TE Bvwg Beschluss 2021/5/10 W281 2169470-5

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Veröffentlicht am 10.05.2021
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Entscheidungsdatum

10.05.2021

Norm

BFA-VG §22a
BFA-VG §34
BFA-VG §40
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §22 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §35 Abs3

Spruch


W281 2169470-5/11E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Rosemarie HALBARTH-KRAWARIK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, vertreten durch: RA Dr. Gustav ECKHARTER, betreffend die Ausübung von unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 13.03.2018:

A)

I. Die in der Beschwerde gestellten Anträge werden gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

II. Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 22 Abs. 1 VwGVG nicht zuerkannt.

III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt; BFA, belangte Behörde) vom 03.03.2015 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF) auf internationalen Schutz vom 08.01.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel gemäß § §57 oder 55 AsylG (Spruchpunkt III. erster Satz), erlieg gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt III. zweiter Satz), stellte fest, dass die Abschiebung nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt III. dritter Satz) und erkannte einer Beschwerde gegen die diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG ab (Spruchpunkt IV.).

Am 10.03.2015 erhob der BF gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, welche am 27.03.2015 dort einlangte.

Mit Beschluss vom 02.04.2015, L516 2104527-1/3Z, wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Am 06.05.2015 leitete das Bundesamt eine Kopie der Zurückziehung der Beschwerde datiert mit 19.03.2015, einlangt beim Bundesamt am 20.03.2015, an das Bundesverwaltungsgericht weiter.

Mit Aktenvermerk vom 12.05.2015, L516 2104527-1/7E, stellte das Bundesverwaltungsgericht das Beschwerdeverfahren ein.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 30.08.2017, wurde dem BF Aufenthaltstitel gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I. erster Satz), eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gegen den BF erlassen (Spruchpunkt I. zweiter Satz), festgestellt, dass die Abschiebung nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) und gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 FPG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Am 11.09.2017 erhob der BF gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, welche am 29.09.2017 dort einlangte.

Mit Beschluss vom 04.10.2017, L525 2104527-2/4Z, wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 30.08.2017 wurde über den BF die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Er wurde von 30.08.2017 bis 31.08.2017 in Schubhaft angehalten.

Gegen die Festnahme, Anhaltung, den Bescheid und die Feststellung der Unzulässigkeit einer Abschiebung erhob der BF am 01.09.2017 Maßnahmenbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Die Verfahren zu W137 2169470-1, W137 2169470-2, W137 2169470-3 und W137 2169470-4 sind beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.

4. Am 09.03.2018 wurde ein Festnahmeauftrag gegen den BF gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG gefertigt. Am 09.03.2018 wurde ein Durchsuchungsauftrag gegen den BF gemäß § 35 BFA-VG gefertigt.

5. Am 13.03.2018 konnte der BF an der im Festnahmeauftrag angeführten Adresse nicht angetroffen werden. Eine Festnahme erfolgte nicht.

6. Mit Schriftsatz vom 14.03.2018 erhob der BF durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter Beschwerde gemäß Art 130 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 Z 1 sowie Art 132 Abs. 2 B-VG gegen die von der belangten Behörde am 13.03.2018 gesetzten Zwangsmaßnahmen wegen „absoluter“ Rechtswidrigkeit.

Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass der Beschwerde des BF vom 11.09.2017 gegen den Bescheid vom 30.08.2017 mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.10.2017, „L525 5104527-2/4Z“ (Anmerkung: Zahl dem Bundesverwaltungsgericht nicht bekannt, gemeint wohl: L525 2104527-2/4Z) die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuerkannt worden sei, womit die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Pakistan rechtsunwirksam geworden sei.

Am 13.03.2018 sei in den frühen Morgenstunden im Auftrag der belangten Behörde mit allen Mittel versucht worden, der Person des BF zwecks Verhängung der Schubhaft samt Abschiebung habhaft zu werden und sei um 04:45 Uhr der Vater des BF mit der Frage aus dem Bett geläutet worden, ob er sich in der Wohnung aufhalten würde, da es einen Festnahmeauftrag zwecks Abschiebung gäbe. Er sei der Verhaftung entgangen, da sich der BF berufsbedingt auf einer Baustelle in Tirol befunden habe.

Der Anfrage des Rechtsvertreters des BF bei der belangten Behörde habe die mehr als unhöfliche, rüde und durchaus als ungebührlich frech und wirsch zu bezeichnende Antwort ergeben, dass die Beschwerde zurückgezogen worden sei, wodurch die Verhängung der Abschiebung möglich wäre und diese zu vollziehen wäre. Auf den Vorhalt, dass gegen den Bescheid vom 30.08.2017 Beschwerde eingebracht worden sei und auch das Verfahren über die Schubhaftbeschwerde noch anhängig sei, wäre der Vorhalt gekommen dass das Verfahren wegen Schubhaftbeschwerde bekannt aber unbeachtlich sei und der Rechtsvertreter gefälligst damit aufhören solle Daten und Aktenzahlen bekannt zu geben, welche überhaupt nicht interessieren würden, da es im Behördenakt keinen Hinweis auf eine Beschwerde noch über den Beschluss der aufschiebenden Wirkung gebe. Der Haftauftrag (gemeint wohl: Festnahmeauftrag) bleibe aufrecht.

Es handle sich um ausgeübte Aktionen unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- die Zwangsgewalt wegen absoluter Rechtswidrigkeit, nachdem die belangte Behörde den Akteninhalt kennen sollte und es in keiner Weise angehe, ganz einfach auf „Teufel komm raus“ Zwangsmaßnahmen zu setzen bzw. setzen zu lassen welcher sämtlicher rechtlicher Grundlage entbehren würden.

Im Hinblick darauf, dass dem Rechtsvertreter bereits weitere Besuche der Sicherheitsbehörden zum Zwecke der Verhaftung angekündigt worden seien und die belangte Behörde den sichergestellten Reisepass nach wie vor rechtswidrig zurückbehalte bestehe ein erhöhtes Interesse der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Dies auch, da es bei der belangten Behörde bereits Gang und Gäbe sei, mit den eigenartigsten Behauptungen und Unterstellungen Reisepässe und Aufenthaltstitel zu einem Zeitpunkt abzunehmen, in welchem sich das Verfahren erst „in den Startlöchern“ befinde und es keinen wie immer gearteten Hinweis auf den möglichen Verfahrensausgang gebe, sodass auch von Gesetzes wegen keinen Grund für eine dauerhafte Sicherstellung geben kann.

Der BF beantragte

„1. die Erlassung des Festnahmeauftrages samt Anordnung der Verhaftung meiner Person anlässlich des Vollzuges vom 13.03.2018 iVm Aufwecken meines Vaters um 04:45 Uhr zwecks Bekanntgabe meiner Aufenthaltsadresse nach Beschaffung des Aktes IFA XXXX als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und die belangte Behörde dezidiert ermahnen, die gesetzlichen Bestimmungen vorbehaltslos einzuhalten;

2. dieser Beschwerde gem. § 22 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nachdem von Seiten der belangten Behörde die neuerliche Durchführung von Verhaftungsmaßnahmen angekündigt worden ist mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß Beschlüsse des angerufenen Gerichts solange unbeachtlich bleiben, solange sie nicht zur Kenntnis genommen werden, wie es eben mit dem Beschluss vom 04.10.2017 der Fall ist;

3. die belangte Behörde gem. § 35 VwGVG schuldig erkennen, dem Beschwerdeführer die Kosten im gesetzlichen Ausmaß binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution … zu bezahlen“

7. Das Bundesamt legte die Akten des Fremdenaktes und des Schubhaftaktes vor.

8. Am 16.03.2018 wurde der Beschluss vom 04.10.2017, L525 2104527-2/4Z, an das Bundesamt übermittelt.

9. Am 16.03.2018 teilte das Bundesamt telefonisch mit, dass der Beschluss vom 04.10.2017, L525 2104527-2/4Z, zu einem falschen Akt protokolliert worden sei und im System nicht ersichtlich gewesen sei. Aus diesem Grund sei der gegenständliche Festnahmeauftrag vom BFA erlassen worden. Da dieser Fehler beim BFA nun erkannt worden sei, würde nun kein weiterer Festnahmeversuch durchgeführt werden.

10. Mit Stellungnahme vom 05.07.2018 gab der BF bekannt, dass mit Zustellung des Beschusses vom 04.10.2017 keine Klaglosstellung eingetreten sei. Es gehe in keiner Weise an, dass eine Behörde in gänzlicher Unkenntnis des Akteninhaltes für den Zeitraum Mai 2015 bis März 2018 verfahrensfreie Veraltungsakte in Form von rechtswidrigen Maßnahmen setzte und sich dann noch darauf berufe, dass die Beschwerde im Asylverfahren im Mai 2015 zurückgezogen worden wäre, weshalb sie berechtigt sei, aufgrund der Rückkehrentscheidung in dem Bescheid vom 03.03.2015 derartige Zwangsmaßnahmen zu setzen. Wenn aber einer Behörde nicht bekannt sei, dass sich ihr ausgewähltes Ziel rechtmäßig mit Dokumentation im Bundesgebiet aufhalte und welche Bescheide und Maßnahmen von ihr im Jahr 2017 erlassen und zugestellt worden seien, dann beweise sie uneingeschränkt auch, dass ihre die Verfassungsgrundsätze des Legalitätsprinzips gem Art 18 Abs. 1 B-VG und Art 41 GRC nicht nur unbekannt, sondern regelrecht „wurscht“ seien, sodass ihre rechtswidrige Vorgangsweise auch die entsprechenden Folgen nach sich zu ziehen haben werde. Es werde wie bisher auch auf Zuerkennung der Kosten für diesen Schriftsatz mit pauschal € 553,20 beantragt.

11. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 23.03.2021 wurde die gegenständliche Rechtssache mit 06.04.2021 der Gerichtsabteilung W281 neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Sache dieses Verfahrens sind ausschließlich die Vorkommnisse am 13.03.2018 und die in der Beschwerde vom 14.03.2018 gestellten Anträge und der mit Stellungnahme vom 05.07.2018 gestellte Kostenantrag.

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des BF

Der BF führt die im Spruch angeführte Identität, er war im Februar und März 2018 weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.2. Zu den bisherigen Verfahren

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 03.03.2015 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 08.01.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen, keine Aufenthaltstitel gemäß §§ 57 oder 55 AsylG (Spruchpunkt III. erster Satz) erteilt, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt III. zweiter Satz) verhängt, festgestellt, dass die Abschiebung nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt III. dritter Satz) und einer Beschwerde gegen die diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt IV.).

Die am 10.03.2015 gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, wurde mit 19.03.2015, einlangt beim Bundesamt am 20.03.2015, zurückgezogen.

Der BF reiste nicht aus dem Bundesgebiet aus.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 30.08.2017, wurden dem BF Aufenthaltstitel gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I. erster Satz), eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gegen den BF erlassen (Spruchpunkt I. zweiter Satz), festgestellt, dass die Abschiebung nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) und gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 FPG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Mit Beschluss vom 04.10.2017, L525 2104527-2/4Z, wurde der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Der Beschluss vom 04.10.2017 wurde an das Bundesamt übermittelt, aber beim Bundesamt zu einem falschen, nicht den BF betreffenden Akt protokolliert und war im System und im Akt somit nicht ersichtlich.

1.3. Zu den Umständen des 13.03.2018

Am 09.03.2018 wurde ein Festnahmeauftrag gegen den BF gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG mit der Begründung erlassen, dass die Rückkehrentscheidung seit 12.05.2015 rechtskräftig ist und keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht. Am 09.03.2018 wurde ein Durchsuchungsauftrag gegen den BF gemäß § 35 BFA-VG erlassen. Am 09.03.2018 wurde auch ein Abschiebeauftrag erlassen.

Am 13.03.2018 konnte der BF an der im Festnahmeauftrag angeführten Adresse nicht angetroffen werden. Dabei waren zwei Organe der Landespolizeidirektion Niederösterreich am 13.03.2018 um 04:15 Uhr an der Adresse XXXX . Die Wohnungstür war versperrt und trotz intensiven Klopfens an der Tür und an den Fenstern war keine Bewegung feststellbar. In der Folge wurde die Unterkunftgeberin kontaktiert. Mit dem Vater des BF wurde telefonischer Kontakt über eine Handynummer hergestellt. Dieser gab an, dass der BF derzeit in Tirol arbeitet und am Wochenende wieder zurückkehren wird, die genaue Adresse in Tirol konnte er nicht bekannt geben. Eine Festnahme des BF erfolgte nicht.

Der BF war auf den Flug für die Rückführung am 15.03.2018 gebucht.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Zur Person des BF

Die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich aus der Aktenlage und sind unbestritten. Es sind im Verfahren keine Ermittlungsergebnisse hervorgekommen, dass der BF im Februar und März 2018 Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter gewesen wäre.

2.2. Zu den bisherigen Verfahren

Die Feststellungen zum Bescheid vom 03.03.2015 und der Zurückziehung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ergeben sich allesamt aus dem Gerichtsakt zu L516 2104527-1.

Die Feststellung zur nicht erfolgten Ausreise ergeben sich insbesondere aus dem Gerichtsakt zu L525 2104527-2 und einer Abfrage des Zentralen Melderegisters vom 13.04.2021, aus der hervorgeht, dass der BF seit 19.06.2013 und seit 11.06.2015 an der gleichen Andresse im Bundesgebiet gemeldet ist.

Die Feststellungen zum Bescheid vom 30.08.2017 und dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.10.2017 ergeben sich aus dem Gerichtsakt zu L525 2104527-2.

Die Feststellungen, dass der Beschluss vom 04.10.2017 an das Bundesamt übermittelt wurde ergibt sich aus dem Gerichtsakt zu L525 2104527-2 (OZ 4). Mit OZ 4 wurde der Beschluss im gegenständlichen Verfahren dem Bundesamt am 16.03.2018 nochmals übermittelt. Die Feststellung, dass dieser Beschluss ursprünglich zu einem falschen Akt protokolliert wurde und im Akt und im System nicht ersichtlich war ergibt sich aus einem Aktenvermerk des Bundesamtes vom 13.03.2018 (Fremdenakt AS 75, OZ 3) und einem Aktenvermerk über eine telefonische Auskunft des Bundesamtes über Anfrage des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.03.2018 (OZ 5).

2.3. Zu den Umständen des 13.03.2018

Die Feststellungen zum Festnahmeauftrag und Durchsuchungsauftrag sowie Abschiebeauftrag vom 09.03.2018 ergeben sich aus AS 35- 39 und AS 47 sowie AS 57 des Fremdenaktes (OZ 3)

Die Feststellungen zum Ablauf ergeben sich aus der Sachverhaltsdarstellung vom 13.03.2018 der Landespolizeidirektion Niederösterreich AS 71-73 (OZ 3), die im Wesentlichen auch mit den Ausführungen in der Beschwerde übereinstimmt.

Dass der BF auf den Flug vom 15.03.2018 gebucht war ergibt sich aus dem Fremdenakt (AS 3, 33; OZ 3).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Rechtslage

3.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesverfassungsgesetzes (B-VG) lauten auszugsweise:

„Artikel 130. (1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.

…“

„Artikel 132. (1) Gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben:

1. wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet;

2. der zuständige Bundesminister in Rechtssachen in einer Angelegenheit der Art. 11, 12, 14 Abs. 2 und 3 und 14a Abs. 3 und 4.
(2) Gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
(3) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann Beschwerde erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet.
(4) Wer in anderen als den in Abs. 1 und 2 genannten Fällen und in den Fällen, in denen ein Gesetz gemäß Art. 130 Abs. 2 eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte vorsieht, wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben kann, bestimmen die Bundes- oder Landesgesetze.
(5) In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde kann Beschwerde beim Verwaltungsgericht erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden.“

3.1.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) lauten auszugsweise:

§ 7 BFA-VG lautet:

„Bundesverwaltungsgericht

§ 7. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,

2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,

3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,

4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und

5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3

(2) Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.“

§ 22a BFA-VG lautet auszugsweise:

„Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

…“

§ 34 BFA-VG in der maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:

„Festnahmeauftrag

§ 34. (1) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden anordnen (Festnahmeauftrag), wenn dieser

1.

Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt, oder

2.

sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden auch ohne Erlassung eines Schubhaftbescheides anordnen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vorliegen und

1.

der Fremde ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, nicht Folge geleistet hat oder

2.

der Aufenthalt des Fremden nicht festgestellt werden konnte.

(3) Ein Festnahmeauftrag kann gegen einen Fremden auch dann erlassen werden,

1.

wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor das Bundesamt erfolgt;

2.

wenn er seiner Verpflichtung zur Ausreise (§§ 52 Abs. 8 und 70 Abs. 1 FPG) nicht nachgekommen ist;

3.

wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll oder

4.

wenn eine aufgrund eines Bescheides gemäß § 46 Abs. 2b FPG erlassene Vollstreckungsverfügung nicht vollzogen werden konnte oder der Fremde ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung gemäß § 46 Abs. 2b FPG, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, zur Befragung zur Klärung seiner Identität und Herkunft, insbesondere zum Zweck der Einholung einer Bewilligung gemäß § 46 Abs. 2a FPG bei der zuständigen ausländischen Behörde durch die Behörde, nicht Folge geleistet hat.

(4) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Asylwerbers anordnen, wenn er sich dem Verfahren entzogen hat (§ 24 Abs. 1 AsylG 2005).

(5) Der Festnahmeauftrag ergeht in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt; er ist aktenkundig zu machen. Die Anhaltung auf Grund eines Festnahmeauftrages darf 72 Stunden nicht übersteigen und ist nach Durchführung der erforderlichen Verfahrenshandlungen zu beenden.

(6) In den Fällen der Abs. 1 bis 4 ist dem Beteiligten auf sein Verlangen sogleich oder binnen der nächsten 24 Stunden eine Durchschrift des Festnahmeauftrages zuzustellen.

(7) Die Anhaltung eines Fremden, gegen den ein Festnahmeauftrag erlassen wurde, ist dem Bundesamt unverzüglich anzuzeigen. Dieses hat mitzuteilen, ob der Fremde in eine Erstaufnahmestelle oder Regionaldirektion vorzuführen ist.

(8) Ein Festnahmeauftrag ist zu widerrufen, wenn

1.

das Verfahren zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten eingestellt wurde und die Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr zulässig ist (§ 24 Abs. 2 AsylG 2005) oder

2.

der Asylwerber aus eigenem dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht seinen Aufenthaltsort bekannt gibt und nicht auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, er werde sich wieder dem Verfahren entziehen.

 

(Anm.: Z 3 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 70/2015)

(9) Das Bundesamt hat die Erlassung und den Widerruf eines Festnahmeauftrags den Landespolizeidirektionen bekannt zu geben.“

§ 40 BFA-VG in der maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 70/2015 lautet:

„Festnahme

§ 40. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen,

1.

gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht,

2.

wenn dieser Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt oder

3.

der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Asylwerber oder Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, zum Zwecke der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, wenn

1.

dieser Fremde nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist,

2.

gegen diesen eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde,

3.

gegen diesen nach § 27 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde,

4.

gegen diesen vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde oder

5.

auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

(3) In den Fällen der Abs. 1 und 2 kann die Festnahme unterbleiben, wenn gewährleistet ist, dass der Fremde das Bundesgebiet unverzüglich über eine Außengrenze verlässt.

(4) Das Bundesamt ist ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der Abs. 1 Z 2 und 3 und Abs. 2 bis zu 48 Stunden und in den Fällen des Abs. 1 Z 1 bis zu 72 Stunden zulässig; darüber hinaus ist Freiheitsentziehung nur gemäß § 77 Abs. 5 FPG oder in Schubhaft gemäß § 76 FPG möglich. Dem festgenommenen Fremden ist die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen.

(5) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung auf Grund eines Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 einen Antrag auf internationalen Schutz, kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 gelten dabei sinngemäß.

(6) Während der Zulässigkeit der Sicherung der Zurückweisung im Flughafenverfahren sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, zu verhindern, dass ein zurückgewiesener Asylwerber in das Bundesgebiet einreist, soweit es ihm nicht gestattet ist.“

3.2. Zur Judikatur

Das Bundesverfassungsrecht kennt als individuelle, hoheitliche, an einen Rechtsunterworfenen adressierte Verwaltungsakte den Bescheid und den Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (vgl. VwGH 13.9.2016, Ro 2014/03/0062).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar - das heißt ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als "Zwangsgewalt", zumindest aber als - spezifisch verstandene - Ausübung von "Befehlsgewalt" gedeutet werden kann. Weil das Gesetz auf Befehle, also auf normative Anordnungen abstellt, sind behördliche Einladungen zu einem bestimmten Verhalten auch dann nicht tatbildlich, wenn der Einladung Folge geleistet wird. Die subjektive Annahme einer Gehorsamspflicht ändert noch nichts am Charakter einer Aufforderung zum freiwilligen Mitwirken. Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsaktes in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Liegt ein ausdrücklicher Befolgungsanspruch nicht vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (vgl. zu allem VwGH 29.11.2018, Ra 2016/06/0124, und VwGH 20.12.2016, Ra 2015/03/0048, jeweils mwN; vgl. idS zur erkennungsdienstlichen Behandlung nach den §§ 65, 77 SPG VwGH 19.9.2006, 2005/06/0018, mwN; VwGH 07.09.2020, Ro 2020/01/0010).

Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen "Maßnahme" bzw. Amtshandlung hat der unabhängige Verwaltungssenat sich nicht auf die vom Beschwerdeführer als verletzt bezeichneten (einfachgesetzlich oder verfassungsgesetzlich gewährleisteten) Rechte oder die vorgebrachten Gründe zu beschränken, sondern das in Beschwerde gezogene Verwaltungsgeschehen umfassend auf seine Rechtswidrigkeit zu überprüfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 2004, Zl. 2002/01/0542, mwN; sowie zur Qualifikation einer "Maßnahme" als Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt das hg. Erkenntnis vom 14. April 2011, Zl. 2007/21/0322). In gleicher Weise hat die Behörde die Gründe für die Rechtmäßigkeit der "Maßnahme" bzw. Amtshandlung umfassend zu prüfen (VwGH 25.02.2014, 2012/01/0149).

Die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist. Akte unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sind auch dann der Behörde zuzurechnen, wenn die Behördenorgane im Dienste der Strafjustiz einschreiten und es sich nicht um eine Angelegenheit der Gerichtspolizei im engeren Sinn handelt. Darunter sind die in der StPO vorgesehene Akte zu verstehen, bei denen eine unmittelbare Heranziehung von Sicherheitsorganen durch gerichtliche Organe möglich ist (so zB bei der Vollstreckung eines richterlichen Befehls zur Hausdurchsuchung - §§ 139 ff iVm § 24 StPO, zur Verhaftung - §§ 174 ff iVm § 24 StPO, oder im Rahmen der sog Sitzungspolizei; dazu kommt noch die Tätigkeit von Exekutivorganen im Zug einer gerichtlichen Vollstreckung nach der EO) (VwGH 21.12.2000, 96/01/1032).

Das Landesverwaltungsgericht ist zur Auffassung gelangt, dass kein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gesetzt worden ist. Mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstands hat das Landesverwaltungsgericht die Maßnahmenbeschwerde zu Recht zurückgewiesen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. November 2011, Zl. 2010/07/0032 = VwSlg 18267 A/2011).

Das Handeln eines Organs ist dann als "Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt" zu qualifizieren, wenn dieses als Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist. Die Annahme des Vorliegens "unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt" setzt also zunächst ein Handeln "im Rahmen der Hoheitsverwaltung" voraus.

Gegen den Fremden ist, mangels Befolgung einer Ladung, sowohl ein Festnahmeauftrag gem § 74 Abs 2 Z 1 FPG 2005 (nunmehr § 34 Abs 2) als auch ein Durchsuchungsauftrag gem § 75 FPG 2005 erlassen worden. Das Aufsuchen der Wohnung des Fremden (durch Organe der BPD) als solches ist bereits seiner Festnahme zuzurechnen und demgemäß von der Behörde auch in dem über diese Festnahme absprechenden Spruchpunkt des bekämpften Bescheides als Modalität derselben für rechtswidrig erklärt worden. Die Räumlichkeiten sind weder untersucht noch betreten worden. Allein darauf bezieht sich jedoch ein Durchsuchungsauftrag nach § 75 FPG 2005 (nunmehr § 35 Abs 4), weshalb die Ansicht der Behörde, der gegenständliche Durchsuchungsauftrag sei „faktisch nicht ausgeführt“ worden, nicht zu beanstanden ist. Im Hinblick darauf, dass mit der Festnahme des Fremden ein „faktisches Ausführen“ des Durchsuchungsauftrages überdies auch für die Zukunft nicht mehr in Betracht kam, ist darüber hinaus nicht zu sehen, dass durch seine bloße Erlassung (sonstige) Rechtspositionen des Fremden beeinträchtigt worden wären. VwGH 24. 1. 2013, 2011/21/0125.

Die Zurückweisung einer Maßnahmenbeschwerde nach § 67c Abs 3 AVG kommt in Betracht, wenn eine Prozessvoraussetzung fehlt (Hinweis E 28. Mai 1997, 96/13/0032). Eine Maßnahmenbeschwerde ist demnach jedenfalls zurückzuweisen, wenn kein tauglicher Anfechtungsgegenstand vorliegt, wenn die Beschwerde verspätet ist, wenn ein Mangel der Beschwerde entgegen § 13 Abs 3 AVG nicht innerhalb der im Verbesserungsauftrag gesetzten Frist behoben wird, und wenn dem Bf die Beschwerdelegitimation mangelt. Die Berechtigung zur Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde setzt die Möglichkeit der Verletzung eines subjektiven Rechts voraus, welche dann vorliegt, wenn die Maßnahme in die Rechtssphäre des Bf eingreift, dieser somit Adressat des betreffenden Akts ist (VwGH 10.11.2011, 2010/07/0032).

3.3. Zu Spruchpunkt A. I.

3.3.1. Gemäß § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit kein Erkenntnis zu fällen ist. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Voraussetzung für eine Beschwerde ist das Vorliegen eines anfechtbaren Aktes einer Verwaltungsbehörde (Larcher in Raschauer/Wessely [Hrsg], VwGVG § 7, Stand 31.3.2018, rdb.at).

Gemäß Art 132 Abs. 2 B-VG kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

3.3.2. Zu den in der Beschwerde unter Punkt 1. gestellten Anträgen

Der BF beantragte zum einen in seiner Beschwerde „die Erlassung des Festnahmeauftrages samt Anordnung der Verhaftung meiner Person anlässlich des Vollzuges vom 13.03.2018 iVm Aufwecken meines Vaters um 04:45 Uhr zwecks Bekanntgabe meiner Aufenthaltsadresse nach Beschaffung des Aktes IFA XXXX als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären“.

Die belangte Behörde fertigte am 09.03.2018 einen Festnahmeauftrag gegen den BF. Am 13.03.2018 begaben sich Organe der Landespolizeidirektion an die im Festnahmeauftrag angegebene Adresse um den Festnahmeauftrag zu vollziehen. Der BF wurde an dieser Adresse jedoch nicht angetroffen. Eine Festnahme des BF erfolgte daher nicht.

3.3.2.1.1. Beim Festnahmeauftrag handelt es sich um eine Art des verwaltungsbehördlichen Haftbefehls, der dem Umstand Rechnung trägt, dass – insb von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen bedrohte – Fremde in hohem Maße mobil sind, weshalb die üblichen Mittel, die den Verwaltungsbehörden zur Verfügung stehen, nicht genügen, um die Kooperationsbereitschaft solcher Menschen sicherzustellen, denen belastende Verwaltungsakte drohen (Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 34 BFA-VG Anmerkung 1(Stand 1.3.2016, rdb.at)).

Die in den ErläutRV (BGBl I 2012/87) enthaltene Behauptung, es handle sich bei einem Festnahmeauftrag im Hinblick auf Art 2 Abs 2 Z 4 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFr-BVG) um die Erzwingung einer durch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung, trifft nur für die Fälle des Abs 4, allenfalls auch für jenen des Abs 2 Z 1 zu. Die grundrechtliche Fundierung der übrigen Tatbestände, die durchwegs fremdenpolizeilicher Natur sind, ergibt sich aus Art 2 Abs 2 Z 7 PersFr-BVG. Im Hinblick auf Art 1 Abs 3 PersFr-BVG sind sämtliche Ermächtigungen der Abs 1–4 unter der Bedingung der Notwendigkeit für die Rechtsdurchsetzung/Sicherung auszuüben und müssen im konkreten Fall überdies die Verhältnismäßigkeit hiezu wahren (Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 34 BFA-VG Anmerkung 2(Stand 1.3.2016, rdb.at)).

Jeglicher Festnahmeauftrag ergeht im Ermessen des Bundesamtes und kann sowohl schriftlich als auch mündlich erteilt werden. Im letzteren Fall hat der Adressat des Auftrags diesen aktenkundig zu machen. Der Festnahmeauftrag als solcher kann vom Betroffenen nicht angefochten werden. Dies ist erst nach erfolgter Festnahme auf Grund eines Festnahmeauftrags mittels Beschwerde gem § 7 Abs 1 Z 3 möglich (Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 34 BFA-VG Anmerkung 3 und 4(Stand 1.3.2016, rdb.at)).

Der Festnahmeauftrag ist kein formalisierter Verwaltungsakt. Es genügt, sein Ergehen im Verwaltungsakt nachvollziehbar zu machen und die für seine Umsetzung erforderlichen Anordnungen zu treffen. Wird der Auftrag umgesetzt, der Fremde also festgenommen, so ist ihm auf sein Verlangen eine entsprechende Bestätigung innerhalb von 24 Stunden auszuhändigen (Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 34 BFA-VG Anmerkung 15(Stand 1.3.2016, rdb.at)).

Die gesonderte Anfechtung eines Festnahmeauftrages kommt jedenfalls nach vollzogener Festnahme schon zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten nicht in Betracht (vgl auch § 82 Abs 1 FPG 2005 (nunmehr § 22a Abs 1), der einen selbstständigen Anfechtungsgegenstand „Festnahmeauftrag“ nicht kennt) (vgl. auch VwGH 25.10 2012, 2010/21/0378).

3.3.2.1.2. Sowohl nach der Literatur, als auch nach der zitierten Judikatur, kommt grundsätzlich die gesonderte Anfechtung eines Festnahmeauftrages nicht in Betracht. Auch § 22a BFA-VG kennt in diesem Zusammenhang nur den Anfechtungsgegenstand der „Festnahme“.

Aus den Feststellungen ergibt sich überdies, dass die Organe der Landespolizeidirektion sich zu der Adresse des BF begeben haben und auch an der Tür geklopft und geläutet haben. Die Wohnung wurde aber nicht betreten. Eine Festnahme ist nicht erfolgt. Der Vater des BF wurde telefonisch erreicht.

Die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist.

So wäre demnach, wenn eine Festnahme des BF am 13.03.2018 vollzogen worden wäre, die Festnahme und die damit korrelierenden Umstände und Modalitäten sofern sie den BF betroffen hätten und ihm gegen über Befehl- bzw. Zwangsgewalt ausgeübt worden wäre, jedenfalls als rechtswidrig zu erklären gewesen. Das erkennende Gericht geht grundsätzlich davon aus, dass der Festnahmeauftrag nicht gefertigt hätte werden dürfen, da die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht vorgelegen sind. Der Beschwerde des BF war mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.04.2015, L516 2104527-1/3Z, gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden, eine potentielle Abschiebung somit auch gehemmt. Auch sonst gab es für die Festnahme keinen Anlass.

Die Zuständigkeit zur Entscheidung über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG 2014 und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG kommt gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG 2014 dem BVwG zu. Das gilt auch insoweit, als sich eine Beschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nicht (nur) gegen die Maßnahme als solche, sondern gegen deren Modalitäten richtet. § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG 2014 sieht nun aber gerade für "allgemeine" Maßnahmenbeschwerden eine Zuständigkeit des BVwG vor; es gibt keinen Grund, diese Regelung nur auf Beschwerden gegen die Maßnahmen als solche und nicht auch auf Beschwerden gegen die Modalitäten ihrer Durchführung zu beziehen. Allerdings können die Modalitäten der Durchführung einer anderen Behörde zuzurechnen sein als die Maßnahme als solche, sodass im Verfahren vor dem BVwG jeweils unterschiedliche belangte Behörden zu bezeichnen und beizuziehen wären (vgl. VwGH 17.11.2016, Ro 2016/21/0016).

Die Festnahme, folglich die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, ist am 13.03.2018 aber nicht vollzogen worden, da der BF sich an der Adresse nicht aufgehalten hat. Der Festnahmeauftrag wurde somit auch nicht „vollzogen“, da sich der BF an der Adresse nicht aufgehalten hat. Wie bereits ausgeführt, kommt die gesonderte Anfechtung eines Festnahmeauftrages, wenn keine Festnahme erfolgt, grundsätzlich nicht in Betracht. Nach Auffassung des erkennenden Gerichtes gilt dies ebenso für die potentiell beabsichtigte Festnahme durch Aufsuchen des Wohnortes und läuten an der Türe aufgrund eines „zu Unrecht“ gefertigten Festnahmeauftrages.

Sowohl beim Festnahmeauftrag als solchem, als auch beim Aufsuchen des Wohnortes und dem Läuten an der Türe, handelt es sich noch nicht um eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Zwangsgewalt, es fehlt am Zwangscharakter. Beim Festnahmeauftrag an sich handelt es sich nicht um einen formalisierten Verwaltungsakt, es ist aber gemäß § 43 Abs. 5 BFA-VG eine Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt und der Festnahmeauftrag ist aktenkundig zu machen. Als aktenkundiger Festnahmeauftrag ist er aber einem Fremden noch nicht bekannt, da er noch nicht in die Sphäre des Fremden eingetreten ist und der Fremde, solange er nicht über einen Festnahmeauftrag unterrichtet wird, auch gar nicht einen Befehl befolgen kann, den er nicht kennt. Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsaktes in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Da sich der BF am 13.03.2018 nicht an der im Festnahmeauftrag angeführten Adresse befunden hat und auch kein Kontakt zu den Organen der Landespolizeidirektion bestanden hat, konnte dem BF auch nicht eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht werden. Somit sind der Festnahmeauftrag und auch die Handlungen der Organe der Landespolizeidirektion auch nicht in die Sphäre des BF eingetreten und war er von ihnen nicht unmittelbar betroffen. Für das erkennende Gericht sind somit weder der Festnahmeauftrag noch die Handlungen der Organe der Landespolizeidirektion für sich einzeln als auch zusammen vor diesem Hintergrund als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren. Bei beiden handelt es sich allenfalls um Modalitäten, die einer Festnahme vorgelagert sind.

Eine Anfechtung aufgrund Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt kommt daher in einer solchen Konstellation nach Auffassung des erkennenden Gerichtes nicht in Betracht, da die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form der Festnahme nicht erfolgt ist und der Festnahmeauftrag und das Aufsuchen des Wohnortes und das Läuten an der Türe noch nicht als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren sind.

Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass mit einer Maßnahme auch deren Modalitäten bekämpft werden können, nicht aber, dass die Modalität(en) für sich eigenständig bekämpft werden können, wenn die eigentliche Maßnahme nicht stattgefunden hat und nur Vorbreitungshandlungen erfolgt sind, denen selbständig kein eigner Charakter einer Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zukommt.

Das erkennende Gericht geht daher im Ergebnis davon aus, dass diese Handlungen – Festnahmeauftrag und Aufsuchen des Wohnortes samt Läuten – weder einzeln noch in Kombination keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dargestellt haben.

Die Beschwerde bzw. der in der Beschwerde gestellte diesbezügliche Antrag war daher in diesem Umfang als unzulässig zurückzuweisen.

3.3.2.1.3. Wem die Beschwerdelegitimation zukommt, ergibt sich – entgegen der Überschrift („Beschwerderecht“) – nicht aus § 7 VwGVG, sondern unmittelbar aus Art 132 Abs 1 bis 4 B-VG oder aus den MaterienG iVm Art 132 Abs 5 B-VG (vgl zB § 5 Abs 8 DMSG [Bundesdenkmalamt], § 28a Abs 1 und § 30a AuslBG [Abgabenbehörde], § 25a Abs 1 ALSAG [BMLFUW], § 36 Abs 8 TNSchG [Landesumweltanwalt]; s auch § 87c Abs 1 und 2 AWG und § 116 WRG); ausführlich zur Beschwerdelegitimation Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG ErgBd § 7 VwGVG Rz 17 ff (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 7 VwGVG Anmerkung 2 (Stand 1.10.2018, rdb.at). Bereits das B-VG (vgl auch Rz 2) regelt in seinem Art 132 Abs 1 unmittelbar (Leitl-Staudinger, Beschwerdelegitimation 324) die Berechtigung zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde an das VwG, maW die „Beschwerdelegitimation“ (RV 1618 BlgNR 24. GP 16; RV 2013, 6; Fister/Fuchs/Sachs, VwGVG § 7 Anm 2) (vgl. Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG §7 VwGVG Rz 17(Stand 15.2.2017, rdb.at).

Eine Beschwerde nach (nunmehr:) Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG bzw. § 88 SPG 1991 ist zurückzuweisen, wenn der Beschwerdeführer durch die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in seinen Rechten nicht verletzt sein konnte. Es genügt zwar bereits die Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechts, doch muss diese gegenüber dem Beschwerdeführer wenigstens möglich sein, ansonsten die Beschwerde mangels Legitimation zurückzuweisen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1998, 96/01/0609, mwN).

Das besagt vielmehr, daß auch bei Beschwerden nach Art. 131a B-VG der Verwaltungsgerichtshof vor Fällung einer Sachentscheidung zu prüfen hat, ob durch die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im konkreten Fall eine Möglichkeit der Verletzung von subjektiven Rechten des Beschwerdeführers vorliegt. Dies wird aber immer dann zu verneinen sein, wenn der Beschwerdeführer durch die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt - unabhängig von der Frage ihrer Rechtswidrigkeit - in seinen Rechten gar nicht verletzt sein konnte" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. März 1979, Zl. 2875/78).

So verhält es sich mit dem „Aufwecken des Vaters des BF zwecks Bekanntgabe der Aufenthaltsadresse des BF“. Die Organe der Landespolizeidirektion haben den Vater des BF telefonisch erreicht und ihn nach der Adresse des BF befragt. An diesem Vorgehen kann keine Ausübung unmittelbarerer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erkannt werden, da diesen Handlungen die Befehls- oder Zwangsgewalt fehlt. Ein derartiger Eingriff liegt im Allgemeinen dann vor, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwangs bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als "Zwangsgewalt", zumindest aber als - spezifisch verstandene - Ausübung von "Befehlsgewalt" gedeutet werden kann. Weil das Gesetz auf Befehle, also auf normative Anordnungen abstellt, sind behördliche Einladungen zu einem bestimmten Verhalten auch dann nicht tatbildlich, wenn der Einladung Folge geleistet wird. Die subjektive Annahme einer Gehorsamspflicht ändert noch nichts am Charakter einer Aufforderung zum freiwilligen Mitwirken (vgl. VwGH 29.9.2009, 2008/18/0687, JusGuide 2009/45/1185 (VwGH)). So wurde auch in der Beschwerde nicht einmal vorgebracht, dass mit der von den Organen der Landespolizeidirektion erfragten Auskunft auch ein Befehl- oder Zwang verknüpft worden wäre.

Als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wird in der Rsp der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ua die Abhaltung einer militärischen Übung ohne die Zustimmung des Grundeigentümers, das Betreten eines Hauses und die ohne Zustimmung des Verfügungsberechtigten vorgenommene Nachschau in einigen Zimmern durch einen Gendarmeriebeamten oder das Betreten und die Nachschau in einer Wohnung, ohne dass dies freiwillig gestattet worden wäre, angesehen, und zwar in all diesen Fällen ungeachtet des Umstandes, dass physischer Zwang weder ausgeübt noch angedroht worden war (vgl dazu VwGH 6.7.2010, 2009/05/0231, JusGuide 2010/34/1613 (VwGH)). In diesem Sinne wurde u.a. das Aufsperren verschlossener Räume oder das gewaltsame Eindringen in ein ehemaliges Geschäftslokal bzw. in eine Wohnung als ein Akt der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt qualifiziert (vgl. VwGH 22.1.2002, 99/11/0294, mwN). Die Wohnung wurde im konkreten Fall nicht betreten und keine Nachschau in Zimmern gehalten.

Das Verhalten und die Handlungen der Organe der Landespolizeidirektion - „Aufwecken des Vaters des BF zwecks Bekanntgabe der Aufenthaltsadresse des BF“ durch einen Anruf – stellen daher nach Auffassung des erkennenden Gerichtes keinen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehl- und Zwangsgewalt dar.

Zusätzlich hat sich das Aufwecken und das Erfragen der Adresse aber auch nicht gegen den BF gerichtet, sondern gegen den Vater des BF. Gemäß Art 132 Abs. 2 B-VG wäre somit nicht der BF von einer – allfälligen, im konkreten Fall aber nach Auffassung des Gerichts nicht vorliegenden - Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt betroffen gewesen, sondern der Vater des BF. Beschwerde kann aber nur erheben, wer durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Dies hätte allenfalls der Vater des BF, nicht aber der BF selbst vorbringen können. Die Verletzung des BF - durch Aufwecken seines Vaters und das Erfragen seines Aufenthaltsortes - in einem subjektiven Rechts war daher nicht möglich. Insofern kommt dem BF in diesem Zusammenhang auch keine Beschwerdelegitimation zu.

3.3.2.1.4. Selbst wenn man den Festnahmeauftrag, das Aufsuchen des Wohnortes, das Läuten an der Türe und das Aufwecken des Vaters und das Erfragen des Aufenthaltsortes des BF als einen „Akt“ bezeichnen würde, wäre dies auch keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, da auch hier noch kein Befehls- oder Zwangscharakter erkennbar ist, der in die Spähre des BF eingetreten ist. Zudem wäre der BF bei diesem „Akt“ in der Gesamtheit nicht beschwerdelegitimiert, da das Aufwecken und das Erfragen der Adresse sich nicht gegen ihn gerichtet hat.

3.3.2.1.5. Der Antrag bzw die Anträge waren daher im Ergebnis als unzulässig zurückzuweisen.

3.3.2.2. Der BF beantragte des weiteren „die belangte Behörde dezidiert zu ermahnen, die gesetzlichen Bestimmungen vorbehaltslos einzuhalten“.

3.3.2.2.1. Da der BF förmlich diesen Antrag stellte, ist über diesen auch abzusprechen.

Weder die Verfassung noch ein Materiengesetz sieht vor, dass das erkennende Gericht spruchgemäß die belangte Behörde „Ermahnen“ könnte. Die Ermahnung des Bundesamtes durch das Bundesverwaltungsgericht ist der österreichischen Rechtsordnung fremd und nicht vorgesehen.

3.3.2.2.2. Zufolge Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG können durch Bundes- oder Landesgesetz Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Verwaltungsbehörde in Vollziehung der Gesetze ("Verhaltensbeschwerde") vorgesehen werden. Dementsprechend sieht zB die Bestimmung des § 88 Abs. 2 SPG vor, dass die Landesverwaltungsgerichte über Beschwerden von Menschen erkennen, die eine Rechtsverletzung auf andere Weise (als durch die Ausübung von unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt) durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung behaupten.

Der BF erhob seine Beschwerde gemäß Art 130 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 Z 1. Gemäß 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes, Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG, Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG, und Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2.

Eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes über „Verhaltensbeschwerden“ gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG liegt somit nicht vor.

3.3.2.2.3. Der BF wehrt sich in seiner Beschwerde und seinen Anträgen aber augenscheinlich gegen das Verhalten und die Handlungen des Bundesamtes, das, da es den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes 04.10.2017, L525 2104527-2/4Z, nicht zu dem richtigen Akt des BF abgelegt hat, in der Folge einen Festnahmeauftrag grundsätzlich zu Unrecht gefertigt hat. Wogegen sich der BF somit jedenfalls – zumindest für das Gericht erkennbar - wehrt ist die Vollziehung und die ordnungsgemäße, sorgfältige, mängelfreie Führung der Verwaltung.

Für derartiges Verhalten sieht die Rechtsordnung das Instrument der Aufsichtsbeschwerde nach dem AVG vor (vgl. in diesem Zusammenhang Andreas Gerhartl, Die Aufsichtsbeschwerde als rechtliches Instrument, ASoK 2020, 148; vgl. auch Melichar, Die Aufsichtsbeschwerde, ÖJZ 1953, 197).

Eine derartige Aufsichtsbeschwerde kann aber nicht bei Gericht, sondern bei der Behörde, allenfalls bei der zuständigen Oberbehörde erhoben werden. Sie ist an keine Frist gebunden.

3.3.2.2.4. Auch dieser Antrag war daher im Ergebnis als unzulässig zurückzuweisen.

3.4. Zu Spruchpunkt A. II.

3.4.1. Der BF beantragte der Beschwerde gem. § 22 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, „nachdem von Seiten der belangten Behörde die neuerliche Durchführung von Verhaftungsmaßnahmen angekündigt worden sei mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass Beschlüsse des angerufenen Gerichts solange unbeachtlich bleiben, solange sie nicht zur Kenntnis genommen werden, wie es eben mit dem Beschluss vom 04.10.2017 der Fall ist“.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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