TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/29 W278 2242146-4

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Veröffentlicht am 29.09.2021
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Entscheidungsdatum

29.09.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W278 2242146-4/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Habitzl im am 24.09.2021 amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 555875310/210496219 über die weitere Anhaltung von XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geboren am XXXX alias XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Pakistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst, zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 27.05.2011 nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.06.2011 abgewiesen und zweitinstanzlich rechtkräftig eine Ausweisung des BF nach Pakistan verfügt wurde. Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach. Ein erster Folgeantrag vom 14.03.2013 wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.05.2013 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und eine weitere Ausweisung verfügt. Der Bescheid erwuchs erstinstanzlich in Rechtskraft.

In weiterer Folge reiste der BF nach Deutschland aus, wo er am 10.08.2013 wegen illegalen Aufenthalts aufgegriffen und inhaftiert wurde. Er wurde am 29.08.2013 aufgrund eines Rückübernahmeersuchens Deutschlands nach Österreich überstellt. Auch in Deutschland stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 21.04.2014 stellte der BF seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz. Dieses Verfahren wurde aufgrund unbekannten Aufenthalts des BF eingestellt. Nach seiner Festnahme am 01.02.2018 wurde es wiederaufgenommene Verfahren mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA, Bundesamt oder Behörde) vom 05.02.2018 gemäß § 68 AVG wiederum wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. In Einem wurde eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Eine für den 21.08.2019 geplante Abschiebung scheiterte, da der BF an seiner Meldeadresse tatsächlich nicht aufhältig war und nicht aufgegriffen werden konnte.

Der BF war ab 28.08.2019 nicht mehr aufrecht im Bundesgebiet gemeldet. Am 14.04.2021 wurde der BF von Beamten einer LPD Wien bei einer Personenkontrolle festgenommen und Suchtgift sichergestellt. Mit Mandatsbescheid vom 14.04.2021 wurde im Stande der Festnahme die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Der BF befindet sich seit 14.04.2021, 20:00 Uhr, in Schubhaft.

Am 23.04.2021 stellte der BF einen vierten Antrag auf internationalen Schutz. In einem Aktenvermerk gemäß § 76 Abs. 6 FPG vom 23.04.2021 hielt das Bundesamt fest, dass Gründe zur Annahme bestünden, dass der BF den Asylantrag stellte, um die Vollstreckung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu verzögern. Aus diesem Grund sei die Anhaltung in Schubhaft aufrechtzuerhalten.

Eine Schubhaftbeschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 14.04.2021 und die darauf gegründete Anhaltung wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 11.05.2021, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen und unter Kostenentscheidung festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Dieses Erkenntnis blieb unangefochten.

Mit Aktenvermerken vom 08.06.2021 und 06.07.2021 prüfte das Bundesamt jeweils gemäß § 80 Abs. 6 FPG die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft.

Am 16.07.2021 stellte der BF abermals einen Asylantrag, der auf Grund des noch offenen Asylverfahrens nicht weiter zu berücksichtigen war.

Für den BF wurde eine Charter-Abschiebung am 01.09.2021 gebucht.

Die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz vom 23.04.2021 wurde am 22.07.2021 aufgrund eines Formalfehlers nicht wirksam erlassen. Eine gegen die Erledigung erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des BVwG vom 16.08.2021, Zl. XXXX , mangels Vorliegen eines Bescheides als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid nicht im Sinne des § 18 AVG genehmigt worden sei.

Mit Erkenntnis vom 13.08.2021, XXXX , stellte das BVwG fest, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Mangels Vorliegens eines Bescheides wurde der für den am 01.09.2021 gebuchte Charter wieder storniert.

Am 27.08.2021 langte beim BVwG eine weitere Schubhaftbeschwerde gegen den Mandatsbescheid vom 14.04.2021 ein. Diese wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 03.09.2021, XXXX teilweise zurück- und im Übrigen abwiesen sowie ein positiver Fortsetzungsausspruch getätigt.

Am 01.09.2021 wurde dem BF der Bescheid vom 22.07.2021, mit dem unter anderem der vierte Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, eine Rückkehrentscheidung erlassen und ein Einreiseverbot gegen den BF verhängt wurde, nach Behebung des Formalfehlers, rechtswirksam zugestellt. Eine hiergegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 23.09.2021, Zl XXXX , als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis wurde dem BF am 24.09.2021 durch persönliche Übergabe zugestellt.

Am 24.09.2021 legte das BFA dem erkennenden Gericht die Akten zu neuerlichen Prüfung der Rechtmäßigkeit der fortdauernden Anhaltung des BF vor und führte, nach Wiedergabe des Sachverhalts, aus, der BF sei bereits während seiner ersten drei Asylverfahren untergetaucht und unbekannten Aufenthalts gewesen. Er könne mit Charter vom 11.11.2021 abgeschoben werden, zumal ein bis 31.12.2021 befristetes Heimreisezertifikat (HRZ) vorliege.

Mit ergänzender Stellungnahme vom selben Tag wurde zudem ausgeführt, dass die Dauer der Anhaltung nicht zuletzt aus der neuerlichen ungerechtfertigten Asylantragstellung des BF resultiere. Ein Aktenvermerk über die Anhaltung über sechs Monate sei aufgrund der regelmäßig stattfindenden Schubhaftüberprüfungen und erfolglosen Schubhaftbeschwerden nicht ausgefolgt worden. Beantragt wurde die Feststellung, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Mit Schriftsätzen des BVwG vom 24.09.2021 und 28.09.2021, wurden dem BF sowie seiner Rechtsvertretung die Stellungnahmen des BFA zur Vorlage vom 24.09.2021 übermittelt und Gelegenheit zum Parteiengehör in Form einer Stellungnahme eingeräumt.

Eine Stellungnahme langte nicht ein.

Der BF befindet sich seit 14.04.2021 in Schubhaft. Der nächste Charter nach Pakistan findet im November statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

A. Feststellungen:

1. Zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft:

1.1. Der BF besitzt weder die österreichische Staatsbürgerschaft, noch die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates, er ist Staatsangehöriger der islamischen Republik Pakistan. Der BF ist unter Aliasidentitäten aufgetreten. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Er ist volljährig.

1.2. Der BF stellte bereits am 27.05.2011, 14.03.2013 sowie 21.04.2014 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich, die rechtskräftig abgewiesen bzw. zurückgewiesen wurden und mit Ausweisungen bzw. Rückkehrentscheidungen verbunden waren. Der BF ist seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Gegen den BF bestand seit März 2018 eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung. Nach seiner vierten Antragstellung, welche im Stande der Schubhaft stattfand, wurde ein Aktenvermerk iSd § 76 Abs. 6 FPG erstellt und die Anhaltung aufrechterhalten. Mit Bescheid des BFA vom 01.09.2021 wurde ua dieser Antrag zurückgewiesen und eine Rückkehrentscheidung sowie ein Einreiseverbot gegen den BF erlassen und eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit, dem BF am 24.09.2021 zugestellten, Erkenntnis des BVwG als unbegründet abgewiesen.

1.3. Der BF wird seit 14.04.2021 in Schubhaft angehalten.

1.4. Der BF ist haftfähig. Es liegen bei ihm keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vor. Der BF hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

1.5. Der BF ist unbescholten.

2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:

2.1. Der BF reiste 2011 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte insgesamt fünf Anträge auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, wobei der fünfte Antrag aufgrund des noch laufenden Verfahrens zum vierten Antrag nicht zu berücksichtigen war. Er reiste nach Deutschland weiter und stellte auch dort einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 29.08.2013 wurde er aufgrund eines Rückübernahmeersuchens Deutschlands nach Österreich überstellt. Nach eigenen Angaben reiste er zwischenzeitlich auch nach Italien aus.

2.2. Der BF war über Jahre hinweg im österreichischen Bundesgebiet nicht wohnsitzlich gemeldet. In diesen Zeiträumen war der BF untergetaucht und für die Behörden nicht greifbar. Zu anderen Zeiten war er zwar bei verschiedenen Unterkünften gemeldet, dort jedoch bewusst nicht anwesend, um einer Abschiebung zu entgehen. Weiters war er ab 28.08.2019 nicht mehr behördlich gemeldet, nachdem eine amtliche Abmeldung durchgeführt wurde, da er an seiner Meldeadresse tatsächlich nicht wohnhaft war. Der BF hat sich seinen Asylverfahren und aufenthaltsbeendenden Verfahren entzogen, diese verzögert bzw. unmöglich gemacht. Eine für den 20.08.2019 geplante Abschiebung musste aufgrund der Unauffindbarkeit des BF storniert werden.

2.3. Der BF konnte nur im Wege zufälliger Personenkontrollen, zuletzt am 14.04.2021, aufgegriffen werden.

2.4. Es ist anzunehmen, dass der BF bei einer Entlassung aus der Schubhaft abermals untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten wird, um sich einer Abschiebung zu entziehen. Der BF achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Der BF hat auch versucht sich durch Hungerstreiks und durch Androhung der Selbstverletzung aus der Schubhaft freizupressen. Zwei Anträge auf unterstützte freiwillige Rückkehr wurden vom BFA aufgrund der Androhung der Selbstverletzung abgelehnt. Der BF ist nicht zuverlässig und in hohem Maß nicht vertrauenswürdig.

2.5. Es besteht eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme aus dem Jahr 2018 gegen den BF. Zudem wurde eine gegen den Bescheid des BFA vom 01.09.2021 erhobene Beschwerde mit am 24.09.2021 zugestelltem Erkenntnis des BVwG zur Zahl XXXX als unbegründet abgewiesen. Auch diese Rückkehrentscheidung ist damit durchsetzbar.

2.6. Der BF stellte am 23.04.2021 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Diesen stellte er in Missbrauchsabsicht, allein zu dem Zweck die bevorstehende Abschiebung zu verzögern oder gar zu verhindern.

3. Zur familiären und sozialen Situation:

3.1. Der BF verfügt über keine Familienangehörigen in Österreich.

3.2. Er geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und hat kein Einkommen.

3.3. Der BF verfügt über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen.

3.4. Er hat keine engen sozialen Kontakte. Der BF spricht ein wenig Deutsch.

4. Haftdauer:

4.1. Der BF stellte im Stande der Schubhaft einen vierten Antrag auf internationalen Schutz, der nach einer ersten – aufgrund eines Formalfehlers unwirksamen – Zurückweisung am 22.07.2021 mit Bescheid vom 01.09.2021 wirksam zurückgewiesen wurde.

4.2. Die für den am 01.09.2021 geplante Abschiebung musste storniert werden, da der Behörde bei der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz vom 23.04.2021 ein Formalfehler unterlief, der zum Vorliegen eines Nichtbescheides (22.07.2021) führte. Eine rechtswirksame Entscheidung erging mit Bescheid des BFA vom 01.09.2021.

4.3. Seit 15.05.2019 liegt eine bis 31.12.2021 gültige Zustimmung der pakistanischen Botschaft vor, ein HRZ für den BF auszustellen. Die nächste Charterabschiebung nach Pakistan ist für den 11.11.2021 geplant. Es ist nunmehr evident, dass die Abschiebung des BF innerhalb einer Schubhaftdauer von sechs Monaten nicht mehr effektuiert werden kann.

4.4. Das Bundesamt hat den BF nicht iSd § 80 Abs. 7 FPG von der vorgesehenen Überschreitung der Schubhaftdauer von sechs Monaten in Kenntnis gesetzt.

B. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakten des Bundesamtes zu den Asylverfahren des BF sowie in den Fremdenakt, in die Akten des BVwG die bisherigen Schubhaftverfahren betreffend – insbesondere in den Akt zum Erkenntnis vom 03.09.2021 – sowie den gegenständlichen Gerichtsakt. Weiters wurde Einsicht genommen in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft:

1.1.-1.2. Die Feststellungen zur Identität des BF beruhen auf den Akten zu den vorigen Schubhaftverfahren und dem Fremdenregister, aus welchem auch hervorgeht, dass der BF Alias-Identitäten geführt hat. Anhaltspunkte dafür, dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des BF. Da alle vier Anträge auf internationalen Schutz - drei davon rechtskräftig – abgewiesen bzw. zurückgewiesen wurden, handelt es sich beim BF weder um einen Asylberechtigten noch um einen subsidiär Schutzberechtigten. Spätestens seit März 2018 bestand eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung, der der BF nicht nachgekommen ist. Die jeweiligen Entscheidungen sind aus dem Fremdenregister ersichtlich. Aus den Einvernahmen vor dem BFA am 02.02.2018 und dem BVwG am 11.05.2021 in Zusammenschau mit dem Akteninhalt ergibt sich klar, dass der BF seiner Ausreiseverpflichtung zu keiner Zeit nachgekommen ist, sondern lediglich versuchte in andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union weiterzureisen. Die am 24.09.2021 ergangene Entscheidung des BVwG zu XXXX ist vorliegend.

1.3. Die Anhaltung des BF in Schubhaft ergibt sich aus der Anhaltedatei.

1.4. An der Haftfähigkeit des BF sind keine Zweifel aufgekommen. Insbesondere sind in der Anhaltedatei keine Hinweise auf etwaige gesundheitliche Beeinträchtigungen zu finden, die einer weiteren Anhaltung hinderlich entgegenstehen würden. Auch dem amtsärztlichen Gutachten vom 28.09.2021, welches im Akt einliegt, ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Dass der BF Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft und ergibt sich ebenfalls aus dem Gutachten, da Zahn- und Rückenschmerzen des BF versorgt wurden und weiterhin werden.

1.5. Die Unbescholtenheit ergibt sich aus der eingeholten Strafregisterauskunft.

2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:

2.1. Der BF selbst gab in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 11.05.2021 an, 2011 nach Österreich eingereist zu sein. Die Anträge auf internationalen Schutz des BF ergeben sich insbesondere aus dem Fremdenregister in Zusammenschau mit dem behördlichen Vorbringen in der Stellungnahme vom 24.09.2021 und den Vorakten des BVwG. Der Antrag in Deutschland ist ebenfalls im Fremdenregister vermerkt. Die Rücküberstellung des BF am 29.08.2013 ergibt sich aus dem dritten Asylakt des BF (vgl. hier AS1ff). Der fünfte Asylantrag des BF in Österreich noch während des laufenden Asylverfahrens ist aus dem Fremdenakt ersichtlich (vgl. Fremdenakt Teil 4 AS 324).

2.2. Dass der BF immer wieder monatelang untergetaucht ist und sich über Jahre hindurch durch Nichtmeldung bzw. durch Angabe von Meldeadresse, an denen sich der BF aber tatsächlich nicht aufhielt, dem Zugriff der Behörde systematisch entzog, um damit, wie er selbst zugibt, eine Abschiebung zu verhindern, ergibt sich aus den Verwaltungsakten und den Gerichtsakten sowie der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 11.05.2021. Vor dem BVwG gab er an, absichtlich falsche Meldungen vorgenommen zu haben, da er Angst vor einer Abschiebung nach Pakistan gehabt habe. Auch konnte der BF, wie sich insbesondere aus dem Vorerkenntnis vom 03.09.2021 ergibt, keinen gesicherten Wohnsitz angeben. Dass der BF nicht an seiner Meldeadresse aufhältig war und daher die Abschiebung vom 20.08.2019 vereitelt wurde ergibt sich aus dem Bericht einer LPD vom 19.08.2019. Die amtliche Abmeldung ist ebenfalls den Verwaltungsakten zu entnehmen (vgl. Fremdenakt Teil 2 AS 94f und 96f).

2.3. Die Feststellung in 2.3. ist dem behördlichen Vorbringen in Verbindung mit den Verwaltungsakten (vgl. Fremdenakt Teil 2 AS 120f) entnommen.

2.4. Aufgrund des Vorverhaltens des BF sowie seines Auftretens in der Schubhaft ist ein weiteres Untertauchen als wahrscheinlich anzusehen. Der BF ist insbesondere aufgrund seines vermehrten Lebens im Verborgenen, seiner Missachtung des Meldegesetzes – obwohl er erwiesener Maßen über seine Verpflichtung zur Meldung belehrt wurde (vgl. Einvernahme vom 02.02.2018 in Asylakt 3 Teil 1 AS 83ff) – und der wiederholten Weigerung seiner Verpflichtung, das Land zu verlassen nachzukommen, evident. Auch im Rahmen der aktuellen Schubhaft legte er alles andere als kooperatives Verhalten an den Tag und befand sich bereits fünf Mal in Hungerstreik (vgl. Anhaltedatei). Aus dem Verhandlungsprotokoll vom 11.05.2021 ergibt sich zudem, dass der BF verschiedene illegale Suchtmittel (Marihuana, Mohntee, Heroin, Methadon) missbrauchte. Die Androhung der Selbstverletzung ergibt sich aus dem Verwaltungsakt (vgl. Fremdenakt Teil 2 AS 154). Die Anträge auf freiwillige Rückkehr und deren Ablehnung sind ebenfalls im Verwaltungsakt enthalten (vgl Fremdenakt Teil 4 AS 294ff und 318 sowie Fremdenakt Teil 9 und 10 AS 452ff und 463). Der BF hat sich aufgrund seines Gesamtverhaltens in ausgeprägtem Ausmaß als nicht vertrauenswürdig erwiesen.

2.5. Wie bereits ausgeführt, besteht seit März 2018 eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung gegen den BF. Diese ist auch im Fremdenregister vermerkt. Die Entscheidung des BVwG zu XXXX ist zudem vorliegend.

2.6. Die Feststellung, dass der BF insbesondere den vierten Antrag auf internationalen Schutz in Schubhaft, zur Verzögerung bzw. Verhinderung seiner Abschiebung stellte, ergibt sich aus seinem bisherigen unkooperativen Verhalten, der Nichtakzeptanz behördlicher Entscheidungen, seinem wiederholten Leben im Verborgenen und seinen Aussagen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 11.05.2021. Wie sich aus der Aktenlage ergibt, ist der BF nach rechtskräftigem Abschluss seines ersten Asylverfahrens nicht seiner Ausreiseverpflichtung nachgekommen, sondern untergetaucht und hat in Folge von zufälligen polizeilichen Kontrollen weitere Asylanträge gestellt, die rechtskräftig negativ entscheiden wurden. Der BF hat weiterhin beharrlich versucht, sich seiner Ausreiseverpflichtung bzw. Rückkehrverpflichtung durch Untertauchen oder durch Angaben von behördlich gemeldeten Adressen, an denen er nicht angetroffen werden konnte, zu entziehen. So war am 19.08.2019 eine Festnahme an einer ordentlich gemeldeten Adresse zwecks Abschiebung wegen unbekannten Aufenthaltes des BF nicht möglich. Schon zuvor konnten behördliche Schriftstücke nicht zugestellt werden, weil sich der BF an gemeldeten Wohnadressen nicht bzw. nur zum Schein aufgehalten hat bzw. konnten die Asylentscheidungen nur durch Hinterlegung im Akt zugestellt werden. Das dritte Asylverfahren musste wegen unbekannten Aufenthaltes des BF eingestellt werden und konnte erst nach einem zufälligen polizeilichen Aufgriff des BF wiederaufgenommen und entschieden werden. Dem BF ist es gelungen, sich jahrelang durch Nichtmeldung bzw. durch Angabe von Meldeadresse, an denen er sich aber tatsächlich nicht aufhielt, also durch Untertauchen dem Zugriff der Behörde zu entziehen und hat damit erfolgreich die Durchsetzung seiner Rückkehrverpflichtung verhindert. Der BF gab zudem in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 11.05.2021 eindeutig an, dass er Angst vor einer Abschiebung hatte und sich deshalb immer in einer anderen Wohnung aufhielt (vgl. VH-Protokoll vom 11.05.2021, S 8). Auf Grund dieses langewährenden und bislang erfolgreichen Verhaltens geht das erkennende Gericht davon aus, dass der BF den vierten Asylantrag stellte, um seine Abschiebung wie bisher zu verzögern. Dafür spricht auch, dass der BF am 16.07.2021 versuchte, einen weiteren Asylantrag zu stellen (vgl. Fremdenakt Teil 4 AS 324), obwohl das vierte Asylverfahren noch offen war. Der BF hat auch versucht, in Erpressung der Behörde durch drohende Selbstverletzung und Hungerstreiks eine Freilassung zu erwirken. Der BF unternimmt alles, um seine Abschiebung zu verzögern.

3. Zur familiären und sozialen Situation:

3.1.-3.4. Dass der BF in Österreich weder nennenswert sozial noch beruflich verankert ist, über kein Vermögen und in Österreich über keine Familienangehörigen verfügt, ergibt sich aus seinen Angaben in den bisherigen Verfahren. Aus der Anhaltedatei geht hervor, dass der BF aktuell über keine finanziellen Mittel verfügt. Auch vor dem BVwG am 11.05.2021 gab der BF selbst an, kein Geld zu haben. Zu seinem Einkommen befragt gab der BF vor dem BVwG an, dass er seit neun oder zehn Jahren als Zeitungsausträger arbeiten würde, hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine legale Tätigkeit, zumal der BF zur Ausübung einer solchen nicht befugt ist. Dass der BF lediglich über geringe Deutschkenntnisse verfügt, ist ebenfalls dem Verhandlungsprotokoll vom 11.05.2021 zu entnehmen.

4. Haftdauer:

4.1. Aus dem Beschluss des BVwG vom 16.08.2021 geht hervor, dass die Unterschrift der genehmigenden Person auf dem Schriftakt des BFA vom 22.07.2021 nicht zuordenbar und das Verfahren somit noch beim BFA anhängig war, da kein Bescheid vorlag. Dieser Umstand führte dazu, dass der Bescheid erst am 01.09.2021 rechtswirksam erlassen wurde. Die Zustellung an diesem Tag ergibt sich aus dem Erkenntnis des BVwG vom 23.09.2021, dem BF zugestellt am 24.09.2021, Zl. XXXX .

4.2. Die Feststellung hinsichtlich des Scheiterns der Abschiebung basiert auf den eigenen Angaben der Behörde in der Stellungnahme vom 24.09.2021. Hierin wurde ausgeführt: „Am 19.08.2021 wurde der Charter für 01.09.2021 für den BF storniert, da der Bescheid an den BF nicht zugestellt wurde bzw. mangels Vorliegens eines Bescheides“. Auch aus dem im Fremdenakt enthaltenen Schriftverkehr ist klar ersichtlich, dass der Grund für die Stornierung das Nichtvorliegen des Bescheides war (vgl. Fremdenakt Teil 8 AS 364f und 366). Sohin war dieser Fehler im Verwaltungshandeln kausal dafür, dass der BF am 01.09.2021 – und damit innerhalb einer Schubhaftdauer von sechs Monaten – nicht abgeschoben werden konnte.

4.3. Das Vorliegen des HRZ geht aus dem Akt hervor und ist im IZR vermerkt. Die geplante Charterabschiebung am 11.11.2021 ist den Stellungnahmen des BFA vom 24.09.2021 zu entnehmen. Zumal der BF sich seit 14.04.2021 in Schubhaft befindet ist eine sechsmonatige Schubhaftdauer am 14.10.2021 erreicht. Die realistische Möglichkeit einer Abschiebung des BF innerhalb der gesetzlichen Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft besteht somit aus aktueller Sicht nicht länger.

4.4. Eine Mitteilung im Sinne der angeführten Gesetzesstelle ist dem Akt nicht zu entnehmen. Dass keine Mitteilung gemäß § 80 Abs. 7 FPG an den BF erging wurde zudem vom BFA in der ergänzenden Stellungnahme vom 24.09.2021 selbst vorgebracht.

C. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

1. Gesetzliche Grundlagen:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 FPG idgF lautet:

„§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

Der mit „Dauer der Schubhaft“ betitelte § 80 FPG lautet:

„(1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.“

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes idgF lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

In Verfahren nach § 22a Abs. 4 BFA-VG vom BFA erstattete Stellungnahmen sind einem Parteiengehör zu unterziehen. Dies kann schriftlich oder auch im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erfolgen. Jedenfalls ist dem in Schubhaft angehaltenen Fremden Gelegenheit zu geben, sich zu der Stellungnahme und zum maßgeblichen Sachverhalt zu äußern (vgl. VwGH 27.08.2020, Ro 2020/21/0010, mwN).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Diesen Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann (VwGH vom 11.06.2013, 2013/21/0024).

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG darf die Anhaltung in Schubhaft nur bei Vorliegen der dort in den Z 1 bis 4 genannten alternativen Voraussetzungen höchstens achtzehn Monate dauern. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so beträgt die Schubhaftdauer - wie in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG als Grundsatz normiert - nur sechs Monate. Mit § 80 Abs. 4 FPG soll Art. 15 Abs. 6 RückführungsRL umgesetzt werden, sodass die Bestimmung richtlinienkonform auszulegen ist. In diesem Sinn ist auch der Verlängerungstatbestand des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG dahingehend auszulegen, dass der Verlängerungstatbestand nur dann vorliegt, wenn das Verhalten des Beschwerdeführers kausal für die längere (mehr als sechsmonatige) Anhaltung ist. Wenn kein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Drittstaatsangehörigen und der Verzögerung der Abschiebung festgestellt werden kann, liegen die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 80 Abs 4 Z 4 FPG über die Dauer von sechs Monaten nicht vor (VwGH vom 15.12.2020, Ra 2020/21/0404).

Wird die Aufrechterhaltung einer - wegen Wegfalls des bisherigen Tatbestandes eigentlich zu beendenden - Schubhaft aber auf einen anderen Grund gestützt, muss es dem Betroffenen möglich sein, die Annahme des Vorliegens des neuen Schubhafttatbestandes mit Beschwerde effektiv zu bekämpfen. Das setzt eine entsprechende Kenntnis vom Austausch des Schubhaftgrundes voraus, sodass die Behörde gegenüber dem Fremden insoweit eine Informationspflicht trifft (Hinweis E VfGH 23. Juni 1994, B 2019/93, VfSlg 13806; Urteil OGH 29. Juli 2005, 14 Os 76/05s). In dieser Konstellation ist daher eine unverzügliche schriftliche Verständigung des Angehaltenen vorzunehmen, wie sie in § 80 Abs 7 FrPolG 2005 vorgesehen ist. Um dem verfassungsrechtlichen Gebot des Art 5 Abs 2 MRK bzw. des Art 4 Abs 6 PersFrSchG 1988 Rechnung zu tragen, wonach jeder Festgenommene in möglichst kurzer Frist und in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe seiner Festnahme unterrichtet werden muss (Hinweis Urteil EGMR 2. Oktober 2008, Appl Nr 34082/02, Rusu gg. Österreich), muss diese Information in einer dem Schubhäftling verständlichen Sprache erfolgen. Nur durch eine solche schriftliche Verständigung wird der Rechtsschutz für den Betroffenen ausreichend gewahrt, wird er doch erst dadurch in die Lage versetzt, die angenommenen Voraussetzungen für die weitere Anhaltung mit einer Schubhaftbeschwerde wirksam zu bekämpfen (VwGH vom 18.12.2008, 2008/21/0582).

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur weiteren Aufrechterhaltung der Schubhaft:

Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Bundesamt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung vorzulegen. Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen. Im Rahmen dieser Überprüfung hat sich im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Bundesverwaltungsgericht ergeben:

Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter weshalb die Aufrechterhaltung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft) – möglich ist.

Der BF war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin. Für Gegenteiliges gab es im Verfahren keinerlei Anhaltspunkte.

Die Schubhaft wurde ursprünglich auf § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG gestützt verhängt. Zuvor lag bereits eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung vor. Nach der vierten Asylantragstellung des BF wurde die Schubhaft auf Basis des § 76 Abs. 6 FPG aufrechterhalten. Dieses Vorgehen ist nach den Feststellungen – Stellung des Antrags in klarer Missbrauchsabsicht und Erstellung des Aktenvermerkes nach leg cit. – nicht zu beanstanden.

Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus:

Gemessen an § 76 Abs. 3 FPG, konkret an dessen ersten Satz „liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1" - immer noch - vor, da „bestimmte Tatsachen“, nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der BF einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird. Die Gründe, aus denen das Bundesamt die Schubhaft anordnete (Ziffer 1, 3 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG), haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar. Hinzu tritt, dass mittlerweile auch Ziffer 5 leg cit erfüllt ist. Im Einzelnen ist hierzu auszuführen:

§ 76 Abs. 3 Z. 1 FPG ist insbesondere deshalb als erfüllt anzusehen, weil der BF sich durch seinen Aufenthalt im Verborgenen den Behörden entzog, den Behörden gegenüber eine falsche Identität angab und auch bereits eine geplante Abschiebung verhinderte.

Da aktuell eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung gegen den BF vorliegt (rechtskräftiger Asylbescheid vom 05.02.2018) und nunmehr auch der vierte Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen und eine Rückkehrentscheidung sowie ein Einreisevebot gegen den BF erlassen wurden und die dahingehend erhobene Beschwerde mit dem BF am 24.09.2021 zugestelltem Erkenntnis abgewiesen wurde ist auch Z 3 leg cit als erfüllt anzusehen.

Wie bereits beweiswürdigend ausgeführt ist nunmehr auch § 76 Abs. 3 Z. 5 FPG gegeben, da der BF aus dem Stande der Schubhaft einen dritten (und vierten) Folgeantrag auf internationalen Schutz in Missbrauchsabsicht, einzig und alleine um seine Abschiebung zu verzögern, stellte.

Zu Ziffer 9 leg cit ist auszuführen, dass der BF keine Familie oder sonstige nennenswerte soziale Kontakte im Bundesgebiet hat. Er spricht, trotz langen Aufenthalts, nur wenig Deutsch, geht keiner legalen Arbeit nach, ist mittellos und verfügt über keinen ordentlichen Wohnsitz. Auch dieser Tatbestand ist somit als gegeben anzusehen.

Sowohl das Vorverhalten – Verwendung von Aliasidentitäten, Untertauchen, mangelnde Kooperationsbereitschaft, Stellung von fünf Anträgen auf internationalen Schutz in Österreich, davon zumindest der vierte und fünfte in klarer Missbrauchsabsicht, Hungerstreiks, Androhung der Selbstverletzung – als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose haben bei dem BF ein überaus hohes Risiko des Untertauchens sowie Sicherungsbedarf ergeben.

In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden von der Judikatur bereits als erhöht angesehen wird. Überdies war aufgrund seines aktuellen sowie seines Verhaltens in der Vergangenheit festzustellen, dass der BF in erheblichem Ausmaß als nicht vertrauenswürdig anzusehen war. Im Lichte dieser Umstände bestehen aktuell Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf.

Insgesamt ergibt sich sohin klar das Vorliegen von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1, 3, 5 und 9 FPG.

Dauer der Anhaltung:

Die Anhaltung in Schubhaft darf gemäß § 80 Abs. 2 FPG grundsätzlich die Dauer von sechs Monaten nicht übersteigen. Dies steht im Einklang mit Art. 15 Abs. 5 der Rückführungs-RL. Zu prüfen ist, ob in der vorliegenden Konstellation aufgrund der Bestimmungen des § 80 Abs. 4 FPG iVm Art. 15 Rückführungs-RL von einer Schubhaftdauer von bis zu 18 Monaten auszugehen ist.

Der BF befindet sich zum Entscheidungszeitpunkt seit etwa fünfeinhalb Monaten in Schubhaft, sodass zwar bei Anwendbarkeit des § 80 Abs. 2 Z. 2 FPG die Dauer der Anhaltung als im gesetzlichen Rahmen befindlich anzusehen ist, eine Überschreitung dieser Dauer aktuell nunmehr jedoch unumgänglich erscheint. Zwar ist die Dauer der Anhaltung maßgeblich auf den in Verzögerungsabsicht gestellten Folgeantrag des BF vom 23.04.2021 zurückzuführen, jedoch ist im Lichte der oben zitierten aktuellen Judikatur des VwGH festzuhalten, dass dieser Antrag für die Überschreitung der Sechsmonatsfrist auch kausal sein muss. Jedoch war die fehlerhafte Erledigung des BFA vom 22.07.2021 – welche vom BVwG als Nichtbescheid festgestellt wurde (vgl. Beschluss vom 16.08.2021, Zl. XXXX ) – wie festgestellt und in der Beweiswürdigung ausgeführt – kausal für die Stornierung der Abschiebung am 01.09.2021. Diese Verzögerung liegt somit klar in der Sphäre des BFA.

Da das Verhalten des BF kausal für das Scheitern der Abschiebung sein musste, die Abschiebung jedoch trotz der missbräuchlichen Antragstellung des BF rechtzeitig durchgeführt hätte werden können, wenn der Bescheid am 22.07.2021 ordnungsgemäß erlassen worden wäre, ist die Z 4 des § 80 Abs. 4 FPG aktuell nicht anwendbar. Auch sonst ergibt sich keine Anwendbarkeit der Ausnahmetatbestände des § 80 Abs. 4 FPG. Da ein neuerlicher Abschiebeversuch erst im November stattfinden kann, würde eine weitere Anhaltung bis zu diesem Zeitpunkt eine Schubhaftdauer von sechs Monate überschreiten.

Hinzukommt, dass das Bundesamt den Beschwerdeführer bisher entgegen der gesetzlichen Verpflichtung nicht gemäß § 80 Abs. 7 FPG in einer verständlichen Sprache davon in Kenntnis gesetzt hat, dass die weitere Anhaltung aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 FPG erfolgt.

Da die Abschiebung nunmehr nicht mehr innerhalb der gesetzlich normierten zeitlichen Grenzen effektuiert werden kann, war gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG schon aus diesem Grund festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung nicht (mehr) vorliegen.

1.4. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde. Der gesamte entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich bereits aus dem Inhalt der verwaltungsbehördlichen sowie gerichtlichen Akten. Parteiengehör zur Vorlage des BFA wurde dem BF und seiner Rechtsvertretung ohnedies – wenn auch ungenutzt – auf schriftlichem Wege gewährt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltun

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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