bzw. darüber in Kenntnis gesetzt wurde.

Das Aberkennungsverfahren wurde zwar bereits am 04.03.2020 behördenintern eingeleitet, jedoch bis 05.03.2020 nicht gegenüber dem BF anhängig gemacht. Erst ab dem Zeitpunkt der Kenntnis vom Verfahren – welche, wie festgestellt, am 05.03.2020 beim BF noch nicht gegeben war – wäre der BF auch verpflichtet gewesen, im Sinne des § 8 Abs. 1 ZustG eine Änderung einer bisherigen Abgabestelle der Behörde zu melden (vgl. VwGH 20.11.2001, 2000/09/0018; 27.04.2006, 2005/20/0645). Der BF war gegenständlich nicht verpflichtet bzw. in der Lage, im Sinne des § 8 ZustG die Aufgabe seiner bis 05.03.2020 bestehenden Abgabestelle dem BFA bekannt zu geben, sodass auch ein Vorgehen nach § 8 Abs. 2 ZustG von vornherein nicht in Betracht kommt, zumal der BF erst zu einem Zeitpunkt in das Aberkennungsverfahren einbezogen worden ist, zu dem er obdachlos gemeldet war sowie zu dem eine etwaige Abgabestelle des BF dem BFA nicht bekannt war und der BF eine solche etwaige auch nicht gegenüber dem BFA angegeben hat (vgl. nochmals VwGH 20.11.2001, 2000/09/0018). Zu erwähnen sei der Vollständigkeit halber, dass das BFA spätestens am 18.06.2020, auch durch den BF selbst, die Aufgabe der bis 05.03.2020 bestehenden Abgabestelle erfahren hat, da er in der Einvernahme angegeben hat, vor drei Monaten nach „ XXXX “ gezogen zu sein; obwohl für ihn hierzu, wie oben ausgeführt, keine Pflicht bestand.

Dem entspricht auch der Zweck des § 8 ZustG, wonach „eine Partei, [die] in ein Verfahren bereits einbezogen [ist], sich weiteren in dieser Sache erfolgenden Zustellungen nicht durch Ändern ihrer Abgabestelle entziehen dürfen [soll].“ (vgl. Stumvoll in Fasching/Konecny3 II/2 § 8 ZustG Rz 1 (Stand 1.7.2016, rdb.at)).

Eine Kontaktstelle im Sinne des § 19a MeldeG ist in Verfahren vor dem BFA gemäß § 11 Abs. 1 BFA-VG jedoch keine Abgabestelle. In Bezug auf eine solche Kontaktstelle kann es auch keine Verletzung der Mitteilungspflicht geben (vgl. VwGH 19.03.2013, 2011/21/0244). Deshalb erweist sich auch die offenbare Annahme des BFA, der BF unterlag spätestens ab 18.06.2020 der Mitteilungspflicht im Sinne des § 8 ZustG als verfehlt, da es eine solche in Bezug auf eine Obdachlosenadresse (Kontaktstelle) nicht geben kann.

Es wäre daher gegenständlich durch unmittelbare Ausfolgung nach § 24 ZustG, durch Zustellung am Ort des Antreffens gemäß § 24a ZustG, durch öffentliche Bekanntmachung nach § 25 ZustG oder durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach § 11 Abs 6 BFA-VG zuzustellen gewesen. Ein Anwendungsfall des § 8 ZustG war nicht gegeben.

Die gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 Abs. 1 ZustG vorzunehmende Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch geht gemäß § 25 Abs. 1 erster Satz ZustG jener durch Kundmachung an der Amtstafel vor. Die von § 23 ZustG geforderte Hinterlegung beim Postamt, beim Gemeindeamt oder bei der Behörde kann demnach auch nicht durch eine öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustG ersetzt werden. Es handelt sich nämlich um völlig verschiedene Arten der Zustellung. Demzufolge ist aber auch eine (trotz Fehlens der Voraussetzungen) gemäß § 8 Abs. 2 ZustG angeordnete Zustellung nach § 23 ZustG nicht geeignet, die nach § 25 ZustG vorzunehmende Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung zu substituieren (vgl. VwGH 19.03.2013, 2011/21/0244 Rn. 2.2. mwN).

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so äußert ein derartiger Vorgang, vorbehaltlich einer Heilung des Zustellmangels, keine Rechtswirkungen (vgl. etwa Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 [2019] Rz 203/1 mwN).

Da die Hinterlegung im Akt gemäß § 23 ZustG am 21.08.2020 eine rechtswirksame Zustellung nicht darstellt, wurde hierdurch der Aberkennungsbescheid vom XXXX gegenüber dem BF nicht rechtswirksam erlassen.

Dass dem BF das Dokument im Sinne des § 7 ZustG tatsächlich zugekommen ist, konnte nicht festgestellt werden.

3.2.2. Der BF brachte durch seine Rechtsvertretung u.a. vor, der Aberkennungsbescheid vom XXXX sei vom BFA mit E-Mail vom 09.06.2021 (an BBU _ Mitteilung betreffend Zustellung und Asylaberkennungsbescheid Zahl XXXX ) der Rechtsvertretung übermittelt worden, wodurch der Bescheid erstmalig ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Er brachte durch seine Rechtsvertretung weiters vor, dass ab 09.06.2021 Kenntnis vom Inhalt des Bescheides bestanden habe.

Wird einer am betreffenden Verfahren als Partei zu beteiligenden Person von der Behörde der das Verfahren abschließende Bescheid auf eine im Zustellgesetz vorgesehene Weise übermittelt, so hat dies auch die Rechtswirkungen einer Zustellung. Nach der Rechtsprechung gilt dies auch für die Übermittlung einer Kopie, wenn sie den Kriterien des § 18 Abs. 4 AVG genügt. Diese Rechtswirkungen treten unabhängig davon ein, ob die Behörde mit der Übermittlung des Bescheides eine Zustellung im Rechtssinn beabsichtigte. Selbst wenn sie ausdrücklich zum Ausdruck brächte, eine Zustellung nicht bewirken zu wollen (etwa weil eine Absicht auf eine bloße Information gerichtet war), hätte die Übermittlung einer Bescheidausfertigung diese Folge. So verhindert die Kennzeichnung der an die elektronische Zustelladresse übermittelten Bescheidausfertigung als "Gleichschrift" eine wirksame Zustellung nicht (VwGH 21.11.2017, Ro 2015/12/0017 insb. Rn. 25 f; vgl. auch Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 [2019] Rz 427 FN 236 mwN, wonach es nach der Rechtsprechung unbeachtlich ist, ob die Behörde den Eintritt der Rechtswirkungen der Zustellung beabsichtigte).

Es stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit einer Übersendung eines E-Mails an die Rechtsvertretung als elektronische Zustellung.

Gemäß § 37 Abs. 1 1. Fall ZustG können Zustellungen ohne Zustellnachweis auch an einer elektronischen Zustelladresse erfolgen.

Selbst wenn man die Übermittlung eines E-Mails jedoch nicht als eine Übermittlung an eine elektronische Zustelladresse sehen möchte, gilt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes, unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, gemäß § 7 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist (VwGH 05.09.2018, Ro 2017/12/0010; VwGH 25.05.2007, 2006/12/0219); dies bei einer elektronischen Zustellung jener Zeitpunkt, in dem der Empfänger durch Zugriff auf das elektronisch bereitgehaltene Dokument Kenntnis davon erlangt hat (VwGH 05.09.2018, Ro 2017/12/0010; VwGH 21.11.2017, Ro 2015/12/0017; VwGH 14.12.2016, Ra 2016/19/0131; VwGH 09.11.2016, Ra 2016/19/0156).

Gegenständlich ist ausgehend vom Vorbringen des BF davon auszugehen, dass die Rechtsvertretung des BF am 09.06.2021 durch Zugriff auf das elektronisch bereitgehaltene Dokument Kenntnis davon erlangt hat.

Eine bewirkte Zustellung kann dadurch dennoch nicht aufgezeigt werden:

Das BFA richtete die E-Mail samt PDF-Datei an die im Spruch genannte Rechtsvertretung als Empfänger. Es ist jedoch gegenständlich nicht davon auszugehen, dass die Rechtsvertretung für die Empfangnahme des erstinstanzlichen Bescheides über eine Zustellvollmacht im Sinne des § 9 ZustG verfügte. Für die Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten sowie für das Vollmachtsverhältnis und seine Beendigung gelten die Regelungen des § 10 AVG (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 [2019] Rz 202), sodass davon auszugehen ist, dass eine Zustellvollmacht auch nur für Teile des Verfahrens erteilt werden kann (aaO Rz 145 mwN).

Nach der am 08.06.2021 durch die Rechtsvertretung dem BFA vorgelegten Vollmacht bezieht sich jene auf das Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen die Entscheidung des BFA zu Zahl XXXX ; von „dieser“ Vollmacht mitumfasst ist es, Rechtsmittel zu ergreifen, sämtliche mit dem Verfahren im Zusammenhang stehende Anträge zu stellen oder zurückzuziehen, Zustellungen aller Art anzunehmen, Einsichtnahme in alle betreffende Verfahren vorzunehmen, Aktenabschriften zu erstellen und Auskünfte einzuholen sowie überhaupt alles vorzunehmen, was für eine ordnungsgemäße Vertretung nützlich oder notwendig ist. Ebenso sind Nebenverfahren, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem bezeichneten Verfahren stehen, erfasst, so insbesondere gebührenrechtliche Anträge, Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Die Vollmacht umfasst ausschließlich das betreffende Verfahren samt Nebenverfahren, etwaige andere die Person des BF betreffende Verfahren vor dem BFA sind ausdrücklich ausgenommen.

Eine Vertretung beim Einbringen einer Beschwerde oder in einem Beschwerdeverfahren (Rechtsmittelverfahren) kann durch die bloße Anforderung eines noch nicht erlassenen „Bescheides“ per E-Mail, in einem erstinstanzlichen Verfahren vor dem BFA, nicht erblickt werden, zumal auch aus der Vorkorrespondenz der Rechtsvertretung mit dem BFA (insbesondere E-Mail vom 31.05.2021; vgl. auch E-Mail vom 07.06.2021 sowie 08.06.2021) hervorgeht, dass der Bescheid bloß für eine „Bescheidberatung“ bzw. Akteneinsicht angefordert wurde. Ein Rechtsmittelverfahren wurde erst vom BF durch seine Rechtsvertretung am 23.06.2021 anhängig gemacht.

Die gegenständliche Zustellvollmacht der Rechtsvertretung umfasste sohin nicht die Empfangnahme des erstinstanzlichen Bescheides.

Für die Zustellung des erstinstanzlichen Aberkennungsbescheides vom XXXX wäre – mangels diesbezüglicher Zustellvollmacht der Rechtsvertretung – sohin der BF als Empfänger zu bezeichnen gewesen. Die Zustellung an eine fälschlicherweise als Zustellbevollmächtigter bezeichnete Person entfaltet weder gegenüber dieser noch dem angeblich Vertretenen Rechtswirkungen. (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 [2019] Rz 202 f mwN).

Dass dem BF, an welchen zuzustellen gewesen wäre, das elektronische Dokument sonst tatsächlich („im Original“) zugekommen wäre, ist nicht hervorgekommen. Die bloße Kenntnis vom Vorhandensein und vom Inhalt des Dokuments genügt nicht (vgl. VwGH 03.10.2013, 2013/09/0103).

Der Aberkennungsbescheid vom XXXX wurde sohin mangels ordnungsgemäßer Zustellung gegenüber dem BF nicht rechtswirksam erlassen.

Für die wirksame Erlassung des Bescheides wäre sohin seitens des BFA eine ordnungsgemäße Zustellung zu veranlassen.

3.3. Zu I.

Zu Spruchteil A) Stattgabe der Beschwerde gegen den Bescheid XXXX , Zl. XXXX

3.3.1. Das BFA stützte die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf § 71 Abs 1 AVG. Dazu ist allerdings festzuhalten, dass bei Versäumen der Beschwerdefrist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung ist und nicht § 71 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (vgl. VwGH, 28.09.2016, Zl. Ro 2016/16/0013 oder auch zuletzt VwGH, 05.12.2018, Zl. Ra 2018/20/0441). Dies bedingt allerdings keine inhaltliche Änderung, zumal § 33 VwGVG dem § 71 AVG nachgebildet ist.

3.3.2. Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Gemäß § 33 Abs. 3 erster Satz VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

Gemäß § 33 Abs. 4 erster Satz VwGVG hat bis zur Vorlage der Beschwerde die Behörde über den Antrag mit Bescheid zu entscheiden. Gemäß dem dritten Satz der Bestimmung hat ab Vorlage der Beschwerde über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden.

Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt voraus, dass überhaupt eine Frist versäumt wurde. Wurde keine Frist versäumt, ist einem Wiedereinsetzungsantrag schon aus diesem Grunde nicht stattzugeben (vgl. die sowohl auf § 71 AVG als auch auf § 33 VwGVG übertragbare Judikatur; VwGH 20.05.1981, 81/03/0066, 0067, 0103, 0104 zur insofern vergleichbaren Bestimmung des § 46 Abs. 1 VwGG).

Nach der zu § 71 Abs. 1 AVG ergangenen – und insoweit auf § 33 Abs. 1 VwGVG übertragbaren – Rechtsprechung kann eine Versäumung der Frist aber nicht eintreten, wenn die Zustellung des Schriftstückes (z.B. des Bescheides oder der Ladung) nicht rechtswirksam, d.h. unter Einhaltung der Bestimmungen des ZustG, erfolgt ist. Ist ein Zustellvorgang gesetzwidrig, die Zustellung daher nicht rechtswirksam, so ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht der zum Ziel führende Rechtsbehelf, weil mangels des Beginns des Laufs der Berufungs- oder sonstigen Rechtsmittelfrist auch keine Frist versäumt werden kann (VwGH 22.05.1985, 85/03/0032; VwGH 23.10.1985, 85/02/0188, 0189; VwGH 27.09.1989, 89/02/0112; auch diese Rechtsprechung ist auf § 33 VwGVG übertragbar).

Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen Bescheide der belangten Behörde beginnt mit der Zustellung an die Partei. Solange keine wirksame Zustellung des Bescheids erfolgt ist, kann die Beschwerdefrist nicht zu laufen beginnen und folglich auch nicht versäumt sein.

Im konkreten Fall konnte, wie unter Pkt. 3.2. ausgeführt, die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom XXXX mangels ordnungsgemäßer Zustellung noch nicht zu laufen beginnen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher zusammengefasst deshalb zurückzuweisen, weil die Voraussetzung der Fristversäumnis mangels rechtswirksamer Zustellung nicht vorlag (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 72 Rz 145 mwN (Stand 1.1.2020, rdb.at))

Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gegenständlich gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

3.4. Zu II.

Zu Spruchteil A) Zurückweisung der Beschwerde vom 23.06.2021 gegen den „Bescheid“ vom XXXX

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss.

Da im vorliegenden Verfahren die Beschwerde zurückzuweisen ist, ist in Beschlussform zu entscheiden.

Im gegenständlichen Fall ist, wie unter Pkt. 3.2. ausgeführt, mangels rechtswirksamer Zustellung der Bescheid niemals Bestandteil der Rechtsordnung geworden.

Die Beschwerde vom 23.06.2021 richtet sich explizit gegen den mit XXXX datierten „Bescheid“, der jedoch - wie aufgezeigt - rechtlich nie existent wurde.

Es fehlt sohin an der für die Bescheidbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG wesentlichen Voraussetzung des Vorliegens eines rechtswirksam erlassenen Bescheides, weshalb die Beschwerde mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückzuweisen ist.

Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gegenständlich gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im gegenständlichen Fall konnte sich daher das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

mangelnder Anknüpfungspunkt rechtliche Beurteilung Rechtswidrigkeit Voraussetzungen VwGH Wiedereinsetzungsantrag Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W189.2244490.2.00

Im RIS seit

22.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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