TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/12 W152 2129637-2

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Veröffentlicht am 12.05.2021
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Entscheidungsdatum

12.05.2021

Norm

AsylG 2005 §12a Abs3
AsylG 2005 §12a Abs4 Z2
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W152 2129637-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Walter KOPP als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2019 (richtig wohl: 09.01.2020), Zl. 1080426109-190894992, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 12a Abs. 4 Z 2 iVm Abs. 3 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

1. Verfahrensgang:

1.1 Der Beschwerdeführer stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 30.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.05.2016,
Zl. 1080426109 – 150976086, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I), dem Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan jedoch gemäß
§ 8 Abs. 1 AsylG 2005 stattgegeben (Spruchpunkt II) und dem Beschwerdeführer gemäß
§ 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 31.05.2017 erteilt (Spruchpunkt III).

1.3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.05.2017, GZ: W134 2129637-1/9E, wurde die gegen Spruchpunkt I des Bescheides erhobene Beschwerde gemäß
§ 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, im Ergebnis sei es dem Beschwerdeführer insgesamt nicht gelungen, eine konkrete und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen (vgl. Seite 12 des Erkenntnisses).

1.4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.05.2017,
Zl. 1080426109 – 150976086, wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung („subsidiärer Schutz“) bis zum 31.05.2019 verlängert.

1.5. Mit Aktenvermerk vom 22.08.2018 wurde ein Aberkennungsverfahren gegen den Beschwerdeführer eingeleitet, weil gegen ihn Anklage wegen § 15 StGB, § 142 StGB,
§§ 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und 27 Abs. 2 SMG erhoben worden sei. Am 27.08.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt im Rahmen seines Aberkennungsverfahrens niederschriftlich einvernommen.

1.6. Der Beschwerdeführer wurde am 20.12.2018 vom Landesgericht für Strafsachen XXXX zu XXXX u.a. wegen des Verbrechens des Raubes gemäß § 142 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten verurteilt, wobei 10 Monate unter einer Setzung einer Probezeit in der Dauer von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurden, verurteilt.

1.7. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.01.2019,
Zl. 1080426109 – 180738179, wurde dem Beschwerdeführer der mit Bescheid vom 31.05.2016, Zl. 1080426109 – 150976086, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I). Die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gegen den Beschwerdeführer wurde gemäß
§ 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 AsylG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV). Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI). Schließlich wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII). Begründend hielt die Behörde fest, der Beschwerdeführer habe in Österreich mittlerweile eine gewisse Ausbildung erhalten. Die Familie des Beschwerdeführers lebe in Afghanistan (Baghlan). Nach dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 25.04.2017 könne die Familie des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat von den Einnahmen seines Vaters außerdem gut leben (vgl. Seite 7 des Bescheides). In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesamt aus, dem Beschwerdeführer sei aufgrund der besonderen Hilfsbedürftigkeit (junges Alter, keine Schulbildung) subsidiärer Schutz gewährt worden. Der Beschwerdeführer sei nunmehr eine gesunde, volljährige Person mit gewisser Ausbildung. Der Beschwerdeführer habe weiters vor seiner Ausreise als Landwirt gearbeitet und seine Familie könne ihn nunmehr unterstützen (vgl. Seite 53 und 54 des Bescheides). Dem Beschwerdeführer stehe außerdem zumindest eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Der Status des subsidiär Schutzberechtigen war somit abzuerkennen (vgl. Seite 55 und 56 des Bescheides). Der Bescheid wurde mittels Hinterlegung am 21.01.2019 zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.

1.8. Am 29.08.2019 wurde der Beschwerdeführer aufgrund eines Festnahmeauftrages in Wien festgenommen und im Rahmen seiner mündlichen Einvernahme am 29.08.2019 über die bevorstehende Abschiebung am 03.09.2019 informiert. Dabei brachte der Beschwerdeführer vor, er könne nicht nach Afghanistan zurückkehren. Für ihn bestehe dort Lebensgefahr. Sollte der Beschwerdeführer nach Afghanistan abgeschoben werden, würde er sich das Leben nehmen.

1.9. Im Anschluss an die Vernehmung wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.08.2019, Zl. 1080426109 – 190886108, über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung verhängt.

1.10. Am 02.09.2019 – also im Rahmen der Schubhaft – stellte der Beschwerdeführer einen (Folge-)Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde der Beschwerdeführer am gleichen Tag niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte der Beschwerdeführer vor, er leide an einer Herzkrankheit. Dies führe zu wiederkehrenden Anfällen und Bewusstlosigkeit. In Afghanistan gebe es keine adäquate Behandlungsmöglichkeit. Eine Abschiebung sei daher nicht möglich.

1.11. Mit Mandatsbescheid vom 03.09.2019, Zl. 1080426109- 190894992, wurde gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 iVm § 57 Abs. 1 AVG festgestellt, dass die Voraussetzung des § 12a Abs. 4 Z 2 AsylG 2005 nicht vorliegt. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 der faktische Abschiebeschutz nicht zuerkannt. Begründend wurde hiebei ausgeführt, der Beschwerdeführer habe den Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem festgelegten Abschiebetermin gestellt und die Lage im Herkunftsstaat Afghanistan sei seit der letzten Entscheidung im Wesentlichen unverändert geblieben. Der Beschwerdeführer wurde am 03.09.2019 nach Afghanistan abgeschoben. Mit Schriftsatz vom 16.09.2019 erhob die Vertretung des Beschwerdeführers fristgerecht das Rechtsmittel der Vorstellung gegen den Mandatsbescheid.

1.12. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass die Voraussetzung des § 12a Abs. 4 Z 2 AsylG 2005 nicht vorliegt. Dem Beschwerdeführer wurde der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 nicht zuerkannt. Begründend hielt die belangte Behörde fest, gegen den Beschwerdeführer gebe es eine aufrechte Rückkehrentscheidung. Der Folgeantrag des Beschwerdeführers sei innerhalb von 2 Tagen vor dem geplanten Abschiebetermin gestellt worden. Es sei daher nur zu prüfen, ob sich die objektive Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers seit der letzten Entscheidung in seiner Asylsache entscheidungsrelevant geändert habe. Eine solche Veränderung sei aufgrund aktueller Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat nicht zu erkennen, wobei auch umfangreiche Feststellungen zur Lage in der Provinz Baghlan und Herat getroffen wurden. Eine Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes komme somit nicht in Betracht.

1.13. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben.

2. Feststellungen:

2.1. Das Bundesverwaltungsgericht stellt den Verfahrensgang fest, wie dieser unter Pkt. 1 wiedergegeben ist.

2.2. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger. Er stellte am 30.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.05.2016, Zl. 1080426109 – 150976086, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter erteilt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.05.2017, GZ: W134 2129637-1/9E, wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten rechtskräftig abgewiesen.

2.3. Mit rechtskräftigem Bescheid vom 11.01.2019, Zl. 1080426109 – 180738179, wurde dem Beschwerdeführer der zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wieder aberkannt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen. Dabei traf das Bundesamt zur Heimatprovinz Baghlan folgende Feststellungen:

„[…] Baghlan liegt in Nordostafghanistan und gilt als eine der industriellen Provinzen Afghanistans. Sie befindet sich auf der Route der Autobahn Kabul-Nord, welche neun Provinzen miteinander verbindet. Ihre Hauptstadt heißt Pul-i-Khumri und ist als Wirtschaftszentrum bekannt (Pajhwok o.D.) […].

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Im Februar 2017 galt Baghlan als eine der am schwersten umkämpften Provinzen des Landes (NTV 28.02.2017; vgl. DS 1.03.2017). Die Sicherheitslage hatte sich seit Anfang 2016 verschlechtert, nachdem die Taliban anfingen, koordinierte Angriffe in Schlüsseldistrikten in der Nähe der Hauptstadt auszuführen (Khaama Press 12.08.2017; vgl. Pajhwok 28.03.2017). Dies führte zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften (Khaama Press 12.08.2017). Quellen zufolge versuchen regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen ihre Aktivitäten in eigenen Schlüsselprovinzen des Nordens und Nordostens zu verstärken (Khaama Press 25.02.2018) Nichtsdestotrotz gehen die afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräfte mit Anti-Terrorismus-Operationen gegen diese Gruppierungen vor (Khaama Press 25.02.2018; vgl. Khaama Press 14.01.2018). Als einer der Gründe für die sich verschlechternde Sicherheitslage wird vom Gouverneur der Provinz die Korruption angegeben, die er gleichzeitig zu bekämpfen versprach (Pajhwok 28.03.2017). Auch zählt Baghlan zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kam (UNAMA 02.2018). Im Zeitraum 01.01.2017 – 30.04.2018 wurden in der Provinz 102 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen: Im gesamten Jahr 2017 wurden von UNAMA 222 zivile Opfer (66 getötete Zivilisten und 156 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von Blindgängern/Landminen und gezielten Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 38% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 02.2018).

Militärische Operationen in Baghlan

In Baghlan werden zu militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden der Provinz von Aufständischen zu befreien (MENAFN 19.05.2018; vgl. Xinhua 01.03.2018; Xinhua 25.02.2018; Xinhua 18.01.2018; Afghanistan Times 26.11.2017; Tolo News 26.07.2017; AOP 20.07.2017; Pajhwok 21.05.2017). Bei diesen Militäroperationen werden Aufständische (Xinhua 01.03.2018; vgl. Xinhua 25.02.2018; AOP 20.07.2017; Pajhwok 21.05.2017) und in manchen Fällen auch ihre Anführer getötet (Xinhua 18.01.2018; vgl. Pajhwok 05.02.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Baghlan

Berichten zufolge waren im August 2017 die Taliban im Nordwesten der Provinz aktiv (NYT 23.08.2017; vgl. Khaama Press 12.08.2017). Anfang 2017 fiel der Distrikt Tala Wa Barfak an die Taliban; später wurde er jedoch von den Regierungsmächten wieder eingenommen (Pajhwok 08.07.2017). In Baghlan stellen Kohlenbergwerke, nach der Drogenproduktion, eine der Haupteinnahmequellen der Taliban dar (TD 28.02.2018), nachdem im Jahr 2017 einige Bergwerke der Provinz unter Kontrolle aufständischer Gruppierungen gekommen war (IWA 28.02.201; vgl. TD 28.02.2018). Berichtet wurde von Vorfällen, in denen die Gruppierung Check-Points errichtete, um Geld von Kohletransportierenden Fahrzeugen einzuheben (Khaama Press 25.02.2018). Informationen eines hochrangigen Beamten zufolge war noch im Mai 2017 die Präsenz des IS im Norden Afghanistans schwach; ihm zufolge existieren keine Informationen zu der Anwesenheit des IS in der Provinz Baghlan (TD 18.05.2017). Im Zeitraum 01.01.2017 – 15.07.2017 wurde im Süden der Provinz Baghlan Gewalt gegen die Zivilbevölkerung durch den IS gemeldet, während zwischen dem 16.07.2017 und dem 31.01.2018 keine Vorfälle registriert wurden (ACLED 23.02.2018). […]“

Zur Provinz Herat traf das Bundesamt hiebei folgende Feststellungen:

„Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o.D.). Provinzhauptstadt ist Herat- Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.9.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017). In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o.D.). Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vgl. EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017). Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt – speziell von Kindern (Pajhwok 21.1.2017). Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (AN 18.2.2018). Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollte. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Herat

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Auch werden Luftangriffe verübt (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017); dabei wurden Taliban getötet (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AJ 25.6.2017; vgl. AAN 11.1.2017). In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (MdD o.D.).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Herat

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren (RFE/RL 23.2.2018; vgl. Gandhara 22.2.2018, IP 13.8.2017, NYT 5.8.2017). Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an (FAZ 1.8.2017; vgl. DW 1.8.2017). Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen (AF 14.3.2018; vgl. Tolonews 4.3.2018). Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017). Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (UNAMA 2.2018).

ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (ACLED 23.2.2017).“

2.4. In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesamt aus, die Familie des Beschwerdeführers befinde sich in der Provinz Baghlan in Afghanistan. Der Beschwerdeführer besitze mittlerweile eine gewisse Ausbildung und er könne auf ein leistungsfähiges familiäres Netz zurückgreifen. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten sei somit nicht mehr sachlich gerechtfertigt. Unabhängig davon könne der Beschwerdeführer sich nach den Länderfeststellungen auch in Herat niederlassen (vgl. Seite 51 des Aberkennungsbescheides).

2.5. Der Beschwerdeführer konnte am 29.08.2019 aufgrund eines Festnahmeauftrages festgenommen und einvernommen werden. Der Beschwerdeführer wurde am Beginn der niederschriftlichen Einvernahme am 29.08.2019 über die bevorstehende Abschiebung am 03.09.2019 informiert. Ein Heimreisezertifikat war vorhanden. Zur Sicherung seiner Abschiebung wurde über den Beschwerdeführer mit Bescheid die Schubhaft verhängt.

2.6. Der Beschwerdeführer stellte am 02.09.2019 – während aufrechter Schubhaft – einen (Folge-)Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete der Beschwerdeführer im Wesentlichen mit einer Herzkrankheit. Mit Mandatsbescheid vom 03.09.2019 wurde dem Beschwerdeführer der faktische Abschiebeschutz nicht zuerkannt. Dagegen wurde fristgerecht das Rechtsmittel der Vorstellung erhoben, und es erging im ordentlichen Verfahren der im Spruch genannte Bescheid mit dem ebenfalls der faktische Abschiebeschutz nicht zuerkannt wurde.

3. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

4. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

4.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch Einzelrichter:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz; BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz; BVwGG), BGBl I 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

4.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz; VwGVG), BGBl I Nr. 22/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl 51/1991 (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes, BGBl 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

4.3. Zur Beschwerde bezüglich der Nichtzuerkennung des faktischen Abschiebschutzes:

§ 12a AsylG 2005 idgF lautet:

„(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß
§ 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn
1.         gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,
2.         kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,
3.         im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben, und
4.         eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1.         gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2.         der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3.         die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt
1.         gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2.         der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist und
3.         darüber hinaus
a)         sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;
b)         gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder
c)         der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm
§ 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.

Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.

(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn
1.         der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder
2.         sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.

(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden.“

Prozessgegenstand des Vorstellungsverfahrens ist der Mandatsbescheid (vgl. VwGH vom 10.10.2003, 2002/18/0241). Maßgebend ist dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Mandatsbescheides (vgl. VwGH 31.01.2012, 2009/05/0072). Der Vorstellungsbehörde kommt damit keine reformatorische Funktion, sondern lediglich eine Kontrollfunktion zu (vgl. VwGH 02.07.1986, 85/11/0167, und Hengstschläger/Leeb, AVG § 57, Rz 48). "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist wiederum jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. etwa VwGH 9.9.2015, Ro 2015/03/0032, mwN). Es ist also die Angelegenheit zu erledigen, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war (vgl. VwGH 30.01.2019, Ra 2018/03/0131 mwN). Der Mandatsbescheid ist dann rechtmäßig, wenn sowohl die formellen als auch materiellen Voraussetzungen für die getroffene Anordnung vorliegen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 57, Rz 49, mit Verweis auf VwGH-Rechtsprechung). § 12a AsylG 2005 ermöglicht es nun einen Antragsteller während eines verwaltungsbehördlichen Verfahrens außer Landes zu bringen (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 12a AsylG 2005, K1). Bei kumulativen Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Abs. 3 kommt dem Antragsteller faktischer Abschiebeschutz bereits ex lege nicht zu (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 12a AsylG 2005, K16). Folgeanträge zeichnen sich dadurch aus, dass bereits ein rechtsstaatliches Verfahren hinsichtlich internationalen Schutzes rechtskräftig abgeschlossen wurde. Somit hat bereits vor Stellung eines Zweitantrages zumindest einmal eine (negative) Refoulement-Prüfung bzw. Interessensabwägung stattgefunden (vgl. VfGH 09.10.2010, U1046/10).

Ausgehend von den Sachverhaltsfeststellungen wurde der Folgeantrag am 02.09.2019 – also innerhalb der 18-tägigen Frist des Abs. 3 – gestellt. Die Rückkehrentscheidung des Bescheides vom 11.01.2019, Zl. 1080426109-180738179, war nach wie vor aufrecht und der Beschwerdeführer befand sich zum Zeitpunkt der Erlassung des Mandatsbescheides in Schubhaft. Im ersten Schritt kommt dem Beschwerdeführer somit ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu. Das Bundesamt hat dem Fremden jedoch den faktischen Abschiebeschutz zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung der Abschiebung gestellt wurde. Da der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem festgelegten Abschiebetermin gestellt wurde, ist der faktische Abschiebeschutz nur zuzuerkennen, wenn sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant verändert hätte. Im gegenständlichen Verfahren ging das Bundesamt zu Recht davon aus, dass sich seit der letzten Entscheidung – der Erlassung des Aberkennungsbescheides – die objektive Situation im Herkunftsstaat nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Dem Mandatsbescheid sowie dem angefochtenen Bescheid wurde keine entscheidungswesentliche Änderung der Lage in der Provinz Baghlan im Hinblick auf den Aberkennungsbescheid vom 11.01.2019 zugrunde gelegt. Ebenso gilt das für die interne Fluchtalternative begründende Lage in der Provinz Herat. Das Bundesamt zog dabei jeweils im Rahmen des Länderinformationsblattes Berichte verschiedenster anerkannter Institutionen heran. Der Wahrheitsgehalt dieser Berichte konnte nicht substantiiert widerlegt werden. Die Beschwerde war somit abzuweisen. Auf die relevierte Gesundheitsgefährdung („Herzerkrankung“) war nach dem eindeutigen Wortlaut des § 12a Abs. 4 AsylG 2005 bereits formal nicht einzugehen. Es bestehen in diesem Zusammenhang auch keine Bedenken an der Verfassungskonformität der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Gesetzesbestimmung des § 12a Abs. 4 AsylG 2005.

4.8. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Die Ergebnisse des behördlichen Ermittlungsverfahrens konnten insgesamt nicht erschüttert bzw. substantiiert bekämpft werden, weshalb von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte. Der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung reicht aber bei sonstigem Vorliegen der Voraussetzung des § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, nicht aus, um eine Verhandlungspflicht zu begründen (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018).

Zu B)

4.9. Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich stets auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR/EuGH stützen; diesbezügliche Zitate finden sich in der rechtlichen Beurteilung. Sofern die oben angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und der Verfassungsgerichtshofes zu (zum Teil) alten Rechtslagen erging, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Im konkreten Fall ging das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab und ist diese auch nicht uneinheitlich.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag gesundheitliche Beeinträchtigung Mandatsbescheid wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W152.2129637.2.00

Im RIS seit

24.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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