TE OGH 2021/9/29 13Os84/21h

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Veröffentlicht am 29.09.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat am 29. September 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Vizthum in der Strafsache gegen ***** S***** wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 1 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung, AZ 16 Hv 9/21i des Landesgerichts St. Pölten, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 10. Februar 2021 (ON 24) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Mag. Holzleithner, sowie des Verteidigers Rechtsanwalt Mag. Schöndorfer zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache AZ 16 Hv 9/21i des Landesgerichts St. Pölten verletzt das Urteil dieses Gerichts vom 10. Februar 2021 (ON 24) § 270 Abs 2 Z 5 StPO iVm §§ 37 und 35 Abs 1 SMG.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (II), demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht St. Pölten verwiesen.

Text

Gründe:

[1]       Mit unangefochten in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts St. Pölten vom 10. Februar 2021 (ON 24) wurde ***** S***** der Vergehen des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 1 erster Fall StGB (I) sowie des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (II) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

[2]       Danach hat er – soweit hier von Bedeutung – in W***** und andernorts am 2. Jänner 2021 vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich zehn Gramm Amphetamin und zehn Gramm Cannabiskraut, zum Eigenkonsum erworben und bis zum 4. Jänner 2021 besessen.

[3]       Zur Begründung des Ausschlusses eines diversionellen Vorgehens verwies der Erstrichter auf die „Vielzahl an einschlägigen Vorstrafen“ (US 6).

Rechtliche Beurteilung

[4]       Dieses Urteil steht – wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt – mit dem Gesetz nicht im Einklang:

[5]       Gemäß § 37 SMG hat nach Einbringen der Anklage das Gericht die §§ 35 und 36 SMG sinngemäß anzuwenden und das Verfahren unter den für die Staatsanwaltschaft geltenden Voraussetzungen mit Beschluss einzustellen.

[6]       Dem Urteilssachverhalt zufolge beging ***** S***** die vom Schuldspruch II umfassten Straftaten ausschließlich zu seinem persönlichen Gebrauch, weshalb das Erstgericht zutreffend das Vorliegen der Privilegierungsvoraussetzung nach § 27 Abs 2 SMG bejahte. Diese entspricht dem in § 35 Abs 1 SMG genannten Diversionskriterium (vgl RIS-Justiz RS0131952). Wird durch die Tat § 27 Abs 1 und 2 SMG verwirklicht, ist daher Diversion nach § 35 Abs 1 (iVm § 37) SMG – bei Vorliegen auch der weiteren Voraussetzungen und Bedingungen (§ 35 Abs 3 bis 7 SMG) – stets geboten. Lehnt das Gericht dies gleichwohl ab, hat es gemäß dem Gebot des § 270 Abs 2 Z 5 StPO die insoweit als erwiesen oder nicht erwiesen angenommenen, entscheidungswesentlichen Tatsachen in den Entscheidungsgründen des Urteils in gedrängter Darstellung anzuführen (Danek, WK-StPO § 270 Rz 30 und 31), also Feststellungen zu treffen, aus denen sich die Nichtanwendung der genannten Diversionsbestimmungen ableiten lässt (RIS-Justiz RS0119091 [T7 und T9]). Die Ausführungen zur einschlägigen Vorstrafenbelastung des ***** S***** tragen die Nichtanwendung der Diversion nach dem Gesetz nicht. Ebenso wenig der Umstand, dass der Angeklagte auch eines Vergehens nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 1 erster Fall StGB schuldig erkannt wurde.

[7]       Das Fehlen von Konstatierungen im dargestellten Sinn macht die Nichtanwendung von Diversion unschlüssig (vgl RIS-Justiz RS0122332), weshalb das angefochtene Urteil im Schuldspruch wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (II) § 270 Abs 2 Z 5 StPO iVm §§ 37 und 35 Abs 1 SMG verletzt.

[8]       Da die aufgezeigte Gesetzesverletzung geeignet ist, zum Nachteil des Verurteilten zu wirken, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, ihre Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).

Textnummer

E132889

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0130OS00084.21H.0929.000

Im RIS seit

21.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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