Entscheidungsdatum
16.06.2021Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W111 1266331-3/16E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , geb. XXXX als Erwachenenvertreterin gegen den „Bescheid“ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.06.2018, Zl. 821874105/2208988, den Beschluss:
A) Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, reiste gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren minderjährigen Geschwistern im Juli 2005 in das Gebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein und stellte am 26.07.2005 in Polen einen Asylantrag. Im September 2005 reiste die Beschwerdeführerin mit ihrer Familie in das Bundesgebiet ein und brachte am 30.09.2005 einen Asylantrag ein.
2. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 08.11.2005 wurde die Mutter der Beschwerdeführerin zu deren einstweiligen Sachwalterin bestellt und mit der Vertretung insbesondere im Asylverfahren betraut, weil die Beschwerdeführerin nach dem Ergebnis der bezirksgerichtlichen Erstanhörung nicht in der Lage schien, ihre Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteiles für sich selbst zu besorgen.
3. Mit Bescheid vom 21.11.2005 wies das Bundesasylamt den Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 1997 als unzulässig zurück. Es stellte fest, dass für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 13 iVm Art. 16 Abs. 1 lit c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Polen zuständig ist, und wies die Beschwerdeführerin gemäß § 5a Abs. 1 iVm § 5a Abs. 4 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen aus.
4. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.
5. Mit Bescheid vom 11.01.2006 wies der Unabhängige Bundesasylsenat die Berufung ab.
6. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17.04.2007, Zl. 2006/19/0919-6, wurde der Bescheid vom 11.01.2006 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
7. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 27.08.2007 wurde der Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.11.2005 gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverweisen.
8. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.12.2007 wurde der Asylantrag der Beschwerdeführerin vom 30.09.2005 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 nicht zulässig ist. Der Beschwerdeführerin wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 15 Abs. 2 AsylG 1997 bis zum 14.12.2008 erteilt.
9. Gegen den Spruchpunkt I wurde in weiterer Folge ein Rechtsmittel erhoben.
10. Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 06.10.2008 wurde die Mutter der Beschwerdeführerin zu deren Sachwalterin (Vormund) bestellt und wurde ausgesprochen, dass die Sachwalterin alle Angelegenheiten zu besorgen hat und die Beschwerdeführerin ihren letzten Willen nur mündlich vor Gericht oder vor einem Notar erklären kann.
Der Begründung kann entnommen werden, dass nach der Aktenlage, insbesondere aufgrund des eingeholten psychiatrischen Gutachtens, feststehe, dass die Beschwerdeführerin an einer primären, intellektuellen Retardierung leide, die den Schweregrad einer geistigen Behinderung erreiche. Diese Behinderung sei nicht nur im Zahlenverständnis, sondern auch in der Gedächtnisleistung, in der Suggestibilität zu erkennen. Demnach sei die betroffene Person nicht in der Lage, die im Spruch bezeichneten Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich zu besorgen, da sie aufgrund dieser psychischen Störung die Bedeutung ihrer Handlungen nicht verstehen könne.
11. In weiterer Folge stellte die Beschwerdeführerin mehrere Anträge auf Verlängerung ihrer befristeten Aufenthaltsberechtigung. Diesen Anträgen wurde mit Bescheiden des Bundesasylamtes stattgegeben.
12. In der Verhandlung am 16.04.2010 hat die Sachwalterin der Beschwerdeführerin die Beschwerde gegen den Spruchteil I. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 14.12.2007 wegen § 7 AsylG 1997 ausdrücklich zurückgezogen, womit dieser in Rechtskraft erwachsen ist.
13. Am 29.03.2011 reiste die Beschwerdeführerin unter Gewährung von Rückkehrhilfe aus dem Bundesgebiet aus.
14. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 10.01.2012 wurde das Verfahren 7 P 270/08 w eingestellt. Der Begründung ist zu entnehmen: Da sowohl die Betroffene als auch deren Sachwalterin aus Österreich in die Russische Föderation verzogen seien, wie sich aus den eingeholten Auskünften des Zentralmeldeamtes ergebe, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
15. Am 27.12.2012 stellte die Beschwerdeführerin erneut einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
16. Der „Bescheid“ vom 25.06.2018 lautet, wie folgt:
I. Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 27.12.2012 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen.
II. Der Ihnen mit Bescheid vom 14.12.2007, Zahl: 2850299, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wird Ihnen gemäß § 9 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt.
III. Die mit Bescheid vom 14.12.2007, Zahl 08 10.064-BAG, erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wird Ihnen gemäß § 9 Absatz 4 AsylG entzogen.
IV. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt.
V. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 5 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 4 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen.
VI. Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Russland zulässig ist.
VII. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
Aus der Zustellverfügung ergibt sich, dass dieser „Bescheid“ an die Beschwerdeführerin vertreten durch ihre Mutter adressiert war, die diesen „Bescheid“ übernommen hat.
17. Dagegen richtet sich die verfahrensgegenständliche Beschwerde.
18. Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 25.07.2018 vorgelegt.
19. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 16.10.2018 wurde die gegenständliche Rechtssache der ursprünglich zugewiesenen Gerichtsabteilung abgenommen und der Gerichtsabteilung W111 neu zugewiesen.
20. Mit Note vom 11.08.2020 teilte das Bezirksgericht XXXX dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass derzeit keine Erwachsenenvertretung für die Beschwerdeführerin bestehe.
21. Am 12.08.2020 wurde durch das Bundesverwaltungsgericht die Bestellung eines Erwachsenenvertreters angeregt und um Informationen über weitere Veranlassungen ersucht.
22. In weiterer Folge wurde durch das Bezirksgericht XXXX der Beschluss vom 12.08.2020 übermittelt. Mit diesem wurde die Mutter der Beschwerdeführerin für die Beschwerdeführerin mit sofortiger Wirksamkeit zum Rechtsbeistand im Verfahren, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters bzw. einer gerichtlichen Erwachsenenvertreterin geprüft wird, sowie zur einstweiligen Erwachsenenvertreterin zur Vertretung in Verwaltungsverfahren bestellt.
23. Am 21.01.2021 langte beim Bundesverwaltungsgericht der Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 10.12.2020 ein. Mit diesem wurde die Mutter der Beschwerdeführerin zur gerichtlichen Erwachsenenvertreterin gemäß § 271 ABGB bestellt. Dem Beschluss kann entnommen werden, dass die gerichtliche Erwachsenenvertretung folgenden Wirkungsbereich umfasst: Arten von Angelegenheiten: Vertretung gegenüber Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern, Vertretung bei Rechtsgeschäften, Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten, Zustimmung zu medizinischen Behandlungen, Bestimmung des Wohnorts. Zudem ergibt sich aus diesem, dass die Erwachsenenvertretung vorbehaltlich der vorzeitigen Beendigung oder der Einleitung eines Erneuerungsverfahrens (§ 128 AußStrG) am 10.12.2023 endet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 08.11.2005 wurde die Mutter der Beschwerdeführerin zu deren einstweiliger Sachwalterin bestellt und mit der Vertretung insbesondere im Asylverfahren betraut.
Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 06.10.2008 wurde die Mutter der Beschwerdeführerin zu deren Sachwalterin (Vormund) bestellt und wurde ausgesprochen, dass die Sachwalterin alle Angelegenheiten zu besorgen hat und die Beschwerdeführerin ihren letzten Willen nur mündlich vor Gericht oder vor einem Notar erklären kann.
Am 29.03.2011 reiste die Beschwerdeführerin unter Gewährung von Rückkehrhilfe aus dem Bundesgebiet aus.
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 10.01.2012 wurde das Verfahren 7 P 270/08 w eingestellt, weil sowohl die Beschwerdeführerin als auch deren Sachwalterin aus Österreich in die Russische Föderation verzogen waren.
Der „Bescheid“ vom 25.06.2018, gegen den sich die verfahrensgegenständliche Beschwerde richtet, lautet, wie folgt:
I. Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 27.12.2012 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen.
II. Der Ihnen mit Bescheid vom 14.12.2007, Zahl: 2850299, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wird Ihnen gemäß § 9 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt.
III. Die mit Bescheid vom 14.12.2007, Zahl 08 10.064-BAG, erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wird Ihnen gemäß § 9 Absatz 4 AsylG entzogen.
IV. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt.
V. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 5 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 4 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen.
VI. Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Russland zulässig ist.
VII. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
Aus der Zustellverfügung ergibt sich, dass dieser „Bescheid“ an die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihre Mutter, adressiert war. Der „Bescheid“ wurde von der Mutter der Beschwerdeführerin am 29.06.2018 übernommen.
Die Mutter der Beschwerdeführerin war im Zeitpunkt der Entgegennahme des „Bescheides“ nicht vertretungsbefugt.
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 12.08.2020 wurde die Mutter der Beschwerdeführerin für die Beschwerdeführerin mit sofortiger Wirksamkeit zum Rechtsbeistand im Verfahren, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters bzw. einer gerichtlichen Erwachsenenvertreterin geprüft wird, sowie zur einstweiligen Erwachsenenvertreterin zur Vertretung in Verwaltungsverfahren bestellt.
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 10.12.2020 wurde die Mutter der Beschwerdeführerin zur gerichtlichen Erwachsenenvertreterin gemäß § 271 ABGB bestellt. Dem Beschluss kann entnommen werden, dass die gerichtliche Erwachsenenvertretung folgenden Wirkungsbereich umfasst: Arten von Angelegenheiten: Vertretung gegenüber Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern, Vertretung bei Rechtsgeschäften, Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten, Zustimmung zu medizinischen Behandlungen, Bestimmung des Wohnorts. Zudem ergibt sich aus diesem, dass die Erwachsenenvertretung vorbehaltlich der vorzeitigen Beendigung oder der Einleitung eines Erneuerungsverfahrens (§ 128 AußStrG) am 10.12.2023 endet.
2. Beweiswürdigung:
Beginn, Umfang und Beendigung der Sachwalterschaft ergeben sich aus den im Akt einliegenden Gerichtsbeschlüssen vom 08.11.2005, vom 06.10.2008 und vom 10.01.2012. Die Feststellungen zur Erwachsenenvertretung ergeben sich aus den Beschlüssen vom 12.08.2020 sowie vom 10.12.2020.
Die Feststellungen hinsichtlich der Ausreise, zum „Bescheid“ vom 25.06.2018, gegen den sich die verfahrensgegenständliche Beschwerde richtet, sowie zur Zustellverfügung gründen sich auf den unbedenklichen Akteninhalt.
Die Feststellung, dass die Mutter der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Entgegenahme des „Bescheides“ nicht vertretungsbefugt war, ergibt sich aus der unbedenklichen Note vom 11.08.2020, demnach derzeit für die Beschwerdeführerin keine Erwachsenenvertretung bestehe. Dieser Note war der Beschluss vom 10.01.2012 des Bezirksgerichtes XXXX angehängt. Vor diesem Hintergrund kann den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen „Bescheid“, wonach die Beschwerdeführerin unter der „Sachwalterschaft“ ihrer Mutter stehe, nicht gefolgt werden. Dies gilt auch im Hinblick auf die Ausführungen in der Beschwerde, demnach die Beschwerdeführerin zusammengefasst „besachwaltet“ sei und die Mutter vertretungsbefugt sei.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:
3.1. §§ 9 und 11 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) lauten wie folgt:
„Rechts- und Handlungsfähigkeit
§ 9. Insoweit die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten in Frage kommt, ist sie von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.“
„§ 11. Soll von Amts wegen oder auf Antrag gegen einen schutzberechtigten Beteiligten, der eines gesetzlichen Vertreters entbehrt, oder gegen eine Person, deren Aufenthalt unbekannt ist, eine Amtshandlung vorgenommen werden, so kann die Behörde, wenn die Wichtigkeit der Sache es erfordert, die Betrauung einer Person mit der Obsorge oder die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters oder Kurators beim zuständigen Gericht (§ 109 JN) veranlassen.“
§§ 2, 5 und 13 des Zustellgesetzes (ZustG) lauten wie folgt:
„Begriffsbestimmungen
§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:
1. ‚Empfänger‘: die von der Behörde in der Zustellverfügung (§ 5) namentlich als solcher bezeichnete Person; …“
„Zustellverfügung
§ 5. Die Zustellung ist von der Behörde zu verfügen, deren Dokument zugestellt werden soll. Die Zustellverfügung hat den Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten.“
„Zustellung an den Empfänger
§ 13. (1) Das Dokument ist dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Ist aber auf Grund einer Anordnung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichtes an eine andere Person als den Empfänger zuzustellen, so tritt diese an die Stelle des Empfängers.“
3.2. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Für das Zustandekommen eines Bescheides ist es erforderlich, dass er erlassen wird. Erst mit seiner Erlassung erlangt ein Bescheid rechtliche Existenz. Die Erlassung schriftlicher Bescheide hat durch Zustellung bzw. Ausfolgung zu erfolgen (vgl dazu etwa Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht (11. Auflage), Rz 197).
Wird ein Bescheid nicht rechtswirksam erlassen, liegt kein tauglicher Anfechtungsgegenstand für eine Beschwerde vor, weswegen eine Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen ist (vgl. etwa VwGH 15.03.2018, Ra 2017/21/0254, mwN).
Voraussetzung für eine zulässige Beschwerde ist daher, dass ein Bescheid überhaupt erlassen wurde, also durch Zustellung bzw. Ausfolgung (oder mündliche Verkündung) rechtlich existent geworden ist.
3.3. Die von der Beschwerdeführerin bekämpfte Erledigung wurde ihr gegenüber nicht rechtswirksam erlassen.
Wie den Feststellungen entnommen werden kann, wurde der Bescheid fälschlicherweise an die Mutter der Beschwerdeführerin als Vertreterin zugestellt, die aber zum Zeitpunkt der Entgegenahme der Erledigung nicht vertretungsbefugt war.
Darüber hinaus wird festgehalten, dass die Behörde jedenfalls prüfen hätte müssen, ob ein aufrechtes Vertretungsverhältnis vorliegt, und wenn ein solches nicht vorliegt, hätte sie in einem weiteren Schritt prüfen müssen, ob die Beschwerdeführerin in der Lage ist, einen Bescheid entgegenzunehmen.
Diesbezüglich wird angemerkt, dass die Behörde einen Mangel der Prozessfähigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen hat (vgl. VwGH 25.02.2019, Ra 2017/19/0361, mwN). Hat die Behörde Bedenken, ob ein Beteiligter in der Lage ist, Bedeutung und Tragweite des Verfahrens und der sich in diesem ereignenden prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten, so hat sie die Vorfrage der Prozessfähigkeit von Amts wegen zu prüfen (zB durch Einholung von Sachverständigengutachten) und – je nach dem Ergebnis dieser Prüfung – nach § 11 AVG vorzugehen oder das Verfahren mit der betreffenden Person durchzuführen (Hengstschläger/Leeb, AVG § 11 Rz 3 (Stand 1.1.2014, rdb.at)). Sowohl die Zustellverfügung als auch deren Durchführung sind Verfahrensakte; sie können daher rechtswirksam nur gegen Handlungsfähige (Prozessfähige) gesetzt werden. Eine an einen Handlungsunfähigen vorgenommen Zustellung würde keine Rechtswirkungen auslösen (vgl dazu Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht (11. Auflage), Rz 198).
Festgehalten wird, dass gegenwärtig jedenfalls die Mutter der Beschwerdeführerin als die Erwachsenenvertreterin zur Vertretung (ua) gegenüber Gerichten bestellt ist (siehe Beschluss vom 10.12.2020).
3.4. Da der „Bescheid“ mangels rechtswirksamer Zustellung nicht existent wurde, war die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.
3.5. Entfall der mündlichen Verhandlung:
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
Weiters kann gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist. Im gegenständlichen Fall wurde die Beschwerde zurückgewiesen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sonst hervorgekommen.
Schlagworte
Nichtbescheid Rechtswidrigkeit VertretungsbefugnisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W111.1266331.3.00Im RIS seit
06.10.2021Zuletzt aktualisiert am
06.10.2021