TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/29 W150 2248538-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.11.2021
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Entscheidungsdatum

29.11.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs1
FPG §76 Abs2 Z1
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs3 Z1
FPG §76 Abs3 Z3
FPG §76 Abs3 Z9
FPG §76 Abs6
VwG-AufwErsV §1 Z5
VwGVG §35 Abs1

Spruch


W150 2248538-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. KLEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geb. XXXX 1981, StA. Serbien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, FN 525828b, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.11.2021, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z 2 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1, 3 und Z 9 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z 1 FPG idgF iVm § 76 Abs. 1, 3 Z 1, Z 3 und Z 9 und § 76 Abs.6 FPG idgF wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF iVm § 1 Z 5 VwG-AufwErsV idgF, hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von 887,20Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF abgewiesen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge auch: „BF“), ein Staatsangehöriger der Republik Serbien wurde am XXXX 1981 in Österreich geboren.

2. Dem BF wurde erstmals am 26.11.1993 eine Aufenthaltsbewilligung A erteilt.

3. Der BF wurde am 09.02.1998 mit Urteil des JGH Wien zur Zl. 4VR 81/97HV 19/97, zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, bedingt unter einer Probezeit von 3 Jahren, gemäß §§ 15, 142/1, 127, 128 Abs. 1/4, 129/1, u. 3, 130, 15, 229/1, 136/1 StGB verurteilt.

4. Der BF wurde am 20.03.1998 mit Urteil des JGH Wien zur Zl. 10 VR 140/97 HV 18/97, zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, bedingt unter einer Probezeit von 3 Jahren, nach §§ 15, 142/1, 127, 128 Abs. 1/1, 130, 1, 144/1, 83/1 StGB als Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des JGH Wien zur Zl. 4VR 81/97HV 19/97 verurteilt.

4. Der BF wurde mit Urteil des JGH Wien vom 22.10.1998 zur Zl. 11E VR 597/98 HV 44/98, wegen §§ 127/129/1, 208 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt.

5. Der BF mit Urteil des BG Favoriten vom 30.01.2001 zur Zl. 23 U 437/2000, wegen §§ 127, 229/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt.

6. Der BF wurde mit Urteil des JGH Wien vom 14.08.2001 zur Zl. 5 HV 1013/2001F, wegen §§ 127, 128 Abs. 1/4 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt als Zusatzstrafe zum Urteil des BG Favoriten vom 30.01.2001 zur Zl. 23 U 437/2000b.

7. Der BF wurde mit Urteil des JGH Wien vom 11.11.2002 zur Zl. 9HV 57/2002y, wegen §§ 127, 128 Abs. 1/4, 130, 229/1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt.

8. Der BF wurde mit Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 08.06.2006 zur Zl. 54 HV 64/2006k, wegen §§ 146, 148 (1. Fall), 127, 241 e/2, 128 Abs. 1/4, 147/2, 130 (2. Fall), 130 (1. Fall) StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt.

9. Der BF wurde mit Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 19.04.2011, Zl. 83 HV 36/2011P, wegen § 142/1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt.

10. Der BF wurde mit Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 06.10.2016 zur Zl. 051 HV 72/2016d, wegen §§ 127, 241e (1) 1. Satz StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt.

11. Dem BF wurde durch den Magistrat der Stadt Wien, MA 35, als zuständige Niederlassungsbehörde am 09.12.2016 ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ ausgestellt.

12. Der BF wurde zuletzt am 29.03.2017 mit Urteil des LG Wien zur Zl. 055 HV 27/2017t, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 5 Monaten gemäß § 107 Abs. 1 StGB verurteilt. Dabei sah es das Gericht als erwiesen an, dass der BF seine ehemalige Lebensgefährtin, mit der er bis 2016 eine Beziehung geführt hatte und der die gemeinsame Tochter entstammt, wiederholt gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper bedroht hat, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen. Das Gericht hielt dabei u.a. folgenden Sachverhalt fest:

„Nach Beendigung der Beziehung zwischen dem Angeklagten und [Name der ehemaligen Lebensgefährtin] begab sich der Angeklagte zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt im Zeitraum Mitte Oktober 2016 zu der damaligen Wohnung von [Name der ehemaligen Lebensgefährtin] in 1060 Wien, [Adresse der ehemaligen Lebensgefährtin] während [Name der Schwägerin der ehemaligen Lebensgefährtin] und ihre Kinder zu Besuch waren.

Nachdem [Name der ehemaligen Lebensgefährtin] ihm telefonisch mitteilte, dass er sie in Ruhe lassen sollte, schrie der Angeklagte von der Straße unter dem Fenster der Wohnung zu [Name der ehemaligen Lebensgefährtin] hinauf: „Du Hure, du Schlampe. Ich bringe dich um. Du wirst im Grab landen.“ Weiters rief er auch: „Du wirst im Gefängnis landen. Ich werde dir die Kinder wegnehmen.“ womit er meinte, dass er [Name der ehemaligen Lebensgefährtin] bei der Polizei anzeigen wollte, weil er davon ausging, dass sie neben den Kindern Marihuana rauchte.

Aus Angst, der Angeklagte könnte seine Drohungen war machen, verließ [Name der ehemaligen Lebensgefährtin] daraufhin mit ihrer Tochter ihre Wohnung und zog zu ihrem Bruder und [Name der Schwägerin der ehemaligen Lebensgefährtin] in deren Wohnung. Weiters brachte sie ihre Tochter in einem anderen Kindergarten unter.

Der Angeklagte hatte auf der Internetplattform Facebook einen Account mit dem Namen XXXX . Mit diesem Account schrieb er [Name der ehemaligen Lebensgefährtin] zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt im Zeitraum Ende Oktober bis Anfang Dezember 2016 unter anderem: „Ich bringe dich um, ich schwöre auf [Vorname der gemeinsamen Tochter]“ Dem Angeklagten kam es bei diesen Äußerungen darauf an, [Name der ehemaligen Lebensgefährtin] damit ernsthaft und nachdrücklich mit zumindest einer Verletzung am Körper zu bedrohen, um diese in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Dabei hielt er es ernstlich für möglich und fand sich damit ab, dass diese Wortwahl unter den konkreten Umständen geeignet war, [Name der ehemaligen Lebensgefährtin] begründete Besorgnis über ihre körperliche Unversehrtheit einzuflößen. Er hielt es darüber hinaus ernstlich für möglich gegenüber [Name der ehemaligen Lebensgefährtin] den Eindruck zu erwecken, in der Lage und gewillt zu sein, dieses in Aussicht gestellte Übel in die Tat umzusetzen, womit er sich auch abfand.“

13. Aufgrund der daraufhin vom BF und der Staatsanwaltschaft eingebrachten Berufungen wurde mit Urteil des OLG Wien vom 07.11.2017, 131 Bs 244/17w, die Berufung des BF wegen Nichtigkeit zurückgewiesen, jener wegen Schuld und Strafe nicht Folge gegeben, hingegen der Berufung der Staatsanwaltschaft Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 8 Monate erhöht.

Das OLG Wien ging dabei hinsichtlich der Strafzumessung davon aus, dass neben dem Vorliegen zweier einschlägiger Vorstrafen auch der besonders rasche Rückfall als erschwerend heranzuziehen sei. Es führte dazu aus: „Denn die hier gegenständlichen Taten wurden nicht einmal ein Jahr nach der letzten Haftentlassung am 11. Dezember 2015 und zudem noch während eines laufenden Rechtsmittelverfahrens in einem weiteren Strafverfahren gesetzt (Pkt 8 und 9 der Strafregisterauskunft).“ Weiters: „In Anbetracht der lediglich zum Nachteil des Angeklagten korrigierten Strafzumessungslage und des Fehlens jeglichen Milderungsgrundes erscheint die vom Erstgericht gefundene Sanktion, die den Strafrahmen nur zu etwas mehr als einem Drittel ausschöpft, insbesondere aus spezialpräventiven Gründen zu milde. Denn nach § 32 Abs 2 StGB ist bei der Bemessung der Strafe vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters zurückzuführen ist. Trotz mehrmaliger zum Teil massiver Verurteilungen wegen strafbarer Handlungen gegen diverse Rechtsgüter, unter anderem auch wegen mehrerer Gewaltdelikte und in einem Fall wegen eines Deliktes gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, setzte der Angeklagte nunmehr in raschem Rückfall gegen die Mutter seines Kindes weitere strafbare Handlungen. Da dem Angeklagten die Verbüßung zahlreicher Freiheitsstrafen, zuletzt sogar in der Dauer von fünf Jahren, nicht annähernd zu einem rechtstreuen Lebenswandel verhelfen konnte, musste jedenfalls mit einer deutlich spürbaren Sanktion vorgegangen werden. Nur so erscheint es möglich, ihm nachdrücklich die Untolerierbarkeit seiner Handlungen vor Augen führen zu können. Daher war die Strafe in Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft in spruchgemäßem Ausmaß anzuheben. Die Verhängung einer Geldstrafe anstatt einer Freiheitsstrafe nach § 37 StGB ist aus den dargestellten spezialpräventiven Überlegungen ebenso ausgeschlossen wie eine auch nur teilweise bedingte Nachsicht der verhängten Strafe.“

14. Gegen den BF wurde in der Folge seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge auch: „BFA“) ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet und der BF zu einer niederschriftlichen Einvernahme geladen.

Im Rahmen dieser niederschriftlichen Einvernahme am 16.01.2020 gab der BF auf die Frage nach seinem Gesundheitszustand an, dass er Substitol nehme, dies sei ein Drogenersatzstoff im Rahmen einer Therapie. Nach Vorhalt seiner strafgerichtlichen Verurteilungen gab er an, dass es ihm sehr leid tue es sei ein Blödsinn gewesen, er bereue es. Beim letzten Mal sei seine Mutter im Koma gelegen und dann gestorben. Er habe dann falsch reagiert. Der neue Freund seiner Mutter habe ihn nicht zu seiner Tochter gelassen, sie hätten sich gegenseitig beschimpft und deshalb hätten die Leute dann die Polizei gerufen. Sein Vater sei bettlägerig. Er sei in Österreich geboren und habe nie woanders gelebt. Er spreche Deutsch, etwas englisch, serbisch, könne aber nicht kyrillisch schreiben, ein bisschen lesen vielleicht. Er habe sich von seiner Frau scheiden lassen und habe eine Tochter von seiner alten Lebensgefährtin. Er sehe sein Kind nicht. Vor seiner Haft habe er in einer Reinigungsfirma gearbeitet, dann sei er Feinkostverkäufer gewesen und bei der MA 48 Vorarbeiter, jedoch nur als Saisonarbeiter. Es würden seine drei Brüder und zwei Schwestern in Österreich leben. Seine Geschwister würden auch zu seinem Vater kommen, diese hätten jedoch auch Familie. Niemand von seiner Familie lebe in Serbien. Er bekomme derzeit Geld vom AMS, Notstandshilfe. Er habe eine Bankomatkarte und eine Lebensversicherung auf € 30.000,00, die auf ihn laufe. Er sei in Österreich kranken- und unfallversichert. Er habe 9 Jahre die Grundschule besucht und eine Malerlehre begonnen, jedoch die Prüfung nicht geschafft. Er habe danach verschiedene Jobs gemacht, aufgrund seiner Haft jedoch nicht lange. Er sei nicht Mitglied in einem Verein. Er wolle arbeiten und ein Leben aufbauen.

15. Mit Bescheid des BFA vom 31.05.2021, Zl. 120318005/190328601, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Serbien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 1 FPG gegen ihn ein auf die Dauer von 6 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Begründend wurde zusammenfassend festgestellt, dass der BF mehrere Einträge im Strafregisterauszug aufweise, unter anderem wegen Raub, Erpressung, Betrug, Diebstahl und Körperverletzung. Trotz seines langjährigen Aufenthalts habe er es bis dato nicht geschafft, sich an die österreichischen Rechtsvorschriften zu halten. Zuletzt sei er am 07.11.2016 gemäß § 107 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt worden. Er gefährde mit seinem Verhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit, vor allem die Unversehrtheit Dritter und sei zusätzlich nur auf seinen finanziellen Vorteil bedacht und offensichtlich nicht gewillt, sich an die österreichischen Rechtsvorschriften zu halten. Da er in einem relativ kurzen Zeitraum erneut straffällig geworden sei, könne nicht ausgeschlossen werden, dass er erneut rückfällig werde. Eine Gesamtbeurteilung seines Verhaltens, seiner Lebensumstände sowie seiner familiären und privaten Anknüpfungspunkte habe daher im Zuge einer Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung eines Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dringend geboten, da sein Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle. Aufgrund des Umstandes, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit notwendig sei, sei einer möglichen Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen.

16. In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte der BF im Wege seines bevollmächtigten Vertreters im Wesentlichen vor, dass das gegenständliche Verfahren mit schwerwiegenden Verfahrensmängeln behaftet sei. Wiewohl der BF erhebliche Straftaten begangen habe, müsse berücksichtigt werden, dass er sein gesamtes Leben in Österreich verbracht habe, hier sozialisiert worden sei, weswegen er erhebliche Interessen an einem Verbleib in Österreich habe. In Österreich würden seine zwei Kinder leben, zu denen er aktuell keinen Kontakt habe, sowie zwei Schwestern und drei Brüder, seine elf Neffen und Nichten sowie Großneffen. Er lebe in Österreich mit seiner Lebensgefährtin zusammen. Er sei schwer suchtmittelabhängig und nehme täglich Drogenersatzmittel. Er sei wegen seiner körperlichen und psychischen Probleme arbeitsunfähig, weswegen er in Serbien mangels dort gegebener Unterstützungsmöglichkeiten nicht überleben könne. Bei der Prüfung, ob der BF eine gegenwärtige und hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, hätte die belangte Behörde die Reue des BF hinsichtlich seiner Taten sowie seinen Entschluss, sein Leben künftig zu ändern, berücksichtigen müssen sowie weiters die Tatsache, dass er in den letzten eineinhalb Jahren seit der Einvernahme straffrei geblieben sei. Bei richtiger Beweiswürdigung hätte die belangte Behörde daher zum Ergebnis kommen müssen, dass die Interessen des BF am Verbleib in Österreich die Interessen der Republik Österreich an der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würden und er keine hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.

17. Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (in weiterer Folge auch: „BVwG“) vom 22.07.2021, AZ. W105 2244042-1/3E, wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht zuerkannt.

18. Mit Erkenntnis des BVwG vom 17.08.2021, AZ W105 2244042-1/4E wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Dabei stellte das Gericht unter anderem fest, dass der BF nicht substantiiert dargelegt habe, dass ihm in Serbien eine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit drohe. Aufgrund seines Alters und Gesundheitszustandes sei er zu einer eigenständigen Bestreitung seines Lebensunterhalts im Zielstaat in der Lage.

19. Eine auf Ersuchen des BFA vom 24.08.2021 durch das Stadtpolizeikommando (SPK) 12 durchgeführte Hauserhebung an der Meldeadresse des BF in 1120 Wien seit Anfang September 2021 verlief zunächst trotz umfangreicher Erhebungen (Kontakt mit Wiener Wohnen, Hauserhebungen, Verständigungszetteln, Vorpasshaltung an der Adresse, Kontakt zu den Nachbarn, etc.), erst aufgrund der Wohnsitzmeldung im PAZ aufgrund der erfolgten Inschubhaftnahme konnte das SPK 12 dann später einen Aufenthaltsort des BF feststellen.

20. Am 30.09.2021 verständigte die Staatsanwaltschaft Wien das BFA davon, dass gegen den BF wegen § 241f StGB, § 27 Abs.1 2. Fall und 8. Fall SMG zu AZ. 037 063 ST 4/21 y Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen erhoben worden ist.

21. Am 03.11.2021 wurde der BF im Zuge einer Zufallskontrolle in einer Parkanlage in 1060 Wien, von Organen der LPD Wien beim Hantieren mit Suchtmittelutensilien (Spritzen und dgl.) angetroffen und gemäß § 34 Absatz 3 Ziffer 3 iVm § 40 Absatz 1 Ziffer 1 BFA-VG festgenommen und in das PAZ HG überstellt. Dabei wurden beim BF u.a. dessen Reisepass und ein Kügelchen Heroin sichergestellt.

22. Im Anschluss an eine niederschriftliche Einvernahme vor dem BFA wurde über den BF mit Mandatsbescheid die Schubhaft verhängt.

Die Überstellung des BF nach Serbien war bereits für den 11.11.2021 finalisiert.

23. Am 10.11.2021 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz und gab dabei auf Fragen u.a. folgendes an:

„Warum haben Sie ihr Land verlassen (Fluchtgrund): (Die Befragung ist durch den Antragsteller in eigenen Worten abschließend zu beantworten, ohne zu hinterfragen [Wer, Wann, Was, Wo, Wie, Wieso])“ „Ich habe Serbien nie verlassen. Ich bin in Österreich geboren und hier aufgewachsen. Auch bin ich in Wien zur Schule gegangen. Ich lebe hier und kenne niemanden in Serbien. Das Land ist mir fremd. Das sind alle meine Gründe.“

„Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat?“ „Ich habe keine Kontakte in Serbien und kenne dort auch niemanden. Auch habe ich dort keine Unterkunft.“

Das BFA hielt daraufhin am gleichen Tage mit Aktenvermerk gemäß § 76 Abs. 6 FPG fest, dass Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt werde und brachte diesen dem BF unmittelbar darauf zur Kenntnis.

24. Am 17.11.2021 wurde eine mittlerweile abgeschobene Person in die Zelle des BF gelegt, von der sich danach herausstellte, dass es sich um eine sogenannte K1-Person (Kontakt mit COVID-19 Infektionsfall) handelt. Der BF wurde daraufhin irrtümlich ebenfalls bis zum 26.11.2021 vormittags als K1 geführt und abgesondert. Sowohl die Tests hinsichtlich der K1-Person als auch des BF ergaben allesamt negative Resultate.

25. Am 22.11.2021 erhob der BF im Wege seiner Vertretung die gegenständliche Beschwerde gegen seine Inschubhaftnahme. Dabei brachte er zusammengefasst im Wesentlichen und soweit verfahrensrelevant vor, dass er seit 18.11.2021 faktischen Abschiebeschutz genieße und weder Fluchtgefahr noch eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bestehe. Weiters sei der BF aufgrund seines Gesundheitszustandes einer COVID-19- Risikogruppe zugehörig und auch sonst nicht haftfähig. Der BF sei in Österreich geboren, besitze eine eigene Wohnung und könne auch bei seinem Bruder wohnen, der ihn auch finanziell unterstützen könne. Er pflege ein gutes Verhältnis zu seinen in Österreich lebenden Familienmitgliedern. Es werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Einvernahme des BF beantragt. Das BVwG möge unter Kostenzuspruch aussprechen, dass die Anordnung der Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt seien und die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des BF nicht vorliegen.

25. Mit Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 und § 15a AsylG wurde dem BF am 23.11.2021 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag vollumfänglich abzuweisen.

26. Am 23.11.2021 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein. In einer Stellungnahme legte das Bundesamt den bisherigen Gang des Verfahrens dar und wies insbesondere darauf hin, dass der BF von 12.10.1981 bis 23.06.2000 durchgehend im Bundesgebiet aufrecht gemeldet gewesen sei. Seit 23.06.2000 weise er Meldelücken auf.

Erst im Zuge einer Zufallskontrolle in 1060 Wien, sei der BF von Organen der LPD Wien angetroffen worden, festgenommen und in das PAZ HG überstellt worden. Am 03.11.2021 sei über ihn die Schubhaft verhängt worden. Die Überstellung des Bf. in sein Herkunftsland Serbien sei bereits für den 11.11.2021 finalisiert gewesen. Erst nach mehreren Besuchen seitens der Rechtsberater/innen und seines Bruders habe der BF einen Tag vor seiner geplanten Abschiebung am 10.11.2021 den Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Als Fluchtgründe habe er angegeben: „Ich habe Serbien nie verlassen. Ich bin in Österreich geboren und hier aufgewachsen. Auch bin ich in Wien zur Schule gegangen. Ich lebe hier und kenne niemanden in Serbien. Das Land ist mir Fremd. Das sind alle meine Gründe.“ Der BF habe keine Fluchtgründe angeführt, sondern lediglich zu Protokoll gegeben, dass er in Serbien weder Bezugspersonen noch eine Unterkunft habe. Daher sei jedenfalls wohlbegründet anzunehmen, dass der im Stande der Schubhaft gestellte Antrag auf internationalen Schutz nur aus Verzögerungsabsicht gestellt worden sei.

An seiner letzten Wohnadresse in 1120 Wien habe der BF nicht angetroffen werden können, vielmehr sei der BF an einer Notunterkunft in Wien zeitweise anzutreffen. Die fehlende dauerhafte Wohnmöglichkeit ergibt sich auch aus der niederschriftlichen Einvernahme im Zuge der Schubhaftverhängung: „A: Ich habe nicht gewusst, dass ich ausreisen muss. Ich verbrachte die letzten Tage bei der Schlafstelle Jedtmayer in der Gumpendorfer Straße. Weil ich Hilfe brauche und jemanden zu reden bin ich nicht mehr zu Hause. Ich würde mich umbringen. Ich weiß nicht, was ich in Serbien machen soll. Wenn Sie mich abschieben, möchte ich aber meine Sachen holen.“

27. Am 23.11.2021 berichtigte der BF im Wege seiner Vertretung die gegenständliche Beschwerde dahingehend, dass sein Antrag auf internationalen Schutz sowie der Aktenvermerk zur Aufrechterhaltung der Schubhaft vom 10.11.2021 stammten.

28. Am 24.11.2021 wurde der BF vom BFA im Asylverfahren einvernommen. Dabei gab er zusammengefasst und soweit verfahrensrelevant unter anderem an, dass er – entgegen früherer Angaben seinerseits – noch verheiratet sei, allerdings getrennt von seiner Frau lebe und die Scheidung eingereicht sei. Er habe noch Kontakt mit seiner Ehefrau und sie habe gesagt, „dass wir Freunde bleiben und sie mich unterstützen wird. Sie wohnt in XXXX . Sie hat gesagt, dass ich bei ihr wohnen kann und sie mich voll unterstützen wird.“ Seinen Sohn habe er schon mehrere Jahre nicht gesehen. Mindestens seit sieben Jahren. Es sei schon länger her, dass er seine Tochter zuletzt gesehen habe. Vor ein paar Jahren. Dies liege daran, dass er Probleme mit dem neuen Freund der Kindesmutter habe. Er hätte eine Verurteilung wegen gefährlicher Drohung bekommen. Er habe drei Brüder in Österreich und zwei Schwestern. Seine Brüder machten sich große Sorgen wegen der Abschiebung. Die finanzielle Unterstützung werde nicht enorm sein, aber 100-150 Euro würden sie ihm schon jeweils monatlich geben können. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er an: „Ich stelle einen Antrag auf Asyl, weil ich mich erst informieren muss, wo ich in Serbien wohne. Ich kenne mich in Serbien nicht aus. Es tut mir leid, dass ich so oft verurteilt wurde. Ich würde Österreich gerne etwas zurückgeben und hier arbeiten.“ Weitere Fluchtgründe wolle er nicht geltend machen. Zur Frage, welche Gefahren ihm in seinem Heimatland drohten, führte er aus: „Ich mache mir Sorgen, dass ich keine Wohnung finde und die medizinische Versorgung nicht ausreichend ist. Bedroht wurde ich noch nie von irgendwem in Serbien. Ich war noch nie dort, außer mit meiner Ex-Frau. Ich kenne dort niemanden und habe deshalb auch keine Probleme mit jeglichen Personen.“ Er ergänzte, dass er so schnell wie möglich nach Serbien abgeschoben werden und daher unbedingt einen Rechtsmittelverzicht unterschreiben wolle.

29. Durch Bescheid des BFA vom 25.11.2021, Zl. 120318005/211701341, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bzw. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkte I. und II,), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 18 Abs. 1 Z 1, 2, 4, und 6 BFA-VG einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.). Dieser Bescheid wurde dem BF unmittelbar ausgefolgt und erwuchs aufgrund des vom BF im Anschluss daran abgegebenen Rechtsmittelverzichtes mit gleichem Tage in Rechtskraft.

30. Am 26.11.2021 übermittelte das BFA auf Anforderung des BVwG ein amtsärztliches Gutachten vom gleichen Tage, welches die Haft- und Verhandlungsfähigkeit des BF bestätigte.

31. Am 26.11.2021 vormittags informierte das PAZ das BVwG fernmündlich darüber, dass der BF als K1-Person (Kontaktperson CoViD-19) abgesondert wurde und daher nicht vorgeführt werden könne. Dieser Irrtum wurde jedoch in weiterer Folge ausgeklärt.

32. Am XXXX wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in deren Verlauf der BF zwar einige neue Details bezüglich seiner Familiensituation dartat (etwa, dass sein Sohn, bezüglich dessen er seine Vaterschaft jedoch anzweifelt, in Österreich lebe), sich sonst aber nichts substanziell Neues ergab, außer, dass sich die behauptete sehr schlechte Gesundheitssituation des BF sich durch Befunde nicht belegen ließ.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird der oben dargelegte Verfahrensgang zur Feststellung erhoben.

1.2. Der volljährige BF ist serbischer Staatsangehöriger, nicht österreichischer Staatsbürger oder Unionsbürger und verfügt über keine Aufenthaltsberechtigung in Österreich oder in einem anderen Mitgliedsstaat der EU.

Der BF spricht Deutsch auf muttersprachlichem Niveau und Serbisch. Ein Sohn des BF lebt in Österreich bei seiner Mutter, die vom BF als Ex-Ehegattin bezeichnete ehemalige Partnerin lebt in Serbien, die Tochter des BF lebt in Österreich bei der vom BF als ehemalige Lebensgefährtin bezeichneten Kindesmutter. Zu beiden Kindern hält der BF schon seit einigen Jahren keinen Kontakt und ist auch nicht obsorgeberechtigt.

Der BF leidet an keiner schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankung. Der BF ist arbeitsfähig. Der BF ist drogenabhängig und befindet sich daher in Substitutionstherapie. Es gibt keinen Nachweis dafür, dass der BF einer der COVID-19-Risikogruppen angehören würde.

Der BF verfügt über einen gültigen serbischen Reisepass.

Der BF war in den letzten 20 Jahren für lediglich acht Monate lang erwerbstätig und lebte überwiegend von staatlichen Leistungen (Arbeitslosengeld und Notstandshilfe).

Der BF war bzw. ist weder Mitglied eines Vereins noch einer Organisation.

Sonstige Anhaltspunkte die auf eine tiefgreifende Integration des BF in Österreich hinweisen, konnten nicht festgestellt werden.

Abgesehen von dem Umstand, dass der BF untertauchte und zeitweise in einer Obdachlosenunterkunft aufhältig war haben sich seit dem unangefochten gebliebenen Erkenntnis des BVwG vom 17.08.2021, AZ W105 2244 042-1/4E, weder die Lebensumstände des BF noch die Lage in Serbien wahrnehmbar geändert.

1.3. Die Anordnung der Schubhaft ist allein dem bisher gesetzten Verhalten des BF zuzurechnen, nämlich:
- Obwohl seit 18.08.2021 eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung ohne Gewährung einer Ausreisefrist und ein sechsjähriges Einreiseverbot vorlag, reiste der BF bis dato nicht aus.

- Der BF war an seiner letzten Meldeadresse jedenfalls seit September nicht mehr anzutreffen, er hat trotz seiner bestehenden Ausreiseverpflichtung der belangten Behörde auch nicht auf andere Weise seinen jeweils aktuellen Aufenthalt mitgeteilt, sondern hielt sich im Verborgenen auf. Der BF missachtet die Bestimmungen des österreichischen Meldegesetzes; seit 23.06.2000 weist er immer wieder Meldelücken auf.

- Der BF ist nicht vertrauenswürdig und machte mehrmals unrichtige Angaben zu seinen Familien- bzw. Lebensverhältnissen.

- Der BF weist zum Entscheidungszeitpunkt zehn strafgerichtliche Verurteilungen auf. Er befand sich zuletzt von 13.12.2010 bis 11.12.2015 in Strafhaft.

- Gegen den BF wird in Wien aktuell ein neues gerichtliches Strafverfahren wegen Eigentums- bzw. Suchtmitteldelikten geführt.

- Der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet gefährdet die öffentliche Ordnung und Sicherheit.

- Der BF ist nicht kooperationswillig. Der BF drohte nach seiner Festnahme am 03.11.2021 mit Selbstmord, um der Abschiebung nach Serbien zu entgehen und bekräftigte damit, weiterhin nicht ausreisewillig zu sein.

1.4. Es bestand zum Zeitpunkt der Schubhaftanhaltung erhebliche Fluchtgefahr seitens des BF und es besteht diese Fluchtgefahr zum Entscheidungszeitpunkt noch immer.

1.5. Der BF ist de facto mittellos.

1.6. Die aufgrund der aktuellen Covid-19 Pandemie ergriffenen Maßnahmen der Bundesregierung schränken die Verhängung der Schubhaft nicht ein.

1.7. Der aus dem Stande der Schubhaft vom BF gestellte Antrag auf internationalen Schutz wurde in erster Instanz rechtskräftig abgewiesen. Der BF wollte nach Zustellung einen diesbezüglichen Rechtsmittelverzicht abgegeben.

1.8. Eine Grobprüfung des Asylantrages des BF ergibt, dass nach Ansicht des zuständigen Einzelrichters dieser Asylantrag keinen glaubhaften Kern aufweist und daher im Falle der Zulässigkeit einer allfälligen Beschwerde des BF gegen die Entscheidung der ersten Instanz als unbegründet abzuweisen sein wird. Die Antragstellung erfolgte offensichtlich nur aus Verzögerungsabsicht.

1.9. Die Abschiebung des BF erscheint trotz der momentanen COVID-19 bedingten allgemeinen Einschränkungen nach Abschluss des Asylverfahrens als zeitnah möglich. Die Einreise nach Serbien ist möglich.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Inhalt der vorgelegten fremden- und asylrechtlichen Verwaltungsakten des Bundesamtes zu den Zl. 120318005/211701341 und 120318005/190328601, sowie den vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungs-gerichtes und Auszügen aus GVS, IZR, ZMR, der Anhaltedatei und aus den Ausführungen in der gegenständlichen Beschwerde vom 22.11.2021 sowie den Ausführungen des BF, seines Vertreters und der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung am XXXX .

2.1. An der serbischen Staatsangehörigkeit des BF bestanden nie Zweifel. Die Feststellung, dass der BF über einen gültigen serbischen Reisepass verfügt, ergibt sich aus dem Verfahren sowie dem Vorverfahren und ist unstrittig. Die Einschätzung seiner Sprachkenntnisse beruhen auf seinen diesbezüglichen Angaben in den vorangegangenen Verfahren bzw. in der vor dem BVwG durchgeführten mündlichen Verhandlung.

2.2. Die Feststellung zu den rechtskräftigen Entscheidungen im bisherigen fremdenrechtlichen Verfahren ergeben sich aus den Verfahrensakten und hg. Gerichtsakten. Die Angaben zu seiner Delinquenz ergeben sich aus einer aktuellen Strafregisterabfrage, den vorliegenden Urteilen zu seiner bis dato letzten strafgerichtlichen Verurteilung, die Angaben zu dem neuen Strafverfahren, das gegen den BF geführt wird ergeben sich aus der diesbezüglichen Mitteilung der StA-Wien an das BFA.

2.3. Eine legale Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers im Bundesgebiet innerhalb der letzten 20 Jahre über das von der belangten Behörde festgestellte Maß von acht (!) Monaten hinaus wurde bis dato nie dargelegt, seine de facto Mittellosigkeit ergibt sich aus der Anhaltedatei. Der behauptete Anspruch des BF auf einen Geldbetrag in der Höhe von 30.000,- EUR wurde bis dato nicht glaubhaft dargelegt, im Gegenteil dazu glaubt der BF selber, dass dieses Geld wohl sein Bruder schon unberechtigter Weise behoben hätte und er nicht wisse ob er dieses Geld wiedersehen könne (Einvernahme des BF am 24.11.2021 vor dem BFA).

2.4 Das Fehlen der Vertrauenswürdigkeit und Kooperationsbereitschaft des BF ergibt sich insbesondere daraus, dass er sich nach rechtskräftiger Erlassung der Rückkehrentscheidung nicht mehr an seiner Meldeadresse aufgehalten hat, auch sonst nicht der belangten Behörde mitgeteilt hat, wo er für diese erreichbar ist, sondern im Verborgenen aufgehalten hat. Weiters hat der BF mehrmals offensichtlich unrichtige Angaben zu seinen Lebens- und Familienverhältnissen gemacht.

Bei seiner Einvernahme am 16.01.2020 vor dem BFA hat er angegeben: „Ich habe mich von meiner neuen Frau scheiden lassen.“ Im ZMR scheint hingegen der Eintrag „verheiratet“ beim Familienstand auf. Bei seiner Erstbefragung am 10.11.2021 gab der BF an, verheiratet zu sein. Bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 24.11.2021 gab der BF an: „Wir leben getrennt und die Scheidung wurde eingereicht. Daheim habe ich auch die Bestätigung, dass ich geschieden bin.“ Bei seiner Erstbefragung am 10.11.2021 gab der BF bezüglich Serbien an: „Ich bin in Österreich geboren und hier aufgewachsen. Auch bin ich in Wien zur Schule gegangen. Ich lebe hier und kenne niemanden in Serbien. Das Land ist mir Fremd.“ Weiters: „Ich habe keine Kontakte in Serbien und kenne dort auch niemanden. Auch habe ich dort keine Unterkunft.“ Bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 24.11.2021 gab der BF jedoch auf die Frage „Haben Sie noch Kontakt mit Ihrer Ehefrau?“ an: „Ja, sie hat gesagt, dass wir Freunde bleiben und sie mich unterstützen wird. Sie wohnt in XXXX . Sie hat gesagt, dass ich bei ihr wohnen kann und sie mich voll unterstützen wird. Sie hat nie ganz in Österreich gewohnt, sondern immer drei Monate hier und drei Monate unten.“

2.5. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers beruhen auf den im fremdenrechtlichen Verfahren, einschließlich des damaligen Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG und in der im jetzigen Verfahren durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem BVwG entstandenen Eindruck, der eigenen Angaben des BF, dem fast tagesaktuellen amtsärztlichen Gutachten und des Fehlens anderslautender medizinischer Befunde.

2.6. Die Angaben zur fehlenden Ausreisewilligkeit ergeben sich aus der unterlassenen Ausreise, dem Untertauchen des BF, des angedrohten Selbstmordes, der Asylantragsstellung aus Verzögerungsabsicht und aus den Aussagen des BF im Rahmen der vor dem BVwG durchgeführten mündlichen Verhandlung, in der er im Kontrast zu seinen Ausführungen fünf Tage davor vor dem BFA wiederum angab, niemand in Serbien zu kennen: „Herr Richter, es tut mir leid was ich gemacht habe, aber ich habe niemanden in Serbien, ich habe keinen Schlafplatz und keine Medikamente. Das wichtigste ist Morphin. Ich weiß nicht wo ich hingehen soll, ich war zwei bis dreimal kurz in Serbien. Es war für mich ganz, ganz fremd und bin wieder nach Wien zurückgekommen, weil alles für mich fremd war. Mein Land, mein Staat ist Österreich.“

2.7. Das Vorliegen einer Covid-19 Pandemie und die dazu ergangenen Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung sind notorisch. Die Pandemie wurde von der WHO am 11.03.2020 ausgerufen. Innerstaatliche Einschränkungen welche die Vollziehung der Schubhaft in Österreich einschränken, sind durch die aktuell geltenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie nicht gegeben.

2.8. Die Ausführungen zu den Reisemöglichkeiten bzw. –beschränkungen ergeben sich aus den aktuellen im Internet für jedermann abrufbaren Informationen des BMEIA (https://www.bmeia.gv.at/oeb-belgrad/reisen-nach-oesterreich/coronavirus-covid-19-und-reisen/)

2.9. Die übrigen Fakten ergeben sich aus der diesbezüglich unbedenklichen Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

4. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Dazu die Materialien des Gesetzgebers:

Zu Abs. 2a:

Nach geltender Rechtslage ist eine Anordnung der Schubhaft zwecks Sicherstellung einer Außerlandesbringung bzw. zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung zulässig, sofern dies wegen Fluchtgefahr notwendig ist, außerdem die Haft verhältnismäßig ist und sich der Haftzweck mit einem gelinderen Mittel nicht wirksam verwirklichen lässt.

Eine "Fluchtgefahr" gemäß § 76 Abs. 3 sowie eine Fluchtgefahr im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, ABl. Nr. L 180 vom 29.06.2013 S. 31 (im Folgenden: "Dublin-Verordnung"), liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder die Abschiebung wesentlich erschweren wird. In § 76 Abs. 3 Z 1 bis 9 werden in einer auf der Judikatur des VwGH basierenden demonstrativen Aufzählung jene Kriterien aufgezählt, die bei der Prüfung des Vorliegens von Fluchtgefahr zu berücksichtigen sind. Auch wenn die Verhängung von Schubhaft gemäß höchstgerichtlicher Judikatur nicht der Aufdeckung oder Verhinderung von Straftaten oder ihrer Sanktionierung dient, sondern der Erfüllung eines administrativen Sicherungszweckes (vgl. VwGH 30.08.2007, 2006/21/0107; 22.11.2007, 2006/21/0189; 17.03.2009, 2007/21/0542; 20.10.2011, 2008/21/0191; 22.12.2009, 2009/21/0185 uvw. sowie VfGH 08.03.1994, G 112/93 = VfSlg. 13715), erhöht ein allfälliges strafrechtliches Fehlverhalten des Fremden in der Vergangenheit das öffentliche Interesse an der Überwachung der Ausreise (vgl. § 46 Abs. 1 Z 1) bzw. der baldigen Durchsetzung der Abschiebung und ist daher mittelbar auch für die Verhältnismäßigkeit der Anordnung der Schubhaft von Bedeutung. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des VwGH (VwGH 17.03.2009, 2007/21/0542; 23.09.2010, 2009/21/0280; 22.12.2009, 2009/21/0185).

Auf eine etwaige Straffälligkeit des Fremden wird nach dem bisherigen Gesetzeswortlaut nicht ausdrücklich abgestellt. Es ist daher angezeigt, nunmehr in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des VwGH explizit zu normieren, dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung neben anderen Faktoren auch das bisherige strafrechtliche Fehlverhalten des Fremden zu berücksichtigen ist, insbesondere, ob sich aufgrund der Schwere der Straftaten das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößert. Klarzustellen ist, dass der vorgeschlagene Abs. 2a ein strafrechtliches Fehlverhalten des Fremden nicht zu einer notwendigen Voraussetzung für die Anordnung der Schubhaft macht. Vielmehr ergibt sich aus dem Wort "auch" und der Bezugnahme auf ein "allfälliges" strafrechtliches Fehlverhalten, dass bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht nur einem strafrechtlichen Fehlverhalten, sondern auch anderen Faktoren Bedeutung zukommen kann. Ebenso wenig ist aus Abs. 2a ein Umkehrschluss des Inhalts zu ziehen, dass über einen Fremden, dem keine strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen zur Last liegen, anstelle der Schubhaft nur mehr ein gelinderes Mittel angeordnet werden dürfte.

Zu Abs. 1:

Dieser Absatz entspricht weitestgehend dem bisherigen Abs. 1 und Abs. 1a. Die Definition der Schubhaft bleibt unverändert. Unter "Fremde" im Sinne dieser Bestimmung sind sowohl illegal als auch rechtmäßig aufhältige Fremde sowie Asylwerber zu verstehen. Bei rechtmäßig aufhältigen Fremden müssen jedoch naturgemäß stärkere Hinweise für eine Fluchtgefahr vorliegen als bei unrechtmäßig aufhältigen Fremden (Verhältnismäßigkeit). Gegen Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte kann Schubhaft aufgrund von § 1 Abs. 2 FPG nicht verhängt werden.

Zu Abs. 2:

Dieser Absatz soll bestimmen, unter welchen grundlegenden Voraussetzungen Schubhaft zulässig ist. Eine Schubhaft ist demgemäß zur Sicherung eines Verfahrens zulässig und sofern zudem Fluchtgefahr bzw. Sicherungsbedarf besteht. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit wird nun dezidiert in die Bestimmung aufgenommen. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (ua. B 362/06 vom 24. Juni 2006; B 1330/06 sowie B 1331/06 vom 15. Juni 2007) ist die Behörde verpflichtet, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist. Betreffend das Kriterium der Verhältnismäßigkeit gilt, dass die Behörde verpflichtet ist, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken. Diesbezüglich erörterte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. Mai 2011, 2008/21/0527, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig" (VwGH vom 19. Mai 2011, 2008/21/0527). Die Bestimmung ist in zwei Ziffern gegliedert, um die Schubhaftfälle außerhalb des Anwendungsbereiches der Dublin-Verordnung (Z 1) von den Dublin-Fällen (Z 2) zu unterscheiden. Für letztere gelten die Voraussetzungen der Dublin-Verordnung unmittelbar, weshalb sich in diesen Fällen die Vorraussetzung der Verhältnismäßigkeit und der erheblichen Fluchtgefahr direkt aus dem Unionsrecht ergibt (siehe Art. 28 Abs. 2 Dublin-Verordnung). Weiters siehe Erläuterungen zu Abs. 3 Z 6.

Zu Abs. 3:

In diesem Absatz werden die Tatbestände, welche bei der Feststellung der Fluchtgefahr insbesondere zu berücksichtigen sind, näher determiniert. Es handelt sich bei der Schubhaftverhängung bzw. der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, nach wie vor um eine Abwägungsentscheidung, in die die in den Ziffern des Abs. 3 genannten Kriterien einfließen. Trotz der umfassenden Neuformulierung des § 76 FPG ist damit keine grundlegende rechtliche Änderung intendiert. Die genannten Kriterien zum Vorliegen von Fluchtgefahr spiegeln die herrschende Rechtsprechung insbesondere des Verwaltungsgerichtshofes zur Schubhaft wider. Es handelt sich daher lediglich um die Festschreibung der gängigen Judikatur. Insbesondere wurde durch die Formulierug des Absatz 3 der neuesten VwGH-Rechtsprechung vom 19. Februar 2015 (GZ Ro 2014/21/0075) Rechnung getragen. Grundsätzlich ist eine Inhaftnahme zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren gemäß Art. 28 Abs. 2 Dublin-Verordnung zulässig, sofern eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich gelindere Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Fluchtgefahr wird in Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung mit dem Vorliegen von Gründen im Einzelfall definiert, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und annehmen lassen, dass sich der Betreffende dem laufenden Überstellungsverfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte. Der VwGH hielt dazu fest, dass die Bestimmungen des bisherigen § 76 Abs. 2 keine - gesetzlich festgelegten - objektiven Kriterien für die Annahme von erheblicher Fluchtgefahr iSd Dublin-Verordnung enthielten. Die Dublin-Verordnung verlange gesetzlich festgelegte Kriterien zur Konkretisierung der in der Verordnung für die Schubhaftverhängung normierten Voraussetzung des Vorliegens von Fluchtgefahr. Diese Kriterien fanden nunmehr durch die deklarative Aufzählung der Tatbestände Eingang in Absatz 3 und lassen allesamt annehmen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Bei Dublin-Fällen ist insbesondere auch Z 6 zu beachten. Die Definition der Fluchtgefahr gilt für sämtliche Schubhaftfälle, also auch für jene im Rahmen der Dublin - Verordnung (Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung).

Z 1:

Der Begriff Rückkehr stammt aus der Rückführungsrichtlinie (Art. 3 Z 3) und umfasst sowohl die freiwillige als auch die erzwungene Rückführung. Diese Ziffer ist sowohl durch Art. 15 der Rückführungsrichtlinie als auch Art. 8 Neufassung der Aufnahmerichtlinie gedeckt. Zudem gibt es hierzu bereits gefestigte höchstgerichtliche Judikatur. So hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass die bereits manifestierte wiederholte Weigerung bei der Abschiebung mitzuwirken sowie deren erfolgreiche Vereitelung ausreichend Sicherungsbedarf begründet (VwGH vom 11. Juni 2013, 2012/21/0114 und vom 30. August 2011, 2008/21/0588). In einem frühen Stadium des Asylverfahrens bedarf es besonderer Umstände, die ein Untertauchen des betreffenden Fremden schon zu diesem Zeitpunkt konkret befürchten lassen. In einem späteren Stadium des Asylverfahrens, insbesondere nach Vorliegen einer durchsetzbaren Ausweisung, können unter Umständen auch weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung für die Annahme eines Sicherungsbedarfs genügen (VwGH vom 23. September 2010, 2007/21/0432).

Z 2:

Diese Bestimmung findet sich im Wesentlichen bereits im bisherigen § 76 Abs. 2 Z 3 und ist auch je nach betroffenem Personenkreis sowohl in Art. 8 lit. d Neufassung der Aufnahmerichtlinie sowie in Art. 15 Rückführungsrichtlinie vorgesehen.

Z 3:

Die Notwendigkeit der Schubhaft kann sich daraus ergeben, dass sich der Fremde vor der Einreise in das Bundesgebiet in einem anderen Staat dem behördlichen Zugriff entzogen und hierüber nach seiner Einreise zusätzlich falsche Angaben gemacht hat (VwGH vom 28. Juni 2007, 2006/21/0051). Zur Prüfung des Sicherungserfordernisses ist auf alle Umstände des konkreten Falles Bedacht zu nehmen, um die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens, als schlüssig anzusehen. Dabei kommt insbesondere dem bisherigen Verhalten des Fremden Bedeutung zu. Die konkrete Situation des Asylwerbers muss geprüft werden, auch wenn er als Fremder vorher in einem sicheren Drittland einen Asylantrag gestellt hat (vgl. VwGH vom 30. August 2007, 2006/21/0027).

Z 4:

Wenn der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, kann Schubhaft verhängt werden. Erforderlich ist jedoch eine bereits tatsächlich erfolgte (und nicht nur für die Zukunft in Aussicht gestellte) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 (VwGH vom 17. November 2011, 2010/21/0514).

Z 5:

Liegt eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor, so kann ab diesem Zeitpunkt die Schubhaft daher jedenfalls (auch) der Sicherung der Abschiebung dienen. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt aber nur dann in Betracht, wenn mit der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist (VwGH vom 28. August 2012, 2010/21/0517). In späteren Stadien des Asylverfahrens - insbesondere nach Vorliegen einer durchsetzbaren Ausweisung - können schon weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung die Annahme eines Sicherungsbedarfs rechtfertigen (VwGH 20. Oktober 2011, 2008/21/0191). Z 6: Auch bei Fällen mit Dublin-Bezug ist darauf zu achten, dass die Schubhaftverhängung keine Standardmaßnahme gegen Asylwerber sein darf (VwGH vom 28. Februar 2008, 2007/21/0391). Siehe auch Erläuterungen zu Z 3.

Z 6:

berücksichtigt insbesondere die bisherige Judikatur des VwGH, wonach für die Schubhaftverhängung "besondere Gesichtspunkte vorliegen [müssen], die erkennen ließen, es handle sich um eine von den typischen "Dublin-Fällen" abweichende Konstellation, in der mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auf Grund konkreter Anhaltspunkte auf eine drohende Verfahrensvereitelung durch den Fremden geschlossen werden könne" (Zl Zl 2014/21/0075 sowie Zl 2013/21/0170 mwN).

Z 7:

Unter diese Ziffer fallen unter anderem Fälle, in denen sich der Fremde aktuell dem gelinderen Mittel entzogen hat (§ 77 Abs. 1 FPG), da dann angenommen werden kann, dass der Zweck der Schubhaft nicht durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Ebenso fallen darunter jene Fälle, in denen sich der Fremde schon in der Vergangenheit dem gelinderen Mittel entzogen hat, in der Zwischenzeit nicht greifbar war und nun wieder aufgetaucht ist. Grundsätzlich gilt der Vorrang des gelinderen Mittels (VfGH vom 3. Oktober 2012, G140/11 ua - G86/12 ua). Fehlt ein Sicherungsbedürfnis, darf jedoch weder gelinderes Mittel noch Schubhaft angeordnet werden (VwGH vom 17.10.2013, 2013/21/0041).

Z 8:

Die Verletzung von Auflagen, Mitwirkungspflichten, der Gebietsbeschränkung oder Meldeverpflichtung kann ein Indiz für das Vorliegen von Fluchtgefahr sein, wobei auch hier gilt, den konkreten Einzelfall zu berücksichtigen. Der Tatbestand der Verletzung der Gebietsbeschränkung fand sich bisher in § 76 Abs. 2a Z 2 (VwGH vom 26. August 2010, 2010/21/0234).

§ 76 Abs. 3 Z 8 stellt klar, dass die Verletzung von Meldepflichten ein Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Fluchtgefahr sein kann. Dies gilt nicht nur für die Verletzung der bisher ausdrücklich genannten Meldepflichten, sondern auch für die Missachtung des § 38b SPG. Es ist daher sachgerecht, diese Bestimmung in die Aufzählung aufzunehmen.

Z 9:

Dem Gesichtspunkt einer "sozialen Verankerung in Österreich" kommt im Zusammenhang mit der Verhängung der Schubhaft wesentliche Bedeutung

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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