TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/29 G307 2240651-1

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Veröffentlicht am 29.03.2021
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Entscheidungsdatum

29.03.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch


G307 2240651-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Deutschland, vertreten durch RA Dr. Stefan GLOYER in 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.02.2021, Zahl XXXX , zu Recht erkannt:

A)       

Der Beschwerde wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf 2 Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)       

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 23.10.2019, dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) zugestellt am 19.11.2019 wurde dieser über die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in Kenntnis gesetzt, aufgefordert seine persönlichen, familiären wie finanziellen Verhältnisse darzulegen und binnen 14 Tagen ab Erhalt dieses Schreibens dazu Stellung zu nehmen.

Eine Stellungnahme hiezu erstattete der BF nicht, sodass ihm am 25.01.2021 neuerlich Parteiengehör eingeräumt wurde, wozu er mit Schreiben vom 10.02.2021 Stellung nahm.

2. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid, dem BF persönlich zugestellt am 15.02.2021, wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ein auf 5 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) diesem gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.), sowie einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. (Spruchpunkt III.).

3. Mit Schriftsatz vom 15.03.2021 beim BFA eingebracht am selben Tag, erhob der BF durch den im Spruch angeführten Rechtsvertreter (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde beantragt, den Bescheid derart abzuändern, dass kein Aufenthaltsverbot erlassen werde, in eventu die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf eine angemessene Dauer zu reduzieren, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die erstinstanzliche Behörde zurückzuverweisen sowie eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

4. Die gegenständliche Beschwerde und der zugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA am 17.03.2021 dem BVwG vorgelegt und langten am 22.03.2021 ein.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum), ist deutscher Staatsbürger, verheiratet, für einen erwachsenen Sohn, welcher studiert, sorgepflichtig und als Versicherungsmakler tätig. Die monatlichen Einkünfte des BF belaufen sich auf rund € 1.800,00.

1.2. Der BF hatte bis dato keinen privaten, ordentlichen Wohnsitz in Österreich, pflegt keine Angehörigenverhältnisse im Inland und war im Bundesgebiet noch nie beschäftigt. Sein Lebensmittelpunkt liegt in Deutschland, er wohnt in XXXX . In Österreich hielt sich der BF bis dato nur zu Urlaubszwecken auf.

1.3. Zu den Verurteilungen des BF und deren Folgen:

1.3.1. Der BF wurde vom Bezirksgericht XXXX (BG XXXX ) zu XXXX am XXXX .2019 wegen des Vergehens der sexuellen Belästigung gemäß § 218 Abs. 1a StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt.

Darin wurde der BF für schuldig befunden, er habe am XXXX .2017 in XXXX die 8jährige XXXX , indem er diese während einer Sesselliftfahrt im Bereich der körpernahen oberen Hälfte der Innenseiten ihrer Oberschenkel gestreichelt habe, mithin durch eine intensive Berührung an einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle, in ihrer Würde verletzt.

Als erschwerend wurde hiebei die einschlägige Vorstrafenbelastung, als mildernd kein Umstand gewertet.

Der gegen dieses Urteil an das Landesgericht XXXX (LG XXXX ) erhobenen Berufung wurde keine Folge gegeben.

Zur erfolglosen Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe hielt das Berufungsgericht unter anderem fest, dass die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe selbst unter Berücksichtigung des bereits längeren Zurückliegens der einschlägigen Vorverurteilungen des BF angesichts der mehrfachen, einschlägigen Vorstrafen des BF wegen Sexualdelikten, eine schuld- und tatangemessene Unrechtsfolge darstelle, bei der auch die Täterpersönlichkeit angemessen berücksichtigt worden sei. Ebenso teile der erkennende Senat (des Rechtsmittelgerichts) letztlich die Sicht des Erstgerichts, dass der BF durch die neuerliche Begehung eines Sexualdelikts hinreichend zum Ausdruck gebracht habe, dass es letztlich doch der Verhängung einer unbedingten Freiheitsstrafe bedürfe, um ihn wirksam von der Begehung weiterer Delikte abzuhalten.

Es wird festgestellt, dass der BF das beschriebene Verhalten gesetzt und die erwähnte Straftat begangen hat. Er trat seine Haftstrafe am XXXX .2021 an und wurde am XXXX .2021 aus der Haft entlassen.

1.3.2. Der BF absolvierte am XXXX .2020 bei XXXX in XXXX zumindest 2,3 Einheiten an verhaltenstherapeutischer Psychotherapie und liegt bei ihm der Verdacht einer mittelgradigen depressiven Episode nahe. Näheres zur Wahrnehmung weiterer Therapieeinheiten oder einem allfälligen Heilungsprozess konnte nicht festgestellt werden.

1.3.3. Das Opfer entwickelte nach dem geschilderten Vorfall erhebliche Ängste und nimmt seit einiger Zeit Psychotherapien in Anspruch.

1.3.4. In seiner Heimat liegen dem BF insgesamt 4 Verurteilungen zur Last. Davon sind zwei Verurteilungen als einschlägig zu werten. Er wurde mit Urteil es Amtsgerichts XXXX vom XXXX .1997 wegen des Vergehens der wurde das Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher als gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach den maßgeblichen deutschen Gesetzesbestimmungen verbunden.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX .2006 wurde der BF wegen des Verbrechens der Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 Jahren verurteilt, wobei auch diese Verurteilung als gesetzlich eingetretene Nebenfolge jene des Verbots der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher nach sich zog. Im Jahr 2009 wurde der BF wegen des Vergehens der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr und 2011 wegen des Vergehens der Anstiftung zum Betrug in 12 Fällen verurteilt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht aufgrund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität, Staatsangehörigkeit, Familienstand, Obsorgepflicht für einen erwachsenen, studierenden Sohn, Berufsausübung, Höhe der monatlichen Einkünfte, fehlender (verwandtschaftlicher) Bezug zu Österreich und Lebensmittelpunkt in Deutschland getroffen wurden, ergeben sich diese aus dem Bescheidinhalt, den Angaben des BF in seiner Stellungnahme vom 10.02.2021 samt Beilagen (AS 53 bis 67) den Ausführungen des BG XXXX und LG XXXX , fehlenden ZMR-Einträgen zur Person des BF (abgesehen von der Haft) und dem Vorbringen in der Beschwerde.

Dass der BF bis dato keiner Beschäftigung in Österreich nachging ist dem Inhalt des auf den Namen des BF lautenden Sozialversicherungsdatenauszuges zu entnehmen.

Die Verurteilung des BF in Österreich samt den näheren Ausführungen zur Straftat sowie die Feststellung, dass der BF die besagten Straftaten begangen und die jeweiligen Verhaltensweisen gesetzt hat, folgen dem Amtswissen des Verwaltungsgerichts durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich sowie einer Ausfertigung des oben zitierten Strafurteils des BG XXXX wie des LG XXXX .

Die Verurteilungen des BF in Deutschland sind ebenso aus den besagen Urteilsausfertigungen wie dem internationalen (ECRIS) Strafregisterauszug ersichtlich.

Die Anhaltung des BF in Strafhaft von vom XXXX .2021 bis XXXX .2021 ergibt sich aus dem ZMR.

Die vom Opfer der aktuellsten Verurteilung entwickelten Ängste und die Wahrnehmung einer Psychotherapie folgt dem Urteilsinhalt des BG XXXX .

2.3. Zum Beschwerdevorbringen:

2.3.1. Wenn im Rechtsmittel vermeint wird, die Behörde hätte bei einer Einvernahme des BF andere Feststellungen getroffen und dadurch gegen § 37 AVG „verstoßen“, so war das Bundesamt im vorliegenden Fall nicht angehalten, dem BF das Parteiengehör ausschließlich durch persönliche Einvernahme einzuräumen. In welcher Form nämlich die Behörde der Partei das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in concreto zur Kenntnis bringen und Gelegenheit zur Stellungnahme dazu geben kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Entscheidend ist, dass die Partei dadurch in die Lage versetzt wird, ihre Rechte geltend zu machen (VwGH 18.01.2001, 2000/07/0090), wobei eine Einvernahme weder das Gesetz noch die einschlägige Judikatur des VwGH vorschreibt (vgl. VwGH 18.01.2001, 2000/07/0099; 05.09.1995, 95/08/0002; 24.02.1988, 87/18/0126; 18.10.1990, 89/09/0145; 17.09.2002, 2002/18/0170). Diesem Gebot wurde im gegenständlichen Fall entsprochen. Wie sich aus dem erschöpfenden Inhalt der Stellungnahme des BF ergibt, blieb keine Frage offen und fördert die Beschwerde somit nicht zu Tage, welchen Nachteil der BF durch die unterlassene Einvernahme erlitten haben soll.

Wenn sich das Rechtsmittel weiters gegen die Ansicht der belangten Behörde wendet, der BF sei bereits in Deutschland aufgrund derselben schädlichen Neigung verurteilt worden und diese (auf Seite 5 des Bescheides im letzten Absatz wiedergegebene) Formulierung so auslegt, dass der BF zuvor noch nie ein Kind sexuell belästigt habe, geht diese Meinung in die falsche Richtung. So findet diese weder im Wortlaut des Bescheides noch im Gesetz eine Deckung. Gemäß § 71 StGB berufen mit Strafe bedrohte Handlungen dann auf der gleichen schädlichen Neigung, wenn sie gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet oder auf gleichartige verwerfliche Beweggründe oder auf den gleichen Charaktermangel zurückzuführen sind. Fakt ist, dass das jüngst geahndete strafbare Verhalten des BF gegen die sexuelle Integrität einer 8jährigen gerichtet war.

Das in der Beschwerde gemachte Vorbringen, der BF habe sich Hilfe in Form einer Therapie „geholt“, wurde zwar durch die von XXXX auf den AS 69 und 71 wiedergegebenen Bestätigungen (es wurden lediglich 2,3 Einheiten absolviert) bescheinigt. Es bleibt jedoch offen, inwieweit diese – als sehr kurz zu betrachtende Therapie – zum Erfolg geführt und der BF weitere Behandlungen in Anspruch genommen hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides.:

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jeder der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 8 leg cit. als EWR-Bürger, ein Fremder der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

Der BF ist auf Grund seiner deutschen Staatsbürgerschaft EWR-Bürger gemäß § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

Der mit „Aufenthaltsverbot“ betitelte § 67 FPG lautet:

„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“


Der mit „Ausreiseverpflichtung und Durchsetzungsaufschub“ betitelte § 70 FPG lautet:

„§ 70. (1) Die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot werden spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.

(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

(4) Der Durchsetzungsaufschub ist zu widerrufen, wenn

1.       nachträglich Tatsachen bekannt werden, die dessen Versagung gerechtfertigt hätten;

2.       die Gründe für die Erteilung weggefallen sind oder

3.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige während seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet ein Verhalten setzt, das die sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebietet.“

3.1.2. Die Beschwerde war dem Grund nach abzuweisen, ihr hinsichtlich der Dauer jedoch stattzugeben, dies aus folgenden Gründen:

Der BF hat – abgesehen von seinen im Bundesgebiet verbrachten Urlauben – ohne Zweifel keinen wie immer gearteten Bezug zu Österreich.

Da der BF, der aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt, die Voraussetzungen eines durchgehenden und rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet weder seit fünf noch seit zehn Jahren erfüllt, kommt für diesen der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 zweiter Satz FPG für Unionsbürger zur Anwendung.

Gegen den BF als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß §§ 67 Abs. 1 zweiter Satz FPG nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet ist. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose - gleiches gilt auch für ein Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot - ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230).

Solche Gesichtspunkte, wie sie in einem Verfahren betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zu prüfen sind, insbesondere die Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich, können nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden (vgl. VwGH 7.11.2012, 2012/18/0057).

In diesem Zusammenhang weist das erkennende Gericht der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen unabhängig und eigenständig, von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen hat (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096). Es obliegt daher dem erkennenden Gericht festzustellen, ob eine Gefährdung im Sinne des FPG vorliegt oder nicht. Es geht bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

3.1.3. Der BF wurde unbestritten vom BG XXXX (bestätigt durch das LG XXXX ) wegen sexueller Belästigung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt.

Wenn der BF in der gegenständlichen Beschwerde vermeint, er es sei zwischen 2006 und 2017 zu keiner einzigen Verurteilung gekommen, weshalb nicht von einer Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgegangen werden könne und auch das Verhalten des BF nicht kontinuierlich fortgesetzt worden sei, handelt es sich dabei um eine zu enge Sicht der Dinge.

Wie schon vom LG XXXX hervorgehoben, wurde im Fall des BF die Verhängung einer unbedingten Strafe als notwendig angesehen, weil er neuerlich ein Sexualdelikt begangen habe. Daran könne selbst der Umstand nichts ändern, dass die einschlägigen Vorverurteilungen bereits länger zurücklägen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 02.09.2008, Zahl 2006/18/0333, unter anderem erwogen, dass ein großes Interesse an der Einhaltung jener Rechtsvorschriften besteht, welche dem Schutz der Sittlichkeit dienen und derlei Handlungen insbesondere dann im Rahmen von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu berücksichtigen seien, wenn der seit dem Fehlverhalten des Beschwerdeführers verstrichene Zeitraum keine Gewähr dafür bietet, dass er nicht wieder in der bezeichneten Weise straffällig werden könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 2002, Zl. 99/18/0083).

So kann gerade im gegenständlichen Fall (noch) nicht davon ausgegangen werden, dass die seit der Verurteilung vergangene Zeitspanne bereits jetzt zu einer positiven Zukunftsprognose führt. Insbesondere der Umstand, dass der BF seine Handlung gegenüber einem de facto schutzlosen, 8jährigen Mädchen auf einem Sessellift gesetzt hat, welchem zum Zeitpunkt der Tatbegehung niemand zu Hilfe kommen konnte, erscheint dem erkennenden Gericht besonders verwerflich. Die in der Vergangenheit ergangenen Verurteilungen haben in der Person des BF eben augenscheinlich noch keine solche Abschreckungswirkung herbeigerufen, dass dieser nicht wieder straffällig wird. Somit kann auch – wie bereits oben erwähnt – das in der Beschwerde eingeworfene Argument der lang zurückliegenden Verurteilungen nicht greifen.

Somit erweist sich der seit der letzten Verurteilung des BF verstrichene straffreie Zeitraum insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Vorverurteilungen als zu kurz, um allein daraus auf ein Wohlverhalten in Zukunft schließen zu können (vgl. VwGH 21.02.2013, 2011/23/0192; 22.11.2012, 2011/23/0332: wonach es für die Beurteilung einer zukünftigen Rechtsreue, eines maßgeblichen Zeitraums des Wohlverhaltens in Freiheit bedarf).

Der belangten Behörde ist sohin nicht entgegenzutreten, wenn diese im konkreten Verhalten des BF eine maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erkennt. Angesichts der noch nicht bescheinigten Heilung des BF von seiner mittelgradig depressiven Episode – 2,3 Einheiten sind eindeutig zu wenig – kann nicht ausgeschlossen werden, dass der BF weiterhin Rechtsverstöße gegen die Sexualsphäre setzen wird, sodass von auch von einer gegenwärtigen Gefahr seitens des BF auszugehen ist.

Auch die im Lichte des § 9 BFA-VG gebotene Abwägung der privaten und familiären Interessen des BF mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen konnte eine Abstandnahme von der Verhängung eines Aufenthaltsverbots nicht rechtfertigen.

Der BF hat keinerlei persönliche, berufliche oder sonstige enge Bindungen ins Bundesgebiet, weshalb auch diese Komponente nicht zur Relativierung der für das Aufenthaltsverbot zu berücksichtigenden Momente führt.

Angesichts des besagten und in seiner Gesamtheit gravierenden Fehlverhaltens ist davon auszugehen, dass das gegen den BF erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist, ist es doch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit durch den BF) geboten.

Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sind demnach höher zu gewichten als die gegenläufigen privaten Interessen des BF am Verbleib im Bundesgebiet. Unter diesen Umständen ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten.

Daher ist die belangte Behörde somit zu Recht von der Rechtsmäßigkeit der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes ausgegangen, erweist sich dieses nämlich vor dem Hintergrund des bisher Ausgeführten in Bezug auf den BF als erforderlich, um der von diesem ausgehenden Gefährlichkeit zu begegnen. Sohin war die Beschwerde in diesem Umfang als unbegründet abzuweisen.

3.1.4. Die vom BFA gewählte, 5jährige Dauer des Aufenthaltsverbotes erweist sich jedoch als überschießend. So ist zu beachten, dass die Tathandlung etwas mehr als 3 Jahre zurückliegt und der BF seitdem kein weiteres strafrechtliches Verhalten zu verantworten hatte. Dennoch wird es eines „Beobachtungszeitraums“ von 2 (zwei) Jahren bedürfen, währenddessen der BF unter Beweis stellen wird müssen, dass er tatsächlich nicht mehr (in der geschilderten Art und Weise) straffällig werden wird. Zugleich wird wohl der erfolgreiche Abschluss seiner Psychotherapie vonnöten sein, um jegliche Zweifel an der von ihm ausgehenden Gefährdung aus dem Weg zu räumen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Der mit „Ausreisepflicht und Durchsetzungsaufschub“ betitelte § 70 FPG lautet wie folgt:

„§ 70. (1) Die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot werden spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.

(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

(4) Der Durchsetzungsaufschub ist zu widerrufen, wenn

1.       nachträglich Tatsachen bekannt werden, die dessen Versagung gerechtfertigt hätten;

2.       die Gründe für die Erteilung weggefallen sind oder

3.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige während seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet ein Verhalten setzt, das die sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebietet.“

Der mit „Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde“ betitelte § 18 BFA-VG lautet:

„§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1.       der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2.       schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3.       der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,

4.       der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5.       das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6.       gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7.       der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn

1.       die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,

2.       der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder

3.       Fluchtgefahr besteht.

(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

(4) Der Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG darf die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.“

3.2.2. Vor dem Hintergrund der vom BF ausgehenden Gefährlichkeit, insbesondere dessen negativer Zukunftsprognose, welche einen Rückfall befürchten lässt, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn diese die sofortige Ausreise des BF als im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für gelegen erachtet. Der BF hat – trotz einschlägiger Vorverurteilungen – nochmals ein Delikt gegen die Sexualsphäre – noch dazu eines Kindes – gesetzt, woraus sich wiederum auf eine gewisse Rückfallneigung schließen lässt. Insofern erweist sich eine unverzügliche Ausreise des BF aus dem Bundesgebiet zum Schutze öffentlicher Interessen als unabdingbar. Es kann der belangten Behörde somit nicht entgegengetreten werden, wenn diese die Effektuierung des ausgesprochenen Aufenthaltsverbotes im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für erforderlich erachtet. Vor dem Hintergrund des vom BF bereits in der Vergangenheit wiederholt gezeigten und nunmehr neuerlich gesetzten rechtsverletzenden Verhaltens kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieser abermals in die gezeigten Verhaltensmuster zurückfällt, sodass sich eine Effektuierung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Anhaltspunkte, welche eine Beeinträchtigung der dem BF gemäß Art 2 oder 3 EMKR zugesicherten Rechte nahelegen ließen, konnten weder von Amts wegen festgestellt werden, noch wurde dies vom BF konkret behauptet. Eine Verletzung von Art 8 EMRK ist zudem schon aufgrund der gänzlichen Abweisung der Beschwerde nicht erkennbar.

Sohin lässt sich verfahrensgegenständlich ein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht feststellen und ist im Ergebnis die Beschwerde auch in diesem Umfang als unbegründet abzuweisen.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen – allenfalls mit ergänzenden Erhebungen – nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Es konnte daher die gegenständliche Entscheidung auf Grund der Aktenlage getroffen und von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot EU-Bürger Herabsetzung Interessenabwägung Milderungsgründe öffentliche Interessen strafrechtliche Verurteilung Zukunftsprognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G307.2240651.1.00

Im RIS seit

10.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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