TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/22 W283 2226032-12

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Veröffentlicht am 22.12.2020
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Entscheidungsdatum

22.12.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W283 2226032-12/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Stefanie OMENITSCH als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 1068071505 - 190862268 von XXXX , alias XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , alias geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Algerien, alias Syrien, vertreten durch den Verein Menschrechte Österreich, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte zunächst in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz. Er reiste weiter nach Österreich und stellte am 15.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Er gab an syrischer Staatsangehöriger zu sein.

2. Der Beschwerdeführer wurde in Österreich mehrfach straffällig und mehrfach von Strafgerichten verurteilt.

3. Sein Verfahren auf internationalen Schutz wurde in weiterer Folge in Österreich zugelassen.

Ein forensisch-afrikanistisches Sachverständigengutachten ergab, dass der Beschwerdeführer algerischer Staatsangehöriger ist.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde zur Gänze abgewiesen und eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen.

4. Der Beschwerdeführer stellte am 08.10.2019, während der Anhaltung in Strafhaft, einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge: Bundesamt) wurde am 08.11.2019 der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG gemäß § 12a Absatz 2 AsylG aufgehoben. Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.11.2019 bestätigt.

5. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 25.11.2019 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Abschiebung angeordnet. Der Beschwerdeführer wurde nach seiner Haftentlassung am 26.11.2019 in Schubhaft überstellt. Er wird seit 26.11.2019 in Schubhaft angehalten.

6. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 28.07.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 08.10.2019 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt. Der Beschwerdeführer erhob keine Beschwerde gegen diesen Bescheid.

7. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes wurde regelmäßig – zuletzt am 26.11.2020 – festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

8. Das Bundesamt ist seiner gesetzlichen Verpflichtung der Verständigung des Beschwerdeführers gemäß § 80 Abs. 7 FPG nicht nachgekommen.

9. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 17.12.2020 die Akten gemäß §22a BFA-VG zur neuerlichen Überprüfung der Schubhaft vor. Mit Schreiben des Bundesamtes vom 22.12.2020 wurde eine Anfrage des Bundesverwaltungsgerichts zum Verfahren das Heimreisezertifikat betreffend beantwortet. Das Bundesamt hat am 21.08.2019 ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats eingeleitet. Die Ausstellung des Heimreisezertifikats wird laufend urgiert. Der Beschwerdeführer wurde am 18.09.2020 zum Zwecke der Überprüfung seiner Identität der algerischen Botschaft vorgeführt. Die algerische Botschaft konnte feststellen, dass der Beschwerdeführer algerischer Staatsangehöriger ist. Eine Identifizierung des Beschwerdeführers als algerischer Staatsangehöriger durch Interpol liegt vor. Die algerische Botschaft überprüft derzeit die Angaben des Beschwerdeführers in Algerien. Die Angaben des Beschwerdeführers werden durch die Botschaft in Algerien überprüft. Nach erfolgreicher Überprüfung wird von der algerischen Botschaft für den Beschwerdeführer ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Nach der Ausstellung des Heimreisezertifikats kann zeitnah eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Algerien erfolgen. Die Wiederaufnahme des Flugverkehrs nach Algerien ist für Jänner 2021 in Aussicht gestellt.

10. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Verständigung vom 22.12.2020 die Verständigung des Beschwerdeführers gemäß § 80 Abs. 7 FPG in arabischer Sprache vorgenommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit 26.11.2019, somit länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft. Es ist gemäß § 22a Abs 4 BFA-VG daher die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu prüfen und festzustellen, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

Der Beschwerdeführer befindet sich zum Entscheidungszeitpunkt länger als sechs Monate in Schubhaft. Es ist zu überprüfen, ob die Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 FPG vorliegen. Zudem ist zu überprüfen, ob das Bundesamt der Verständigungspflicht des § 80 Abs. 7 FPG nachgekommen ist.

Die letzte gerichtliche Haftüberprüfung erfolgte mit Erkenntnis vom Donnerstag, 26.11.2020. Die vierwöchige Frist zur Überprüfung endet daher am Donnerstag, 24.12.2020.

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Algerien. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht, er besitzt auch keine Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.1.2. Der Beschwerdeführer wird seit 26.11.2019 in Schubhaft angehalten (Anhaltedatei; OZ 1: Stellungnahme des Bundesamtes vom 17.12.2020). Die letzte gerichtliche Überprüfung zur Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft erfolgte am Donnerstag, dem 26.11.2020 (W180 2226032-11/5E; W180 2226032-11: OZ 6 Übernahmebestätigung). Die gesetzliche Frist zur neuerlichen Überprüfung der Schubhaft endet daher am Donnerstag, dem 24.12.2020.

1.1.3. Bereits am 26.05.2020 wurde der Beschwerdeführer sechs Monate in Schubhaft angehalten. Das Bundesamt ist seiner gesetzlichen Verständigungspflicht über das Vorliegen der Verlängerungsgründe unverzüglich schriftlich und in einer dem Beschwerdeführer verständlichen Sprache in Kenntnis zu setzen nicht nachgekommen. Das Bundesamt geht davon aus, dass die unterbliebene Verständigung des Beschwerdeführers durch die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen der gerichtlichen Haftüberprüfungen saniert wurde (OZ 11). Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Verständigung vom 22.12.2020 die Information des Beschwerdeführers gemäß § 80 Abs. 7 FPG in arabischer Sprache durchgeführt (OZ 12).

1.1.4. Der Beschwerdeführer ist in einem guten Allgemeinzustand und haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu medizinischer Versorgung, er erhält regelmäßig Medikamente (Anhaltedatei; W180 2226032-11: OZ 4 Befund und Gutachten des Amtsarztes vom 25.11.2020).

1.2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

1.2.1. Gegen den Beschwerdeführer besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung und liegt ein Einreiseverbot für die Dauer von 10 Jahren vor (I416 2221911-1/3E vom 06.08.2019; I406 2221911-2/2E vom 14.11.2019)

1.2.2. Am 26.11.2019 wurde der Beschwerdeführer aus der Strafhaft entlassen und in Schubhaft genommen (Zentrales Melderegister; Anhaltedatei).

1.2.3. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich weder über Familienangehörige noch soziale Bindungen. Er ging in Österreich bisher keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt über keine Barmittel. Der Beschwerdeführer befand sich seit seiner Asylantragstellung am 11.05.2015 in Österreich von 26.05.2015 bis 25.11.2015, weiters von 05.12.2015 bis 04.02.2019 sowie von 27.06.2019 bis 26.11.2019 in österreichischen Justizvollzugsanstalten in Haft. Von 12.02.2019 bis 26.03.2019 war der Beschwerdeführer obdachlos gemeldet. Von 26.03.2019 bis 09.10.2019 war der Beschwerdeführer behördlich gemeldet. Der Beschwerdeführer verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz (Anhaltedatei; Melderegister).

1.2.4. Der Beschwerdeführer stellte am 08.10.2019 einen Asyl-Folgeantrag. Zu diesem Zeitpunkt war die mit Bescheid des Bundesamtes vom 03.07.2019 erlassene Rückkehrentscheidung, nämlich bereits seit 06.08.2019 rechtskräftig. Der faktische Abschiebeschutz des Folgeantrages des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 14.11.2019 aufgehoben.

1.3. Zur Verhältnismäßigkeit und Dauer der Schubhaft

1.3.1. Der Beschwerdeführer weist in Österreich folgende strafgerichtlichen Verurteilungen auf (OZ 7; Strafregister):

1.3.1.1. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 13.08.2015 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls teils durch Einbruch (§§ 127, 129 Z 1, 130 1. Fall, 14 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, wovon 12 Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden, verurteilt.

Dieser Verurteilung liegen Taten zugrunde, die der Beschwerdeführer im Zeitraum von 20.05.2015 bis 26.05.2015 begangen hat. Dabei hat er teils durch Einbruch in Transportmittel mittels Einschlagen einer Scheibe den Verfügungsberechtigten Wertgegenstände und Kleidungsstücke weggenommen bzw. wegzunehmen versucht.

1.3.1.2. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 09.02.2016 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch (§§ 127, 129 Abs. 1 Z 1, 130 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 16 Monaten verurteilt. Gleichzeitig wurde die gewährte bedingte Strafnachsicht des Urteils vom 13.08.2015 widerrufen.

Dieser Verurteilung liegen insbesondere Taten zu Grunde, die der Beschwerdeführer im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter gewerbsmäßig begangen hat. Der Beschwerdeführer hat durch Einbruch in zwei Kfz am 05.12.2015 mittels Einschlagen einer Scheibe Wertgegenstände weggenommen. Der äußerst rasche Rückfall wurde bei der Strafbemessung erschwerend berücksichtigt.

1.3.1.3. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 21.06.2016 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch (§§ 127, 129 Abs. 1 Z 1, 130 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall und 15 StGB) zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 10 Monaten unbedingt verurteilt.

Der Beschwerdeführer hat in der Nacht von 30.11.2015 auf 01.12.2015 durch Einbruch in zwei Kraftfahrzeuge durch Einschlagen einer Scheibe Wertgegenstände weggenommen bzw. bei weiteren fünf Kraftfahrzeugen wegzunehmen versucht.

In diesen drei Strafverfahren gab der Beschwerdeführer einen falschen Namen, ein falsches Geburtsdatum und eine syrische Staatsangehörigkeit an.

1.3.1.4. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 04.10.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung (§ 107 Abs. 1, Abs. 2 StGB), der Körperverletzung (§§ 15, 83 Abs. 1 StGB) und der Verleumdung (§ 297 Abs. 1 erster Fall StGB) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten verurteilt, davon wurden 10 Monate unter Bestimmung einer Probelzeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Die dieser Verurteilung zu Grunde liegenden Taten hat der Beschwerdeführer am 26.06.2019 bzw. am 04.10.2019 begangen, wobei die Vergehen der gefährlichen Drohung sowie der Körperverletzung zur Erlassung eines Waffenverbotes geführt haben.

1.3.2. Der Beschwerdeführer hat in den Asyl- und Strafverfahren falsche Angaben zu seinem Namen, zu seinem Geburtsdatum und seiner Staatsangehörigkeit gemacht.

1.3.3. Der Beschwerdeführer ist nicht vertrauenswürdig. Er ist nicht rückreisewillig und nicht kooperativ. Der Beschwerdeführer befand sich von 27.11.2019 bis 05.01.2020 und vom 28.03.2020 bis 30.03.2020 im Hungerstreik und schmuggelte während seiner Anhaltung in Schubhaft ein Mobiltelefon in seine Zelle. Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Weder die Verurteilungen noch die Inhaftierungen konnten den Beschwerdeführer zu rechtskonformem Verhalten bewegen.

1.3.4. Mit Bescheid einer Bezirksverwaltungsbehörde vom 28.06.2019 wurde dem Beschwerdeführer der Besitz von Waffen verboten (Waffenverbot), da er am 26.06.2019 im Grundversorgungsquartier mit einem Messer bewaffnet randalierte (OZ 8).

1.3.5. Das Bundesamt hat zeitgerecht ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates eingeleitet und mehrfach hinsichtlich der Ausstellung eines Heimreisezertifikates urgiert. Das Bundesamt hat das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates am 21.08.2019 eingeleitet. Das Bundesamt hat angemessene Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates unternommen, indem es hinsichtlich der Ausstellung eines Heimreisezertifikates insgesamt 19 Mal bei der algerischen Botschaft urgiert hat, nämlich am 12.11.2019, 15.11.2019, 26.11.2019, 09.12.2019, 10.12.2019, 09.01.2020, 24.01.2020, 30.01.2020, 20.03.2020, 26.03.2020, 30.03.2020, 30.04.2020, 08.05.2020, 13.05.2020, 05.06.2020, 16.06.2020, 20.07.2020, 24.08.2020 sowie am 14.09.2020. Von März 2020 bis September 2020 konnten aufgrund der Corona-Pandemie keine Vorführtermine von der algerischen Botschaft durchgeführt werden.

Am 18.09.2020 erfolgte die Vorführung des Beschwerdeführers und in weiterer Folge dessen Identifizierung als Staatsangehöriger von Algerien. Die Daten wurden jedoch noch zur Überprüfung nach Algerien geschickt und wurde vom Bundesamt am 29.10.2020, am 03.12.2020, telefonisch am 14.12.2020 und zuletzt am 22.12.2020 per Mail urgiert.

Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer ist möglich. Die algerischen Behörden überprüfen derzeit die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Identität in Algerien um für diesen ein Heimreisezertifikat auszustellen. Diese Überprüfung der angegeben Daten nach dem Interviewtermin dauert grundsätzlich vier bis fünf Monate. Aufgrund der Corona-Pandemie kann es zu kurzen Verzögerungen kommen. Die Übermittlung der Ergebnisse des Identifizierungsprozesses wurde seitens der Vertretungsbehörde bis Jahresende in Aussicht gestellt. Nach Ausstellung eines Heimreisezertifikats ist von einer zeitnahen Abschiebung des Beschwerdeführers auszugehen.

Es ist damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie jedenfalls innerhalb der Schubhafthöchstdauer soweit gelockert sind, dass Abschiebungen innerhalb dieses Zeitraumes durchführbar sind (OZ 1; OZ 14).

1.3.6. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit der letzten gerichtlichen Überprüfung vom 26.11.2020 hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichts die asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren sowie das bisherige Schubhaftverfahren des Beschwerdeführers betreffend, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem vorliegenden Gerichtsakt sowie den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die Schubhaftverfahren des Beschwerdeführers betreffend. Er ergibt sich ebenfalls aus den Stellungnahmen des Bundesamtes vom 17.12.2020 (OZ 1) und vom 22.12.2020 (OZ 14).

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1.1. Aus den Stellungnahmen des Bundesamtes vom 17.12.2020 und 22.12.2020 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer bereits als Staatsbürger von Algerien identifiziert wurde. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft oder die eines EU-Mitgliedstaates besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des Beschwerdeführers. Da der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers abgewiesen wurde, ist der Beschwerdeführer weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.1.2. Dass der Beschwerdeführer seit 26.11.2019 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres. Da die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft zuletzt am Donnerstag, den 26.11.2020 gerichtlich überprüft wurde, endet die Frist zur neuerlichen Überprüfung am Donnerstag, den 24.12.2020 (W180 2226032-11/5E; W180 2226032-11: OZ 6 Übernahmebestätigung).

2.1.3. Dass der Beschwerdeführer bereits am 26.05.2020 sechs Monate in Schubhaft angehalten wurde, ergibt sich aufgrund der Anhaltedatei. Dass das Bundesamt seiner gesetzlichen Verständigungspflicht über das Vorliegen der Verlängerungsgründe unverzüglich schriftlich und in einer dem Beschwerdeführer verständlichen Sprache in Kenntnis zu setzen bis dato nicht nachgekommen, ergibt sich aufgrund der Mitteilung des Bundesamtes vom 22.12.2020 (OZ 11). Dass das Bundesamt davon ausgeht, dass die unterblieben Verständigung durch die Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes im Rahmen der Haftprüfungen saniert wurde, ergibt sich aufgurnd des Inhalts dieser Stellungnahme. Dass das Bundesverwaltungsgericht mit Verständigung vom 22.12.2020 die Information des Beschwerdeführers gemäß § 80 Abs. 7 FPG in arabischer Sprache durchgeführt hat, ergibt sich aufgrund des diesbezüglichen Informationsschreibens samt Zustellnachweis (OZ 12).

2.1.4. Aus dem Akt ergeben sich keine Indizien für eine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers. Dass er Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft. Dass er sich in einem guten Allgemeinzustand befindet und regelmäßig Medikamente erhält und Zugang zu medizinischer Versorgung bekommt, war aufgrund des Befund und Gutachtens des Amtsarztes vom 25.11.2020 und der Einsichtnahme in die Anhaltedatei festzustellen (Anhaltedatei; W180 2226032-11: OZ 4 Befund und Gutachten des Amtsarztes vom 25.11.2020).

2.2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

2.2.1. Die Feststellungen zum Vorliegen einer rechtskräftigen aufenthaltsbeendenden Maßnahme und eines Einreiseverbotes fußen auf der Einsicht in die Gerichtsakte, nämlich die im Verfahren ergangen Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.01.2018 und den Beschluss vom 14.11.2019 (I416 2221911-1/3E vom 06.08.2019; I406 2221911-2/2E vom 14.11.2019).

2.2.2. Die Feststellung zur Anhaltung in Justizhaft ergibt sich aufgrund der Eintragungen im Melderegister. Dass der Beschwerdeführer am 26.11.2019 aus der Strafhaft entlassen und in Schubhaft genommen wurde fußt auf den Eintragungen im Melderegister und den übereinstimmenden Eintragungen in die Anhaltedatei.

2.2.3. Die Feststellungen zu den mangelnden familiären, sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkten des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren, die Feststellung, dass der Beschwerdeführer über keine Barmittel verfügt, ergibt sich aufgrund der Einsicht in die Anhaltedatei. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer über einen eigenen gesicherten Wohnsitz verfügt, liegen nicht vor, insbesondere verfügt er aktuell über keine Meldeadresse außerhalb eines Polizeianhaltezentrums, was sich aus dem Melderegister ergibt.

2.2.4. Dass Beschwerdeführer am 08.10.2019 einen Asyl-Folgeantrag stellte und die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes waren aufgrund der Einsicht in den Gerichtsakt festzustellen (W283 2226032-3/6E).

2.3. Zur Verhältnismäßigkeit und Dauer der Schubhaft

2.3.1. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister sowie in die im Gerichtsakt aufliegenden Urteilsausfertigungen (OZ 7; Strafregister).

2.3.2. Dass der Beschwerdeführer in den Asyl- und Strafverfahren falsche Angaben zu seinem Namen, zu seinem Geburtsdatum und seiner Staatsangehörigkeit gemacht hat, war aufgrund des Akteninhaltes (Strafurteile; Einvernahmen des Beschwerdeführers) festzustellen.

2.3.3. Dass der Beschwerdeführer nicht vertrauenswürdig ist, ergibt sich aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilungen. Dass er nicht rückreisewillig und unkooperativ ist, war aufgrund des mehrfachen Eintritts in Hungerstreiks und der Missachtung der Anhalteordnung festzustellen. Die Feststellungen zu den Hungerstreiks fußen auf den Eintragungen in der Anhaltedatei. Dass der Beschwerdeführer die österreichische Rechtsordnung nicht achtet ergibt sich aufgrund seiner Verurteilungen.

2.3.4. Dass gegen den Beschwerdeführer ein Waffenverbot erlassen wurde, war aufgrund des im Akt aufliegenden Bescheides festzustellen (OZ 8).

2.3.5. Die Feststellungen zum Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer beruhen auf dem Akteninhalt, insbesondere auf der Stellungnahme des Bundesamtes vom 22.12.2020. Aufgrund der Einleitung des Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates im Stande der Strafhaft und der regelmäßigen, mehr als monatlichen Urgenzen seitens des Bundesamtes, die schließlich durch die Erlangung eines Interviewtermins und Identifizierung des Beschwerdeführers am 18.09.2020 erfolgreich waren, war die Feststellung der Angemessenheit der diesbezüglichen Bemühungen des Bundesamtes zur Erlangung eines Heimreisezertifikates zu treffen. Die faktische Unmöglichkeit der Vorführung im Zeitraum von März 2020 bis September 2020 aufgrund der Corona-Pandemie war dabei zu berücksichtigen und mindert diese nicht die tatsächlich gesetzten Schritte des Bundesamtes bei der Erlangung des Heimreisezertifikates. Aufgrund der Stellungnahmen des Bundesamtes war auch Feststellung zur Identifizierung des Beschwerdeführers zu treffen.

Aus dem Akteninhalt sind keine Hinweise ersichtlich, dass die Ausstellung eines Heimreisezertifkates für den Beschwerdeführer unmittelbar nach der Identifizierung nicht möglich sein wird, zumal der Beschwerdeführer bereits als algerischer Staatsangehöriger identifiziert wurde. Dass die Überprüfung der angegeben Daten nach dem Interviewtermin grundsätzlich vier bis fünf Monate dauert, ergibt sich aufgrund der Stellungnahme des Bundesamtes vom 22.12.2020. Dass es aufgrund der Corona-Pandemie es zu kurzen Verzögerungen kommen kann, fußt ebenfalls auf der Einschätzung des Bundesamtes, dabei war aber zu berücksichtigen, dass wie vom Bundesamt in seiner Stellungnahme dargelegt, die Übermittlung der Ergebnisse des Identifizierungsprozesses seitens der Vertretungsbehörde bis Jahresende 2020 in Aussicht gestellt wurde.

Das erkennende Gericht geht im Entscheidungszeitpunkt davon aus, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers zeitnah nach Ausstellung eines Heimreisezertifikates effektuiert wird und die Flugbeschränkungen innerhalb der Schubhafthöchstdauer soweit gelockert sind, dass Abschiebungen durchführbar sind, ergibt sich aufgrund Stellungnahme des Bundesamtes vom 17.12.2020 (OZ 1).

2.3.6. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft zu Gunsten des Beschwerdeführers ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A) Fortsetzungsausspruch

3.1. Gesetzliche Grundlagen

3.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) lauten (auszugsweise):

Der mit „Begriffsbestimmungen“ betitelte § 2 FPG lautet:

§ 2 (4) Im Sinn dieses Bundesgesetzes ist

1. Fremder: wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt.

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 FPG lautet:

§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 FPG lautet:

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit „Dauer der Schubhaft“ betitelte § 80 lautet:

§ 80 (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1.

drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2.

sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1.

die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.

eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3.

der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4.

die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

3.1.2. Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

§ 22a (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

3.1.3. Art. 2 und Art. 15 Rückführungsrichtlinie lauten auszugsweise:

„Anwendungsbereich (Rückführungsrichtlinie)

Art 2. (1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige.“

„Inhaftnahme (Rückführungsrichtlinie)

Art 15. (1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, (…)

(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf. 

(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:
a.         mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder,
b.         Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.

…“

3.2. Zur Judikatur

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das BFA eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG - einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Diesen Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann (VwGH vom 11.06.2013, 2013/21/0024).

Wird die Aufrechterhaltung einer - wegen Wegfalls des bisherigen Tatbestandes eigentlich zu beendenden - Schubhaft aber auf einen anderen Grund gestützt, muss es dem Betroffenen möglich sein, die Annahme des Vorliegens des neuen Schubhafttatbestandes mit Beschwerde effektiv zu bekämpfen. Das setzt eine entsprechende Kenntnis vom Austausch des Schubhaftgrundes voraus, sodass die Behörde gegenüber dem Fremden insoweit eine Informationspflicht trifft (Hinweis E VfGH 23. Juni 1994, B 2019/93, VfSlg 13806; Urteil OGH 29. Juli 2005, 14 Os 76/05s). In dieser Konstellation ist daher eine unverzügliche schriftliche Verständigung des Angehaltenen vorzunehmen, wie sie in § 80 Abs 7 FrPolG 2005 vorgesehen ist. Um dem verfassungsrechtlichen Gebot des Art 5 Abs 2 MRK bzw. des Art 4 Abs 6 PersFrSchG 1988 Rechnung zu tragen, wonach jeder Festgenommene in möglichst kurzer Frist und in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe seiner Festnahme unterrichtet werden muss (Hinweis Urteil EGMR 2. Oktober 2008, Appl Nr 34082/02, Rusu gg. Österreich), muss diese Information in einer dem Schubhäftling verständlichen Sprache erfolgen. Nur durch eine solche schriftliche Verständigung wird der Rechtsschutz für den Betroffenen ausreichend gewahrt, wird er doch erst dadurch in die Lage versetzt, die angenommenen Voraussetzungen für die weitere Anhaltung mit einer Schubhaftbeschwerde wirksam zu bekämpfen (VwGH vom 18.12.2008, 2008/21/0582).

Die Z 4 des § 80 Abs. 4 FPG wurde mit dem FrÄG 2017 eingeführt. Die in § 80 Abs. 4 Z 1 bis 3 FPG angeführten Tatbestände standen - mit hier nicht weiter relevanten Änderungen - bereits vor Inkrafttreten des FrÄG 2017 in Geltung. In dessen ErläutRV (1523 BlgNR 25. GP 36) wird zur insgesamt erfolgen Neufassung des § 80 Abs. 4 FPG mehrfach auf Art. 15 Abs. 6 RückführungsRL Bezug genommen. Mit § 80 Abs. 4 FPG idF des FrÄG 2017 soll demnach Art. 15 Abs. 6 RückführungsRL umgesetzt werden. In diesem Sinn ist auch der Verlängerungstatbestand des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG - vor dem Hintergrund der gebotenen richtlinienkonformen Interpretation – auszulegen (VwGH vom 15.12.2008, Ra 2020/21/0404-12).

3.3. Allgemeine Voraussetzungen

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Gegen den Beschwerdeführer besteht jedenfalls seit 14.11.2019 eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme. Daher war die Anhaltung in Schubhaft seit 26.11.2019 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zur Sicherung der Abschiebung grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich.

3.4. Fluchtgefahr

Fluchtgefahr ist dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Die Gründe aus denen das Bundesamt die Fluchtgefahr bejahte haben sich seither nicht geändert und geht im vorliegenden Fall das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus:

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Da gegen den Beschwerdeführer eine durchsetzbare und rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt, ist der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG erfüllt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z 4 FPG ist bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt zu berücksichtigen, ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt.

Der faktische Abschiebeschutz des Folgeantrages des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 14.11.2019 aufgehoben, weshalb auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 4 FPG vorliegt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z 5 FPG ist bei der Beurteilung der Fluchtgefahr zu berücksichtigen, ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz eine aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand.

Der Beschwerdeführer stellte am 08.10.2019 einen Asyl-Folgeantrag. Zu diesem Zeitpunkt war die mit Bescheid des Bundesamtes vom 03.07.2019 erlassene Rückkehrentscheidung, nämlich ab 06.08.2019 rechtskräftig. Es ist daher im vorliegenden Fall auch der Tatbestand der Z 5 des § 76 Abs. 3 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt sind gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG der Grad der sozialen Verankerung des Fremden in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen.

Das Verfahren hat keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass im Fall des Beschwerdeführers Änderungen im Zusammenhang mit der Ziffer 9 gegeben habe. Insbesondere hat der Beschwerdeführer nach seinen Angaben keine Familienangehörigen in Österreich. Der Beschwerdeführer verfügt im Inland über keinerlei enge soziale, berufliche oder familiäre Anknüpfungspunkte und ist auch nicht selbsterhaltungsfähig, weshalb keinerlei soziales Netz vorhanden ist, welches ihn vom Untertauchen bewahren könnte. § 76 Abs. 3 Z 9 FPG ist daher gegenständlich ebenfalls nach wie vor erfüllt.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 3, Z 4, Z 5 und Z 9 FPG vor.

3.5. Sicherungsbedarf

Sicherungsbedarf ist zu bejahen, wenn die Gefahr des Untertauchens des Beschwerdeführers gegeben oder wahrscheinlich ist oder ein wesentliches Erschweren der Abschiebung zu erwarten ist.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers vor Verhängung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, da im Fall des Beschwerdeführers ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben ist. Der Beschwerdeführer hat in seinen strafgerichtlichen Verfahren und im Asylverfahren falsche Angaben zu seiner Identität gemacht. Er hält sich unrechtmäßig in Österreich auf und es liegt eine den Beschwerdeführer betreffende durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178). In Österreich befinden sich weder Familienangehörige des Beschwerdeführers noch ist er sonst sozial verankert. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keinen gefestigten Wohnsitz und auch nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung. Einer legalen Beschäftigung ging er in Österreich bisher nicht nach. Dem Beschwerdeführer kommt kein faktischer Abschiebeschutz zu. Gegen den Beschwerdeführer wurde ein Einreiseverbot erlassen. Es liegt eine den Beschwerdeführer betreffende durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Zeitnah nach der Ausstellung eines Heimreisezertifikates, wird die Abschiebung des Beschwerdeführers effektuiert. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Es ist daher auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.6. Verhältnismäßigkeit

Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Der Beschwerdeführer weist Vorstrafen nach dem Strafgesetzbuch auf, wobei sich der Zeitraum, in dem er die strafbaren Handlungen gesetzt hat von 20.05.2015 bis 04.10.2019 erstreckt. Seine erste strafbare Handlung hat der Beschwerdeführer bereits rund 10 Tage nach der Stellung seines ersten Antrages auf internationalen Schutz in Österreich begangen. An der Verhinderung von Delikten gegen fremdes Vermögen besteht ein hohes öffentliches Interesse. Diesem hat der Beschwerdeführer massiv zuwidergehandelt, da er teils durch Einbruch, mehrfach Diebstähle begangen hat. Die besondere Verwerflichkeit dieser Taten manifestiert sich nicht nur im langen Deliktszeitraum und der Tatbegehung trotz erfolgter gerichtlicher Verurteilung, sondern insbesondere auch darin, dass der Beschwerdeführer diese Diebstähle auch gewerbsmäßig begangen hat. Aus den Verurteilungen lässt sich auch ableiten, dass der Beschwerdeführer wiederholt gleichartige Delikte gesetzt hat und sohin auch durch einschlägige Vorverurteilungen nicht von der weiteren Tatbegehung abgeh

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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