TE OGH 2021/8/5 5Ob94/21s

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Veröffentlicht am 05.08.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** Center *****, vertreten durch Dr. Friedrich Schwank, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G***** AG, *****, vertreten durch MMag. Dr. Susanne Binder-Novak, Rechtsanwältin in St. Pölten, wegen 191.327,80 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. März 2021, GZ 1 R 4/21x-28, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1]       Der Kläger ist eine internationale Organisation mit Sitz in Wien. Das Gründungsübereinkommen trat mit 21. 10. 2012, (BGBl III 134/2012), das Amtssitzabkommen mit 1. 9. 2013 (BGBl III 209/2013) in Kraft. Bei Bauarbeiten an seinem späteren Sitz war ein Unternehmen mit Arbeiten für die Gewerke Elektrotechnik, Beleuchtung und „Multimedia“ beauftragt. Dessen Schlussrechnung vom 19. 9. 2013 sieht vereinbarungsgemäß einen Haftrücklass für Mängel von 191.327,80 EUR vor. Als Ablöse für diesen Haftrücklass stellte die beklagte Versicherung am 19. 12. 2013 eine Garantieerklärung mit einer Laufzeit bis 19. 10. 2016 aus. Als Adressaten und Begünstigte sind darin der Kläger und die Botschaft eines Königreichs genannt. Zuerst wurde die Garantie mit Schreiben vom 23. 9. 2016 abgerufen. Darin berief sich ein Anwalt auf die ihm erteilte Vollmacht der Botschaft des Königreichs, die als Begünstigte genannt sei. Unter anderem lautet es in diesem Schreiben: „Im Namen und im Auftrag meiner Mandantschaft fordere ich Sie daher auf, den Garantiebetrag zur Besicherung der Gewährleistungsansprüche meiner Mandantschaft [...] zu überweisen“. Mit einem weiteren Schreiben vom 7. 10. 2016 teilte der selbe Anwalt mit, dass er die Botschaft des Königreichs und den Kläger rechtsfreundlich vertrete und forderte die Vertreterin der Beklagten im „Namen und im Auftrag seiner Mandanten“ auf, den Garantiebetrag zu überweisen.

[2]       Der Kläger begehrte die Zahlung des Garantiebetrags samt Anhang. Er sei Auftraggeber des Werkvertrags gewesen und habe daher „als Begünstigter bzw Auftraggeber gemeinsam mit der Botschaft“ eine Vereinbarung über den Haftrücklass geschlossen, weswegen er der Begünstigte aus dem Garantieverhältnis sei. Laut Werkvertrag sei die Botschaft im Namen und auf Rechnung des Klägers tätig geworden; deren Anschrift sei in der Garantie als Zustelladresse genannt.

[3]       Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Klagebegehrens durch das Erstgericht. Es teilte – zusammengefasst – dessen Ansicht, dass die Garantievereinbarung mangels Bestimmtheit des Anbots und korrespondierender Annahme nicht wirksam zustandegekommen sei; jedenfalls habe kein ordnungsgemäßer Abruf stattgefunden, weil für die Beklagte angesichts der Schreiben vom 23. 9. und 7. 10. 2016 keineswegs klar sein habe können, ob der Abruf vom tatsächlich Begünstigten stamme.

[4]       Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers, in der er keine Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag:

Rechtliche Beurteilung

[5]            1. Unter dem Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO beruft sich der Kläger zwar auf – vom Berufungsgericht bereits verneinte (dazu RIS-Justiz RS0042963) – Stoffsammlungsmängel, zielt mit seinen Ausführungen im Ergebnis aber darauf ab, dass „das Erstgericht auf Basis der vorgelegten (Anm: unstrittigen und ausdrücklich festgestellten) Garantieurkunde die Feststellung treffen“ hätte müssen, dass er darin jedenfalls als Begünstigter bezeichnet sei. Damit sind aber Fragen nach der Auslegung einer Urkunde angesprochen, die der rechtlichen Beurteilung zugeordnet sind (RS0017911).

[6]            2.1 Der echte Garantievertrag ist im Gesetz nicht näher geregelt, er kann nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit mit verschiedenem Inhalt geschlossen werden (RS0016963). Er bedarf nach der Rechtsprechung einer Annahme durch den Begünstigten (vgl RS0107060; vgl Koziol in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht², A. Die Entstehung der Garantieverpflichtung Rz 3/71; Dullinger in Rummel/Lukas, ABGB4 § 880a ABGB Rz 4; Graf in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 880a Rz 24/1 je mwN). Diese kann nach den Umständen auch im Schweigen des Begünstigten liegen, insbesondere dann, wenn die Garantie dem Begünstigten typischerweise nur Vorteile bringt (RS0107060).

[7]            2.2 Die Bankgarantie ist ein einseitig verpflichtender Schuldvertrag, der in der Regel der Sicherung der Leistung eines Dritten an den aus diesem Vertrag begünstigten Gläubiger durch die Garantiebank dienen soll. Hängt dabei die Auszahlung der Bankgarantie nur von einer Erklärung des Begünstigten ab, so gilt die formelle Garantiestrenge uneingeschränkt und der Begünstigte hat die Anspruchsvoraussetzungen pedantisch genau zu erfüllen (RS0121551). Dem abstrakten Charakter der Garantie ist auch geschuldet, dass für deren Interpretation im Regelfall nur der Text der Garantieerklärung maßgeblich ist (siehe nur 3 Ob 97/20s).

[8]            2.3 Ob ein Vertrag (hier eine Garantie) im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, wirft nur dann eine erhebliche Rechtsfrage auf, wenn das Berufungsgericht in wesentlicher Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielte (RS0017670 [T15]; vgl auch RS0042936).

[9]            3.1 Die Identität des Begünstigten ist für den Garanten von Bedeutung, weil sie für die Durchsetzbarkeit seiner Ansprüche gegen seinen Auftraggeber relevant sein kann. Bereits in der Entscheidung zu 9 Ob 24/08g hat der Oberste Gerichtshof daher ausgesprochen, dass die Garantie unwirksam ist, wenn bereits im Zeitpunkt ihrer Ausstellung kein identifizierbarer Begünstigter vorhanden war (so auch Graf aaO § 880a Rz 24/1). Das Berufungsgericht hat sich auf diese Entscheidung berufen, die der Kläger auch nicht in Frage stellt, und ausführlich begründet, warum es zum Ergebnis gelangte, dass es schon an der für die Wirksamkeit der Garantie erforderlichen Annahme durch einen eindeutig identifizierbaren Begünstigten fehlte. Dem hält der Kläger lediglich seine Schlussfolgerungen aus dem Grundverhältnis entgegen, um zu begründen, warum seine Stellung als Begünstigter nicht zweifelhaft sei. Er übersieht dabei jedoch, dass allein auf den Garantievertrag abzustellen ist und der Garantieerklärung keine Bedeutung unterstellt werden darf, die sich aus dem Grundverhältnis ergibt (3 Ob 97/20s). Auch bleiben seine Ausführungen – wie bereits im Berufungsverfahren – widersprüchlich, wenn er einerseits meint, es habe sich bei der Benennung der Botschaft um eine „hilfsweise Zuhilfenahme der Adresse der Botschaft“ gehandelt, um zu begründen, warum er (offensichtlich alleiniger) Begünstigter sei, und andererseits den Standpunkt vertritt, weil die Botschaft in der Garantieurkunde ausdrücklich als Auftraggeberin/Begünstigte genannt ist, lägen zwei Rechtssubjekte vor, weswegen die Botschaft und er gemeinsam als Begünstigte in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts anzusehen seien. Diese Argumentation muss schon deshalb unklar bleiben, weil eine Botschaft im Gegensatz zum Staat, den sie vertritt, kein Völkerrechtssubjekt und damit auch nicht parteifähig ist (RS0009125; vgl auch RS0035329; vgl Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4 § 26 ABGB Rz 4).

[10]     3.2 Dass das durch die Botschaft vertretene Königreich aus der Garantie begünstigt sein sollte, behauptet der Kläger nicht, sondern beharrt auch noch in der Revision auf seinem Standpunkt allein zur Inanspruchnahme der Garantie, entweder als ausschließlich Begünstigter oder als Gesellschafter einer GesBR (die er gemeinsam mit der Botschaft bilde) berechtigt zu sein. Selbst wenn man – was hier nicht näher zu erörtern ist – mit dem Kläger von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach österreichischem Recht ausgehen wollte, sind Forderungen einer GesBR gemäß § 1180 ABGB den Gesellschaftern zur gesamten Hand zugeordnet und können nur nach Maßgabe des § 890 Satz 2 ABGB inkassiert werden. Gegen die Annahme, der Kläger sollte nach der Absicht der Parteien des Garantievertrags alleiniger Begünstigter sein, spricht dessen Wortlaut, der unzweifelhaft auf eine Mehrheit von Auftraggebern/Begünstigten abzielt. Die dadurch begründeten Zweifel, wer berechtigt sein sollte, kann der Kläger auch in seiner Revision nicht entkräften. Damit sind seine Ausführungen auch nicht geeignet, Bedenken gegen die Ansicht der Vorinstanzen zu erwecken, dass sich aus der Garantieerklärung kein eindeutiger Begünstigter entnehmen lässt, und es seine Sache gewesen wäre, rechtzeitig eine Klarstellung herbeizuführen und die Ausstellung einer neuen Garantie unter eindeutiger Bezeichnung des/der Begünstigten herbeizuführen (so schon 9 Ob 24/08g).

[11]     3.3 Selbst auf Seiten des Klägers war offenkundig unklar, wer Begünstigter und daher zum Abruf der Garantie berechtigt sein soll, wie sich nicht zuletzt in den widersprüchlichen Abruferklärungen durch seinen Vertreter zeigt, der zunächst die Zahlung der Garantiesumme im Namen der Botschaft und mit einem weiteren Schreiben im Namen der Botschaft und namens des Klägers forderte. Die Inanspruchnahme einer Bankgarantie muss aber zweifelsfrei vom Begünstigten herrühren (RS0016974). Die mit Abweichungen verbundenen Risken muss der Garant durch die Auszahlung der Garantiesumme nicht übernehmen (vgl RS0016952). Wer behauptet, Begünstigter zu sein, hat daher die dafür sprechenden Umstände auf eine – auch vom Standpunkt der Garantiebank gesehen – unbedenkliche Weise darzutun (vgl RS0111231). Die Berufung auf ein Mandat einer nicht parteifähigen Organisation (Amt, Behörde) – hier der Botschaft eines Staats – und deren Benennung als Begünstigte, ohne in weiterer Folge auch nur in Ansätzen aufzuklären, ob der Abruf (auch) zugunsten des dahinterstehenden Rechtssubjekts, als eines oder mehrerer Berechtigter erfolgen sollte, kommt eine solche Eignung nicht zu. Damit ist es entgegen der Ansicht des Revisionswerbers auch nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht für den Fall, dass man einen ausreichend konkret bezeichneten Begünstigten und damit eine wirksame Garantie annehmen wollte, zum Ergebnis gelangte, dass die Abruferklärungen keine Zahlungspflicht der Beklagten auszulösen vermochten. Die Beklagte hat auf den Abruf nicht reagiert und keine Zahlung geleistet. Inwieweit dieser Umstand ein Anerkenntnis seiner Begünstigtenstellung begründen soll, vermag der Revisionswerber nicht schlüssig darzulegen. Der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs bei der Inanspruchnahme der Garantie (dazu allgemein RS0017997) muss bei dieser Sachlage nicht erörtert werden.

[12]     4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E132661

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00094.21S.0805.000

Im RIS seit

23.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.09.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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