TE Bvwg Beschluss 2021/5/11 W148 2172522-3

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Veröffentlicht am 11.05.2021
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Entscheidungsdatum

11.05.2021

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W148 2172522-3/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. KEZNICKL als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.05.2021, Zl: XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 in Verbindung mit § 22 BFA-VG rechtmäßig.

§ 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 in Verbindung mit § 22 BFA-VG

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Vorangegangene Asylverfahren:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 04.12.2015 erstmalig einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen seiner Erstbefragung am selben Tag gab er vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, er sei afghanischer Staatsangehöriger und sei am XXXX geboren. Er stamme aus der afghanischen Provinz Helmand und sei ledig. Seine Erstsprache sei Dari und er habe drei Jahre die Schule besucht. Sein Vater sei bereits verstorben. Im Herkunftsstaat würden noch seine Mutter sowie seine beiden Brüder leben. Vor einem Jahr sei er endgültig aus dem Herkunftsstaat ausgereist. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass seine beiden Brüder von den Taliban entführt worden seien und er Angst gehabt habe, dass ihm dasselbe geschehe.

2. Am 13.09.2017 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA), im Zuge welcher er zu seiner Person angab, dass er keiner medizinischen Behandlung bedürfe und gesund sei. Er gehöre der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Religionsgemeinschaft an. Bis zu seinem 15. Lebensjahr habe er im Herkunftsstaat gewohnt. Daraufhin sei er für ein Jahr alleine nach Teheran, Iran, verzogen, da es in seinem Wohnort kaum Arbeit gegeben habe und es aufgrund der Präsenz der Taliban unsicher gewesen sei. In Afghanistan habe er bereits im Alter von fünf oder sechs Jahren begonnen, als Tagelöhner zu arbeiten. Er sei in der Landwirtschaft und im Baubereich tätig gewesen. Der BF habe jeden Tag nach Arbeit gesucht, habe eine solche aber nicht immer gefunden. Für seine Tätigkeiten habe er 40 bis 70 Afghani erhalten. Wenn er nicht gearbeitet habe, sei er zur Schule gegangen. Die Grundschule habe er von 2005 bis 2013 in Helmand besucht. Ferner habe er drei Jahre eine Koran-Schule besucht. Im Iran habe er drei Monate als Wachmann in einer Fabrik gearbeitet. Sein Vater sei verstorben, als er 14 Jahre alt gewesen sei. Er sei im Krieg gegen die Taliban vor circa vier bis fünf Jahren ums Leben gekommen. Mit seiner Mutter und seinen beiden Brüdern habe er seit seiner Ausreise in den Iran keinen Kontakt mehr. Ihren aktuellen Aufenthaltsort kenne er nicht. Vor seiner Ausreise habe er mit seiner Mutter in einem Haus in Helmand gelebt. Seine beiden Brüder seien von den Taliban entführt worden, als sie nach Kabul gehen hätten wollen. Seither habe er nichts mehr von ihnen gehört und wisse nicht, ob sie noch leben würden. Sein jüngerer Bruder sei krank gewesen, weshalb ihn sein älterer Bruder zur Behandlung nach Kabul bringen habe wollen. Am Weg dorthin seien sie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara von den Taliban angehalten und entführt worden. In der Provinz Helmand könnten sich Hazara nicht frei bewegen und müssten immer Angst haben, von den Taliban entführt oder getötet zu werden. Die Entführung habe etwa einen Monat vor seiner Ausreise in den Iran stattgefunden. Vom Iran aus habe er seiner Mutter Geld geschickt. Was sie jetzt mache, wisse er nicht. Nach seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat habe er neun Monate im Iran gelebt. Davon habe er insgesamt vier Monate für den Iran in Syrien gekämpft. Er sei dazu gezwungen worden. Als er auf dem Weg zur Arbeit gewesen sei, habe ihn die iranische Polizei festgenommen und zu einer Polizeistation gebracht. Sie hätten ihm gesagt, dass er illegal im Iran sei und entweder in Syrien kämpfen oder nach Afghanistan zurückkehren müsse. Mit dem Geld, welches er für seinen Aufenthalt in Syrien erhalten habe, habe er seine Flucht finanziert. Zu extremistischen oder terroristischen Gruppierungen habe er nie Kontakt gehabt. Sonstige Angehörige im Herkunftsstaat habe er nicht. Zu seinen Fluchtgründen führte er an, er habe in Afghanistan keine Zukunft gehabt. Er habe dort nicht leben können, da sein Leben in Gefahr gewesen sei. Jeden Tag sei dort Krieg gewesen, es habe Schießereien gegeben und die Taliban seien dort gewesen. Seine Brüder seien auf dem Weg nach Kabul von den Taliban entführt worden. Als Hazara werde man in Helmand verfolgt und lebe in ständiger Angst. Im Iran sei es ihm zunächst als Wachmann gut gegangen, die Polizei hätte ihn jedoch gezwungen, in Syrien zu kämpfen. Dafür habe er im Iran bleiben dürfen und eine Aufenthaltskarte erhalten. Damit seine Aufenthaltskarte im Iran verlängert werde, hätte er neuerlich in Syrien kämpfen müssen. Da er dies nicht gewollt habe, sei er nach Europa geflüchtet. Sein Zielland sei Schweden gewesen. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen gab er an, dass ihn die Taliban in Afghanistan töten würden. Überall in Afghanistan herrsche Krieg und er habe auch keine Verwandten mehr. Auf Nachfrage, warum seine Mutter dort ungefährdet leben könne, gab er an, die Taliban würden Frauen in Ruhe lassen. Sie habe ihn in den Iran geschickt, habe aber selber in Afghanistan bleiben wollen. Wenn in Afghanistan kein Krieg wäre, könne er zurückkehren und dort leben.

3. Mit Bescheid vom 15.09.2017, Zl. XXXX , wurde der (erste) Antrag des BF auf internationalen Schutz betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie betreffend die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 wurde ihm nicht erteilt. Gegen ihn wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Ferner wurde festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden gemäß § 55 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

4. Gegen diesen Bescheid des BFA erhob der BF fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

5. Mit Urteil des LG XXXX vom 03.07.2019, XXXX , wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28 Abs. 1 SMG sowie wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 SMG und Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt, wobei ein Teil von 10 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

6. Mit Urteil des LG XXXX vom 18.05.2020, XXXX , wurde der BF wegen des Vergehens der Vorbereitung zum Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt. Die mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 03.07.2019 zu XXXX ausgesprochene bedingte Strafnachsicht wurde widerrufen.

7. Mit Erkenntnis vom 07.08.2020, W124 2172522-1/52E , wies das BVwG die gegen den Bescheid des BFA vom 15.09.2017 erhobene Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und den §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet ab. Die Beschwerde gegen den Spruchpunkt IV. wurde mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Spruch zu lauten hat: „Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist zur freiwilligen Ausreise 14 Tage ab dem Zeitpunkt der Enthaftung.“ Das Erkenntnis des BVwG ist in Rechtskraft erwachsen.

Das BVwG stellte – hier zusammengefasst und verkürzt wiedergegeben – zur Person des BF fest, dass er afghanischer Staatsangehöriger sei, der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Glaubensrichtung des Islams angehöre. Der BF stamme aus der afghanischen Provinz Helmand, wo er bis zu seiner endgültigen Ausreise aus dem Herkunftsstaat gelebt habe. Seine Erstsprache sei Dari. Im Herkunftsstaat habe er acht Jahre die Grundschule und drei Jahre eine Koranschule besucht. Neben dem Schulbesuch habe er als Tagelöhner verschiedene Tätigkeiten verrichtet und seiner Familie bei der Arbeit auf deren Landwirtschaft geholfen. Im Alter von circa 14 oder 15 Jahren sei er in den Iran verzogen und habe dort rund ein Jahr auf Baustellen sowie als Wachmann gearbeitet. Durch diese Tätigkeiten habe er nicht nur seinen Lebensunterhalt eigenständig bestritten, sondern habe sich auch ausreichende Ersparnisse angeeignet, um seiner Mutter Geld nach Afghanistan zu schicken und seine Flucht nach Europa zu finanzieren. Weiters wurde festgestellt, dass der BF zu seiner Mutter und seinen Brüdern nach wie vor Kontakt habe. Ihr Aufenthaltsort könne jedoch nicht hinreichend festgestellt werden. Der Vater des BF sei bereits verstorben, wobei die näheren Umstände seines Todes nicht abschließend festgestellt werden hätten können.

Zu den Fluchtgründen des BF hielt das BVwG fest, dass er im Herkunftsstaat nicht in das Blickfeld der Taliban geraten und nie einer konkret gegen seine Person gerichteten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Es sei nicht glaubhaft, dass der BF als Mitglied der Fatemiyoun Division im Kampfeinsatz in Syrien gewesen sei und ihm aufgrund von Fotos, welche ihn bei diesem Kampfeinsatz zeigten und im Internet veröffentlicht worden seien, im Fall der Rückkehr nach Afghanistan die reale Gefahr einer Verfolgung drohe.

Für ihn bestehe keine reale Gefahr der Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara sowie zur schiitischen Glaubensrichtung des Islams. Ferner sei es nicht wahrscheinlich, dass dem BF aufgrund seines Aufenthalts in Europa und/oder im Iran der Abfall vom islamischen Glauben oder eine feindliche politische Gesinnung unterstellt werde. Der BF habe während seines Aufenthalts in Österreich keine Wertehaltung und/oder Lebensführung verinnerlicht, die von den afghanischen Sozialnormen in einem solchen Ausmaß abweiche, sodass er im Fall der Rückkehr nach Afghanistan der realen Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt wäre. Zudem sei es nicht wahrscheinlich, dass der BF in Afghanistan von den Taliban oder einer anderen regierungsfeindlichen Gruppierung zwangsrekrutiert werde.

Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat stellte das BVwG fest, dass bei einer Rückkehr in die Provinz Helmand eine Verletzung seiner körperlichen Unversehrtheit aufgrund der instabilen Sicherheitslage sowie der schlechten Erreichbarkeit dieser Provinz nicht ausgeschlossen werden könne. Eine Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif sei dem BF zumutbar und sei diese Stadt auch sicher mit dem Flugzeug erreichbar. Die großen Reisebeschränkungen in Afghanistan seien mittlerweile aufgehoben worden und auch der internationale Flugverkehr sei wiederaufgenommen worden. Es stehe nicht fest, dass der BF im Falle einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif in seinem Recht auf Leben gefährdet werde, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht werde oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Der BF leide an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheit, habe keine Obsorgepflichten und sei arbeitsfähig. Er sei im afghanischen Familienverband aufgewachsen und spreche die in Afghanistan verbreitete Sprache Dari als Erstsprache. Der BF habe den überwiegenden Teil seines Lebens in Afghanistan verbracht, sei mit den kulturellen Traditionen und Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut und habe Berufserfahrung in der Landwirtschaft, auf Baustellen sowie im Wachdienst gesammelt. Es sei daher anzunehmen, dass er im Herkunftsstaat auch ohne finanzielle Unterstützung seiner Angehörigen in der Lage sein werde, sich – allenfalls mit Hilfstätigkeiten - ein ausreichendes Einkommen zu sichern. Es sei nicht davon auszugehen, dass er bei seiner Rückkehr nach Afghanistan in eine hoffnungslose Lage geraten würde. Zur Überbrückung allfälliger Anfangsschwierigkeiten könne der BF zudem Rückkehrunterstützung in Anspruch nehmen.

Zum Privatleben des BF in Österreich stellte das BVwG fest, dass er in Österreich in keiner Familiengemeinschaft oder einer familienähnlichen Gemeinschaft lebe. Er habe sich einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut, über Bindungen besonderer Intensität zu einzelnen Personen im Bundesgebiet verfüge er hingegen nicht. In seiner früheren Unterkunft habe er Hilfstätigkeiten verrichtet. Für die Dauer eines Monats sei er zudem Mitglied in einer Fußballmannschaft gewesen. Während seines Aufenthalts in Österreich habe er sich nicht ehrenamtlich engagiert. Der BF sei in der Lage, einfache Unterhaltungen auf Deutsch zu führen. Er habe die Kurse „Brückenmodul Deutsch, Mathematik und Englisch“ sowie „Basisbildung mit Politischer Bildung“ absolviert. Ferner habe er an einem Pflichtschulabschlusslehrgang teilgenommen, diesen jedoch nicht abgeschlossen. Seinen Lebensunterhalt in Österreich bestreite er aus staatlichen Mitteln. Während seines Aufenthalts sei er zu keinem Zeitpunkt selbsterhaltungsfähig gewesen.

Der BF habe als Mittäter im Zeitraum von Sommer 2017 bis Ende Februar 2019 vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er dieses an Personen in stetig wiederkehrenden Tathandlungen verkauft bzw. auch im Rahmen gemeinsamer Konsumation weitergegeben habe. Ferner habe er im Zeitraum von Oktober 2017 bis Ende Februar 2019 in mehrfachen Angriffen sowohl zum Zweck des weiteren Verkaufs bzw. der Weitergabe als auch ausschließlich zum persönlichen Gebrauch Cannabiskraut und XTC-Tabletten erworben und besessen. Mit Urteil des LG XXXX vom 03.07.2019, XXXX , sei der BF aufgrund dieses Verhaltens wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels sowie wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt worden, wobei ein Teil von 10 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei. Für die Dauer der Probezeit sei Bewährungshilfe angeordnet worden. Ferner sei ein Betrag von € 265, -- für verfallen erklärt worden. Das Mobiltelefon des BF sei konfisziert worden.

Am 17.01.2020 habe der BF vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge mit dem Vorsatz erworben, besessen und befördert, dass es durch gewinnbringenden Verkauf an Suchtgiftkonsumenten in Verkehr gesetzt werde. Mit Urteil des LG XXXX vom 18.05.2020, XXXX , sei der BF aufgrund dieses Verhaltens wegen des Vergehens der Vorbereitung zum Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten verurteilt worden. Die mit Urteil des LG XXXX vom 03.07.2019 gewährte bedingte Strafnachsicht sei widerrufen worden.

Aktuell verbüße der BF seine Freiheitsstrafe in der Justizanstalt XXXX , wo er einen Deutschkurs besuche und als Koch arbeite.

8. Der BF stellte am 02.12.2020 aus dem Stande der Strafhaft vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes den ersten Folgeantrag auf internationalen Schutz. Zu den Gründen der neuerlichen Antragstellung befragt, gab er an, dass er keine Familienangehörigen mehr in Afghanistan habe. Seine Mutter lebe seit 2018 im Iran. Alle, die nach Afghanistan abgeschoben worden seien, seien auf der Straße gelandet oder seien zum Militär gegangen, was der BF nicht wolle. Alle weiteren Fluchtgründe habe er bereits im ersten Asylverfahren angegeben und möchte er auf diese verweisen. Im Falle einer Rückkehr würden die Leute glauben, dass er viel Geld habe. Sie wüssten nicht, dass er hier mit € 40,00 in der Woche auskommen müsse. Außerdem habe er Angst vor den Taliban und dem IS.

9. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA im Beisein des Dolmetschers für die Sprache Dari am 21.01.2021 gab der BF an, dass der Deutschkurs, den er in Strafhaft besuche, seit Corona nicht mehr laufend sei.

Zum Grund für seine neue Asylantragstellung befragt erwiderte er, dass er nicht nach Afghanistan zurückkehren, sondern hierbleiben wolle. An seinen Fluchtgründen habe sich nichts geändert. Er habe niemanden mehr in Afghanistan und wisse nicht, wohin er gehen solle. All seine Verwandten und Bekannten seien irgendwo hingegangen. Das was er angegeben habe, habe er im ersten Verfahren bewiesen. Er habe dazu auch Beweise vorgelegt und es sei nicht gelogen, dass er in Afghanistan etwas im militärischen Bereich zu tun gehabt habe. Als er in Syrien gekämpft habe, seien Fotos gemacht und diese seien auch veröffentlicht worden. Wenn er nun zurückkehre, dann müsse er an seinen Heimatort zurückkehren und dort würden sie wissen, dass er in Syrien gekämpft habe und dann würde man ihn töten. Das habe er nicht im ersten Verfahren erwähnt, da sei ich nicht so viel gefragt worden. Wenn er nicht in Haft gewesen wäre, hätte er seine Mutter kontaktiert und gefragt, was es neues gebe. Er habe auch keine Kontaktdaten seiner Mutter. Über Vorhalt, dass er im Erstverfahren genau befragt worden sei und es auch eine Verhandlung vor dem BVwG gegeben habe, erwiderte der BF, seine Mutter sei 2018 noch in Afghanistan gewesen. Als sie in den Iran gekommen sei, habe er dann nicht mehr gewusst, was in Afghanistan in seiner Heimat los gewesen sei. Dazu befragt, warum eine Rückkehr nach Afghanistan nicht möglich wäre antwortete er, dass er vieles angeben könne, wenn er lügen wolle, vielleicht seinen Glauben wechseln oder sonstige Gründe erfinden. Es sei aber so, dass er nicht lügen wolle und er sagen wolle, dass eine Rückkehr für ihn eine Gefahr wäre. Er sei 6 Jahre in Österreich gewesen, habe hier Toleranz gelernt und man habe ihm viele gute Dinge beigebracht.

10. Mit dem Bescheid des BFA vom 17.02.2021 wurde der erste Folgeantrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und dieser Antrag auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) sowie gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt (Spruchpunkt VI.). Darüber hinaus wurde gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

In der Begründung dieses Bescheides wurde festgestellt, dass der BF keinen glaubhaften Sachverhalt vorgebracht habe, welcher nach Abschluss des Erstverfahrens entstanden sei. Es könne nicht festgestellt werden, dass eine besondere Integrationsverfestigung des BF in Österreich bestehe. Er verfüge in Afghanistan nach wie vor über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte. Zu den Gründen für die Erlassung eines Einreiseverbotes stellte das BFA unter anderem fest, dass der BF nunmehr zum zweiten Mal einen unbegründeten und damit missbräuchlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Er sei wiederholt straffällig geworden und verbüße derzeit die zweite Gefängnisstrafe in Österreich.

11. Mit Erkenntnis des BVwG vom 17.03.2021 ( W135 2172522-2/4E ) wurde die gegen den Bescheid vom 17.02.2021 eingebrachte Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. gemäß § 68 AVG als unbegründet abgewiesen und gegen die Spruchpunkte III. bis VII. gemäß §§ 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG und §§ 52, 53 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.

I.2. Zum gegenständlichen Verfahren:

1. Der BF stellte am 19.04.2021 aus dem Stande der Schubhaft den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag wurde er von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Dort gab er an, dass er in psychologischer Behandlung sei und täglich abends Medikamente nehme.

Zu den Gründen für seine neuerliche Antragstellung brachte er vor, dass seine damaligen Fluchtgründe nach wie vor aufrecht seien. Was er nun jedoch erzähle, habe er noch niemandem erzählt. Zwei Mal sei er von den iranischen Behörden nach Syrien geschickt worden, um gegen den IS zu kämpfen. Er habe einen iranischen Reisepass gehabt. Die Fotos und die Unterlagen, die das bestätigten habe er dem BFA bereits vorgelegt. Als er nach Europa geflüchtet sei habe er den iranischen Reisepass im Iran gelassen. Seine Mutter habe sich während dieser Zeit in Afghanistan aufgehalten. Ein Freund von ihm benutzte seinen iranischen Reisepass um in Syrien gegen den IS zu kämpfen. Sein Freund sei seitdem verschollen. Dessen Familie gebe nun dem BF die Schuld an dessen Verschwinden und er werde deshalb – im Iran und in Afghanistan, wo dessen Familie bzw. Verwandten wohnten – von ihnen bedroht. Als er in Österreich gewesen sei, sei er via Facebook mehrmals von der Familie des Freundes bedroht worden. Seine Mutter sei am 07.08.2019 von Afghanistan in den Iran geflüchtet, weil die Familie des verschollenen Jungen sie in Afghanistan bedroht habe. Sie hätten von seiner Mutter verlangt, dass sie den BF auffordern solle, zurück nach Afghanistan zu kommen, ansonsten würden sie ihr etwas antun. Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst um sein Leben und das seiner Mutter. Er habe außerdem keine Unterkunft und seine Heimatstadt sei vollkommen unter der Kontrolle der Taliban. Wenn die Taliban erfuhren, dass er in Syrien gekämpft habe, würden sie ihn töten. Die afghanische Polizei werde ihn festnehmen, weil er als Spion gelte, da er für die iranische Regierung gekämpft habe. Die Änderungen seiner Fluchtgründe seien ihm seit Ende 2016 bekannt.

2. Am 19.03.2021 wurde der BF vom BFA niederschriftlich einvernommen. Er gab an, dass er Medikamente gegen Schlaflosigkeit und Depressionen nehme.

Zur geplanten Vorgehensweise des BFA, seinen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben, brachte der BF vor, dass er einen Folgeantrag gestellt habe und darin neue Gründe angegeben habe, die er in seinem Vorverfahren nicht angegeben habe. Er habe im Iran einen Reisepass gehabt, dieser sei zehn Jahre gültig gewesen. Der Reisepass sei bei seiner Familie im Iran gewesen. Ein guter Freund habe den BF überredet, dass er diesem seinen Reisepass gebe und einige Informationen über sein Leben. Der Freund sei mit diesem Reisepass zweimal nach Syrien gereist und habe an Kämpfen teilgenommen. Das zweit Mal sei er nicht zurückgekommen. Von seinem Freund lebten drei Brüder in Afghanistan, in der Ortschaft in der auch seine Mutter gelebt habe. Die Brüder hätten den BF angerufen und bedroht, weshalb er seinen Reisepass und Informationen weitergegeben habe. Aus Angst vor ihnen sei seine Mutter aus Afghanistan in den Iran geflüchtet. Aus diesem Grund könne er nicht nach Afghanistan zurückkehren. Der BF würde von der Familie getötet werden. Den Reisepass habe er Ende 2016 weitergegeben.

Am Ende dieser Einvernahme wurde mit dem verfahrensgegenständlich mündlich verkündeten Bescheid des BFA vom 03.05.2021 der faktische Abschiebeschutz des BF gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben.

In der rechtlichen Begründung wurde ausgeführt, dass in seinem Fall ein Folgeantrag vorliege. Sein Vorverfahren sei rechtskräftig geworden. Er verfüge über kein sonstiges Aufenthaltsrecht. Sein nunmehriger Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen, da seinem Vorbringen kein glaubhafter Kern zu entnehmen gewesen sei.

Auch die allgemeine Lage im Herkunftsland, habe sich nicht entscheidungswesentlich geändert. Da sich die allgemeine Lage wie auch seine persönlichen Verhältnisse und sein körperlicher Zustand nicht entscheidungswesentlich geändert hätten, könne davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat für den BF zu keiner Bedrohung der angeführten Menschenrechte führen werde. Ebenso wenig sei bezüglich seiner persönlichen Verhältnisse eine Veränderung im Hinblick auf die vorherige Entscheidung eingetreten. Die aktuelle COVID-19-Pandemie erfordere auch nicht die Zuerkennung von subsidiärem Schutz bzw. die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung. Das individuelle Risiko des BF an SARS-CoV-2 schwer oder gar tödlich zu erkranken sei sehr niedrig. Ein „real risk“ einer Verletzung des Art. 3 EMRK drohe ihm im Herkunftsstaat aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht.

4. Der gegenständliche Akt wurde dem BVwG von der belangten Behörde aufgrund des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 erst am 06.05.2021 vollständig übermittelt (fristauslösend). Nach Durchsicht auf Vollständigkeit des Aktes und Überprüfung wurde die belangte Behörde am selben Tag über das Einlangen des Verwaltungsaktes verständigt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Der BF ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Glaubensrichtung des Islams an. Er stellte am 04.12.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF stammt aus der afghanischen Provinz Helmand, wo er bis zu seiner endgültigen Ausreise aus dem Herkunftsstaat gelebt hat. Seine Erstsprache ist Dari. Im Herkunftsstaat hat er acht Jahre die Grundschule und drei Jahre eine Koranschule besucht. Neben dem Schulbesuch hat er als Tagelöhner verschiedene Tätigkeiten verrichtet und seiner Familie bei der Arbeit auf deren Landwirtschaft geholfen. Im Alter von circa 14 oder 15 Jahren ist er in den Iran verzogen und hat dort rund ein Jahr auf Baustellen sowie als Wachmann gearbeitet. Durch diese Tätigkeiten hat er nicht nur seinen Lebensunterhalt eigenständig bestritten, sondern hat sich auch ausreichende Ersparnisse angeeignet, um seiner Mutter Geld nach Afghanistan zu schicken und seine Flucht nach Europa zu finanzieren.

Der BF lebt in Österreich in keiner Familiengemeinschaft oder einer familienähnlichen Gemeinschaft. Er hat sich einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut, über Bindungen besonderer Intensität zu einzelnen Personen im Bundesgebiet verfügt er hingegen nicht. In seiner früheren Unterkunft hat er Hilfstätigkeiten verrichtet. Für die Dauer eines Monats ist er zudem Mitglied in einer Fußballmannschaft gewesen. Während seines Aufenthalts in Österreich hat er sich nicht ehrenamtlich engagiert.

Der BF ist in der Lage, einfache Unterhaltungen auf Deutsch zu führen. Er hat die Kurse „Brückenmodul Deutsch, Mathematik und Englisch“ sowie „Basisbildung mit Politischer Bidlung“ absolviert. Ferner hat er an einem Pflichtschulabschlusslehrgang teilgenommen, hat den Lehrgang jedoch nicht abgeschlossen.

Seinen Lebensunterhalt in Österreich bestreitet er aus staatlichen Mitteln. Der BF ist arbeitsfähig. Während seines Aufenthalts ist er zu keinem Zeitpunkt selbsterhaltungsfähig gewesen.

Der BF hat als Mittäter im Zeitraum von Sommer 2017 bis Ende Februar 2019 vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er dieses an Personen in stetig wiederkehrenden Tathandlungen verkauft bzw. auch im Rahmen gemeinsamer Konsumation weitergegeben hat. Ferner hat er im Zeitraum von Oktober 2017 bis Ende Februar 2019 in mehrfachen Angriffen sowohl zum Zweck des weiteren Verkaufs bzw. der Weitergabe als auch ausschließlich zum persönlichen Gebrauch Cannabiskraut und XTC-Tabletten erworben und besessen. Mit Urteil des LG XXXX vom 03.07.2019, XXXX , wurde der BF aufgrund dieses Verhaltens wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels sowie wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt, wobei ein Teil von 10 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Für die Dauer der Probezeit wurde Bewährungshilfe angeordnet.

Am 17.01.2020 hat der BF vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge mit dem Vorsatz erworben, besessen und befördert, dass es durch gewinnbringenden Verkauf an Suchtgiftkonsumenten in Verkehr gesetzt werde. Mit Urteil des LG XXXX vom 18.05.2020, XXXX , wurde der BF aufgrund dieses Verhaltens wegen des Vergehens der Vorbereitung zum Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten verurteilt. Die mit Urteil des LG XXXX vom 03.07.2019 gewährte bedingte Strafnachsicht wurde widerrufen.

Er wurde am 06.04.2021 aus der Strafhaft entlassen. Während der Strafhaft hat er einen Deutschkurs besucht und als Koch gearbeitet.

Der BF begründete seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen damit, dass er in seiner Heimat aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seines Kampfeinsatzes in Syrien sowie seines Aufenthaltes im Iran und Europa von den Taliban verfolgt werde. Seine Brüder seien von den Taliban entführt worden. In der zweiten mündlichen Verhandlung steigerte der BF sein Vorbringen im Wesentlichen dadurch, dass er angab, seine Militärfotos von Syrien seien in den sozialen Medien überall verbreitet worden, weshalb die Taliban über seine Tätigkeit in Syrien Bescheid wüssten. In Afghanistan herrsche Krieg und er habe auch keine Verwandten mehr.

Das Bundesamt und das BVwG erachteten das Vorbringen des BF als nicht geeignet, eine mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung aus asylrelevanten Gründen darzutun. Dieses erste Asylverfahren des BF wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 07.08.2020 (W124 2172522-1/52E) rechtskräftig negativ entschieden.

Am 02.12.2020 stellte der BF seinen ersten Folgeantrag. Er brachte neuerlich vor er habe in Syrien gekämpft und seien diesbezüglich Fotos veröffentlicht worden, weshalb man ihn im Falle einer Rückkehr in seine Heimat töten würde. Dieses Vorbringen war ident mit seinem Vorbringen im ersten abgeschlossenen Asylverfahren.

Dieser erste Folgeantrag wurde mit Erkenntnis des BVwG 17.03.2021 (W135 2172522-2/4E) rechtskräftig negativ entschieden, wobei gegen ihn eine Rückkehrentscheidung sowie ein siebenjähriges Einreiseverbot erlassen wurden.

Am 19.04.2021 brachte der BF aus der Schubhaft den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz in Österreich ein. Diesen Antrag begründet er einerseits damit, dass seine alten Fluchtgründe aufrecht blieben. Ergänzend gab er an, dass ein Freund von ihm seinen iranischen Reisepass benutzt habe, um in Syrien gegen den IS zu kämpfen. Sein Freund sei seitdem verschollen und der BF werde deswegen von dessen Familie bedroht.

Diesem ergänzenden Vorbringen fehlt es allerdings bereits an einem glaubwürdigen Kern.

Seit rechtskräftigem Abschluss der beiden Vorverfahren ist daher kein entscheidungsrelevanter neuer asylrelevanter Sachverhalt eingetreten.

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des BF und seiner familiären und privaten Beziehungen in Österreich und im Herkunftsstaat sowie seiner individuellen Rückkehrsituation in diesen sind keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen seit der letzten Rückkehrentscheidung eingetreten.

Der BF leidet nicht an schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen. Er zählt weder aufgrund seines Alters zu einer Risikogruppe für eine COVID-19-Erkrankung, noch hat er relevante Vorerkrankungen. Die diesbezügliche Lage in Afghanistan ist weiters nicht dergestalt, dass eine Rückkehr jedem Afghanen allein aufgrund der COVID-19-Pandemie unzumutbar wäre.

In Bezug auf den BF besteht kein hinreichend schützenswertes Privat- und Familienleben im österreichischen Bundesgebiet.

Es ist daher zusammenfassend nicht ersichtlich, dass eine bevorstehende Abschiebung des BF nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Es liegen keine (geänderten) Umstände vor, welche seiner Außerlandesbringung aus dem Bundesgebiet entgegenstünden.

II.2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zur Person des BF stützen sich auf dessen Angaben in den rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren über seine beiden vorangegangenen Anträge auf internationalen Schutz.

Die Feststellungen zur persönlichen und familiären Situation des BF sowie den gesetzten Integrationsschritten in Österreich ergeben sich aus den in den Asylverfahren vorgelegten Unterlagen, den Angaben in den Verfahren vor dem BFA und dem BVwG sowie aus den Schriftsätzen aller Verfahren. Aus seinen Angaben im gesamten Verfahren in Verbindung mit einem Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem ergibt sich, dass der BF in Österreich bisher keiner rechtmäßigen Erwerbstätigkeit nachgegangen und sohin nicht selbsterhaltungsfähig ist, sondern seinen Lebensunterhalt aus staatlichen Mitteln bestreitet.

Was das Vorbringen des BF im gegenständlichen Verfahren betrifft, seine Mutter sei am 07.08.2019 von Afghanistan in den Iran geflüchtet, ist festzuhalten, dass bereits im Erkenntnis des BVwG vom 07.08.2020 der Aufenthaltsort der Mutter und der Brüder des BF nicht abschließend festgestellt, also auch nicht festgestellt wurde, dass die Mutter in Afghanistan aufhältig wäre. Der Aufenthaltsort der Mutter kann auch dahingestellt bleiben, weil es auf diesen nicht entscheidungswesentlich ankommt. Beim BF handelt es sich um einen gesunden und arbeitsfähigen Mann mit ausreichender Schulbildung und Berufserfahrung, dessen Rückkehr nach Afghanistan auch ohne familiäre Anknüpfungspunkte rechtskräftig als zumutbar erachtet wurde und auch nach wie vor erachtet wird.

Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen ergeben sich aus einem Auszug aus dem Strafregister vom 21.04.2021. Ferner ist den Angaben des BF in der Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG am 06.07.2020 zu entnehmen, dass er in der Justizanstalt an einem Deutschkurs teilgenommen und als Koch gearbeitet hat. Die Feststellung, wonach er am 06.04.2021 aus der Freiheitsstrafe entlassen wurde, stützt sich auf den Auszug aus dem Strafregister vom 21.04.2021.

Die Feststellungen zum Gang der beiden vorangegangenen Asylverfahren und des gegenständlichen Verfahrens wurden auf Grundlage der in Rechtskraft erwachsenen oben zitierten Bescheide des BFA vom 15.09.2017 und 17.02.2021, den abweisenden rechtskräftigen Erkenntnissen des BVwG vom 07.08.2020 und 17.03.2021 sowie der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA getroffen.

Die Feststellung, dass es dem ergänzenden Vorbringen des BF, zur Bedrohung durch die Familie eines verschollenen Freundes, der seinen iranischen Reisepass benutzt habe um in Syrien gegen den IS zu kämpfen, bereits an einem glaubwürdigen Kern fehlt, beruht auf seinen diesbezüglich unglaubwürdigen Aussagen im gegenständlichen Verfahren. Zuerst ist beachtlich, dass ihm, seinen Äußerungen zufolge (AS. 27) die Änderungen seiner Fluchtgründe seit Ende 2016 bekannt seien, somit zu einem Zeitpunkt, als das Verfahren zu seiner ersten Asylantragsstellung noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war und hätte er dies bereits im Vorverfahren vorzubringen gehabt.

Abgesehen davon, dass der BF die von ihm behauptete Bedrohung durch die Familie eines verschollenen Freundes bereits im Vorverfahren vorzubringen gehabt hätte, erachtet der erkennende Richter dieses Vorbringen auch nicht als glaubhaft.

Er legte in seinem ersten Asylverfahren, bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 13.09.2017, eine Aufenthaltsbestätigung für den Iran vor. Das Dokument habe er in Teheran am 24.05.2015 erhalten, als er von Syrien zurückgekommen sei. Damit seine Aufenthaltskarte im Iran verlängert werde, hätte er neuerlich in Syrien kämpfen müssen. Da er dies nicht gewollt hätte, sei er nach Europa geflüchtet. Diese Ausführungen stehen in völligem Widerspruch zu seiner Behauptung im gegenständlichen Verfahren, dass er einen iranischen Reisepass besessen habe, der zehn Jahre gültig gewesen sei. Auch in seinem ersten Folgeantragsverfahren erwähnte er weder einen iranischen Reisepass noch eine damit zusammenhängende Bedrohung durch die Familie eines Freundes. In seiner niederschriftlichen Einvernahme am 21.01.2021 betonte er, dass sich an seinen Fluchtgründen nichts geändert habe. Dazu befragt, warum eine Rückkehr nach Afghanistan nicht möglich wäre antwortete er, dass er vieles angeben könne, wenn er lügen wolle, vielleicht seinen Glauben wechseln oder sonstige Gründe erfinden. Es sei aber so, dass er nicht lügen wolle und er sagen wolle, dass eine Rückkehr für ihn eine Gefahr wäre. Die erstmals in seiner Erstbefragung am 19.04.2021 ins Treffen geführte Bedrohung durch die Familie eines verschollenen Freundes, die ihm seit 2016 bekannt gewesen sei, ist angesichts seiner bisherigen abweichenden Äußerungen in den beiden Vorverfahren als erhebliche Steigerung seines Fluchtvorbringens zu sehen. Hätte es tatsächlich eine Bedrohung gegen den BF durch die Familie eines verschollenen Freundes gegeben, so hätte er dies in den beiden Vorverfahren erwähnt. Denn er hatte ausreichend Gelegenheit, um sein Fluchtvorbringen vollständig darzulegen und wurde auch hinreichend über seine Mitwirkungspflichten aufgeklärt. Die Rechtfertigung des BF, er habe das damals nicht angegeben, weil seine Mutter gemeint habe, er solle das nicht sagen (AS. 76), ist in keiner Weise schlüssig und nachvollziehbar. Da insbesondere seine Mutter am Wohlbefinden des BF ein übergeordnetes Interesse haben sollte, wäre vielmehr davon auszugehen, dass sie ihm dazu geraten hätte eine asylrelevante Bedrohung bzw. Verfolgung bei der ersten sich ihm bietenden Gelegenheit kundzutun.

Das BVwG kommt daher zum Ergebnis, dass dem Vorbringen des BF, zu einer Bedrohung durch die Familie seines verschollenen Freundes, kein glaubhafter Kern innewohnt, weshalb es letztlich als untauglicher Versuch, bei seinen bereits rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren eine entscheidungsrelevante Sachverhaltsänderung zu belegen, zu qualifizieren ist.

In der Zusammenschau leitet sich ab, dass der BF weder in dem Zeitraum nach Erlassung des rechtskräftig negativen Erkenntnisses des BVwG vom 07.08.2020, mit dem der Bescheid des BFA vom 15.09.2017 bestätigt wurde, noch in dem Zeitraum nach Erlassung des rechtskräftig negativen Erkenntnisses des BVwG vom 17.03.2021, mit dem der Bescheid des BFA vom 17.02.2021 bestätigt wurde, neue wesentliche Sachverhaltselemente glaubwürdig vorgebracht hat. Daher wird der gegenständliche zweite Folgeantrag des BF, wie das BFA in seinem Bescheid vom 03.05.2021 ausführte, von diesem aller Voraussicht nach wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werden.

Die Feststellung, dass hinsichtlich der privaten Beziehungen des BF in Österreich und im Herkunftsstaat gegenüber den in den rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungswesentlichen Änderung eingetreten ist, gründet sich auf den Umstand, dass im Zusammenhang mit der mit dem Erkenntnis des BVwG vom 17.03.2021 gegen den BF getroffenen Rückkehrentscheidung letztmalig über die Frage eines Eingriffes in das Privat- bzw. Familienleben des Fremden rechtskräftig abgesprochen wurde und eine maßgebliche Änderung des diesbezüglichen Sachverhaltes - jedenfalls zu Gunsten der privaten Interessen an einem Verbleib des BF im österreichischen Bundesgebiet - nicht erkennbar ist, zumal diese Entscheidung weniger als zwei Monate zurückliegt. Somit verfügt der BF weder über ein hinreichend schützenswertes Privat- noch Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF beruhen auf seinen eigenen Angaben. In seiner Einvernahme vor dem BFA am 03.05.2021 erklärte er, dass er Medikamente gegen Schlaflosigkeit und Depressionen nehme. Dass er unter einer lebensgefährlichen Erkrankung leide verneinte er (AS. 74). Belege für eine solche Erkrankung wurden von ihm ebenso wenig vorgelegt.

Auch die aktuelle Situation in Afghanistan betreffend die COVID-19 Pandemie ändert nichts an der Zumutbarkeit der Rückkehr nach Afghanistan, da der BF weder bezogen auf sein Alter, noch auf seinen Gesundheitszustand zur besonderen Risikogruppe für eine schwere COVID-19-Erkrankung zählt und die Anzahl an COVID-19-Infizierten in Afghanistan im Vergleich zur Gesamtbevölkerung noch gering ist und keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung des BF gegeben ist.

Dem von der belangten Behörde herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 16.12.2020 ist zwar zu entnehmen, dass die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt ist, jedoch ist die medizinische Versorgung und der Zugang zu Medikamenten – insbesondere in urbanen Städten – grundsätzlich gegeben. Psychische Erkrankungen sind in öffentlichen und privaten Klinken grundsätzlich behandelbar. In Mazar-e Sharif gibt es sowohl private als auch öffentliche Krankenanstalten, darunter ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. Es existieren zusätzlich etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken. In Herat gibt es das Jebrael-Gesundheitszentrum im Nordwesten der Stadt, dass für rund 60.000 Menschen im dicht besiedelten Gebiet mit durchschnittlich 300 Besuchern pro Tag grundlegende Gesundheitsdienste anbietet. Außerdem verfügte die Stadt im April 2017 über 65 private Gesundheitskliniken. Die WHO geht davon aus, dass in ganz Afghanistan im öffentlichen, wie auch privaten Sektor insgesamt 320 Spitäler existieren, an welche sich Personen mit psychischen Problemen wenden können. Der Zugang zu Medikamenten ist grundsätzlich gegeben, wenn gleich die Medikamente nicht gleichwertig und schwerer zugänglich sind.

Daher ist aufgrund der grundsätzlichen Behandlungsmöglichkeiten psychischer Erkrankungen und dem Zugang zu Medikamenten, nicht davon auszugehen, dass es für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat zu einer lebensbedrohlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des BF kommen würde. Somit ist es zu keiner entscheidungswesentlichen Änderung seines Gesundheitszustandes gekommen.

Im Hinblick auf die geltend gemachte Gesundheitsbeeinträchtigung des BF ist letztlich zu erwägen, dass nach der zu Art. 3 EMRK ergangenen Rechtsprechung ein Fremder im Allgemeinen kein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben (vgl. dazu VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0105, Rz. 20, sowie das Urteil des EGMR vom 13.12.2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien, Rz. 189 ff). Wie oben dargestellt, besteht für den BF in den Großstädten, wie Mazar-e Sharif, tatsächlich Zugang zu einer Behandlung von psychischen Erkrankungen. Bei dem dargestellten Gesundheitszustand liegt außerdem aus Sicht des erkennenden Gerichts im Entscheidungszeitpunkt kein akut lebensbedrohlicher Krankheitszustand vor bzw. wäre im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan keine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu erwarten.

Die Feststellung, dass hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat gegenüber den in den mit Erkenntnissen des BVwG vom 07.08.2020 und 17.03.2021 rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten sind, ergibt sich aus einem Vergleich des in den beiden vorigen Asylverfahren vom BVwG beigezogenen Länderberichtsmaterial mit dem dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Länderberichtsmaterial. Auch im gegenständlichen zweiten Folgeantragsverfahren wurden dem BF vom BFA umfassende Länderberichte zur Kenntnis gebracht, die ihm im Verfahren vor der belangten Behörde nicht substantiiert bestritten wurden und die keine entscheidungserhebliche Veränderung der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat im Vergleich zur Lage, die bereits im Rahmen der letzten beiden rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren einer Beurteilung unterzogen wurde, zeigen.

Eine gravierende Verschlechterung der Covid-19-Situation in Afghanistan oder im Besonderen der Sicherheits- und Versorgungslage in Mazar-e Sharif seit Rechtskraft der Entscheidung im ersten Asylverfahren mit 07.08.2020 kann nicht erkannt werden. Das Ausmaß und die Folgewirkungen der Covid-19-Pandemie in Afghanistan wurden in den dem Erkenntnis vom 07.08.2020 zugrundeliegenden Länderberichten bereits ausführlich berücksichtigt, aus diesen ergab sich für das erkennende Gericht unter dem Aspekt der Sicherheits- und Versorgungslage in Mazar-e Sharif keine besondere Gefährdungssituation für den Beschwerdeführer (vgl. Seiten 93 und 94 des Erkenntnisses vom 07.08.2020). Eine weitere maßgebliche Verschlechterung der Situation seit August 2020 ist dem zwischenzeitlich erschienenen und dem angefochtenen Bescheid vom 03.05.2021 zugrunde gelegten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Afghanistan vom 16.12.2020 nicht zu entnehmen. Dieses zeigt verglichen mit der im Erstverfahren herangezogenen Aktualisierung vom 18.05.2020 im Hinblick auf die Situation in Mazar-e Sharif vielmehr sogar einzelne Verbesserungen auf. So bestehen in diesen Städten gegenwärtig keine Ausgangssperren mehr, auch Hotels und Teehäuser sind derzeit geöffnet.

III. Rechtliche Beurteilung:

III.1 Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen keine gegenteiligen Bestimmungen enthalten sind, liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

III.2. Zur Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

III.2.1. Die im gegenständlichen Verfahren anzuwendenden Rechtsvorschriften lauten wie folgt:

"§ 12a Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017, Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt und

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben, und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,

2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist (§ 58 Abs. 2 FPG) und

3. darüber hinaus

a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;

b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder

c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.

Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.

(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn

1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder

2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.

(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG und Ausweisungen gemäß § 66 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt werden."

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 idgF ergehen Entscheidungen des BFA über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

Der mit "Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes" betitelte § 22 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013, lautet wie folgt:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

III.2.2. Daraus folgt für das gegenständliche Verfahren:

Das BFA hat im Zuge eines Verfahrens über einen (weiteren) Folgeantrag des BF den faktischen Abschiebeschutz des BF gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben.

Daher war diese Entscheidung vom BVwG gemäß § 22 BFA-VG dahingehend zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 im gegenständlichen Fall vorliegen.

Zu den Voraussetzungen des § 12a AsylG im gegenständlichen Fall ist festzustellen, dass gegen den BF mit Bescheid des BFA vom 15.09.2017 bzw. dem Erkenntnis des BVwG vom 07.08.2020 und mit Bescheid des BFA vom 17.02.2021 bzw. dem Erkenntnis des BVwG vom 17.03.2021 bereits eine aufrechte und rechtskräftige Rückkehrentscheidung inklusive einem auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot vorliegt.

Aus dem Vorbringen des BF zum gegenständlichen Folgeantrag ergibt sich, wie in der Sachverhaltsdarstellung und der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt wurde, dass kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt glaubhaft vorgebracht wurde. Auch die für den BF maßgebliche Ländersituation in Afghanistan ist im Wesentlichen (schon aufgrund der nur kurzen Zeitspanne seit August 2020 bzw. März 2021) gleichgeblieben und hat sich auch durch die aktuell vorliegende Pandemie aufgrund des Corona-Virus nicht entscheidungsrelevant verändert, zumal diese auch bereits in den Erkenntnissen vom 07.08.2020 und 17.03.2021 Berücksichtigung gefunden hat.

In den Bescheiden des BFA vom 15.09.2017 und 17.02.2021 bzw. in den, diese Entscheidungen bestätigenden, Erkenntnissen des BVwG vom 07.08.2020 und 17.03.2021 wurde ausgesprochen, dass der BF bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson als ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde. Im gegenständlichen Verfahren sind vor dem BFA keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die für eine maßgebliche Änderung des für diesen Abspruch relevanten Sachverhaltes und/bzw. im Sinne der vorzitierten Bestimmungen gegen eine Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat Afghanistan sprechen würden. Das BVwG teilt, wie oben dargestellt, auch die Ansicht der belangten Behörde, dass beim BF kein schützenswertes Familien- oder Privatleben in Österreich erkennbar ist und auch sein Gesundheitszustand nicht dazu Anlass gibt, eine Rückkehr nach Afghanistan unzulässig erscheinen zu lassen.

Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12 a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 22 BFA-VG idgF für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen, erweist sich der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes vom 03.05.2021 als rechtmäßig.

III.3. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonst

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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