TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/12 W117 2240275-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.04.2021
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Entscheidungsdatum

12.04.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W117 2240275-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Druckenthaner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer gelangte unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 21.06.2016 unter falscher Identität einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30.01.2017 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 229 Abs. 1 StGB sowie §§ 127, 130 Abs. 1 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten, wobei die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, rechtskräftig verurteilt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 10.02.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 21.06.2016 abgewiesen und gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde dem Beschwerdeführer nicht eingeräumt. Gegen diese Entscheidung wurde kein Rechtsmittel erhoben und erwuchs diese in weiterer Folge in Rechtskraft.

Am 03.03.2017 leitete das Bundesamt bei der algerischen Vertretungsbehörde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer ein.

Der Beschwerdeführer reiste trotz Verpflichtung nicht freiwillig in seinen Herkunftsstaat aus. Stattdessen tauchte er unter und war für die Behörden im Verfahren zur Außerlandesbringung nicht mehr greifbar.

In weiterer Folge stellte der Beschwerdeführer in Deutschland und den Niederlanden jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 17.05.2018 wurde der Beschwerdeführer aufgrund der vorliegenden Zuständigkeit Österreichs gemäß der Dublin-III Verordnung aus den Niederlanden nach Österreich rücküberstellt.

Am 17.05.2018 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet (Folgeantrag).

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 23.10.2018 wurde dieser zweite Antrag auf internationalen Schutz vom 17.05.2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und neuerlich gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde dem Beschwerdeführer nicht eingeräumt.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.11.2018, GZ I419 2209122-1/3E, als unbegründet abgewiesen.

In der Folge reiste der Beschwerdeführer trotz Verpflichtung nicht freiwillig in seinen Herkunftsstaat aus. Stattdessen tauchte er unter und war für die Behörden im Verfahren zur Außerlandesbringung nicht mehr greifbar. Er war seit 19.11.2018 im Bundesgebiet nicht mehr polizeilich gemeldet.

Der Beschwerdeführer wurde am 23.11.2020 im Zuge eines Polizeieinsatzes aufgegriffen. Im Zuge der Personenkontrolle hat sich der Beschwerdeführer mit einem gefälschten italienischen Personalausweis lautend auf XXXX , geb. XXXX , ausgewiesen. Ein im Rahmen dieses Polizeieinsatzes vom Beschwerdeführer unternommener Fluchtversuch scheiterte. In weiterer Folge wurde vom Bundesamt ein Festnahmeauftrag erlassen und der Beschwerdeführer von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen.

Am 24.11.2020 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch niederschriftlich einvernommen. Im Zuge dieser Einvernahme stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Anhaltung einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag). Im Rahmen der Niederschrift wurde mit Aktenvermerk das Vorliegen der Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Anhaltung aufgrund des erlassenen Festnahmeauftrages gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG festgehalten.

Im Zuge dieser Einvernahme gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, den Namen XXXX zu führen, am 28.12.1997 geboren worden zu sein sowie algerischer Staatsangehöriger zu sein. Befragt nach seinem Gesundheitszustand gab der Beschwerdeführer an, gesund zu sein. Zu seinen Familienverhältnissen befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er hier eine Lebensgefährtin und eine dreijährige Tochter habe. Er und seine Lebensgefährtin seien nach islamischen Recht verheiratet. Seine Lebensgefährtin und seine Tochter seien abwechselnd in Österreich und in Ungarn aufhältig. Seine restliche Familie befinde sich in Frankreich und in Algerien. Wegen seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter wolle er nicht nach Algerien zurückkehren. Darüber hinaus werde dort sein Leben bedroht.

Mit Bescheid vom 24.11.2020 ordnete das Bundesamt über den Beschwerdeführer die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme an. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer in weiterer Folge keine Beschwerde erhoben.

Mit Bescheid vom 17.12.2020 wurde der nunmehr dritte Antrag auf internationalen Schutz vom 24.11.2020 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen den Beschwerdeführer neuerlich eine Rückkehrentscheidung erlassen, keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt und gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Gegen diese Entscheidung wurde kein Rechtsmittel erhoben und erwuchs diese in weiterer Folge in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer befand sich von 27.11.2020 bis 22.12.2020 in Hungerstreik, um seine Freilassung aus der Schubhaft zu erzwingen.

Am 29.12.2020 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr in seinen Herkunftsstaat. Das Bundesamt stimmte in weiterer Folge der freiwilligen Rückkehr zu. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers war jedoch in der Folge wegen der noch nicht erfolgten Identifizierung durch die algerische Vertretungsbehörde und den andauernden pandemiebedingten Einschränkungen aufgrund von COVID-19 im internationalen Flugverkehr bisher nicht möglich.

Das Bundesamt führte am 22.12.2020, am 14.01.2021 und am 16.02.2021 Schubhaftprüfungen gemäß § 80 Abs. 6 FPG durch.

Am 17.02.2021 wurde das Bundesamt von der Staatsanwaltschaft Wien von der Anklageerhebung gegen den Beschwerdeführer wegen §§ 223 Abs. 2, 224 StGB verständigt.

Am 28.02.2021 beging der Beschwerdeführer während seiner Anhaltung in Schubhaft eine Ordnungswidrigkeit (Suchtmittelkonsum) und musste gegen ihn eine Disziplinierungsmaßnahme (Verlegung in eine Einzelzelle) ergriffen werden.

Am 10.03.2021 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Im Zuge der Vorlage wurde vom Bundesamt nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten sei. Es bestehe weiterhin aktuell Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf. Auch mit der Anordnung eines gelinderen Mittels könne nicht das Auslangen gefunden werden. Daran ändere auch der gestellte Antrag auf freiwillige Rückkehr nichts. Aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers sei nicht zu erwarten, dass er sich bei einer Entlassung aus der Schubhaft diesem Verfahren stellen würde. Eine Entlassung würde dem Beschwerdeführer vielmehr die Möglichkeit geben, dass er wieder untertauchen und im Verborgenen den Aufenthalt fortsetzen werde. Es bestehe daher noch immer ein Sicherungsbedarf. Die freiwillige Rückkehr könne innerhalb der Anhaltung in Schubhaft organisiert werden. Im Hinblick auf die Pandemie sei der Flugbetrieb nach Algerien immer wieder verschoben worden und werde voraussichtlich im April 2021 wieder aufgenommen. Für die Ausreise werde nach Vorlage einer Flugbuchung ein Dokument durch die algerischen Behörden ausgestellt werden.

Am 10.03.2021 wurde dem Beschwerdeführer vom Bundesverwaltungsgericht die vom Bundesamt im Rahmen der Aktenvorlage erstattete Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt und ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Eine Stellungnahme wurde vom Beschwerdeführer nicht erstattet.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.03.2021 stellte der zuständige Einzelrichter fest, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung vorliegen und die Haft verhältnismäßig ist.

Das Bundesverwaltungsgericht ging aufgrund des bisher vom Beschwerdeführer gesetzten Verhaltens weiter davon aus, dass er bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten wird. In einer Gesamtschau ergibt sich, dass der Beschwerdeführer nach wie vor nicht vertrauenswürdig ist und aktuell Fluchtgefahr sowie

Sicherungsbedarf bestehe. Somit lägen auch die Voraussetzungen für die Anordnung eines gelinderen Mittels nicht vor. Daran würde auch der aus dem Stande der Schubhaft gestellte Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr in den Herkunftsstaat nichts ändern, zumal eben aus dem bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers darauf geschlossen werden könne, dass er bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten wird.

Aktuell legte die Verwaltungsbehörde am 06.04.2021 den Schubhaftakt zur neuerlichen Prüfung vor und gab eine Stellungnahme ab, in der sie unter anderem folgendes ausführte:

„(…)

Im Hinblick auf die bestehende Vorstrafe, den Umstand, dass der BF im Suchtmittelmilieu sich aufgehalten hat, sich mittels gefälschten italienischen Ausweis einen legalen Aufenthalt vortäuschen wollte und in der Anhaltung wegen Suchtmittelkonsum überprüft wurde, lässt eine gewisse kriminelle Energie erkennen und die Bereitschaft wissentlich österreichische Rechtsvorschriften zu übertreten. Es ist auch auszuschließen, dass der BF behördliche Auflagen einhalten würde, da der BF bisher kein Interesse an der Einhaltung der fremdenpolizeilichen Vorschriften gezeigt hat. Der BF selbst kann nicht als glaubwürdig eingestuft werden, da der BF einerseits zunächst mittels Hungerstreiks eine Enthaftung erwirken wollte und wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit einen Antrag auf freiwillige Rückkehr stellte. Es ist zu befürchten, dass eine freiwillige Rückkehr nur vorgetäuscht wird, um dadurch aus der Haft entlassen zu werden. In diesem Fall würde wiederum Handlungen gesetzt werden, um sich dem Verfahren zu entziehen. Der Aufenthalt des BF stellt in jedem Fall eine massive Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar und ist auch ein Verfahren vor einem inländischen Gericht anhängig.

(…)

Die Rückführung nach Algerien ist nicht aussichtslos, da immer wieder Versuche gestartet werden, dass die Flugverbindungen nach Algerien aufgenommen werden. Im Moment wurde der Termin mit Mai 2021 angesetzt.

(…)“

Diese Stellungnahme wurde dem Beschwerdeführer im Rahmen der Gewährung eines Parteiengehörs übermittelt und replizierte dieser wie folgt – die Stellungnahme wurde über die Abteilung „Fremdenpolizei und Anhaltevollzug (AFA)
Referat AFA 1, Polizeianhaltezentren Wien“ an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet:

„Ich habe bereits im Zuge des Antrags auf freiwillige Rückkehr am 29.12.2020 dem VMÖ das das Certificado de Tramitacion de Pasaporte“ vom 25.01.2020 vorgelegt (siehe Beilage 1).

Selbiges Dokument liegt demnach seither auch dem BFA vor und steht somit meine Identität fest. Am 24.03.2021 habe ich selbiges Dokument persönlich dem BFA gegeben, sie habe keine Kopie davon gemacht (somit nur bekannt) und auch sonst keine Schritte diesbezüglich gesetzt. Seit der Zustimmung der freiwilligen Rückkehr am 30.12.2020 wurde mir fortwährend mitgeteilt, dass ich nächsten Monat ausreisen kann. Das BFA schreibt am 06.04., dass es im Mai dazu kommt; spricht jedoch nur von Versuchen, wann der angesetzte Termin im Mai nunmehr stattfinden soll, wird vom BFA nicht begründet bzw. nur mangelhaft. Dass die Bewilligung für die Ein- und oder Durchreise nicht bzw. noch nicht vorliegt, ist, wie das BFA festhält, der Pandemie zuzuschreiben und nicht meinem Verhalten.

Aus diesem Grunde sind §80 Abs. 4 Z 1 und Z 2 FPG nicht anzuwenden und die höchstzulässige Schubhaftdauer 6 Monate. Das BFA hat nicht dargelegt bzw. begründet (substantiiert), dass die Abschiebung innerhalb dieser Zeit effektuierbar ist. Ich kann bei meiner Frau wohnen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Zum Verfahrensgang:

Der geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist volljährig und verfügt über keine Dokumente, die seine Identität bescheinigen. Seine Identität steht noch nicht fest. Er gibt an ein Staatsangehöriger Algeriens zu sein und hat erstmals im gegenständlichen Verlängerungsverfahren im Rahmen seiner Stellungnahme ein Dokument zur Bescheinigung seiner Identität vorgelegt. Aufgrund seiner davor gemachten Angaben wird seit 03.03.2017 ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer mit der algerischen Vertretungsbehörde geführt.

Der Beschwerdeführer hatte am 18.03.2021 einen sogenannten „Wunschzettel“ abgegeben, mit dem er ein Gespräch mit einem Organ der Verwaltungsbehörde wünschte und diesen Wunsch wie folgt begründete:

„Ich will so schnell wie möglich mit meiner Frau und meiner Tochter nach Algerien. Ich will holen auch meinen Passeport.“

Am 24.03.2021 fand das entsprechende niederschriftlich festgehaltene und vom Beschwerdeführer Gespräch zwischen einem Organ der Verwaltungsbehörde und dem Beschwerdeführer statt. Das entsprechende Protokoll wurde vom Beschwerdeführer eigenhändig unterschrieben. Mit keinem Wort erwähnt er die Bereitschaft zur Ausfolgung identitätsbezeugender Papiere, sondern gab im Gegenteil folgendes an (Hervorhebung durch den Einzelrichter):

„LA: Wo befindet sich Ihr Reisepass bzw. Personalausweis?

VP: Ich bin nicht im Besitz von Reisedokumenten

Aktueller Stand des Sicherungsverfahrens:

Sie befinden sich seit 24.11.20 in Schubhaft und wird die Notwendigkeit zuletzt durch eine Haftprüfung durch das BVwG bestätigt. Sie werden sobald eine Flugbuchung nach Algerien möglich ist nach Algerien abgeschoben. Sie füllten einen Wunschzettel aus, Ihren Referenten zu sehen Was ist Ihre Frage?

VP: Man hat mir gesagt es konnte noch ein Jahr dauern, ich ersuche um die Entlassung in das gelindere Mittel.

LA: Dies ist aufgrund Ihres persönlichen Verhaltens nicht möglich, da Sie eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen VP: Wie lange glauben Sie kann es noch dauern?

LA: Es wird die Verhaltnismaßigkeit der Haft in regelmäßigen Abständen überprüft und sobald eine Flugbuchung möglich ist können Sie die fw. Ausreise nach Algerien in Anspruch nehmen.“

Der Beschwerdeführer versucht also durch die offensichtlich aktenwidrige Angabe, der Verwaltungsbehörde schon vorher identitätsbezeugende Dokumente übergeben zu haben, das Bundesverwaltungsgericht darüber zu täuschen, dass seine Identität bereits seit Jahresende feststünde und er bis dato nur aus Gründen der Pandemie nicht abgeschoben wurde.
Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt der Beschwerdeführer nicht. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30.01.2017 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 229 Abs. 1 StGB sowie §§ 127, 130 Abs. 1 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten, wobei die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, rechtskräftig verurteilt.

Am 17.02.2021 wurde das Bundesamt von der Staatsanwaltschaft Wien von der Anklageerhebung gegen den Beschwerdeführer wegen §§ 223 Abs. 2, 224 StGB verständigt.

Der Beschwerdeführer wird seit 24.11.2020 in Schubhaft angehalten.

Der Beschwerdeführer ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließende gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung. Eine signifikant erhöhte Gefahr einer Infektion mit COVID-19 besteht im Polizeianhaltezentrum, wo der Beschwerdeführer in Schubhaft angehalten wird, nicht.

Zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft:

Der Beschwerdeführer hat in seinen asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren unterschiedliche Identitätsdaten seinen Namen und sein Geburtsdatum betreffend angegeben. Durch die Angabe falscher Identitätsdaten hat der Beschwerdeführer bis dato die Erlangung eines Heimreisezertifikates und in weiterer Folge seine Abschiebung erschwert.

Der Beschwerdeführer stellte wiederholt unbegründete Anträge auf internationalen Schutz.

Sein zuletzt gestellter Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.12.2020 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen den Beschwerdeführer neuerlich eine Rückkehrentscheidung erlassen, keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt und gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Gegen diese Entscheidung wurde kein Rechtsmittel erhoben und erwuchs diese in weiterer Folge in Rechtskraft.

Es besteht somit eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen den Beschwerdeführer.

Der Beschwerdeführer war lediglich im Zeitraum von 22.12.2016 bis 08.01.2017 obdachlos und vom 01.08.2018 bis 19.11.2018 in einer Betreuungseinrichtung im Rahmen der Grundversorgung gemeldet. Abgesehen davon hat er seit seinem Aufenthalt in Österreich über keine Meldeadresse außerhalb von Polizeianhaltezentren bzw. Justizanstalten verfügt. Der Beschwerdeführer ist somit fast während seines gesamten bisherigen Aufenthaltes in Österreich seiner Meldeverpflichtung nicht nachgekommen und hat sich durch Aufenthalt im Verborgenen wiederholt dem Zugriff der Behörden entzogen und war im Verfahren zur Außerlandesbringung nicht mehr greifbar. Erst am 23.11.2020 konnte der Beschwerdeführer im Zuge eines Polizeieinsatzes, wo er sich mit einem gefälschten italienischen Personalausweis ausgewiesen hat, aufgegriffen und festgenommen werden.

Der Beschwerdeführer hat in der Vergangenheit bereits mehrmals seine Ausreiseverpflichtung missachtet, Österreich unrechtmäßig verlassen und in Deutschland und den Niederlanden ebenfalls Anträge auf internationalen Schutz gestellt.

Um seine Freilassung aus der Schubhaft zu erzwingen, befand sich der Beschwerdeführer von 27.11.2020 bis 22.12.2020 in Hungerstreik.

Weiters beging der Beschwerdeführer während seiner Anhaltung in Schubhaft eine Ordnungswidrigkeit (Suchtmittelkonsum) und musste gegen ihn eine Disziplinierungsmaßnahme (Verlegung in eine Einzelzelle) ergriffen werden.

Der Beschwerdeführer ist aufgrund dieses Verhaltens in besonders ausgeprägtem Maß nicht vertrauenswürdig. Der Beschwerdeführer achtet die österreichischen Gesetze und die österreichische Rechtsordnung nicht. Er ist nicht zu einem gesetzeskonformen Verhalten zu bewegen. Zudem wurde der Beschwerdeführer in Österreich bereits einmal strafrechtlich verurteilt und wurde zuletzt gegen ihn im Februar 2021 Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen erhoben.

Aufgrund dieses Verhaltens bestehen aktuell Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten, um sich einer Abschiebung zu entziehen. Daran vermag wegen der festgestellten Vertrauensunwürdigkeit des Beschwerdeführers auch der aus dem Stande der Schubhaft gestellte Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nichts zu ändern.

Mit der Anordnung eines gelinderen Mittels kann wegen der gänzlichen Vertrauensunwürdigkeit des Beschwerdeführers ebenfalls nicht das Auslangen gefunden werden.

In Österreich leben die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers und seine dreijährige Tochter. Mit seiner Lebensgefährtin ist der Beschwerdeführer nach islamischen Recht verheiratet. Polizeilich gemeldet war der Beschwerdeführer an der Wohnadresse seiner Lebensgefährtin zu keinem Zeitpunkt. Der Beschwerdeführer ging die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin zu einem Zeitpunkt ein, in dem er sich seines unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet bewusst war. Die restliche Familie des Beschwerdeführers lebt in Frankreich bzw. in Algerien.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, hat in Österreich kein Einkommen und verfügt über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen. Der Beschwerdeführer verfügt aktuell über Barmittel in Höhe von € 485,--, seine Lebensgefährtin kann ihn allerdings in größerem Umfang finanziell unterstützen. Zudem steht dem Beschwerdeführer bei seiner Lebensgefährtin eine gesicherte Unterkunft zur Verfügung.

Das Bundesamt ist seiner Verpflichtung, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, nachgekommen. Bereits vor der Inschubhaftnahme des Beschwerdeführers wurde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer eingeleitet und dies während seiner Anhaltung in Schubhaft fortgeführt. Diesbezüglich wird ein Verfahren mit der Vertretungsbehörde von Algerien geführt. Das Verfahren wird vom Bundesamt fortwährend mit geeigneten Maßnahmen und der gebotenen Sorgfalt verfolgt. Da der Beschwerdeführer während seiner bisherigen asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren unterschiedliche Identitätsdaten angegeben hat, fast während seines gesamten bisherigen Aufenthaltes in Österreich seiner Meldeverpflichtung nicht nachgekommen ist und sich durch Aufenthalt im Verborgenen wiederholt dem Zugriff der Behörden entzogen hat und damit im Verfahren zur Außerlandesbringung nicht mehr greifbar gewesen ist, konnte das diesbezügliche Verfahren noch nicht abgeschlossen werden. Da sich der Beschwerdeführer nunmehr bereiterklärt hat, freiwillig in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren, erscheint die Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer innerhalb der Schubhafthöchstdauer nach wie vor möglich und ist hinreichend wahrscheinlich. Nach Erlangung eines Heimreisezertifikates ist von einer baldigen Außerlandesbringung des Beschwerdeführers auszugehen, da damit zu rechnen ist, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 zumindest innerhalb der Schubhafthöchstdauer soweit gelockert sind, dass die Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat innerhalb dieses Zeitraumes hinreichend wahrscheinlich ist.

Der der laufenden Schubhaft ursprünglich zugrundeliegende Bescheid ist durch den Beschwerdeführer nicht in Beschwerde gezogen worden. Eine (relevante) Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft und des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes bzw. der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft hat sich seither nicht ergeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Weiterführung der Schubhaft sind zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nach wie vor gegeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes, den gegenständlichen Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das vorangegangene asyl- und fremdenpolizeiliche Verfahren des Beschwerdeführers betreffend (Geschäftszahl 2209122-1), in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

2.1.    Zum Verfahrensgang:

Der angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus den unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalten des vorgelegten Verwaltungsaktes und der vorliegenden Gerichtsakte des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Aus dem vorliegenden Akteninhalt ergibt sich, dass der Beschwerdeführer bis zum gegenständlichen Überprüfungsverfahren keine Dokumente vorgelegt hat, aus denen seine Identität mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hervorgeht:

Weder hatte er im Rahmen des letzten Überprüfungsverfahrens irgendeine entsprechend erhellende Stellungnahme abgegeben noch bis zuletzt irgendein identitätsbezeugendes Dokument übergeben oder zumindest darauf hingewiesen, dass sich der Reisepass in Spanien gerade in Bearbeitung befindet.

Aber auch das Vorbringen im Rahmen der aktuellen Stellungnahme, die Verwaltungsbehörde sei schon seit Ende letzten Jahres bzw. zumindest seit dem letzten Gespräch zwischen ihm und einem Organ der Verwaltungsbehörde (am 24.03.2021) im Besitz/Kenntnis eines solchen, nämlich des angeführten „Certificado“ ist schlichtweg aktenwidrig:

Dem Beschwerdeführer war dies auch bewusst, hatte er doch erst auf dem Wunschzettel vom 18.03.2021 die Bereitschaft geäußert: „Ich will holen auch meinen Passeport.“ In dem darauffolgenden Gespräch wiederum hatte er es sich offensichtlich aber (sogar) wieder anders überlegt und beantwortete er die entsprechende Frage

„LA: Wo befindet sich Ihr Reisepass bzw. Personalausweis?

unzweideutig wie folgt:

VP: Ich bin nicht im Besitz von Reisedokumenten.“

Also keinerlei Erwähnung des Umstandes, dass die Verlängerung seines Reisepasses in Alicante (Spanien!) in Bearbeitung ist.

Auch während des restlichen Gespräches keinerlei Erwähnung des angeführten „Certificado“, welches urplötzlich erstmals in der aktuellen Stellungnahme auftaucht und die Identität und Passportnummer beinhaltet. Mit dem Vortäuschen von Kooperationsbereitschaft „Ich will holen auch meinen Passeport.“ hatte er sich die Möglichkeit eines Gespräches gesichert, um letztlich nur auszuloten, wie lange das Haftübel allenfalls noch währen könnte, indem er ausdrücklich angab:

„Sie füllten einen Wunschzettel aus, Ihren Referenten zu sehen Was ist Ihre Frage?

VP: Man hat mir gesagt es konnte noch ein Jahr dauern, ich ersuche um die Entlassung in das gelindere Mittel.“

Damit ist auch die Behauptung in der Stellungnahme, der Beschwerdeführer hätte dieses „Certifikado“ dem einvernehmenden Beamten im Rahmen des Gespräches vom 23.03.2021 angeboten, dieser habe es aber nicht angeommen eindeutig als widerlegt anzusehen.

Mit dem konkreten Ablauf der Geschehnisse – Wunschzettel und nachfolgendes Gespräch – ist aber auch offensichtlich dem Vorbringen in der Stellungnahme, der Beschwerdeführer hätte das „Certificado“ bereits Ende des Vorjahres dem VMÖ vorgelegt, womit die Verwaltungsbehörde im Besitz desselben bzw. zumindest in Kenntnis desselben sei, gänzlich der Boden entzogen.

Die Stellungnahme stellt sich daher tatsächlich als bloße Täuschung über eine seit Ende des Jahres vorliegende Kooperationsbereitschaft dar, um den seitdem verstrichenen Zeitraum so darzustellen, als wäre die Verwaltungsbehörde (gänzlich) untätig gewesen.

Dass er bisher in seinen Verfahren unterschiedliche Angaben zu seiner Identität gemacht hat, ergibt sich aus der diesbezüglich unbestrittenen Aktenlage. Aufgrund seiner Angaben in seinen bisherigen asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren wird seit 03.03.2017 ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates mit der algerischen Vertretungsbehörde geführt. Auch im Zuge seiner Folgeantragstellung hat der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahme am 24.11.2020 angegeben, ein volljähriger Staatsangehöriger Algeriens zu sein.

Aus der Einsichtnahme in das Strafregister ergibt sich die strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers. Aus einer im Verwaltungsakt einliegenden Verständigung der Staatsanwaltschaft Wien an das Bundesamt vom 17.02.2021 ergibt sich die Anklageerhebung gegen den Beschwerdeführer wegen §§ 223 Abs. 2, 224 StGB.

Dass der Beschwerdeführer seit 24.11.2020 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer haftfähig ist und keine die Haftfähigkeit ausschließende gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vorliegen, ergibt sich aus einer Einsichtnahme in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres, wo sich keine Einträge finden, die auf maßgebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen hindeuten. Der von 27.11.2020 bis 22.12.2020 dauernde Hungerstreik wurde vom Beschwerdeführer freiwillig wieder beendet. Zudem hat der Beschwerdeführer in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass auch weiterhin keine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers vorliegt. Hinweise, dass der Beschwerdeführer einer signifikant erhöhten Gefahr einer Infektion mit COVID-19 im Polizeianhaltezentrum, wo er in Schubhaft angehalten wird, ausgesetzt ist, haben sich im gegenständlichen Verfahren nicht ergeben.

2.3.    Zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft:

Dass der Beschwerdeführer in seinen Verfahren bis vor kurzem unterschiedliche Angaben zu seiner Identität gemacht hat, ergibt sich unzweifelhaft aus dem vorliegenden Akteninhalt seiner vorangegangenen asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren und den in diesen Verfahren ergangenen Entscheidungen.

Dass der Beschwerdeführer wiederholt unbegründete Anträge auf internationalen Schutz gestellt hat, ergibt sich unzweifelhaft aus den im Verfahrensgang angeführten Entscheidungen des Bundesamtes bzw. des Bundesverwaltungsgerichtes mit denen die gestellten Anträge auf internationalen Schutz zurück- bzw. abgewiesen worden sind.

Das nunmehrige Bestehen einer rechtskräftigen durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen den Beschwerdeführer ergibt sich unzweifelhaft aus dem vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesamtes.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seiner Meldeverpflichtung in Österreich zum überwiegenden Teil nicht nachgekommen ist, ergibt sich aus den im Akt einliegenden Auszügen des Zentralen Melderegisters und des Grundversorgungs-Informationssystems, wonach der Beschwerdeführer lediglich im Zeitraum von 22.12.2016 bis 08.01.2017 obdachlos und vom 01.08.2018 bis 19.11.2018 in einer Betreuungseinrichtung im Rahmen der Grundversorgung gemeldet war. Abgesehen davon hat er seit seinem Aufenthalt in Österreich über keine Meldeadresse außerhalb von Polizeianhaltezentren verfügt. Somit war auch die Feststellung zu treffen, dass sich der Beschwerdeführer durch Aufenthalt im Verborgenen wiederholt dem Zugriff der Behörden entzogen hat und im Verfahren zur Außerlandesbringung nicht mehr greifbar war. Dass der Beschwerdeführer erst am 23.11.2020 im Zuge eines Polizeieinsatzes, wo er sich mit einem gefälschten italienischen Personalausweis ausgewiesen hat, aufgegriffen und festgenommen werden konnte, ergibt sich aus der im Verwaltungsakt einliegenden Festnahmemeldung der Landespolizeidirektion Wien vom 24.11.2020.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in der Vergangenheit Österreich unrechtmäßig verlassen hat und in Deutschland und den Niederlanden ebenfalls Anträge auf internationalen Schutz gestellt hat, ergibt sich unzweifelhaft aus den vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten, insbesondere aus den im Zentralen Fremdenregister protokollierten EURODAC-Treffern.

Die Feststellungen zum Hungerstreik durch den Beschwerdeführer, zur Begehung einer Ordnungswidrigkeit und der Notwendigkeit der Verhängung einer Disziplinierungsmaßnahme gegen ihn während seiner Anhaltung in Schubhaft beruhen auf den diesbezüglichen Eintragungen in der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres und der im Verwaltungsakt einliegenden Maßnahmenmeldung vom 28.02.2021.

Die Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer die österreichischen Gesetze und die österreichische Rechtsordnung nicht achtet, nicht zu einem gesetzeskonformen Verhalten zu bewegen ist, nicht gewillt ist, mit den Behörden zu kooperieren und in besonders ausgeprägtem Maß nicht vertrauenswürdig ist, ergeben sich aus dem festgestellten und aktenkundigen bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers, insbesondere aus seiner strafrechtlichen Verurteilung, der Anklageerhebung vom Februar 2021 wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen, seinem Untertauchen und Aufenthalt im Verborgenen, der Stellung mehrerer unbegründeter Anträge auf internationalen Schutz sowie seinem Verhalten während der Schubhaft (Hungerstreik, um seine Freilassung aus der Schubhaft zu erzwingen sowie Begehung einer Ordnungswidrigkeit ).

Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer sein bisher gezeigtes Verhalten ändern wird; im Gegenteil: Mit dem angeführten Täuschungsversuch (in der Stellungnahme) über eine schon länger währende Kooperationsbereitschaft bestätigt der Beschwerdeführer auch aktuell die Annahme höchster Vertrauensunwürdigkeit.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher zusammenfassend weiter davon aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten wird. In einer Gesamtschau ergibt sich, dass aktuell Fluchtgefahr sowie Sicherungsbedarf bestehen.

Im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen liegen auch die Voraussetzungen für die Anordnung eines gelinderen Mittels aktuell nicht vor.

Der aus dem Stande der Schubhaft gestellte Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr in seinen Herkunftsstaat erscheint im Zusammenhalt mit den Ausführungen in der aktuellen Stellungnahme in einem ganz anderen Licht, nämlich in jenem der Vortäuschung seit längerem bestehender Kooperationsbereitschaft; im Zusammenhalt mit dem bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers kann sohin darauf geschlossen werden, dass er bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten wird.

Die Feststellungen zu den Familienverhältnissen des Beschwerdeführers stützen sich auf seine diesbezüglichen Angaben im Rahmen seiner Einvernahme im Zuge der Stellung seines Folgeantrages am 24.11.2020 und auf die vom Bundesamt im unangefochten gebliebenen Bescheid vom 17.12.2020 getroffenen Feststellungen, mit dem der Folgeantrag des Beschwerdeführers zurück- bzw. abgewiesen wurde. Es sind keine Umstände hervorgekommen, an diesen Angaben bzw. an den vom Bundesamt getroffenen Feststellungen zu zweifeln. Dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt an der Wohnadresse seiner Lebensgefährtin polizeilich gemeldet war, ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister. Dass der Beschwerdeführer die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin zu einem Zeitpunkt einging, als er sich seines unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet bewusst war, ergibt sich aus der unbestrittenen Aktenlage. Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer bei seiner Lebensgefährtin eine gesicherte Unterkunft zur Verfügung steht, stützt sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben im Rahmen seiner Einvernahme im Zuge der Stellung seines Folgeantrages am 24.11.2020. Es sind keine Umstände hervorgekommen, an diesen Angaben zu zweifeln. Seine Lebensgefährtin und seine Tochter konnten den Beschwerdeführer jedoch auch in der Vergangenheit nicht davon abhalten, dass sich dieser durch seinen Aufenthalt im Verborgenen wiederholt dem Zugriff der Behörden entzogen hat und seiner Meldeverpflichtung im Bundesgebiet nicht nachgekommen ist.

Das Fehlen substanzieller sozialer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet ergibt sich aus der Aktenlage und den Angaben des Beschwerdeführers in seinen bisherigen asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren. So haben sich keine Hinweise darauf ergeben, dass der Beschwerdeführer in Österreich einer legalen Erwerbstätigkeit nachgeht und über ein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen verfügt. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer aktuell über Barmittel in Höhe von € 485,-- verfügt, ergibt sich aus einem Auszug der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres. Die Feststellung, dass seine Lebensgefährtin aber bereit ist, ihn in größerem Umfang finanziell zu unterstützen, ergibt sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einvernahme im Zuge der Stellung seines Folgeantrages am 24.11.2020. Gründe dafür, dass die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers nicht bereit wäre, ihn finanziell zu unterstützen, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Aus der Aktenlage ergibt sich, dass das Bundesamt um die rasche Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer bemüht ist. Diesbezüglich wird ein Verfahren mit der algerischen Vertretungsbehörde geführt. Vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer in seinen bisherigen Verfahren unterschiedliche Identitäten angegeben hat, fast während seines gesamten bisherigen Aufenthaltes in Österreich seiner Meldeverpflichtung nicht nachgekommen ist und sich durch Aufenthalt im Verborgenen wiederholt dem Zugriff der Behörden entzogen hat und damit im Verfahren zur Außerlandesbringung nicht mehr greifbar gewesen ist, konnte das diesbezügliche Verfahren noch nicht abgeschlossen werden. Erst durch die Vorlage des aktuellen „Certificado“, in welchem vom algerischen Konsulat in Alicante (Spanien!) die Identität des Beschwerdeführers ausdrücklich ohne Beifügung von Alias-Identitäten und die Passnummer angeführt sind, ist eine Beschleunigung der Abschiebung zu erwarten.

Im Verfahren sind also keinerlei Hinweise dafür aufgetreten, dass es im vorliegenden Fall zu einer durch das Bundesamt zu vertretenden Verzögerung gekommen ist. Die Feststellung, dass die Erlangung eines Heimreisezertifikates innerhalb der Schubhafthöchstdauer möglich und hinreichend wahrscheinlich ist, gründet sich also maßgeblich auf den Umstand, dass nun alsbald das entsprechende Reisedokument aus Spanien angefordert werden kann, um den Beschwerdeführer im Rahmen seiner „Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr“ nach Algerien zu verbringen.

Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates scheiterte zuletzt unabhängig vom Vorliegen konkreter identitätsbezeigender Dokumente daran, dass eine dafür notwendige Flugbuchungsbestätigung vom Bundesamt bei der algerischen Vertretungsbehörde nicht vorgelegt werden konnte, da zurzeit, seit Mitte März dieses Jahres, aufgrund der aktuell vorherrschenden COVID-19 Pandemie der Flugverkehr mit Algerien eingestellt ist. (Homepage des Außenministeriums)

„Am 17.03.2020 wurde der reguläre Flugverkehr zwischen Algier/ Algerien und Europa eingestellt. Die algerische Regierung hat für den Monat März 2021 einen vollständigen Einreise-Stopp verfügt.“

Zwischenzeitliche Reise/Abschiebemöglichkeiten konnten aber eben durch das Verhalten des Beschwerdeführers nicht wahrgenommen werden.

Aus derzeitiger Sicht ist aber damit zu rechnen, dass diese gegenwärtigen Einschränkungen im Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie - auch in Hinblick auf die nunmehr weltweit einsetzenden Impfkampagnen - weiter gelockert und Flüge nach Algerien wieder möglich werden. Eine bereits jetzt bestehende faktische Unmöglichkeit der Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat ist aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes nicht ersichtlich.

Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit dem 24.11.2020 ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt. Dies auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Behörde auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A) - Fortsetzung der Schubhaft:

Gesetzliche Grundlagen:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 FPG lautet:

„§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
3.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Der mit „Dauer der Schubhaft“ betitelte § 80 FPG lautet:

„§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.“

Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, 2008/21/0647; 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risi

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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