TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/11 W171 2235689-9

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Veröffentlicht am 11.05.2021
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Entscheidungsdatum

11.05.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W171 2235689-9/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA im am 04.05.2021 amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX , über die weitere Anhaltung von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Tunesien, alias Algerien, alias Syrien, in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) gelangte unter Umgehung der Grenzkontrolle in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 08.04.2016 unter Angabe einer nachweislich falschen Identität und einer falschen Staatsangehörigkeit (Syrien) einen Antrag auf internationalen Schutz. Während des Asylverfahrens wurde festgestellt, dass der BF im Jahr 2014 bei der Schweizer Botschaft in Tunis mit einem tunesischen Reisepass einen Antrag auf Touristenvisum stellte, jedoch dieser abgelehnt wurde. Auch wurde der BF bereits am 30.04.2015 von Frankreich nach Tunesien abgeschoben.

Am 11.06.2017 wurde der BF wegen des Verdachts einer gerichtlich strafbaren Handlung nach § 201 StGB in Untersuchungshaft eingeliefert.

2. Der BF wurde am 21.03.2018 von einem Landesgericht wegen § 201 Abs. 1 StGB (Vergewaltigung) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Jahren rechtskräftig verurteilt. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde am 17.08.2018 gem. §§ 3 und 8 AsylG abgewiesen. Gleichzeitig wurde eine Rückkehrentscheidung, verbunden mit einem 10-jährigen Einreiseverbot, erlassen.

3. Am 11.09.2019 wurden – noch während der Anhaltung in Strafhaft - für die Länder Tunesien, Algerien und Marokko Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) eingeleitet. Während der Strafhaft wurde am 03.01.2020, 31.01.2020 und 16.04.2020 eine Urgenz für die Ausstellung eines Heimreisezertifikates an die tunesische Botschaft übermittelt. Am 10.01.2020, 15.04.2020 und 19.05.2020 wurde während der Strafhaft auch bei der marokkanischen Botschaft um ein Heimreisezertifikat urgiert. Weiters wurde am 12.11.2019, 09.12.2019, 30.01.2020, 26.03.2020 und 08.05.2020 bei der algerischen Botschaft ein Heimreisezertifikat urgiert.

4. Am 10.06.2020, um 08:00 Uhr wurde der BF aus der JA-Wien Josefstadt entlassen und gleichzeitig der Festnahmeauftrag vollzogen. Anschließend wurde der BF ins PAZ Hernalser Gürtel eingeliefert. Am 10.06.2020, um 15:15 Uhr wurde der BF niederschriftlich einvernommen. Am 10.06.2020, um 20:15 Uhr wurde dem BF der Schubhaftbescheid persönlich zugestellt. Das Bundesamt stützte die Schubhaft damals insbesondere auf die falschen Identitätsangaben des Beschwerdeführers sowie die fast gänzlich fehlende soziale Verankerung im Bundesgebiet. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit wurde die Begehung eines Sexualverbrechens berücksichtigt.

5. Am 17.07.2020 stellte der BF einen Asylfolgeantrag. Mit einem Aktenvermerk gem. § 76 Abs. 6 FPG wurde vom Bundesamt festgestellt, dass die weitere Anhaltung in Schubhaft aufrecht bleibt, da die Voraussetzungen hierfür weiterhin vorliegen. Dieser wurde dem BF am 17.07.2020, um 12:30 Uhr persönlich zugestellt. Eine Beschwerde gegen die auf diesen Aktenvermerk gestützte Anhaltung erfolgte nicht.

Am 05.08.2020 wurde mittels Aktenvermerk gem. § 80 Abs. 6 FPG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft geprüft und bestätigt.

Am 02.09.2020 wurde mittels Aktenvermerk gem. § 80 Abs. 6 FPG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft geprüft und bestätigt.

6. Während der Anhaltung in Schubhaft wurde am 12.06.2020, 28.08.2020 sowie am 30.09.2020 an die Tunesische Botschaft eine Urgenz für die Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) übermittelt.

Es wurde auch bei der Marokkanischen Botschaft am 15.06.2020, 29.06.2020, 17.07.2020, 20.08.2020 und 15.09.2020 die Ausstellung eines HRZ urgiert. Am 15.01.2021 wurde von der Marokkanischen Botschaft festgestellt, dass der BF nicht Marokkanischer Staatsbürger ist.

Weiters wurde am 16.06.2020, 03.08.2020 und am 24.08.2020 bei der Algerischen Botschaft wegen eines HRZ urgiert. Am 18.09.2020 wurde der BF der Algerischen Delegation vorgeführt. Diese erklärte, dass der BF vermutlich ein Tunesischer Staatsangehöriger ist, jedoch werde trotzdem die Identität bei den Behörden in Algerien geprüft. Danach wurde auch am 03.12.2020 sowie am 18.02.2021 bei der Algerischen Botschaft urgiert.

Am 30.12.2020 und 29.01.2021 sowie am 25.02.2021 wurde neuerlich bei der Tunesischen Botschaft ein HRZ urgiert.

7. Am 13.08.2020 wurde der Folgeantrag gem. § 68 AVG zurückgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft. Der Beschwerdeführer ist damit nicht mehr Asylwerber und unterliegt auch nicht mehr dem Regime des § 76 Abs. 6 FPG.

8. Am 15.12.2020 wurde der Beschwerdeführer aufgrund seines Wunsches erneut vor dem Bundesamt einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er bei einem Freund Unterkunft nehmen könne und nannte eine Adresse. Eine ZMR-Abfrage ergab, dass der genannte Freund an einer anderen Adresse gemeldet ist. Der Beschwerdeführer betonte, seine Identität preisgegeben zu haben. Ihm wurde erneut die Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr zur Kenntnis gebracht.

9. Das Bundesverwaltungsgericht stellte mit Erkenntnissen vom 08.10.2020, XXXX , vom 04.11.2020, vom 02.12.2020 ( XXXX ), vom 29.12.2020 ( XXXX ), 25.01.2021 ( XXXX ), 19.02.2021 ( XXXX ), 19.03.2021 ( XXXX ) und 13.04.2021 ( XXXX ), jeweils fest, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen und diese auch verhältnismäßig ist.

10. Aufgrund der langen Dauer des Verfahrens zur Identifizierung des Beschwerdeführers mit der algerischen und tunesischen Botschaft forderte das Bundesverwaltungsgericht im vorhergehenden Haftprüfungsverfahren das Bundesamt mit Schreiben vom 12.03.2021 zu näher begründeten Stellungnahme auf, wie lange Identifizierungsverfahren mit der Algerischen bzw. Tunesischen Botschaft üblicherweise in Anspruch nehmen.

11. Mit Schreiben vom 15.03.2021 teilte die ARGE Rechtsberatung mit, dass mit Schreiben vom 11.12.2020 die ARGE Rechtsberatung die Vollmacht vom 24.11.2020 zurückgelegt habe (im Rahmen der „Generalzurücklegung“). Am 01.02.2021 sei eine Vollmacht des Diakonie Flüchtlingsdienstes für alle zukünftigen Haftprüfungsverfahren nach § 22a BFA-VG vorgelegt worden, welche mit Schreiben vom 08.03.2021 zurückgelegt worden sei. Eine weitere Vollmacht wurde bis dato nicht vorgelegt.

12. Mit E-Mail vom 16.03.2021 gab das Bundesamt im Vorverfahren zusammengefasst bekannt, dass am 25.02.2021 eine weitere Urgenz an die Tunesische Botschaft erfolgt sei. Weitere Möglichkeiten die HRZ-Erlangung zu forcieren seien für die Behörde nicht gegeben, da man letztlich auf die Entscheidung eines anderen, souveränen Staates angewiesen sei, dessen Mitwirkung rechtlich weder verlangt noch erzwungen werden könne, sodass eben keine weitergehende Mitwirkung der Behörde möglich sei, ohne dass dies jedoch in der Verantwortung der Behörde liege. Eine Einvernahme aufgrund eines „Wunschzettels“ werde am 16.03.2021 erfolgen.

13. Am 16.03.2021 übermittelte das Bundesamt die Niederschriften der zwei Einvernahmen des Beschwerdeführers vom selben Tag. In dieser gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er zu Unrecht strafrechtlich verurteilt worden wäre. Es sei nicht unrecht gewesen, „diese Frau“ zu vergewaltigen, es habe sich um eine „schmutzige Frau“ und nicht eine „normale Frau“ gehandelt. Er habe einen Meldezettel, und da er seine Identität offengelegt hab, wolle er aus der Schubhaft entlassen werden. Er komme aus Tunesien, eine Delegation aus Algerien und Tunesien sei schon „hier gewesen“. Er hätte eine Arbeitsgenehmigung, der „Chef“ hätte gesagt, dass er diese bekomme. Er werde zurückkehren, er werde aber nicht freiwillig zurückkehren. Er sei aus Frankreich freiwillig mit einem Laissez-Passer ausgereist. Befragt wo sich seine Dokumente befinden würden gab er an, dass diese nicht mehr gültig seien und „in der Schweiz sollten sie sie haben“. Auf die Nachfrage „ist der Reisepass in der Schweiz?“ gab er - während er die Beamten angrinste - an: „Die sind nicht mehr gültig. …Die sind zuhause in Tunesien“. Der BF wurde anlässlich dieser Einvernahme erneut über die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise informiert.

14. Mit E-Mail vom 16.03.2021 teilte die Abt. B/II des Bundesamtes im Vorverfahren überdies zusammengefasst mit, dass bei dringlichen Verfahren (Schub- und Strafhaftfälle) bis dato eine derartige Verfahrensdauer zur Identifizierung von vermeintlichen tunesischen bzw. algerischen Staatsangehörigen noch nicht aktenkundig sei. Bis dato seien aber auch noch nicht 12 Urgenzen bei der tunesischen Botschaft gestellt worden. Jedoch könne aus Erfahrung der nicht dringenden Fälle mitgeteilt werden, dass hier bis zu 10 - 15 Urgenzen üblich seien um eine positive oder negative Antwort aus Tunis zu erhalten. Üblicherweise seien bei ca. fünf Personen 10 bis 15 Urgenzen notwendig. Aufgrund der COVID - Situation habe der Beschwerdeführer erst am 18.09.2020 zur Algerischen Delegation vorgeführt werden können. Die Verzögerungen der Interviewtermine, welche grundsätzlich alle 2 Monate stattfänden sei leider COVID bedingt und auch habe es im Jahr 2020 und auch im Jahr 2021 Coronafälle in der Botschaft gegeben, was auch dazu geführt habe, dass die Botschaft die Urgenzen verzögert an Algier weitergeleitet habe. Letztmalig sei bei der Algerischen Botschaft am 15.03.2021 urgiert worden.

15. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 09.04.2021 die Akten gemäß §22a BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG zur neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft vor und erstattete wie gesetzlich vorgesehen, auch eine Stellungnahme. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach wie vor Sicherungsbedarf bestehe, zumal beim BF Sicherungsbedarf noch immer gegeben sei, da dieser nach seiner Einreise nach Österreich im Jahr 2015 unbekannten Aufenthaltes war. Er habe erst einige Monate nach seiner Einreise einen Asylantrag gestellt. Weiters habe er während seines laufenden Asylverfahrens eine Frau vergewaltigt und wurde deswegen zu einer unbedingten dreijährigen Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt. Er habe auch bereits während seines Asylverfahrens falsche Angaben über seine Identität getätigt und wurde erst nach Überprüfungen im Asylverfahren festgestellt wie seine tatsächliche Identität lautet. Es wurde jedoch bis dato die Identität von keiner Vertretungsbehörde bestätigt. Der BF sei der Algerischen Delegation vorgeführt worden und wurde dort eine Tunesische Staatsangehörigkeit des BF für wahrscheinlich gehalten. Dennoch werden weitere Nachforschungen in Algerien betrieben. Der BF habe sich nie rückkehrwillig gezeigt und auch keine freiwillige Rückkehr ernsthaft in Erwägung gezogen. Ein gesicherter Wohnsitz sei nicht glaubhaft und habe der BF in Österreich weder familiäre, noch private Bindungen. Überprüfungen seien derzeit in Tunesien und in Algerien im Laufen und sei eine zeitnahe Abschiebung des BF nach Ausstellung eines Heimreisezertifikates auch trotz der derzeit in diesen Ländern herrschenden COVID-19 Situation möglich. Das HRZ bei der tunesischen Botschaft sei nun erneut am 24.03.2021 urgiert worden.

16. Die Stellungnahme des Bundesamtes wurde dem BF am 12.04.2021 zur Stellungnahme im Wege des Parteiengehörs in das Polizeianhaltezentrum übermittelt. Eine Stellungnahme langte bis zur Erkenntniserlassung nicht ein.

17. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht erneut am 04.05.2021 die Akten gemäß §22a BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG zur neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft vor und erstattete wie gesetzlich vorgesehen, auch diesmal, jedoch mit einem Tag Verspätung, eine Stellungnahme. Darin wurde im Wesentlichen die Ausführungen der zuletzt abgegebenen Stellungnahme wiederholt und ergänzend ausgeführt, dass die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zuletzt am 13.04.2021 urgiert worden sei. Der Sicherungsbedarf sei noch immer gegeben, da der BF nach seiner Einreise nach Österreich im Jahr 2015 unbekannten Aufenthalts gewesen sei. Er habe erst einige Monate nach seiner Einreise einen Asylantrag gestellt. Weiters habe er während seines laufenden Asylverfahrens eine Frau vergewaltigt und sei deswegen zu einer unbedingten dreijährigen Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden.

Er habe auch bereits während seines Asylverfahrens falsche Angaben über seine Identität gemacht und sei erst nach Überprüfungen im Asylverfahren seine tatsächliche Identität festgestellt worden.

Es sei jedoch bis dato die Identität des BF von keiner Vertretungsbehörde bestätigt worden. Der BF sei sogar der algerischen Delegation vorgeführt worden und werde trotz der Vermutung, er sei tunesischer Staatsbürger, noch eine Überprüfung in Algerien veranlasst.

Der BF habe auch während seiner Strafhaft nie gezeigt, dass er bereit wäre freiwillig nach Tunesien zurückzukehren.

Dem BF könne auch kein Glaube geschenkt werden, dass er tatsächlich einen ordentlichen Wohnsitz in Österreich hätte, da er sich bereits vor seiner Inhaftierung immer im Verborgenen aufgehalten hatte. Der BF habe auch weder familiäre noch private Bindungen in Österreich. Er sei nicht im Besitz von ausreichenden Barmitteln.

Der BF habe während seiner Schubhaft auch einen Folgeantrag gestellt und sei daran auch erkennbar, dass er nicht ausreisewillig sei. Weiters sei ihm am 16.03.2021 per niederschriftlicher Einvernahme neuerlich die Möglichkeit gegeben worden freiwillig nach Tunesien auszureisen, was er jedoch abgelehnt habe.

Die Marokkanische Botschaft habe ihn nicht als Marokkanischen Staatsbürger identifizieren können. Derzeit seien noch Überprüfungen der Tunesischen Botschaft sowie in Algerien, obwohl er als Tunesischer Staatsbürger vermutet wird, anhängig. Sobald ein Heimreisezertifikat von einer der Vertretungsbehörden wie der Tunesischen- oder auch der Algerischen Botschaft ausgestellt würde, werde der BF so schnell wie möglich in einer dieser Länder abgeschoben werden.

18. Die Stellungnahme des Bundesamtes wurde dem BF am 05.05.2021 zur Stellungnahme im Wege des Parteiengehörs in das Polizeianhaltezentrum übermittelt. Eine Stellungnahme langte nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum bisherigen Verfahren:

Die Verhängung der Schubhaft erfolgte mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.06.2020 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zwecke der der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung.

Zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft bestand bereits eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung.

Am 17.07.2020 stellte der BF im Stande der Schubhaft einen Asylfolgeantrag (Verwaltungakt AS 3 ff und As 19ff Asylakt II) - ohne Angabe von neuen Fluchtgründen - zum Zweck der Verzögerung der Vollstreckung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme. Das Bundesamt hielt die Schubhaft mittels begründetem Aktenvermerk nach § 76 Abs. 6 FPG aufrecht. Gegenständlicher Aktenvermerk wurde dem BF am 17.07.2020 nachweislich zugestellt. Das Bundesamt führte am 23.07.2020 die Einvernahme im nunmehr 2. Asylverfahren durch; am 29.07.2020 wurde der Folgeantrag des BF auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.

Gegen den Beschwerdeführer liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung samt 10-jährigem Einreiseverbot vor. Der BF ist nicht Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter.

2. Zur Person des BF:

Der BF ist volljährig; seine Staatsangehörigkeit steht nicht fest. Es gibt Hinweise auf eine tunesische Staatsangehörigkeit. Der Beschwerdeführer verfügt aber über keine Personal- oder Reisedokumente bzw. hat diese im Verfahren nicht vorgelegt. In seinem (ersten) Asylverfahren hat er sich bewusst tatsachenwidrig als Staatsangehöriger von Syrien bezeichnet. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt der BF nicht. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Der Beschwerdeführer hat bisher keine Anstalten bezüglich einer freiwilligen Rückkehr gemacht, ein Heimreisezertifikat liegt nicht vor.

Der BF wird seit 10.06.2020 in Schubhaft angehalten. Zuvor befand er sich seit 11.06.2017 in Untersuchungs- und Strafhaft.

Der BF ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor. Der BF gehört keiner spezifischen Covid-19 Risikogruppe an. Der BF hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

Es liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

Der Beschwerdeführer hat nach seiner Einreise in das Bundesgebiet bewusst tatsachenwidrige Angaben zu seiner Identität gemacht und seither keinen substanziellen aktiven Beitrag zu deren Feststellung und zur Erlangung eines (Ersatz-)Reisedokuments geleistet. Auch noch im März 2021 machte der BF bei seiner Einvernahme unterschiedliche und widersprüchlich Angaben über den Verbleib seiner Dokumente, wobei er die vernehmenden Beamten dabei angrinste.

Der Beschwerdeführer ist nicht vertrauenswürdig und bis dato auch nicht maßgeblich kooperativ. Er stellte im Jahre 2014 bei der Schweizer Botschaft in Tunis mit einem tunesischen Reisepass einen Antrag auf ein Touristenvisum und wurde am 30.04.2015 von Frankreich nach Tunesien abgeschoben. Er ist in Österreich in keiner Form sozial integriert, spricht kaum Deutsch und verfügt über keine familiären oder substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich. Er ging in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach und ist mittellos. Er wurde zuletzt am 21.02.2021 und davor am 12.09.2020 von Bekannten in der Schubhaft besucht. Er ist ledig und hat keine Kinder. Er verfügt über keinen gesicherten Wohnsitz und hat bereits in der Vergangenheit im Verborgenen Unterkunft genommen. Er wird im Falle seiner Entlassung aus der Schubhaft mit für das Verfahren maßgeblicher, hoher Wahrscheinlichkeit erneut untertauchen.

Der BF wurde in Österreich am 21.03.2018 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren wegen Vergewaltigung (§ 201 StGB) verurteilt. Zuvor befand er sich mehrere Monate in Untersuchungshaft. Er hat eine weibliche Person mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt. Für die Strafbemessung wurde als mildernd die bisherige Unbescholtenheit gewertet. Aufgrund des Umstandes, dass der BF keinerlei Verantwortung für sein Tun zu übernehmen bereit war, bedurfte es einer spürbaren und unbedingten Freiheitsstrafe, um eine entsprechende spezialpräventive Wirkung zu entfalten. Der Beschwerdeführer hat die gesamte Freiheitsstrafe verbüßt, zu einer vorzeitigen Entlassung kam es nicht.

Zum obigen Delikt gab der BF bei seiner Einvernahme am 16.03.2021 durch das Bundesamt an, er sei „zu Unrecht verurteilt worden“, denn diese Frau „sein keine normale Frau, sondern eine schmutzige Frau gewesen“.

Der BF ist in hohem Maße vertrauensunwürdig.

Für die Abschiebung des Beschwerdeführers ist zunächst seine Identifizierung durch den Herkunftsstaat erforderlich. Seitens des Bundesamtes wird diesbezüglich das Identifizierungsverfahren mit den relevanten Botschaften intensiv betrieben und auch laufend urgiert. Die Verfahren zur Identifizierung mit der Tunesischen und Algerischen sowie Marokkanischen Botschaft wurden am 11.09.2019 eingeleitet.

Am 15.01.2021 wurde von der Marokkanischen Botschaft festgestellt, dass der BF nicht marokkanischer Staatsbürger ist. Bei der Tunesischen Botschaft wurde am 03.01.2020, 31.01.2020, 16.04.2020, 12.06.2020, 28.08.2020, 30.09.2020, 29.10.2020, 26.11.2020, 30.12.2020, 29.01.2021, 25.02.2021 und am 24.03.2021 sowie zuletzt am 13.04.2021 urgiert.

Bei der Algerischen Botschaft wurde am 12.11.2019, 09.12.2019, 30.01.2020, 26.03.2020, 08.05.2020, 16.06.2020, 03.08.2020, 24.08.2020 urgiert. Am 18.09.2020 wurde der BF der Algerischen Delegation vorgeführt, diese stellte auch fest, dass der BF vermutlich ein tunesischer Staatsangehöriger ist, jedoch wird trotzdem die Identität bei den Behörden in Algerien geprüft. Weitere Urgenzen bei der Algerischen Botschaft folgten am 03.12.2020, am 18.02.2021 und letztmalig am 15.03.2021.

Grundsätzlich dauert ein HRZ – Verfahren bei Tunesien seit Oktober/November 2020 vom Antrag bis zur Antwort (pos./neg.) aus Tunis bis zu 4 Monate. Im Jahr 2020 waren aufgrund der weltweiten COIVD-19 Pandemie die HRZ – Verfahren mit Tunesien verzögert. Das Bundesamt erhält monatlich Identifizierungslisten. Grundsätzlich dauert das HRZ – Verfahren mit Algerien von der Antragsstellung bis zur Antwort (positiv/negativ) aus Algier, 4 bis 5 Monate. Bedingt durch die COIVD-19 Pandemie, kann es zu Verzögerungen im Identifizierungsprozess kommen.

Die Identifizierung des BF ist bisher noch nicht erfolgt, womit eine Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers bisher noch von keiner Botschaft der diesbezüglich relevanten Staaten – Tunesien oder Algerien - bestätigt worden ist. Dokumente zum Beleg seiner Staatsangehörigkeit oder seiner konkreten Identität hat auch der Beschwerdeführer bisher nicht beigebracht bzw. macht der BF über den Verbleib seiner Dokumente nunmehr widersprüchliche Angaben.

Bei dringlichen Verfahren (Schub- und Strafhaftfälle) hat es vor dem Jahr 2020 bei der Abt. B/II des Bundesamtes eine Verfahrensdauer von 12 oder 18 Monaten zur Identifizierung von vermeintlichen tunesischen bzw. algerischen Staatsangehörigen noch nicht gegeben. Bis dato waren auch noch nicht 12 Urgenzen bei der tunesischen Botschaft notwendig um eine Entscheidung im Identifizierungsverfahren bei dringenden Fällen zu erhalten. In nicht dringenden Fälle sind bei der tunesischen Botschaft bis zu 10 - 15 Urgenzen üblich um eine positive oder negative Antwort aus Tunis zu erhalten. Interviews finden bei der Tunesischen Botschaft generell nicht statt, diese sind aber für die Erlangung eines HRZ seitens Tunesien aber auch nicht erforderlich.

Aufgrund der COVID - Situation konnte der Beschwerdeführer erst am 18.09.2020 vor die Algerische Delegation vorgeführt werden. Die Verzögerungen der Interviewtermine, welche grundsätzlich alle 2 Monate stattfinden, ist COVID bedingt und auch hat es im Jahr 2020 und auch im Jahr 2021 Coronafälle in der Botschaft gegeben, was auch dazu geführt hat, dass die Botschaft die Urgenzen verzögert an Algier weitergeleitet hat.

Hinsichtlich Algerien sind zum Entscheidungszeitpunkt vorläufig keine Flüge buchbar. Flüge nach Tunesien sind ebenfalls aktuell bereits buchbar.

Es ist vor diesem Hintergrund derzeit noch realistisch, dass eine Identifizierung des Beschwerdeführers – jedenfalls bei Erfüllung der behaupteten Mitwirkungswilligkeit – binnen der kommenden Monate erfolgen kann. Damit kann auch eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach erfolgter Identifizierung zeitnahe, und damit deutlich innerhalb der gesetzlich zulässigen Schubhafthöchstdauer erfolgen.

Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht weiterhin.

Dem Beschwerdeführer steht unabhängig davon die Möglichkeit einer (allenfalls auch unterstützten) freiwilligen Ausreise in den (vermeintlichen) Herkunftsstaat – Tunesien - zur Verfügung. So besteht derzeit eine Flugmöglichkeit von Wien nach Tunis. Dem Beschwerdeführer ist es damit möglich, die Dauer der Anhaltung in Schubhaft durch eigenes Handeln wesentlich zu verkürzen. Voraussetzung ist, dass er nicht nur eine „offensichtlich“ bestehende Staatsangehörigkeit behauptet, sondern diese auch tatsächlich durch Unterlagen belegt.

Eine relevante Änderung der Umstände seit der letzten Feststellung des Vorliegens der maßgeblichen Voraussetzungen und der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft liegt nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes die bisherigen Schubhaftverfahren des BF betreffend ( XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX ,… ) und in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

2.1 Zur Person des BF:

Dass seine Identität nicht zweifelsfrei feststeht ergibt sich daraus, dass der BF bisher keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität vorgelegt hat und sich bei einer (fremden)polizeilichen Kontrolle nicht ausweisen konnte. Dass er in der Europäischen Union unter mehreren angeführten Identitäten bekannt ist, ergibt sich aus dem Zentralen Fremdenregister und den Angaben des Bundesamtes zum Abgleich der Fingerabdrücke durch Interpol.

Die Feststellungen zur gänzlich fehlenden sozialen und beruflichen Integration, dem fehlenden Wohnsitz und seinen Sprachkenntnissen ergeben sich aus seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 10.06.2020, 15.12.2020 und 16.03.2021 (letztere OZ 1). Die Feststellungen zu seinen finanziellen Verhältnissen ergeben sich aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums (OZ 1). Die Tatsache, dass der BF im Bundesgebiet nie berufstätig war, ergibt sich aus einem Versicherungsdatenauszug.

Die Feststellung zur Unterkunftnahme im Verborgenen ergibt sich aus dem ZMR, da keine Meldung des BF – außer der Anhaltung im Polizeianhaltezentrum - aufscheint.

2.2 Zum Verfahrensgang und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem vorliegenden Gerichtsakt sowie den Akten des Bundesamtes und des Bundesverwaltungsgerichtes, die Asylverfahren sowie das Schubhaftverfahren des BF betreffend.

Anhaltspunkte dafür, dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, in Österreich Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist, finden sich weder im Akt des Bundesamtes noch in den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes. Es sind auch keine Ermittlungsergebnisse hervorgekommen, dass der BF nicht volljährig wäre.

Es liegen Kopien sämtlicher in den Feststellungen bezeichneter Bescheide des Bundesamts sowie die entsprechenden Zustellnachweise im ggst. Verfahrensakt bzw. in den Akten der oben erwähnten Vorverfahren ein. Dass diese Bescheide unbekämpft in Rechtskraft erwuchsen ergibt sich aus dem Umstand, dass beim Bundesverwaltungsgericht keine diesbezüglichen Beschwerdeverfahren anhängig sind sowie aus einem amtswegig eingeholten IZR Auszug.

Es gibt keinen Zweifel, dass der BF im ersten Asylverfahren bewusst tatsachenwidrige Angaben getätigt hat – zumal selbst sein Vertreter eine andere (die tunesische) Staatsangehörigkeit für „offensichtlich“ hielt und der Beschwerdeführer im vorangegangenen Verfahren bei der Einvernahme am 15.12.20202 angegeben hatte, dass er (nun) seine Identität „offengelegt“ habe ( XXXX , OZ 2, AS 219, Einvernahme vom 15.12.2020). Dies hat er auch bei der Einvernahme am 16.03.2021 angegeben, Belege konnte er aber weiterhin nicht vorlegen (OZ 1). Hinweise für eine tunesische Staatsangehörigkeit finden sich in den Akten wie zB in dem Umstand, dass er im Jahr 2014 bei der Schweizer Botschaft in Tunis mit einem tunesischen Reisepass einen Antrag auf Touristenvisum gestellt hat (Verfahren XXXX : AS 73, INT I). Es finden sich auch keine Hinweise, dass der Beschwerdeführer nunmehr tatsächlich zu einer freiwilligen Rückkehr bereit wäre. Festzuhalten ist, dass ihm die Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr am 16.03.2021 erneut zur Kenntnis gebracht wurde (NS der Einvernahme, OZ 1).

Die Feststellung, wonach der BF haftfähig ist und keine die Haftfähigkeit ausschließende gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vorliegen, ergibt sich aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres. Gegenteiliges wurde vom BF auch nicht vorgebacht. Zudem wurde zuletzt am 20.01.2021 eine Haftfähigkeitsbestätigung durch den Amtsarzt ausgestellt.

2.3 Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

Die Feststellungen zur rechtskräftigen Rückkehrentscheidung samt 10-jährigem Einreiseverbot ergeben sich aus der Aktenlage; auch wird dies im Verfahren vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Es besteht insbesondere unter Einbeziehung der Stellungnahme vom 30.11.2020 (Verfahren XXXX , OZ 4) kein Zweifel daran, dass der BF absichtlich unter falschen Identitätsangaben und einer behaupteten syrischen Staatsangehörigkeit 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Dokumente zum Beleg seiner tatsächlichen Identität hat er hingegen bis dato immer noch nicht beigebracht und macht er weiters widersprüchliche Angaben darüber, wo seine entsprechenden Dokumente sind.

Der genaue Einreisezeitpunkt lässt sich zwar nicht mehr genau feststellen, da der BF hierzu nur ungenaue Angaben macht. Es ist aber davon auszugehen, dass der BF im Laufe des Jahres 2015 eingereist ist.

Die hohe Vertrauensunwürdigkeit ergibt sich aus der Begehung des Verbrechens der Vergewaltigung in Zusammenschau mit dem Umstand, dass der BF sich auch nach Jahren in keiner Weise tateinsichtig zeigt. Hinsichtlich der Verurteilung gab der BF auch noch am 16.03.2021 an, er sei zu Unrecht verurteilt worden, weil die Frau, die er vergewaltigt habe, „keine normale Frau, sondern eine schmutzige Frau gewesen sei“. Weiters tritt er absichtlich unter verschiedenen Identitäten auf. Der Schriftverkehr mit den schweizer- und französischen Behörden betreffend die Visaantragstellung unter der StA. Tunesien und die Abschiebung nach Tunesien liegen im Verwaltungakt ein. Die Feststellungen, wonach der BF über keine familiären, beruflichen oder sonstigen sozialen Kontakte in Österreich verfügt und in keiner Weise selbsterhaltungsfähig ist, ergeben sich aus der Aktenlage. Auch hier wird Gegenteiliges nicht behauptet, wobei der Beschwerdeführer vor Anordnung der Schubhaft volle drei Jahre in Untersuchungs- und Strafhaft angehalten wurde. Die Besuche in der Schubhaft sind in der Anhaltedatei ersichtlich.

Der BF stelle letztlich auch aus dem Stande der Schubhaft einen – objektiv aussichtlosen- Folgeantrag auf internationalen Schutz, wobei er selbst angab, keine neuen Fluchtgründe nennen zu können.

Auch wenn der Beschwerdeführer angibt, dass er seine wahre Identität preisgegeben habe, so ist sie dadurch nicht erwiesen – insbesondere nicht vom Herkunftsstaat bestätigt. Der Beschwerdeführer hat in diesem Zusammenhang keinerlei aktive Bemühungen gesetzt, diesen Prozess durch Vorlage von Beweismittel (etwa Dokumenten) aus seinem Herkunftsstaat zu erleichtern oder zu beschleunigen.

Die Feststellungen zum derzeitigen Stand und den bisherigen Erfahrungswerten mit HRZ-Verfahren zur Identifizierung von vermeintlichen tunesischen oder algerischen Staatsbürgern ergibt sich aus der Anfragebeantwortung des Bundesamtes (Verfahren XXXX , OZ 11). Dem ist der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten. Dass in nicht dringenden Fällen bei der tunesischen Botschaft bis zu 10 - 15 Urgenzen üblich um eine positive oder negative Antwort aus Tunis zu erhalten und in dies in etwa bei fünf Fällen der Fall war ergibt sich aus einer ergänzenden Beantwortung des Bundesamtes (Verfahren XXXX , OZ 14).

Die Feststellungen zu den Flugverbindungen bezüglich Algerien und Tunesien ergeben sich aus einer Internet-Recherche sowie den Informationen der Abt. B/II des Bundesamtes vom 03.05.2021 zu den Flugverbindungen nach Algerien und Tunesien.

Ausgehend von der behaupteten Mitwirkungswilligkeit des Beschwerdeführers ist eine Identifizierung und HRZ-Ausstellung binnen einiger Monate sowie eine zeitnahe Abschiebung durchaus realistisch. Parallel besteht weiterhin die Möglichkeit, dass der BF nach erfolgter Identifizierung freiwillig nach Tunesien ausreist.

Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit dem Vorerkenntnis am 13.04.2021 ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch

3.1.1. §§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

Schubhaft (FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Dauer der Schubhaft (FPG)

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich,
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil,
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde

Anwendungsbereich (Rückführungsrichtlinie)

Art 2. (1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige.

Inhaftnahme (Rückführungsrichtlinie)

Art 15. (1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, (…)

(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf. 

(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:
a.         mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder,
b.         Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG darf die Anhaltung in Schubhaft nur bei Vorliegen der dort in den Z 1 bis 4 genannten alternativen Voraussetzungen höchstens achtzehn Monate dauern. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so beträgt die Schubhaftdauer - wie in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG als Grundsatz normiert - nur sechs Monate. Mit § 80 Abs 4 FPG soll Art. 15 Abs. 6 RückführungsRL umgesetzt werden, sodass die Bestimmung richtlinienkonform auszulegen ist. In diesem Sinn ist auch der Verlängerungstatbestand des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG dahingehend auszulegen, dass der Verlängerungstatbestand nur dann vorliegt, wenn das Verhalten des Beschwerdeführers kausal für die längere (mehr als sechsmonatige) Anhaltung ist. Wenn kein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Drittstaatsangehörigen und der Verzögerung der Abschiebung festgestellt werden kann, liegen die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 80 Abs 4 Z 4 FPG über die Dauer von sechs Monaten nicht vor (VwGH vom 15.12.2020, Ra 2020/21/0404).

3.2 Zum konkret vorliegenden Fall:

Aufgrund der zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt rechtzeitig zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist hinausgehen soll, vorzulegen. Nach der erfolgten Überprüfung nach vier Monaten der Anhaltung ist die Überprüfung in vierwöchigem Rhythmus fortzuführen. Nach rezenter Judikatur des VwGH (VwGH 16.07.2020, Ra Ra 2020/21/0163, Rn. 11) ist die Frist für das vierwöchige Überprüfungsintervall nach § 22a Abs. 4 S 1 BFA-VG vom Datum des Ergehens des letzten Erkenntnisses nach § 22a Abs. 4 leg. cit. berechnen. Das letzte entsprechende Erkenntnis des BVwG erging im ggst. Fall am 13.04.2021. Die gegenständliche folgende Überprüfung hat spätestens nach weiteren vier Wochen, also spätestes am 11.05.2021 zu ergehen. Gleichzeitig verbleibt dem BVwG ein Spielraum zur Entscheidung von einer Woche vor diesem Termin (VwGH aaO. unter Verweis auf VwGH 16.7.2020, Ra 2020/21/0099). Die gegenständliche Entscheidung kann bzw. muss daher zwischen dem 04.05.2021 und dem 11.05.2021 ergehen.

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft) – möglich ist. Es liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.2.1 Zur zulässigen Schubhafthöchstdauer:

Der BF wird seit 10.06.2020 und somit bereits länger als sechs Monate (§ 80 Abs. 2 Z 2 FPG) durchgehend in Schubhaft angehalten. Zu klären ist daher, wie lange der BF in Schubhaft angehalten werden darf.

Im ggst. Fall konnte der BF noch nicht erfolgreich von den verbleibenden möglichen Herkunftsstaaten Tunesien oder Algerien identifiziert werden. Aufgrund des Abgleichs der Fingerabdrücke durch Interpol und der vom BF angegeben Alias-Identitäten besteht sowohl die Möglichkeit, dass der BF algerischer, wahrscheinlich aber tunesischer Staatsbürger ist.

§ 80 Abs. 4 Z 1 FPG idF des FrÄG 2017 setzt Art. 15 Abs. 6 lit. b) RückführungsRL (RL 115/2008/EG) um und erlaubt die Verlängerung der Haftdauer um 12 Monate auf insgesamt 18 Monate, wenn „Verzögerungen bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten“ vorliegen. Gegenständlich liegen ein Anwendungsfall der Z 1 des § 80 Abs. 4 FPG vor: Bis dato konnte die tatsächliche Identität des BF und seiner Staatsangehörigkeit zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes noch nicht festgestellt werden. Lediglich die marokkanische Botschaft hat den BF Mitte Jänner 2021 nicht als Staatsbürger (negativ) identifiziert. Die HRZ-Verfahren sowohl mit Tunesien als auch Algerien sind nach wie vor im Laufen und im Stadium der (potentiellen) Identifizierung des BF. Erst wenn der BF von der Botschaft einer der beiden genannten Länder positiv identifiziert werde konnte, kann in einem nächsten Schritt um eine tatsächliche HRZ-Ausstellung angesucht werden.

Da die Feststellung der tatsächlichen Identität und der Staatsangehörigkeit des BF – auch wegen dessen unkooperativen Verhaltens – bis dato trotz Ergreifung angemessener Anstrengungen durch das Bundesamt nicht möglich war und dieser Umstand für die nun längere Anhaltung des BF in Schubhaft auch zwingend kausal ist, beträgt die zulässige Schubhafthöchstdauer im vorliegenden Fall gemäß § 80 Abs. 4 Z 1 FPG 18 Monate.

3.2.2 Zu Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf:
Es liegt beim BF fortgesetzt Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf iSd § 76 Abs. 3 FPG vor.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft angeordnet hat (Ziffern 1, 3 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG) sowie das Bundesverwaltungsgericht diese in den Vorverfahren fortsetzt hat (zusätzlich Ziffer 5 des § 76 Abs. 3 FPG), haben sich seither nicht geändert und sind – hinsichtlich der Ziffern 1 (Behinderung der Rückkehr/Abschiebung und des Verfahrens durch falsche Angaben zur Identität), 3 sowie 5 des § 76 Abs. 2 leg. cit. auch zweifelsfrei durch den Verfahrensgang und das Verhalten des BF belegt.

Der BF verfügt über keine substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. Er hat in Österreich keinen Wohnsitz, sondern hat bisher ausschließlich im Verborgenen gelebt. Er geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, hat kein Einkommen und verfügt über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen. Der BF wurde in Schubhaft lediglich zweimal mit sechsmonatigem Abstand von Bekannten besucht. Eine vom BF im Vorfeld des Vorverfahrens zu XXXX behaupte Wohnungsmöglichkeit wurde bereits im Erkenntnis vom 19.03.2021 zu XXXX als unglaubwürdig und unzutreffend verworfen. § 73 Abs. 3 Z 9 FPG ist daher ebenfalls fortgesetzt erfüllt.

Sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose haben bei dem Beschwerdeführer ein hohes Risiko des Untertauchens sowie einen Sicherungsbedarf ergeben. Der BF hat seine in diesem Fall besonders ausgeprägte Vertrauensunwürdigkeit und seine Unzuverlässigkeit durch sein unkooperatives Verhalten ausreichend demonstriert.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1, 3, 5 und 9 FPG vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.2.3 Zur Verhältnismäßigkeit

Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich weder sozial noch familiär verankert. Er hat keine Verwandten oder sonstigen engen Nahebeziehungen in Österreich. Er ist beruflich nicht verwurzelt und hat auch keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin. Gegenteiliges wurde von ihm im Rahmen der Möglichkeit zur Stellungnahme nicht behauptet. Verzögerungen im Zusammenhang mit der Abschiebung, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen. Vielmehr hat sich das Bundesamt rasch um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates gekümmert.

Die in diesem Zusammenhang eingetretenen Verzögerungen durch das zwischenzeitliche missbräuchliche Asylfolgeverfahren sind jedenfalls allein dem Beschwerdeführer zuzurechnen. Im Zusammenhang mit den Verzögerungen aufgrund der seit März 2020 bestehenden Pandemiesituation muss sich der Beschwerdeführer diese insoweit zurechnen lassen, als er nach wie vor nicht bereit ist, seine Identität und Staatsangehörigkeit durch entsprechende Dokumente zu belegen oder zumindest durch weitere aktiv beigebrachte Beweismittel glaubhaft zu machen.

Das erkennende Gericht geht aktuell noch davon aus, dass die weitere Anhaltung in Schubhaft trotz der langen Dauer des Identifizierungsverfahrens verhältnismäßig ist.

Die (zum Entscheidungszeitpunkt) voraussichtliche Dauer der Anhaltung ergibt sich aus den oben angeführten Umständen. Festzuhalten ist dabei auch, dass der Beschwerdeführer gegenwärtig erst etwa 11 Monate in Schubhaft angehalten wird, womit noch nicht einmal zwei Drittel der gesetzlich zulässigen Anhaltedauer ausgeschöpft worden ist. Eine (derzeit noch als realistisch anzusehende) Abschiebung innerhalb einiger Monate – etwa bis Juni 2021 - würde eine Anhaltedauer von insgesamt 12 Monaten bedingen. In diesem Fall wären lediglich zwei Drittel des zulässigen Anhaltezeitraumes ausgenutzt.

Dazu kommt, dass die Sicherung der Außerlandesbringung des Beschwerdeführers aufgrund des von ihm begangenen Sexualverbrechens (Vergewaltigung) gemäß § 76 Abs. 2a FPG im besonderen Interesse der Republik liegt. Einer gesicherten Aufenthaltsbeendigung kommt angesichts der nach wie vor nicht gegeben Unrechtseinsicht des BF daher ein sehr hohes öffentliches Interesse zu.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt im Hinblick auf die HRZ-Verfahren nicht, dass das
Verfahren mit der Algerischen und Tunesischen Botschaft schon eine geraume Zeit, nämlich etwa 18 Monate, andauert und bis dato bei der tunesischen oder algerischen Botschaft in dringenden Fällen noch keine 12 Urgenzen notwendig waren. Die 12. Urgenz ist dabei Ende März 2021 erfolgt. Allerdings ist es in nicht dringenden Fällen vorgekommen, dass 10 bis 15 Urgenzen notwendig waren um eine positive bzw. negative Antwort der Tunesischen Botschaft zu erhalten. Auch wenn Identifizierungen aus Tunis seit Oktober bzw. November 2020 wieder rascher erfolgen, ist nicht auszuschließen, dass es bedingt durch die Corona Pandemie immer noch zu Verzögerungen kommt. Zudem wurde der Beschwerdeführer 2015 insofern als tunesischer Staatsbürger identifiziert, als er von Frankreich nach Tunis abgeschoben wurde, was die Chancen für eine positive Identifizierung des BF durch Tunesien weiter erhöht, nach Ansicht des Gerichtes sogar als sehr wahrscheinlich einzustufen ist. Es ist daher im Entsch

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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