TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/7 W284 2180591-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.06.2021
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Entscheidungsdatum

07.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §2
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


W284 2180591-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. WAGNER-SAMEK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. IRAK, vertreten durch: BBU, Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.11.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde gegen die Versagung des Asylstatus (Spruchpunkt I.) und des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) wird als unbegründet abgewiesen.

In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer, ein am XXXX geborener, aus Bagdad stämmiger irakischer Staatsangehöriger stellte am 10.10.2015 seinen Antrag auf internationalen Schutz.

Er wurde am 11.10.2015 im Sinne des § 19 AsylG erstbefragt. Am 30.05.2017 wurde der Beschwerdeführer vor der Behörde zu seinen Fluchtgründen einvernommen.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 15.11.2015 wurde sein Asylantrag sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ihm wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.) und eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) gegen ihn erlassen. Festgestellt wurde, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.) und wurde ihm eine 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise (Spruchpunkt VI.) gesetzt.

Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 20.12.2017 fristgerecht eingebrachte Beschwerde, worin im Wesentlichen eine mangelhafte Einvernahme und Beweiswürdigung seitens der Behörde gerügt und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt wurden.

2. Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Der Beschwerdeführer schloss in Österreich am XXXX eine Ehe mit einer irischen Staatsangehörigen.

Am 25.09.2020 stellte der Beschwerdeführer bei der zuständigen Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde MA 35 einen Erstantrag zur Ausstellung einer Aufenthaltskarte als Angehöriger einer EWR-Bürgerin.

Auf Grund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.02.2021 wurde die gegenständliche Rechtssache der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung W284 neu zugewiesen.

Für den 16.04. wurde eine mündliche Verhandlung anberaumt, in welcher der Beschwerdeführer als Partei zu seinen Fluchtgründen sowie zu seinem Leben in Österreich und der während des Beschwerdeverfahrens geschlossenen Ehe näher befragt wurde. Die Ehefrau des Beschwerdeführers wurde als Zeugin geladen und einvernommen.

Mit Schriftsatz vom 22.04.2021 wurde die zuständige Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes zum Verfahrensstand betreffend die Ausstellung einer Aufenthaltskarte „Angehöriger eines EWR-Bürgers“ ersucht.

Mit Schriftsatz vom 29.04.2021 teilte die MA 35 mit, dass der bei ihr am 25.09.2020 eingebrachte Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte aufgrund der am XXXX beim Standesamt in B. geschlossenen Ehe mit einer irischen Staatsbürgerin weiterhin offen sei. Die LPD habe im Zuge der Überprüfung dieser Ehe nach den Bestimmungen des NAG, keine Aufenthaltsehe feststellen können. Der Antrag sei bewilligungsfähig, jedoch werde der Ausgang des Verfahrens am BVwG abgewartet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Festgestellt wird, dass der in Bagdad gebürtige, 30-jährige, gesunde Beschwerdeführer den Irak nicht aus asylrelevanten Gründen verlassen hat.

Weder marschierten US-Truppen in das Haus des Beschwerdeführers auf der Suche nach seinem Nachbarn „Jafar“ ein noch wollte sich Jafar, ein Milizangehöriger, am Beschwerdeführer, weil er dessen Wohnort verraten habe und Jafars Vater dadurch getötet wurde, rächen.

Im Falle der (hypothetischen) Rückkehr in den Irak, wäre der Beschwerdeführer weder einer Verfolgungssituation ausgesetzt noch sonst in seiner körperlichen Unversehrtheit gefährdet.

Die Mutter und Schwester des Beschwerdeführers leben nach wie vor im Herkunftsstaat Irak, in Bagdad.

Der Beschwerdeführer ehelichte am XXXX , während des anhängigen Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht, die irische Staatsangehörige XXXX . Diese absolviert in Österreich eine Ausbildung und ist als ERW-Bürgerin zum Aufenthalt für mehr als drei Monate im österreichischen Bundesgebiet berechtigt.

Im Falle des Beschwerdeführers liegt keine Ehe vor, die lediglich zu Aufenthaltszwecken geschlossen wurde.

Am 25.09.2020 richtete der Beschwerdeführer an die zuständige Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde, MA 35, einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte als Angehöriger einer EWR-Bürgerin. Eine solche wurde dem Beschwerdeführer bislang nicht ausgestellt; sein Verfahren nach dem NAG ist offen.

1.2. Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

Sicherheitslage

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert (CRS 4.10.2018; vgl. MIGRI 6.2.2018). IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten aktiv, die Sicherheitslage ist veränderlich (CRS 4.10.2018).

Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.2.2018).

Sicherheitslage Bagdad

Das Gouvernement Bagdad ist das kleinste und am dichtesten bevölkerte Gouvernement des Irak mit einer Bevölkerung von mehr als sieben Millionen Menschen. Die Mehrheit der Einwohner Bagdads sind Schiiten. In der Vergangenheit umfasste die Hauptstadt viele gemischte schiitische, sunnitische und christliche Viertel, der Bürgerkrieg von 2006-2007 veränderte jedoch die demografische Verteilung in der Stadt und führte zu einer Verringerung der sozialen Durchmischung sowie zum Entstehen von zunehmend homogenen Vierteln. Viele Sunniten flohen aus der Stadt, um der Bedrohung durch schiitische Milizen zu entkommen. Die Sicherheit des Gouvernements wird sowohl vom „Baghdad Operations Command“ kontrolliert, der seine Mitglieder aus der Armee, der Polizei und dem Geheimdienst bezieht, als auch von den schiitischen Milizen, die als stärker werdend beschrieben werden (OFPRA 10.11.2017).

Entscheidend für das Verständnis der Sicherheitslage Bagdads und der umliegenden Gebiete sind sechs mehrheitlich sunnitische Regionen (Latifiya, Taji, al-Mushahada, al-Tarmia, Arab Jibor und al-Mada'in), die die Hauptstadt von Norden, Westen und Südwesten umgeben und den sogenannten „Bagdader Gürtel“ (Baghdad Belts) bilden (Al Monitor 11.3.2016). Der Bagdader Gürtel besteht aus Wohn-, Agrar- und Industriegebieten sowie einem Netz aus Straßen, Wasserwegen und anderen Verbindungslinien, die in einem Umkreis von etwa 30 bis 50 km um die Stadt Bagdad liegen und die Hauptstadt mit dem Rest des Irak verbinden. Der Bagdader Gürtel umfasst, beginnend im Norden und im Uhrzeigersinn die Städte: Taji, Tarmiyah, Baqubah, Buhriz, Besmaja und Nahrwan, Salman Pak, Mahmudiyah, Sadr al-Yusufiyah, Fallujah und Karmah und wird in die Quadranten Nordosten, Südosten, Südwesten und Nordwesten unterteilt (ISW 2008).

Fast alle Aktivitäten des Islamischen Staate (IS) im Gouvernement Bagdad betreffen die Peripherie der Hauptstadt, den „Bagdader Gürtel“ im äußeren Norden, Süden und Westen (Joel Wing 5.8.2019; vgl. Joel Wing 16.10.2019; Joel Wing 6.1.2020; Joel Wing 5.3.2020), doch der IS versucht seine Aktivitäten in Bagdad wieder zu erhöhen (Joel Wing 5.8.2019). Die Bestrebungen des IS, wieder in der Hauptstadt Fuß zu fassen, sind Ende 2019 im Zuge der Massenproteste ins Stocken geraten, scheinen aber mittlerweile wieder aufgenommen zu werden (Joel Wing 3.2.2020; vgl. Joel Wing 5.3.2020).

Dabei wurden am 7.und 16.9.2019 jeweils fünf Vorfälle mit „Unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen“ (IEDs) in der Stadt Bagdad selbst verzeichnet (Joel Wing 16.10.2019). Seit November 2019 setzt der IS Motorrad-Bomben in Bagdad ein. Zuletzt detonierten am 8. und am 22.2.2020 jeweils fünf IEDs in der Stadt Bagdad (Joel Wing 5.3.2020).

Für den Zeitraum von November 2019 bis Jänner 2020 wurden im Gouvernement Bagdad 60 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 42 Toten und 61 Verletzten verzeichnet (Joel Wing 2.12.2019; vgl. Joel Wing 6.1.2020; Joel Wing 3.2.2020), im Februar 2020 waren es 25 Vorfälle mit zehn Toten und 35 Verletzten (Joel Wing 5.3.2020). Die meisten dieser sicherheitsrelevanten Vorfälle werden dem IS zugeordnet, jedoch wurden im Dezember 2019 drei dieser Vorfälle pro-iranischen Milizen der Volksmobilisierungskräfte (PMF) zugeschrieben, ebenso wie neun Vorfälle im Jänner 2020 und ein weiterer im Februar (Joel Wing 6.1.2020; vgl Joel Wing 5.3.2020)

Die Ermordung des iranischen Generals Suleimani und des stellvertretenden Kommandeurs der PMF, Abu Muhandis, durch die USA führte unter anderem in der Stadt Bagdad zu einer Reihe von Vergeltungsschlägen durch pro-iranische PMF-Einheiten. Es wurden neun Raketen und Mörserangriffe verzeichnet, die beispielsweise gegen die Grüne Zone und die darin befindliche US-Botschaft sowie das Militärlager Camp Taji gerichtet waren (Joel Wing 3.2.2020).

Seit 1.10.2019 kommt es in mehreren Gouvernements, darunter auch in Bagdad, zu teils gewalttätigen Demonstrationen.

Volksmobilisierungskräfte (PMF) / al-Hashd ash-Sha‘bi

Der Name „Volksmobilisierungskräfte“ (al-hashd al-sha‘bi, engl.: popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF oder popular mobilization units, PMU), bezeichnet eine Dachorganisation für etwa 40 bis 70 Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen (Süß 21.8.2017; vgl. FPRI 19.8.2019; Clingendael 6.2018; Wilson Center 27.4.2018). Die PMF wurden vom schiitischen Groß-Ayatollah Ali As-Sistani per Fatwa für den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) ins Leben gerufen (GIZ 1.2020a; vgl. FPRI 19.8.2019; Wilson Center 27.4.2018) und werden vorwiegend vom Iran unterstützt (GS 18.7.2019). PMF spielten eine Schlüsselrolle bei der Niederschlagung des IS (Reuters 29.8.2019). Die Niederlage des IS trug zur Popularität der vom Iran unterstützten Milizen bei (Wilson Center 27.4.2018).

Die verschiedenen unter den PMF zusammengefassten Milizen sind sehr heterogen und haben unterschiedliche Organisationsformen, Einfluss und Haltungen zum irakischen Staat. Sie werden grob in drei Gruppen eingeteilt: Die pro-iranischen schiitischen Milizen, die nationalistisch-schiitischen Milizen, die den iranischen Einfluss ablehnen, und die nicht schiitischen Milizen, die üblicherweise nicht auf einem nationalen Level operieren, sondern lokal aktiv sind. Zu letzteren zählen beispielsweise die mehrheitlich sunnitischen Stammesmilizen und die kurdisch-jesidischen „Widerstandseinheiten Schingal“. Letztere haben Verbindungen zur Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) in der Türkei und zu den Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Syrien (Clingendael 6.2018). Die PMF werden vom Staat unterstützt und sind landesweit tätig. Die Mehrheit der PMF-Einheiten ist schiitisch, was die Demografie des Landes widerspiegelt. Sunnitische, jesidische, christliche und andere „Minderheiten-Einheiten“ der PMF sind in ihren Heimatregionen tätig (USDOS 11.3.2020; vgl. Clingendael 6.2018). In einigen Städten, vor allem in Gebieten, die früher vom IS besetzt waren, dominieren PMF die lokale Sicherheit. In Ninewa stellen sie die Hauptmacht dar, während die reguläre Armee zu einer sekundären Kraft geworden ist (Reuters 29.8.2019).

Es gibt große, gut ausgerüstete Milizen, quasi militärische Verbände, wie die Badr-Organisation, mit eigenen Vertretern im Parlament, aber auch kleine improvisierte Einheiten mit wenigen Hundert Mitgliedern, wie die Miliz der Schabak. Viele Milizen werden von Nachbarstaaten, wie dem Iran oder Saudi-Arabien, unterstützt. Die Türkei unterhält in Baschika nördlich von Mossul ein eigenes Ausbildungslager für sunnitische Milizen. Die Milizen haben eine ambivalente Rolle. Einerseits wäre die irakische Armee ohne sie nicht in der Lage gewesen, den IS zu besiegen und Großveranstaltungen wie die Pilgerfahrten nach Kerbala mit jährlich bis zu 20 Millionen Pilgern zu schützen. Andererseits stellen die Milizen einen enormen Machtfaktor mit Eigeninteressen dar, was sich in der gesamten Gesellschaft, der Verwaltung und in der Politik widerspiegelt und zu einem allgemeinen Klima der Korruption und des Nepotismus beiträgt (AA 12.1.2019). Vertreter und Verbündete der PMF haben Parlamentssitze inne und üben Einfluss auf die Regierung aus (Reuters 29.8.2019).

Die PMF unterstehen seit 2017 formal dem Oberbefehl des irakischen Ministerpräsidenten, dessen tatsächliche Einflussmöglichkeiten aber weiterhin als begrenzt gelten (AA 12.1.2019; vgl. FPRI 19.8.2019). Leiter der PMF-Dachorganisation, der al-Hashd ash-Sha‘bi-Kommission, ist Falah al-Fayyad, dessen Stellvertreter Abu Mahdi al-Mohandis eng mit dem Iran verbunden war (Al-Tamini 31.10.2017). Viele PMF-Brigaden nehmen Befehle von bestimmten Parteien oder konkurrierenden Regierungsbeamten entgegen, von denen der mächtigste Hadi Al-Amiri ist, Kommandant der Badr Organisation (FPRI 19.8.2019). Obwohl die PMF laut Gesetz auf Einsätze im Irak beschränkt sind, sollen sie, ohne Befugnis durch die irakische Regierung, in einigen Fällen Einheiten des Assad-Regimes in Syrien unterstützt haben. Die irakische Regierung erkennt diese Kämpfer nicht als Mitglieder der PMF an, obwohl ihre Organisationen Teil der PMF sind (USDOS 13.3.2019).

Alle PMF-Einheiten sind offiziell dem Nationalen Sicherheitsberater unterstellt. In der Praxis gehorchen aber mehrere Einheiten auch dem Iran und den iranischen Revolutionsgarden. Es ist keine einheitliche Führung und Kontrolle der PMF durch den Premierminister und die ISF feststellbar, insbesondere nicht der mit dem Iran verbundenen Einheiten. Das Handeln dieser unterschiedlichen Einheiten stellt zeitweise eine zusätzliche Herausforderung in Bezug auf die Sicherheitslage dar, insbesondere - aber nicht nur - in ethnisch und religiös gemischten Gebieten des Landes (USDOS 13.3.2019).

In vielen der irakischen Sicherheitsoperationen übernahm die PMF eine Führungsrolle. Als Schnittstelle zwischen dem Iran und der irakischen Regierung gewannen sie mit der Zeit zunehmend an Einfluss (GS 18.7.2019).

Am 1.7.2019 hat der irakische Premierminister Adel Abdul Mahdi verordnet, dass sich die PMF bis zum 31.7.2019 in das irakische Militär integrieren müssen (FPRI 19.8.2019; vgl. TDP 3.7.2019; GS 18.7.2019), oder entwaffnet werden müssen (TDP 3.7.2019; vgl GS 18.7.2019). Es wird angenommen, dass diese Änderung nichts an den Loyalitäten ändern wird, dass aber die Milizen aufgrund ihrer nun von Bagdad bereitgestellte Uniformen nicht mehr erkennbar sein werden (GS 18.7.2019). Einige Fraktionen werden sich widersetzen und versuchen, ihre Unabhängigkeit von der irakischen Regierung oder ihre Loyalität gegenüber dem Iran zu bewahren (FPRI 19.8.2019). Die Weigerung von Milizen, wie der 30. Brigade bei Mossul, ihre Posten zu verlassen, weisen auf das Autoritätsproblem Bagdads über diese Milizen hin (Reuters 29.8.2019).

Die Schwäche der ISF hat es vornehmlich schiitischen Milizen, wie den vom Iran unterstützten Badr-Brigaden, den Asa‘ib Ahl al-Haqq und den Kata’ib Hisbollah, erlaubt, Parallelstrukturen im Zentralirak und im Süden des Landes aufzubauen. Die PMF waren und sind ein integraler Bestandteil der Anti-IS-Operationen, wurden jedoch zuletzt in Kämpfen um sensible sunnitische Ortschaften nicht an vorderster Front eingesetzt. Es gab eine Vielzahl an Vorwürfen bezüglich Plünderungen und Gewalttaten durch die PMF (AA 12.1.2019).

Die PMF gehen primär gegen Personen vor, denen eine Verbindung zum IS nachgesagt wird, bzw. auch gegen deren Familienangehörigen. Betroffen sind meist junge sunnitische Araber und in einer Form der kollektiven Bestrafung sunnitische Araber im Allgemeinen. Es kann zu Diskriminierung, Misshandlungen und auch Tötungen kommen (DIS/Landinfo 5.11.2018; vgl. USDOS 21.6.2019). Einige PMF gehen jedoch auch gegen ethnische und religiöse Minderheiten vor (USDOS 11.3.2020).

Die PMF sollen, aufgrund guter nachrichtendienstlicher Möglichkeiten, die Fähigkeit haben jede von ihnen gesuchte Person aufspüren zu können. Politische und wirtschaftliche Gegner werden unabhängig von ihrem konfessionellen oder ethnischen Hintergrund ins Visier genommen. Es wird als unwahrscheinlich angesehen, dass die PMF über die Fähigkeit verfügen, in der Kurdischen Region im Irak (KRI) zu operieren. Dementsprechend gehen sie nicht gegen Personen in der KRI vor. Nach dem Oktober 2017 gab es jedoch Berichte über Verstöße von PMF-Angehörigen gegen die kurdischen Einwohner in Kirkuk und Tuz Khurmatu, wobei es sich bei den angegriffenen zumeist um Mitglieder der politischen Partei KDP und der Asayish gehandelt haben soll (DIS/Landinfo 5.11.2018).

Geleitet wurden die PMF von Jamal Jaafar Mohammad, besser bekannt unter seinem Nom de Guerre Abu Mahdi al-Mohandis, einem ehemaligen Badr-Kommandanten, der als rechte Hand von General Qasem Soleimani, dem Chef der iranischen Quds-Brigaden fungierte (GS 18.7.2019). Am 3.1.2020 wurden Abu Mahdi Al-Muhandis und Generalmajor Qassem Soleimani bei einem US-Drohnenangriff in Bagdad getötet (Al Monitor 23.2.2020; vgl. MEMO 21.2.2020). Als Rechtfertigung diente unter anderem ein Raketenangriff, der der Kataib-Hezbollah (KH) zugeschrieben wurde, auf einen von US-Soldaten genutzten Stützpunkt in Kirkuk, bei dem ein Vertragsangestellter getötet wurde (MEMO 21.2.2020). Infolge dessen kam es innerhalb der PMF zu einem Machtkampf zwischen den Fraktionen, die einerseits dem iranischen Obersten Führer Ayatollah Ali Khamenei, andererseits dem irakischen Großayatollah Ali as-Sistani nahe stehen (MEE 16.2.2020).

Der iranische Oberste Führer Ayatollah Ali Khamenei ernannte Brigadegeneral Esmail Ghaani als Nachfolger von Soleimani (Al Monitor 23.2.2020). Am 20.2.2020 wurde Abu Fadak Al-Mohammedawi zum neuen stellvertretenden Kommandeur der PMF ernannt (Al Monitor 23.2.2020; vgl. MEMO 21.2.2020). Vier PMF-Fraktionen, die dem schiitischen Kleriker Ayatollah Ali as-Sistani nahe stehen, haben sich gegen die Ernennung Mohammadawis ausgesprochen und alle PMF-Fraktionen aufgefordert, sich in die irakischen Streitkräfte unter dem Oberbefehl des Premierministers zu integrieren (Al Monitor 23.2.2020).

Rückkehr

Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig – u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Zu einer begrenzten Anzahl an Abschiebungen in den Zentralirak kommt es jedenfalls aus Deutschland, Großbritannien, Schweden und Australien. Rückführungen aus Deutschland in die Kurdischen Region im Irak (KRI) finden regelmäßig statt. (AA 12.2.2018).

Studien zufolge ist die größte Herausforderung für Rückkehrer die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychischen und psychologischen Problemen, sowie negativen Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018; vgl. REACH 30.6.2017).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Identität des Beschwerdeführers konnte bereits von der belangten Behörde einer positiven Feststellung zugeführt werden. Entsprechende Dokumente (irak. Personalausweis und irak. Staatsbürgerkarte) liegen im Verwaltungsakt in Kopie ein.

Dass der BF aus Bagdad stammt, hat er im Verfahren gleichbleibend und daher glaubwürdig ausgesagt, weshalb Bagdad als Geburtsort bzw. letzte Wohnsitzadresse, bevor er den Irak verlassen hat, festgestellt wurde. Damit übereinstimmend, leben dort auch noch Angehörige seiner Familie.

Nicht bewahrheitet hat sich die vom BF dargestellte Fluchtgeschichte. In der mündlichen Verhandlung am 16.04.2021 konnte sich die verhandlungsführende Richterin einen umfassenden persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer machen. Dabei fiel seine oberflächliche Erzählweise hinsichtlich der geschilderten Geschehnisse auf. Bereits vor der Behörde hielt er sein Vorbringen äußerst vage und konnte er, obwohl explizit dazu aufgefordert, die Geschehnisse genau und möglichst konkret darzulegen, seinem fluchtbegründenden Vorbringen auch in der mündlichen Verhandlung nicht mehr Leben einhauchen. Seine freie Erzählweise erschöpfte sich nach nur wenigen Sätzen. Ausgangspunkt der Erzählung des Beschwerdeführers war, dass sein Familienhaus in Bagdad im Jahr 2009 von amerikanischen Truppen gestürmt wurde. Diese wären aber – quasi freiwillig – wieder abgezogen, nachdem der Beschwerdeführer (bzw. sein Bruder) ihnen verraten hätten, wo ein gewisser „Jafar“ wohnt, nach dem die amerikanischen Truppen gesucht hätten. Auffallend war, dass der Beschwerdeführer bis zuletzt nicht in der Lage war, nähere Details zu dem zentralen Verfolger „Jafar“ anzugeben; dies obwohl es sich um einen Mann aus der unmittelbaren Nachbarschaft (S. 6 VNS und AS 49) des Beschwerdeführers gehandelt haben soll. Der Beschwerdeführer fürchtet auch nicht die Bedrohung durch die US-Truppen, die sein Haus gestürmt hätten, sondern die Rache des genannten Jafar, weil der Beschwerdeführer dessen Wohnort verraten hätte, indem er – wenig überzeugend – bloß auf das Haus gezeigt habe und dadurch der Vater Jafars aufgefunden und getötet werden konnte. Der Beschwerdeführer mutmaßte sowohl vor der Behörde als auch in der Verhandlung darüber, welche Position Jafar bekleidet. Vor der Behörde sprach er davon, dass Jafar eine Führungsposition bei einer der zahlreichen „Untergruppen“ der Badr-Brigade innegehabt habe, die „eine bestimmte Gegend" kontrolliere. Der Beschwerdeführer blieb aber sowohl die Namhaftmachung der bestimmten Gegend als auch die konkrete Position oder zumindest nähere Benennung der Gruppierung schuldig. Auch in der Verhandlung machte er keine deutlicheren Angaben zu seinem behaupteten Verfolger und sprach davon, dass er von den US-Truppen gehört habe, dass Jafar einer Miliz angehöre (S. 8 VNS). Auch die als Rachemotiv genannte Tötung von Jafars Vater nannte der Beschwerdeführer wiederum bloß vom Hörensagen (S. 8 VNS). Hervorzuheben ist auch die zeitliche Komponente, wonach sich der Einfall der US-Truppen ins Familienhaus des Beschwerdeführers im Jahr 2009 ereignet haben soll (AS 47 und S.7 Verhandlungsniederschrift) und sich die Familie – nach einem erfolgten Umzug – bis 2015 ohne weitere Zwischenfälle (zwar) an einer neuen Adresse, allerdings immer noch in Bagdad aufhalten konnte. Dass Jafar das Haus der Familie 2015 aufgesucht hätte um Rache zu üben, war völlig unglaubwürdig, zumal der Beschwerdeführer auch nicht ansatzweise aufklären konnte, woher diesem die neue Adresse bekannt gewesen sein soll; diesbezüglich stellte er wiederum nur Mutmaßungen auf, wonach Jafar den Beschwerdeführer „vielleicht durch Nachfrage“ gefunden hätte oder er gehört habe, dass Jafar im Magistrat von Bagdad arbeiten würde (S.7 VNS). Es ist auch nicht lebensnahe, dass man seinen Wohnsitz bloß innerhalb derselben Stadt verlegt, wenn man tatsächlich Angst vor Racheakten hat und um sein Leben fürchtet; dies umso weniger, wenn der Verfolger, wie vom Beschwerdeführer in den Raum gestellt, über eine Position verfügt, bei der er den Beschwerdeführer leicht ausfindig machen könnte. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründe waren daher völlig unglaubwürdig.

Einen kausalen Zusammenhang der „Flucht“ des BF mit erlebter religiöser Diskriminierung, weil er sich als Agnostiker sieht, schloss der Beschwerdeführer selbst aus (S. 8 der VNS), weshalb auch festzustellen war, dass der Beschwerdeführer den Irak auch nicht aufgrund religiöser Motive verlassen hat. Der hierzu vorgelegten Bescheinigung seines Religionsaustritts vom 24.08.2017 kommt dementsprechend keine gesonderte Bedeutung zu. Auch die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht veranlassten zu keiner anderen Beurteilung, zumal der Beschwerdeführer eine konkrete Verfolgungssituation noch nicht einmal behauptete (S. 8 VNS). Dass ihm auch im Falle der Rückkehr keine asylrelevante Verfolgung deswegen droht, gründet auf die Einsichtnahme in die Länderfeststellungen in Zusammenhang mit dem mangelnden - konkreten - Vorbringen des Beschwerdeführers hierzu, zumal er die ihm drohenden Verfolgung lediglich allgemein und völlig unsubstantiiert beschreibt und bloß vage in den Raum stellt, nicht sagen zu können, wie lange er im Irak ohne Probleme leben könnte (S. 8 der Verhandlungsniederschrift).

Der Beschwerdeführer gab glaubwürdig an, noch über Familienangehörige im Iran zu verfügen (S. 4 der Verhandlungsniederschrift). Dass diese unbehelligt im Herkunftsstaat leben können ist ein weiteres Indiz dafür, dass die von ihm geschilderte Bedrohungssituation nicht besteht.

Die Feststellung, dass es sich nicht um eine bloß zu Aufenthaltszwecken geschlossenen Ehe handelt, fußt auf dem mit Bericht vom 20.10.2020 dokumentierten Ergebnis bezughabender Ermittlungen der LPD Wien, wonach sich der Verdacht einer Aufenthaltsehe nicht bestätigt hat. An dieser Stelle darf auch auf die durch Nachschau im Melderegister belegte aufrechte, gemeinsame Wohnsitzmeldung des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau, das Auffinden privater Fotos auf dem Instagram-Account der Gattin des Beschwerdeführers, das Antreffen beider „im Schlafgewand“ (s. S. 2 des LPD-Berichtes v. 20.10.2020) an ihrer Wohnadresse sowie, nach Rücksprache mit dem gegenüberliegenden Nachbarn, die Information, dass beide tatsächlich an der genannten Adresse wohnen, hingewiesen werden. Die genannten Unterlagen wurden seitens des Bundesverwaltungsgerichtes von der zuständigen Niederlassungsbehörde angefordert und vorgelegt (OZ 19). Das Ergebnis der Ermittlungen steht auch mit dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck des Beschwerdeführers und seiner als Zeugin vernommenen Ehegattin in Einklang.

Die Heiratsurkunde, ausgestellt vom Standesamts- und Staatsbürgerschaftsverband XXXX am Tag der Eheschließung des XXXX , liegt im Akt ein.

Dass die Ehegattin des Beschwerdeführers zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist, geht aus der von der MA 35 zu Zl XXXX am 25.11.2020 ausgestellten Anmeldebescheinigung für EWR-Bürgerinnen zu Ausbildungszwecken hervor. Diese deckt sich mit den Angaben der Zeugin in der mündlichen Verhandlung, wonach sie im Juni 2021 mit ihrer Ausbildung fertig sein und anschließend ein Doktorats-Studium machen wolle (S. 11 VNS).

Weiters liegt im Akt eine Einreichbestätigung vom 29.09.2020 ein, wonach der Beschwerdeführer am 25.09.2020 seinen (Erst-)Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte als Angehöriger einer EWR-Bürgerin gestellt hat. Dass dieser zum heutigen Entscheidungsdatum offen ist, gründet auf die an die MA 35 gerichtete Anfrage seitens des Bundesverwaltungsgerichtes, welche mit Mitteilung vom 29.04.2021 entsprechend beantwortet wurde.

2.2. Die Feststellungen zum Irak stützen sich auf die angeführten Quellen. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Zu Spruchteil A)

Abweisung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. (Asylstatus) und II. (Status des subsidiär Schutzberechtigten) des angefochtenen Bescheides:

1. Zur Abweisung des Asylstatus:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht, oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, "aus Gründen" der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Da der Beschwerdeführer die behaupteten Fluchtgründe nicht glaubhaft hat machen können, liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl, die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe, nicht vor.

2. Zur Abweisung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Die Zuerkennung von subsidiärem Schutz setzt somit voraus, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in seine Heimat entweder eine reale Gefahr einer Verletzung insbesondere von Art. 2 oder 3 EMRK bedeuten würde oder für ihn eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in der Irak mit sich bringen würde.

Im gegenständlichen Fall gehört der Beschwerdeführer (da gesund auch mit Blick auf Covid-19) keiner Personengruppe mit speziellem Risikoprofil an, weshalb sich daraus kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.

Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substantiell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte.

UNHCR vertritt die Ansicht, dass alleinstehende, körperlich leistungsfähige Männer, arabischer Volksgruppenzugehörigkeit im arbeitsfähigen Alter in der Lage sind, in der Stadt Bagdad sogar ohne Unterstützung durch ihre Familie bzw. Stamm zu bestehen. Dem gesunden, arbeitsfähigen Beschwerdeführer, der zudem über Familienangehörige (Mutter und Schwester) in Bagdad, wo er auch geboren wurde und aufgewachsen ist, verfügt, wäre daher jedenfalls eine Rückkehr dorthin zumutbar.

Im Fall des Beschwerdeführers gilt es nunmehr zu beleuchten, dass er während seines Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgerichtes eine Ehe mit einer irischen Staatsbürgerin geschlossen hat, die als ERW-Bürgerin zum Aufenthalt für mehr als drei Monate im österreichischen Bundesgebiet berechtigt ist.

3. Ersatzlose Behebung der Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides:

Auszug aus den relevanten Rechtsvorschriften:

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 20c AsylG bzw § 2 Abs. 4 Z 11 FPG ist begünstigter Drittstaatsangehöriger unter anderem der Ehegatte einer EWR-Bürgerin oder Schweizer Bürgerin oder Österreicherin, die ihr unionsrechtliches oder das ihr auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen hat.

Gemäß § 54 Abs. 5 AsylG 2005 gelten die Bestimmungen des 7. Hauptstückes (darin normiert sind Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen) nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige (vgl. auch VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0014). Nach der Rechtsprechung kommt eine amtswegige Prüfung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG im Fall eines begünstigten Drittstaatsangehörigen von vornherein nicht in Betracht (VwGH 25.09.2017, Ra 2017/20/0293; 23.03.2017, Ra 2016/21/0349).

Gemäß § 52 Abs. 2 letzter Satz FPG ist gegen begünstigte Drittstaatsangehörige keine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

Gemäß § 55 Abs. 1 NAG kommt EWR-Bürgern und ihren Angehörigen das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Gemäß § 54 Abs. 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen.

Gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind.

Für das gegenständliche Verfahren bedeutet das Folgendes:

Der Beschwerdeführer ist seit XXXX mit einer irischen Staatsangehörigen verheiratet, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat und über eine Anmeldebescheinigung verfügt. Der Beschwerdeführer ist damit gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 und Z 15 FPG begünstigter Drittstaatsangehöriger.

Gemäß § 54 Abs. 5 AsylG gelten die Bestimmungen des 7. Hauptstückes – und damit auch die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nach § 57 AsylG – nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige. Eine inhaltliche Prüfung hat daher zu unterbleiben. Mangels rechtlicher Möglichkeit zur Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG kommt ein Abspruch darüber somit nicht in Frage. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides war deswegen ersatzlos zu beheben.

Im Hinblick auf den Status der begünstigten Drittstaatsangehörigen ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG gleichfalls unzulässig und ist deshalb im vorliegenden Fall auch nicht darüber zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist (VwGH 15.03.2018, 2018/21/0014).

Die ausgesprochene Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) sowie die Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak (Spruchpunkt V.) waren daher ebenso zu beheben. In Ermangelung des Vorliegens einer Rückkehrentscheidung kommt auch die Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 FPG nicht mehr in Betracht, sodass auch Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides ersatzlos aufzuheben war.

Das dem Beschwerdeführer infolge Eheschließung nunmehr zustehende unionsrechtliche Aufenthaltsrecht als begünstigter Drittstaatsangehöriger, welches der Beschwerdeführer mit seinem Antrag vom 25.09.2020 bereits geltend machte, wird im Wege der Ausstellung einer Aufenthaltskarte durch die MA 35 zu erfolgen haben (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151), wodurch der Beschwerdeführer in die Systematik des NAG übergeleitet wird.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere VwGH vom 15.03.2018, Zl. 2018/21/0014, zurückgegriffen werden kann.

Schlagworte

begünstigte Drittstaatsangehörige Ehe ersatzlose Teilbehebung Glaubwürdigkeit mangelnde Asylrelevanz non refoulement Rückkehrentscheidung behoben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W284.2180591.1.00

Im RIS seit

18.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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