TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/15 W283 2238183-2

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Veröffentlicht am 15.04.2021
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Entscheidungsdatum

15.04.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W283 2238183-2/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Stefanie OMENITSCH im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 721214107/201262235 über die weitere Anhaltung von XXXX , geboren am XXXX , StA. INDIEN, in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden auch BF), ein Staatsangehöriger von Indien, stellte am 07.05.2002 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Bescheid vom 03.02.2005 wurde dieser Antrag abgewiesen und mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 07.04.2010, eine dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen.

Am 02.12.2017 stellte der BF seinen zweiten Asylantrag, welcher vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) mit Bescheid vom 30.01.2018 abgewiesen wurde. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.10.2018 als unbegründet abwiesen.

Am 30.12.2019 stellte der BF seinen dritten Asylantrag, welcher mit Bescheid des Bundesamtes vom 03.02.2020, in Verbindung mit einer Rückkehrentscheidung und einem Einreiseverbot, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde und am 25.02.2020 in Rechtskraft erwachsen ist.

Am 15.05.2020 stellte der Beschwerdeführer seinen vierten Asylantrag, welcher mit Bescheid des Bundesamtes vom 14.06.2020 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.09.2020 als unbegründet abgewiesen.

Am 17.09.2020 stellte der Beschwerdeführer seinen fünften Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesamtes vom 12.10.2020 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.04.2021, zugestellt am 13.04.2021 wurde die Beschwerde hinsichtlich der Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache als unbegründet abgewiesen.

2. Der BF wurde im Bundesgebiet drei Mal, nämlich am 13.11.2018, am 12.06.2019 und zuletzt am 18.07.2020 rechtskräftig verurteilt. Gegen den BF besteht seit dem 28.08.2018 ein Waffenverbot.

3. Der BF befand sich von 21.02.2020 bis 04.04.2020 in Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung. Aufgrund der Beschränkungen und Auswirkungen der Covid 19 Pandemie wurde der BF am 04.04.2020 aus der Schubhaft entlassen. Am selben Tag wurde mit Bescheid über den BF ein gelinderes Mittel verhängt, dem der Beschwerdeführer jedoch nicht nachgekommen ist.

4. Der Beschwerdeführer war zuletzt von 01.10.2020 bis 02.12.2020 ohne behördliche Meldung im Bundesgebiet aufhältig. Der BF war im vergangen Jahr weiters von 10.09.2020 bis 17.09.2020, von 15.07.2020 bis 07.09.2020, weiters von 11.06.2020 bis 13.06.2020, von 30.12.2019 bis 13.01.2020 ohne behördliche Meldung im Bundesgebiet aufhältig. Der Beschwerdeführer befand sich im Zeitraum 2010 bis 2017 in Frankreich.

5. Über den Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 15.12.2020 die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.

6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.01.2021 wurde die gegen die Schubhaft erhobene Beschwerde abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der weiteren Anhaltung in Schubhaft vorliegen.

7. Am 19.03.2021 wurde von der Vertretungsbehörde die Zustimmung zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF erteilt.

8. Seit dem 13.04.2021 besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

9. Dem BF wurde im Rahmen des Parteiengehörs die im Rahmen der gegenständlichen Aktenvorlage erstattete Stellungnahme des Bundesamtes übermittelt und ihm Gelegenheit gegeben, sich dazu zu äußern. Der BF gab im Verfahren keine Stellungnahme ab.

10. Das Bundesamt hat am 14.04.2021 bereits die weiteren Schritte zur Effektuierung der Abschiebung eingeleitet.

11. Am 15.04.2021 wurde der Beschwerdeführer über die am 01.05.2021 bevorstehende Abschiebung informiert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit 16.12.2020 durchgehend in Schubhaft. Sache dieses Verfahrens ist die Feststellung, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

Dabei ist zu prüfen, welche höchstzulässige Schubhaftdauer im gegenständlichen Fall vorliegt und ob und in wie weit die bereits erfolgte Anhaltung des BF in Schubhaft (zum Zweck der Sicherung der Abschiebung) zu berücksichtigen ist.

1. Feststellungen:

1.1. Zum bisherigen Verfahren

1.1.1. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 12.10.2020 wurde der vom Beschwerdeführer zuletzt gestellte, fünfte Antrag auf internationalen Schutz in Österreich (vierte Folgeantrag) vom 17.09.2020 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.04.2021, zugestellt am 13.04.2021 wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Gegen den Beschwerdeführer wurde zuletzt mit Bescheid des Bundesamtes vom 03.02.2020 eine Rückkehrentscheidung und ein Einreisverbot erlassen. Seit 13.04.2021 besteht aufgrund des rechtskräftigen Abschlusses des Asylfolgeantragsverfahrens kein faktischer Abschiebeschutz mehr und ist die aufenthaltsbeendende Maßnahme daher effektuierbar (W222 2187172-2/4; W186 2187172-3/10).

1.1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 15.12.2020 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet. Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Schubhaftbescheid erhobene Beschwerde wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.01.2021 als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen (W150 2238183-1/8Z).

1.2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

1.2.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Indien, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Er verfügt über keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität, insbesondere über kein Reisedokument. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.2.2. Der BF befand sich von 21.02.2020 bis 04.04.2020 zum Zweck der Sicherung der Abschiebung in Schubhaft. Aufgrund der Beschränkungen und Auswirkungen der Covid 19 Pandemie wurde der BF am 04.04.2020 aus der Schubhaft entlassen. Am selben Tag wurde mit Bescheid über den BF ein gelinderes Mittel verhängt, dem der Beschwerdeführer jedoch nicht nachgekommen ist. Am 17.09.2020 stellte der BF seinen fünften Antrag auf internationalen Schutz. Der BF wird seit 16.12.2020 in Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angehalten. Seit 13.04.2021 ist dieses (vierte) Folgeantragverfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme ist daher durchsetzbar. Die Überwachung der Ausreise des BF ist notwendig. Die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft gilt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt (OZ 1, OZ 11, Melderegister; Fremdenregister).

1.2.3. Der BF befindet sich in einem guten Allgemeinzustand, er ist gesund und jedenfalls haftfähig. Der BF hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung (W150 2238183-1/8Z; Anhaltedatei).

1.3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

1.3.1. Es besteht seit dem 13.04.2021 gegen den BF eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme (W186 2187172-3/10).

1.3.2. Der BF ist im Zusammenhang mit der Organisation seiner Abschiebung in keiner Form kooperativ und vertrauensunwürdig. Der Beschwerdeführer stellte in Österreich erstmals im Jahr 2002 einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz. Seit dem 09.04.2010 besteht seit dem BF eine Ausreiseverpflichtung in den Herkunftsstaat. Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung bisher nicht nach, sondern stellte in weiterer Folge noch vier weitere unbegründete Folgeanträge (Fremdenregister). Der BF achtet die österreichische Rechtsordnung insgesamt nicht. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten um einer Abschiebung zu entgehen.

1.3.3. Der BF stellte zuletzt am 17.09.2020, wenige Tage nach dem rechtskräftigen negativen Abschluss seines vierten Asylverfahrens am 14.09.2020 in Österreich einen weiteren, seinen fünften Asylantrag in Österreich. Bei der asylrechtlichen Erstbefragung im Rahmen der fünften Asylantragstellung am 18.09.2020 gab der BF an, es würden seine alten Asylgründe immer noch gelten. Es würden in jedem Land, das der BF bereise, Probleme entstehen. Alle Länder würden sagen, dass Österreich für den BF zuständig sei und „sie“ wollen, dass er „ihre“ Religion annehme. Am 07.10.2020 wurde der BF vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen, wobei er befragt zum Grund für die neuerliche Stellung eines Asylantrages angab, dass er nichts Neues vorzubringen habe.

1.3.4. In Österreich leben keine Familienangehörigen des BF. Er ging keiner legalen Beschäftigung nach. Der BF verfügt über keine engen soziale Kontakte und über keinen gesicherten Wohnsitz im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer war zuletzt von 01.10.2020 bis 02.12.2020 ohne behördliche Meldung im Bundesgebiet aufhältig. Der BF war überdies von 10.09.2020 bis 17.09.2020, von 15.07.2020 bis 07.09.2020, weiters von 11.06.2020 bis 13.06.2020, von 30.12.2019 bis 13.01.2020 ohne behördliche Meldung im Bundesgebiet aufhältig. Der Beschwerdeführer befand sich im Zeitraum 2010 bis 2017 in Frankreich (W150 2238183-1/8Z: PS 4; Melderegister).

1.4. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

1.4.1. Der BF weist in Österreich folgende strafgerichtliche Verurteilungen auf (OZ 1, OZ 7):

1.4.1.1. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 09.11.2018 wurde Beschwerdeführer wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung (§ 107 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, wobei der Vollzug unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Der BF hat am 13.08.2018 durch die Äußerung „Wenn ich dich treffe privat, ohne Uniform, ich schwöre ich bringe dich um!“ einen anderen mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen. Mildernd wurde das umfassende und reumütige Geständnis sowie der bisher ordentliche Lebenswandel, erschwerend wurde bei der Strafbemessung nichts berücksichtigt.

1.4.1.2. Mit Urteil vom 05.06.2019 verurteilte ein Bezirksgericht den Beschwerdeführer, weil er am 06.02.2019 im Zuge eines Streitgespräches auf einen anderen, mit dem Vorsatz diesen dadurch zu verletzten, eingeschlagen hat, wobei die andere Person die schlagende Hand des BF erfassen konnte und es somit beim Versucht blieb, weiters hat der BF sein Opfer an dessen Uniform erfasst und daran gezerrt wodurch diese beschädigt wurde und ein Schaden in der Höhe von € 40,00 entstand (§§ 15, 83; 125). Der BF wurde zu einer Geldstrafe von insgesamt € 320,00 verurteilt, im Nichteinbringungsfall zu 40 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe.

Bei der Strafbemessung wurden das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen erschwerend, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist und das lange Zurückliegen der Tat als mildernd ins Kalkül gezogen. Vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zum Urteil des Landesgerichts vom 09.11.2018 wurde abgesehen, und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

1.4.1.3. Mit Urteil vom 14.07.2020 verurteilte ein Landesgericht den Beschwerdeführer wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung (§ 107 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 5 Monaten. Der Vollzug der verhängten Strafe wurde unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Der Verurteilung lagen Tathandlungen im Zeitraum von 28.10.2019 bis 23.11.2019 zugrunde, wobei der BF Mitarbeiterinnen eines Geschäfts mit der Zufügung zumindest einer Körperverletzung bedroht hat, um sie in Furch und Unruhe zu versetzen. Dabei hat der BF durch die sinngemäße Äußerungen „wenn sie ihn noch mal wegschicke, werde er sie schlagen“ sowie „Gott wird euch alle bestrafen“ und dazu zuerst seine Hände derart hielt, als ob er ein Maschinengewehr in der Hand halten würde und Schussgeräusche dazu nachahmte und in weiterer Folge seine Faust ballte als ob er ein Messer halten würde und Schnittbewegungen an den Unterarmen andeutete und weiters durch die sinngemäße Äußerung, er werde sie schlagen und umbringen sowie dem gleichzeitigen Zeigen eines Metallringes, den er wie einen Schlagring hielt, gefährlich zumindest mit einer Verletzung am Körper bedroht.

1.4.1.4. Gegen den BF besteht seit dem 28.08.2018 ein Waffenverbot (OZ 1).

1.4.2. Bei der Vertretungsbehörde wurde vom Bundesamt ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates eingeleitet, am 19.03.2021 wurde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die Vertretungsbehörde zugesichert (OZ 1).

Seit dem 13.04.2021 ist das fünfte Asylverfahren des BF rechtskräftig abgeschlossen. Am 14.04.2021 hat das Bundesamt unverzüglich mit der Planung und Organisation der Abschiebung des BF begonnen. Zum Entscheidungszeitpunkt sind zwangsweise, begleitete Abschiebungen am Luftweg möglich. Direktflüge nach Indien sind derzeit nicht möglich. Die Abschiebung des Beschwerdeführers steht in etwas mehr als zwei Wochen, am 01.05.2021 bevor. Von der Erlangbarkeit der erforderlichen Dokumente für die Abschiebung, der Ausstellung des Heimreisezertifikates und der für den BF und die Eskorten erforderlichen Dokumente für Durchreise ist im Entscheidungszeitpunkt auszugehen (OZ 11).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes die Folgeantragsbeschwerdeverfahren sowie das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend (W163 2187172-1, W222 2187172-2 und insbesondere W186 2187172-3 und W150 2238183-1). Weiters wurde durch Einsichtnahme in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres Beweis erhoben.

2.1. Zum bisherigen Verfahren

2.1.1. Die Feststellungen zum zuletzt gestellten, fünften Asylverfahren und damit vierten Folgeantragsverfahren des Beschwerdeführers und dessen Ausgang ergeben sich aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zu W186 2187172-3 und sind unstrittig. Dass gegen den Beschwerdeführer zuletzt mit Bescheid des Bundesamtes vom 03.02.2020 eine Rückkehrentscheidung und ein Einreisverbot erlassen wurden, ergibt sich aufgrund der Einsicht in den Gerichtsakt zu W222 2187172-2 und ist unstrittig. Seit 13.04.2021 besteht aufgrund des rechtskräftigen Abschlusses des vierten Asylfolgeantragsverfahrens kein faktischer Abschiebeschutz mehr und ist die aufenthaltsbeendende Maßnahme daher effektuierbar.

2.1.2. Die Feststellungen zum Bescheid vom 15.12.2020 und dem mündlich verkündeten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.01.2021 ergeben sich aus eben diesen Entscheidungen, die im Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zu W150 2238183-1 aufliegen und sind unstrittig.

2.2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.2.1. Aus dem Verwaltungsakt und insbesondere aus den Angaben des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 04.01.2021 ergibt sich, dass der BF über keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität und damit auch über kein Reisedokument verfügt. An seiner Volljährigkeit besteht jedoch kein Zweifel und wird die Minderjährigkeit auch vom BF nicht behauptet. Im bisherigen Verfahren haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Da die fünf Asylverfahren des BF rechtskräftig negativ abgeschlossen wurden, handelt es sich beim BF weder um einen Asylberechtigten noch um einen subsidiär Schutzberechtigten.

2.2.2. Dass sich der BF von 21.02.2020 bis 04.04.2020 in Schubhaft befand, der Zweck derselben und der Grund für die Haftentlassung fußen auf den Angaben des Bundesamtes in seiner Stellungnahme vom 14.04.2021 und der Einsichtnahme in das Melderegister. Die Feststellungen zur Verhängung eines gelinderen Mittels am Tag der Haftentlassung und die Feststellung, dass der BF die Auflagen aus dem gelinderen Mittel nicht erfüllt hat, stützen sich auf die Stellungnahme des Bundesamtes und den damit übereinstimmenden Eintragungen ins Fremdenregister. Dass der BF am 17.09.2020 seinen fünften Antrag auf internationalen Schutz stellte, ergibt sich aufgrund der Einsicht in den Gerichtsakt zu diesem Verfahren und den damit übereinstimmenden Eintragungen im Fremdenregister (OZ 1, OZ 11, Melderegister, Fremdenregister). Dass der BF seit 16.12.2020 in Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angehalten wird, war aufgrund der Eintragungen in der Anhaltedatei in Zusammenschau mit dem Zustellnachweis des Schubhaftbescheides festzustellen (OZ 1). Dass seit 13.04.2021 das vierte Folgeantragverfahren (fünfte Asylverfahren) rechtskräftig negativ abgeschlossen ist, ergibt sich aufgrund der Einsichtnahme in den Gerichtsakt zu W186 2187172-3. Aufgrund der Abweisung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht, war festzustellen, dass die aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar ist. Dass die Überwachung der Ausreise des BF notwendig ist, ergibt sich aufgrund des Vorverhaltens des BF. Bereits seit dem Jahr 2010 bestand erstmals gegen den BF eine Rückkehrverpflichtung in seinen Herkunftsstaat. Dieser Verpflichtung ist der BF bisher nicht nachgekommen, sondern hat er seinen unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich ab dem Jahr 2017 durch die Stellung unbegründeter Asylfolgeanträge fortgesetzt (Fremdenregister). Die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft gilt nunmehr, aufgrund des rechtskräftigen Abschlusses des Asylverfahrens als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

2.2.3. Aus der Aktenlage ergeben sich keine Hinweise auf gesundheitliche Probleme des BF, die zu einer Haftunfähigkeit führen könnten. Am 04.01.2021 erfolgte eine amtsärztliche Untersuchung im Rahmen der Schubhaftbeschwerdeverhandlung. Daraus geht hervor, dass der Beschwerdeführer in einem guten Allgemeinzustand und gesund ist. Hinweise auf eine psychische Störung oder Erkrankungen wurden nicht festgestellt und die Haftfähigkeit des BF festgestellt (W150 2238183-1: OZ 8, PS 8 ff). Dass der im Polizeianhaltezentrum Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist notorisch.

2.3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

2.3.1. Die Feststellungen zur rechtskräftigen aufenthaltsbeendenden Maßnahme ergeben sich aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zum letzten Folgeantragsbeschwerdeverfahren, das am 13.04.2021 rechtskräftig negativ beendet wurde (W186 2187172-3/10E).

2.3.2. Dass der BF nicht bereit ist freiwillig in den Herkunftsstaat zurückzukehren oder seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen, hat er selbst im Rahmen seiner Einvernahme am 16.12.2020 angegeben. Die in fehlende Vertrauenswürdigkeit des BF ergibt sich aus seiner Straffälligkeit und der fünfmaligen unbegründeten Asylantragstellung. Seine fehlende Kooperationsbereitschaft zeigt sich insbesondere daran, dass sich der BF bisher weigerte, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Daraus war auch die Missachtung der österreichischen Rechtsordnung durch den BF seit dem Jahr 2010 abzuleiten. Angesichts dieses Vorverhaltens und der besteht keinerlei Zweifel darüber, dass sich der BF im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft dem behördlichen Zugriff umgehend entziehen würde.

2.3.3. Aus der Einsicht in die Gerichtsakte zum vierten und fünften Asylverfahren des BF und das Fremdenregister ergibt sich, dass der BF zuletzt am 17.09.2020 seinen fünften Asylantrag in Österreich stellte. Erst am 14.09.2020 wurde die negative Entscheidung im Hinblick auf den vierten Asylantrag des BF vom Bundesverwaltungsgericht erlassen (W222 2187172-2 und W186 2187172-3). Es konnte daher die Feststellung getroffen werden, dass der BF wenige Tage nach vierten, negativen Entscheidung im Asylverfahren einen weiteren, unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Dass im Rahmen des fünften Asylverfahrens der BF auf seine alten Asylgründe rekurrierte und selbst das Vorliegen von neuen Fluchtgründen verneinte, war aufgrund der Einsicht in den Gerichtsakt festzustellen.

2.3.4. Die Feststellungen zum fehlenden sozialen und familiären Netzwerk ergeben sich aufgrund der eigenen Angaben des BF im Verfahren, bei der Einvernahme vor dem Bundesamt am 16.12.2021 und im Rahmen der Schubhaftbeschwerdeverhandlung am 04.01.2021 (W150 2238183-1/8Z: PS 4; OZ 11). Die Feststellungen zur fehlenden legalen Beschäftigung waren mangels Vorliegens einer entsprechenden Bewilligung und den dazu im Einklang stehenden eigenen Angaben des BF am 16.12.2020, wonach er „Papiere“ um zu arbeiten benötige zu treffen (OZ 11). Dass der BF über keinen gesicherten Wohnsitz verfügt war aufgrund der Einsichtnahme in das Melderegister festzustellen, da der BF ausschließlich die behördliche Meldung im Polizeianhaltezentrums aufweist. Die Feststellungen der Aufenthaltszeiten des BF seit 30.12.2019 ohne behördliche Meldung im Bundesgebiet fußen auf den Eintragungen im Melderegister. Dass sich der Beschwerdeführer im Zeitraum 2010 bis 2017 in Frankreich befand, fußt auf dem Akteninhalt und den eigenen Angaben des BF, zuletzt in der Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht am 04.01.2021.

2.4. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

2.4.1. Die Feststellungen zu seinen Verurteilungen gründeten auf den vom Bundesamt vorgelegten Urteilen und der Einsichtnahme in das Strafregister, die Feststellungen zum Waffenverbot stützen sich auf die Angaben des Bundesamtes im Rahmen der Aktenvorlage (OZ 1 und OZ 7).

2.4.2. Die Feststellungen zum Verfahren im Hinblick auf das Heimreisezertifikat und dass die Ausstellung desselben am 19.03.2021 zugesichert wurde fußt auf der Stellungnahme des Bundesamtes und den Eintragungen im Fremdenregister (OZ 1).

Die Feststellungen zur Abschiebung des BF fußen auf der Mitteilung des Bundesamtes vom 14.04.2021 und den aktuellen Informationen des Referates Heimreisezertifikates im Hinblick auf die Möglichkeit von Flugabschiebungen vom 12.04.2021. Dass die Abschiebung des BF am 01.05.2021 bevorsteht fußt auf der im Akt aufliegenden Information des Bundesamtes, worüber auch der BF am 15.04.2021 in Kenntnis gesetzt wurde. Aufgrund der Zusage zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates und der generellen Möglichkeit Abschiebeflüge nach Indien durchzuführen, ist auch von der Erlangbarkeit der erforderlichen Dokumente für die Abschiebung, einerseits des Heimreisezertifkates, andererseits der erforderlichen Durchreisebewilligungen für die Zwischenstopps im Hinblick auf die Flugabschiebung auszugehen (OZ 11).

2.5. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

3.1. Rechtliche Grundlagen

3.1.1. Die maßgebliche verfassungsrechtliche Bestimmung des Art. 5 Abs. 1 lit. f der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) lautet auszugsweise:

1) Jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

f)       wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.

3.1.2. Die maßgebliche verfassungsrechtliche Bestimmung des Art 2 Abs. 1 Z 7 Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrBVG) lautet auszugsweise:

1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

3.1.3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) lauten auszugsweise:

Der mit „Begriffsbestimmungen“ betitelte § 2 FPG lautet:

§ 2 (4) Im Sinn dieses Bundesgesetzes ist

1. Fremder: wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt.

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 FPG lautet:

§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 FPG lautet:

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit „Dauer der Schubhaft“ betitelte § 80 lautet:

§ 80 (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1.

drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2.

sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1.

die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.

eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3.

der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4.

die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

3.1.4. Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

§ 22a (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

3.1.5. Die maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungs-RL) lauten (auszugsweise):

Der mit „Anwendungsbereich“ betitelte Art. 2 Rückführungs-RL lautet:

Art 2. (1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige.

Der mit „Inhaftnahme“ betitelte Art. 15 Rückführungs-RL lautet:

Art 15. (1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, (…)

(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf. 

(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:
a.         mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder,
b.         Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.

…“

3.2. Judikatur

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das BFA eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG - einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

3.3. Allgemeine Voraussetzungen

§ 22a Abs. 4 BFA-VG bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage für die gegenständliche Haftprüfung, da der Beschwerdeführer seit 16.12.2020 in Schubhaft angehalten wird. Die Frist für die gerichtliche Überprüfung endet am 16.04.2021.

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Verhängung der gegenständlichen Schubhaft Asylwerber, da sein fünftes Asylverfahren zum Zeitpunkt der Erlassung der Schubhaft am 16.12.2020 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war. Die Erlassung von Schubhaft und Anhaltung des BF zum Zweck der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG war daher geboten und aufgrund der gerichtlichen Entscheidung vom 04.01.2021 auch rechtmäßig.

Gegen den Beschwerdeführer bestehen eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot. Aufgrund der letzten Asylfolgeantragstellung am 17.09.2020 bestand jedoch faktischer Abschiebeschutz und war die aufenthaltsbeendende Maßnahme bis zum 13.04.2021 nicht effektuierbar.

Mit Eintritt der Rechtskraft der Beschwerdeabweisung im fünften Asylverfahren des BF am 13.04.2021 wurde die aufenthaltsbeendende Maßnahme auch effektuierbar, dem BF kommt faktischer Abschiebeschutz nicht mehr zu. Die Überwachung der Ausreise des Beschwerdeführers ist aber aufgrund des bisherigen Verhaltens des BF notwendig, daher gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt, somit seit 13.04.2021 als zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 5 FPG verhängt.

3.4. Höchstzulässige Dauer der Schubhaft

Der Beschwerdeführer wird seit 16.12.2020 durchgehend in Schubhaft angehalten und zwar gemäß dem Schubhaftbescheid auf Basis von § 76 Abs. 2 Z 1 FPG.

Im Hinblick auf die höchstzulässige Dauer der Anhaltung des BF in Schubhaft war von 16.12.2020 bis 13.04.2021 § 80 Abs. 5 FPG heranzuziehen und damit eine Höchstdauer von 10 Monaten einschlägig.

Seit dem 13.04.2021 gilt diese Schubhaft gemäß § 76 Abs. 5 FPG aufgrund der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme als zur Sicherung der Abschiebung verhängt und ist § 80 Abs. 5 FPG im Hinblick auf die Dauer der Schubhaft daher nicht mehr anzuwenden.

§ 80 Abs. 5 letzter Satz FPG normiert jedoch, dass für jene Fälle (wie den vorliegenden) in welchen die Schubhaft über den Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme (hier am 13.04.2021) aufrechterhalten wird oder nach diesem Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit neuerlich angeordnet wird, die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 (Z 1: 3 Monate, Z 2: 6 Monate) oder Abs. 4 (18 Monate) anzurechnen ist.

Der Zeitraum der Anhaltung von 16.12.2020 bis 13.04.2021 ist gemäß § 80 Abs. 5 letzter Satz FPG bei den Schubhaftzeiten zur Ermittlung der Höchstdauer zu berücksichtigen (VwGH 19.11.2020, Ro 2020/21/0015, Rn. 18).

Weiters wurde der Beschwerdeführer bereits von 21.02.2020 bis 04.04.2020 auf Basis des § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zweck der Sicherung der Abschiebung in Schubhaft angehalten. Zu prüfen ist, ob dieser Zeitraum entgegen der Auffassung des Bundesamtes in die Berechnung der Zeiten der Anhaltung des Beschwerdeführers insgesamt einzurechnen ist.

Entgegen der Auffassung des Bundesamtes lag aufgrund der Asylfolgeantragstellung des BF und damit dem geänderten, neuen Zweck der Schubhaft – nämlich nicht zur Sicherung der Abschiebung, sondern zum Zweck der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme – kein neuer Sachverhalt vor.

Bei der Prüfung, ob die Schubhaft wegen „desselben Sachverhaltens“ abweichend von § 80 Abs. 2 Z 2 (6 Monate) und Abs. 3 (6 Monate) im Sinne des § 80 Abs. 4 FPG höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden kann, ist auf die Judikatur des VwGH abzustellen, der auf die Judikatur des VfGH zurückgreift. Derzufolge beginne die höchstzulässige Dauer der Schubhaft von sechs Monaten dann neu zu laufen, wenn der Fremde Österreich verlässt und dann wieder in das Bundesgebiet einreist. Eine Sachverhaltsänderung wäre in diesem Sinne demnach dann anzunehmen gewesen, wenn ein Fremder nach Verlassen Österreichs und neuerlicher Einreise in das Bundesgebiet aus diesem wiederum zu entfernen wäre. Allenfalls hätte eine solche maßgebliche Sachverhaltsänderung auch bloß in der auf Grund geänderter Umstände erfolgenden neuerlichen Durchführung eines aufenthaltsbeendenden Verfahrens (wenn es etwa in einem vorangegangenen Verfahren nicht zu einem Titel für die Abschiebung gekommen ist oder ein solcher Titel wieder wegfiel) erblickt werden können (VwGH 31.3.2008, 2008/21/0053).

Weder der erste Fall – dass der BF Österreich zwischen seiner Anhaltung von 21.02.2020 bis 04.04.2020 und seiner Anhaltung seit 16.12.2020 verlassen hätte, noch der zweite Fall – dass auf Grund geänderter Umstände die neuerliche Durchführung eines aufenthaltsbeendenden Verfahrens erfolgen hätte müssen (die bereits bestehende Rückkehrentscheidung war und ist weiterhin in Geltung) – war im gegenständlichen Fall erfüllt, weshalb vom Vorliegen desselben Sachverhalts auszugehen ist.

Die Anhaltung des BF von 21.02.2020 bis 04.04.2020, im Ausmaß von 1 Monat und 15 Tagen (berechnet nach vollen Monaten und Tagen) bzw. 44 Tagen (berechnet nach Tagen) wobei der erste Tag der Anhaltung und der Entlassungstag mitgezählt wurden (VwGH 16.07.2020, Ra 2020/21/0099), auf Basis des § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zweck der Sicherung der Abschiebung in Schubhaft ist daher in die Berechnung der Zeiten der Anhaltung des Beschwerdeführers insgesamt einzurechnen.

Aus § 80 Abs. 4 FPG lässt sich nämlich ableiten, dass zur Ermittlung der Höchstdauer „wegen desselben Sachverhalts“ verhängte Schubhaften zusammen zu rechnen sind. Das gilt zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs nicht nur für die Höchstfrist (von 18 Monaten) nach § 80 Abs. 4 FPG, sondern auch für die Höchstfristen (von 3 bzw. 6 Monaten) nach § 80 Abs. 2 FPG (VwGH 12.01.2021, Ra 2020/21/0378).

Eine weitere Anhaltung des BF – die wie oben dargelegt – seit dem 13.04.2021 dem Zweck der Sicherung Abschiebung dient, kann der ständigen Rechtsprechung des VwGH folgend nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Es sind daher Feststellungen zur möglichen Realisierbarkeit der Abschiebung innerhalb der zulässigen Schubhafthöchstdauer zu treffen.

Der BF befindet sich im Entscheidungszeitpunkt insgesamt 5 Monate und 15 Tage bzw. 165 Tage in Schubhaft.

Zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer noch vor dem Hintergrund der zulässigen Dauer einer Anhaltung in Schubhaft in Schubhaft angehalten werden darf und allenfalls in weiterer Folge, ob eine Abschiebung des Beschwerdeführers noch innerhalb der noch zur Verfügung stehenden, zulässigen Dauer der Schubhaft bewerkstelligt werden kann.

3.4.1. Abschiebung binnen 6 Monaten:

Derzeit ist die Abschiebung des BF innerhalb der 6 Monatsfrist, nämlich am 01.05.2021 geplant, der BF befindet sich am Tag der Abschiebung daher 5 Monate und 31 Tage (zusammengerechnet die vollen Monate und Tagen) bzw. 181 Tage in Schubhaft (zusammengerechnet die Tagen) wobei. Das sechste Monate der Anhaltung in Schubhaft wird rechnerisch in beiden Fällen erst bei Vorliegen von 6 Monaten bzw. 182,5 Tagen erreicht. Die Fortsetzung der Anhaltung der Schubhaft ist daher zulässig.

3.4.2. Abschiebung binnen 18 Monaten:

Eine Verlängerung der Schubhaft über den Zeitraum von sechs Monaten gemäß § 80 Abs. 2 Z 2 FPG ist im vorliegenden Fall, mangels Anwendbarkeit von § 80 Abs. 3 und Abs. 5 FPG nur unter den Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 zulässig.

3.4.2.1. Aus den erläuternden Bemerkungen zu § 80 FPG (RV 1523 BlgNR XXV. GP 2, Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 – FrÄG 2017) ergibt sich:

„Schließlich wird durch die Änderung des § 80 FPG einerseits die Regelung der höchstzulässigen Dauer der Schubhaft den Vorgaben des Unionsrechts auf Grund der Richtlinie 2008/115/EG über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. Nr. L 348 vom 24.12.2008 S. 98 (im Folgenden: „Rückführungs-RL“) angepasst.“

Mit § 80 FPG wird die Bestimmung des Art. 15 Rückführungs-RL umgesetzt. Ist eine Anhaltung des Fremden in Schubhaft über die übliche Dauer gemäß § 80 Abs. 2 FPG vorgesehen und fällt daher die Überprüfung einer Anhaltung in Schubhaft in den Anwendungsbereich der Rückführungs-RL, ist die innerstaatliche Bestimmung des § 80 FPG richtlinienkonform auszulegen.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich gemäß Art. 2 Abs. 1 Rückführungs-RL um einen Drittstaatsangehörigen, der sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates aufhält. Die Rückführungs-RL ist im gegenständlichen Fall daher anwendbar und die Bestimmung des § 80 FPG daher im Sinne der Rückführungs-RL auszulegen.

3.4.2.2. Die Anhaltung in Schubhaft darf gemäß § 80 Abs. 2 FPG grundsätzlich die Dauer von sechs Monaten nicht übersteigen. Dies steht im Einklang mit Art. 15 Abs. 5 der Rückführungs-RL.

3.4.2.3. Zu prüfen ist daher, ob in der vorliegenden Konstellation aufgrund der Bestimmungen des § 80 Abs. 4 FPG iVm Art. 15 Rückführungs-RL von einer Schubhaftdauer von bis zu 18 Monaten auszugehen ist.

3.4.2.4. Gemäß § 80 Abs. 4 Z 1 FPG kann ein Drittstaatsangehöriger bis zu 18 Monate in Schubhaft angehalten werden, wenn er bisher deshalb nicht abgeschoben werden konnte, weil die Abschiebung dadurch gefährdet scheint, dass die Feststellung der Identität und der Staatsangehörigkeit des Fremden, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes nicht möglich ist. Mit dieser Bestimmung wird Art. 15 Abs. 6 lit. a der Rückführungs-RL umgesetzt, wonach sich in den Fällen, in denen Abschiebungsmaßnahmen trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen wahrscheinlich länger dauern werden, die höchstmögliche Schubhaftdauer um weitere 12 Monate verlängert.

§ 80 Abs. 4 Z 1 FPG stellt auf eine Gefährdung der Abschiebung ab, die sich daraus ergeben kann, dass die Feststellung der Identität und der Staatsangehörigkeit des Fremden, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes nicht möglich ist. Art. 15 Abs. 6 lit a der Rückführungs-RL stellt darauf ab, dass sich eine Abschiebung aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers verzögert. Nach der Rückführungs-RL muss die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Drittstaatsangehörigen daher kausal für die Verzögerung von Abschiebungsmaßnahmen sein, sodass auch § 80 Abs. 4 Z 1 FPG diesbezüglich im Sinn von Art 15 Rückführungs-RL auszulegen ist.

Für den BF wurde bereits am 19.03.2021 die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugesichert. Eine Anhaltung in Schubhaft über sechs Monate kann daher im gegenständlichen Fall nicht auf § 80 Abs. 4 Z 1 FPG gestützt werden (VwGH 15.12.2

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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