TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/10 W283 2228228-11

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.12.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

10.12.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W283 2228228-11/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Stefanie OMENITSCH als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 1078427300-200145672, über die weitere Anhaltung von XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , alias geb. XXXX , StA. ALGERIEN, alias StA. ÄGYPTEN, alias StA. LIBYEN, in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 15.07.2015 unter Verwendung von Aliasidentitäten einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Nachdem sich der Beschwerdeführer durch Untertauchen dem Verfahren entzog, wurde das Asylverfahren am 22.09.2015 gemäß § 24 Abs. 1 AsylG eingestellt

2. Der Beschwerdeführer wurde in Österreich straffällig und rechtskräftig verurteilt.

Mit Bescheid vom 16.01.2020 wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung nach Algerien für zulässig erklärt. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde, dieser wurde stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

Am 17.01.2020 wurde der Beschwerdeführer aus der Strafhaft entlassen und in Schubhaft genommen.

Am 18.01.2020 stellte der Beschwerdeführer während Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 28.01.2020 ab. Der Beschwerdeführer wurde am 05.02.2020 aus der Schubhaft entlassen und ein gelinderes Mittel angeordnet. Am 07.02.2020 wurde der Beschwerdeführer im Zug nach Italien aufgegriffen und festgenommen.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.02.2020 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz angeordnet.

3. Der Beschwerdeführer wird seit 07.02.2020 in Schubhaft angehalten.

4. Der Beschwerdeführer erhob am 23.03.2020 gegen den Schubhaftbescheid vom 07.02.2020 Beschwerde. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.03.2020 wurde die Beschwerde abgewiesen und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in weiterer Folge im Rahmen amtswegiger Verhältnismäßigkeitsprüfungen regelmäßig – zuletzt am 13.11.2020 – ausgesprochen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft vorliegen und diese verhältnismäßig ist.

5. Am 04.12.2020 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt neuerlich zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung vor. Ausgeführt wurde in einer Stellungnahme – neben dem Verweis auf den bisherigen Verfahrensgang – dass der Identifizierungsprozess im Hinblick auf Algerien im Laufen sei; es werde regelmäßig urgiert. Zuletzt wurde von der algerischen Vertretungsbehörde mitgeteilt, dass der Identifizierungsprozess noch nicht abgeschlossen wurde, aber bereits in Bearbeitung sei. Mit der Abschiebung des Beschwerdeführers innerhalb der Schubhafthöchstdauer sei zu rechnen, zumal die Möglichkeit der Durchführung der Abschiebung nicht die Wiederaufnahme des touristischen Flugverkehrs voraussetze. Zur Verhältnismäßigkeit wurde auf die Straffälligkeit des Beschwerdeführers verwiesen.

6. Dem Beschwerdeführer wurde die Stellungnahme des Bundesamtes als Parteiengehör übermittelt, eine Stellungnahme langte nicht ein.

7. Das Bundesamt hat die Verständigung des Beschwerdeführers hinsichtlich der Verlängerung der Anhaltedauer unterlassen.

8. Das Bundesverwaltungsgericht hat am 10.12.2020 die Verständigung des Beschwerdeführers hinsichtlich der Anhaltedauer durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit 07.02.2020, somit länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft. Es ist gemäß § 22a Abs 4 BFA-VG daher die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu prüfen und festzustellen, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

Der Beschwerdeführer befindet sich zum Entscheidungszeitpunkt länger als sechs Monate in Schubhaft. Es ist zu überprüfen, ob die Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 FPG vorliegen. Zudem ist zu überprüfen, ob das Bundesamt der Verständigungspflicht des § 80 Abs. 7 FPG nachgekommen ist.

Die letzte gerichtliche Haftüberprüfung erfolgte mit Erkenntnis vom 13.11.2020, zugestellt am Freitag, 13.11.2020. Die vierwöchige Frist zur Überprüfung endet daher am Freitag, 11.12.2020.

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1.1. Der Beschwerdeführer führt verschiedene Identitäten, um seine Herkunft zu verschleiern. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.1.2. Der Beschwerdeführer wird seit 07.02.2020 in Schubhaft angehalten, die gesetzliche Frist zur neuerlichen Überprüfung der Schubhaft endet am 11.12.2020.

1.1.3. Bereits am 07.08.2020 wurde der Beschwerdeführer sechs Monate in Schubhaft angehalten. Das Bundesamt ist seiner gesetzlichen Verständigungspflicht über das Vorliegen der Verlängerungsgründe unverzüglich schriftlich und in einer dem Beschwerdeführer verständlichen Sprache in Kenntnis zu setzen bis dato nicht nachgekommen (OZ 6).

Das Bundesverwaltungsgericht hat den Beschwerdeführer mit Verständigung vom 10.12.2020 über das Vorliegen der Verlängerungsgründe schriftlich in arabischer Sprache in Kenntnis gesetzt (OZ 7; OZ 9).

1.1.4. Der Beschwerdeführer ist gesund und haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu medizinischer Versorgung (W140 2228228-10/4: Befund und Gutachten des Amtsarztes vom 13.11.2020).

1.2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

1.2.1. Der Beschwerdeführer stellte am 15.07.2015 unter Verwendung einer Aliasidentität einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Diesem Verfahren entzog sich der Beschwerdeführer durch Untertauchen. Das Asylverfahren wurde daher am 22.09.2015 gemäß § 24 Abs. 1 AsylG eingestellt.

1.2.2. Mit Bescheid vom 16.01.2020 wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung nach Algerien für zulässig erklärt. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.02.2020 wurde der Beschwerde stattgegeben und der Bescheid vom 16.01.2020 behoben.

Am 17.01.2020 wurde der Beschwerdeführer aus der Strafhaft entlassen und in Schubhaft genommen.

Am 18.01.2020 stellte der Beschwerdeführer während Anhaltung in Schubhaft einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, um seine Abschiebung zu verhindern. Mit Bescheid vom 28.01.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen und kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Algerien zulässig ist, keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt, einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt und ein auf die Dauer von 4 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Es liegt eine durchsetzbare eine durchführbare Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer vor.

Am 05.02.2020 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen und über ihn ein gelinderes Mittel verhängt. Dem Beschwerdeführer wurde aufgetragen sich ab dem 05.02.2020 jeden Tag zwischen 18.00 und 22.00 bei einer Polizeiinspektion zu melden. Am 06.02.2020 wurde der Beschwerdeführer in einem Zug auf dem Weg nach Italien aufgegriffen und festgenommen.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.02.2020 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die gegenständliche Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz angeordnet.

1.2.3. Der Beschwerdeführer befand sich von zuletzt von 17.10.2019 bis 17.01.2020 in Justizhaft (Zentrales Melderegister).

1.2.4. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich weder über Familienangehörige noch soziale Bindungen. Er ging in Österreich bisher keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, verfügt über kein Vermögen und keinen eigenen gesicherten Wohnsitz (Anhaltedatei; Einvernahme des Beschwerdeführers vom 07.02.2020; Melderegister).

1.3. Zur Verhältnismäßigkeit und Dauer der Schubhaft

1.3.1. Der Beschwerdeführer weist in Österreich folgende Verurteilung auf:

1.3.1.1. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 13.01.2020 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls, des Vergehens der Urkundenunterdrückung, dem Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel und dem Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden (§§ 223 Abs 2, 224 StGB; § 229 Abs 1 StGB; § 241e Abs 3 StGB; §§ 127, 128 Abs 1 1 Z 5, 130 Abs 1, erster Fall StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe im Ausmaß von 9 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Der Beschwerdeführer hat mit einem Mittäter am 17.10.2019 anderen Personen fremde bewegliche Sachen gewerbsmäßig und mit dem Vorsatz sich daran unrechtmäßig zu bereichern weggenommen, und zwar in einem Hotel eine schwarze Ledertasche samt diverser elektronischer Geräte im Gesamtwert von 500,00 Euro sowie in einem anderen Hotel eine Geldbörse samt Bargeld im Gesamtwert von 400,00 Euro. Der Beschwerdeführer hat mit seinem Mittäter an diesem Tag in einem weiteren Hotel einer Person zwei Taschen mit I-Phones, einem MacBook und einem I-Pad im Gesamtwert von 5.100,00 Euro weggenommen. Dabei haben Sie auch diverse Kundenkarten, einen Führerschein, eine E-Card, eine Geburtsurkunde und eine Jahreskarte eines Verkehrsunternehmens unterdrückt und eine Bankomatkarte entfremdet. Der Beschwerdeführer hat sich am 26.11.2015 mit einem total gefälschten italienischen Personalausweis ausgewiesen.

Bei der Strafbemessung wurden eine einschlägige Vorstrafe und das Zusammentreffen von vier Vergehend erschwerend berücksichtigt, mildernd das umfassende Geständnis und die teilweise Schadensgutmachung. Einer diversionellen Erledigung standen spezial- als auch generalpräventive Gründe entgegen, da sowohl das Handlung- als auch das Gesinnungsunrecht insgesamt eine Unwerthöhe erreichte, die im Wege einer überprüfenden Gesamtwertung als auffallend und ungewöhnlich zu beurteilen war. Die professionelle Vorgehensweise und die gezielte Auswahl von hochpreisigen Hotels, ebenso wie die Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Taschendiebstählen über längere Zeit hindurch ein nach einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung monatlich zumindest 400,00 Euro übersteigendes Einkommen zu verschaffen, und eine einschlägige Vorstrafe begründeten eine diversionsausschließende schwere Schuld (OZ 4).

1.3.2. Der Beschwerdeführer hat in den Asylverfahren unterschiedliche Angaben zu seinem Namen und zu seinem Geburtsdatum gemacht. Der Beschwerdeführer machte auch falsche Angaben zu seiner Staatsangehörigkeit. Der Beschwerdeführer versucht seine Identität zu verschleiern um einer Abschiebung zu entgehen.

1.3.3. Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich dem ersten Asylverfahren durch Untertauchen entzogen. Der Beschwerdeführer hat die Auflage einer täglichen Meldeverpflichtung nicht eingehalten und versucht mit einem Zug nach Italien zu gelangen um einer Abschiebung zu entgehen. Er versuchte sich vor den Behörden verborgen zu halten.

1.3.4. Der Beschwerdeführer stellte während seiner ersten Anhaltung in Schubhaft seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, um seine Abschiebung zu verhindern.

1.3.5. Der Beschwerdeführer begab sich vom 09.02.2020 bis 15.02.2020 sowie vom 13.04.2020 bis 14.04.2020 und zuletzt von 29.10.2020 bis 30.10.2020 während der Anhaltung in Schubhaft in Hungerstreik, um seine Freilassung zu erpressen (Anhaltedatei).

1.3.6. Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Es konnten auch eine Inhaftierung und Verurteilung den Beschwerdeführer nicht zu rechtskonformen Verhalten bewegen. Der Beschwerdeführer ist nicht bereit freiwillig nach Algerien zurückzukehren und er wird sich einer Abschiebung widersetzen. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten, um sich einer Abschiebung zu entziehen.

1.3.7. Das Bundesamt hat zeitgerecht ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates eingeleitet und mehrfach hinsichtlich der Ausstellung eines Heimreisezertifikates urgiert. Der Beschwerdeführer hat bisher verschiedene Identitäten und Staatsangehörigkeiten behauptet. Am 09.07.2020 hat der Beschwerdeführer behauptet einen anderen Namen zu führen und aus Libyen zu stammen. Nach einer Vorführung vor die libysche Vertretungsbehörde wurde die Staatsangehörigkeit von Libyen aufgrund der Widersprüche des Beschwerdeführers, seinen mangelnden Landeskenntnissen und aufgrund seines Dialektes ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer versuchte die Behörden durch dieses Verhalten erneut über seine Identität zu täuschen. Der Identifizierungsprozess des Beschwerdeführers durch die algerische Vertretungsbehörde hat sich aufgrund der Covid-19 Pandemie zwar verzögert, ist jedoch bei der algerischen Vertretungsbehörde in Bearbeitung. Es sind keine Hinweise ersichtlich, dass die Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer innerhalb der gesetzlichen Schubhaftdauer nicht möglich sein wird. Es ist davon auszugehen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers unmittelbar nach der Erlangung eines Heimreisezertifikates effektuiert wird.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes die bisherigen Schubhaftverfahren des Beschwerdeführers betreffend, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem vorliegenden Gerichtsakt sowie den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die Schubhaftverfahren des Beschwerdeführers betreffend. Er ergibt sich ebenfalls aus der Stellungnahme des Bundesamtes vom 03.12.2020 und 09.12.2020, und wurde bis dato nicht bestritten.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1.1. Aus der Stellungnahme des Bundesamtes vom 03.12.2020 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer verschiedene Identitäten führt, um seine Herkunft zu verschleiern. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des Beschwerdeführers. Da der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers abgewiesen wurde, ist der Beschwerdeführer weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.1.2. Dass der Beschwerdeführer seit 07.02.2020 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres. Da die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft zuletzt am 13.11.2020 gerichtlich überprüft wurde, endet die Frist zur neuerlichen Überprüfung am 11.12.2020.

2.1.3. Dass der Beschwerdeführer bereits am 07.08.2020 sechs Monate in Schubhaft angehalten wurde, ergibt sich aufgrund der Anhaltedatei. Dass das Bundesamt seiner gesetzlichen Verständigungspflicht über das Vorliegen der Verlängerungsgründe unverzüglich schriftlich und in einer dem Beschwerdeführer verständlichen Sprache in Kenntnis zu setzen bis dato nicht nachgekommen, ergibt sich aufgrund der Stellungnahme vom 09.12.2020 (OZ 6).

Dass das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer hinsichtlich der Verlängerungsgründe am 10.12.2020 in Kenntnis gesetzt hat, ergibt sich aufgrund des Informationsschreibens und der Übernahmebestätigung vom 10.12.2020 (OZ 7; OZ 9).

2.1.4. Aus dem Akt ergeben sich keine Indizien für eine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers. Dass er Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft. Dazu wurde insbesondere auf Befund und Gutachten des Amtsarztes vom 13.11.2020 rekurriert (W140 2228228-10/4).

2.2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

2.2.1. Die Feststellungen zur falschen Identität und Untertauchen im ersten Asylverfahren und der Einstellung des Verfahrens gründen auf der Stellungnahme des Bundesamtes vom 03.12.2020.

2.2.2. Die Feststellungen zum Bescheid des Bundesamtes vom 16.01.2020 und die Behebung durch das Bundesverwaltungsgericht fußen auf der Stellungnahme des Bundesamtes vom 03.12.2020, ebenso wie die Feststellungen zur Anhaltung in Schubhaft nach der Strafhaft. Dass der Beschwerdeführer am 18.01.2020 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte, um seine Abschiebung zu verhindern und der Verfahrensausgang, ergibt sich aufgrund des Akteninhaltes zur GZ W140 2228228-1/3, der auch den diesbezüglichen Bescheid des Bundesamtes enthält. Die Feststellungen zum gelinderen Mittel und der Verletzung desselben sowie die weitere, gegenständliche Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft fußen auf der Stellungnahme des Bundesamtes vom 03.12.2020 und dem Akteninhalt.

2.2.3. Die Feststellung zur Anhaltung in Justizhaft ergibt sich aufgrund der Eintragungen im Melderegister und dem Akteninhalt.

2.2.4. Die Feststellungen zu den mangelnden familiären, sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkten des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme vom 07.02.2020, die Feststellung, dass der Beschwerdeführer über kein Vermögen verfügt, ergibt sich zudem aufgrund der Einsicht in die Anhaltedatei. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer über einen eigenen gesicherten Wohnsitz verfügt, liegen nicht vor, insbesondere verfügt er aktuell über keine Meldeadresse außerhalb eines Polizeianhaltezentrums, was sich aus dem Melderegister ergibt.

2.3. Zur Verhältnismäßigkeit und Dauer der Schubhaft

2.3.1. Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister sowie in die im Akt aufliegende Urteilsausfertigung.

2.3.2. Die Feststellung zu den unterschiedlichen Identitätsangaben des Beschwerdeführers waren aufgrund des Akteninhaltes festzustellen. Dass der Beschwerdeführer damit versucht seine Identität zu verschleiern, um seiner Abschiebung zu entgehen, lässt sich aufgrund der vielfachen und unterschiedlichen Identitätsangaben ableiten und ist kein anderer Grund als jener der Verhinderung der Abschiebung für das Gericht evident.

2.3.3. Dass sich der Beschwerdeführer seinem ersten Asylverfahren durch Untertauchen entzogen hat und die Auflagen eines gelinderen Mittels bereits am nächsten Tag missachtet hat und versucht hat unrechtmäßig nach Italien weiterzureisen, sich seiner Abschiebung zu entziehen, ergibt sich aufgrund des Akteninhalts.

2.3.4. Ebenso war festzustellen, dass der Beschwerdeführer seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz im Stande der Schubhaft nur stellte, um seine Abschiebung zu verhindern, zumal der Beschwerdeführer bereits mehrere Monate in Österreich aufhältig war und daher jederzeit – vor seiner Anhaltung in Schubhaft – die Möglichkeit hatte, einen Asylantrag zu stellen. Auch das Untertauchen während seines ersten Asylverfahrens bestärkt die Annahme, dass der Beschwerdeführer keinen Schutz vor Verfolgung sucht, sondern dadurch seine Abschiebung vereiteln wollte.

2.3.5. Die Feststellungen zum Hungerstreik fußen aufgrund der Eintragungen in der Anhaltedatei.

2.3.6. Dass der Beschwerdeführer die österreichische Rechtsordnung nicht achtet ergibt sich aufgrund seiner Verurteilung. Der Beschwerdeführer wurde bereits im Jahr 2015 verurteilt und musste er eine Haftstrafe verbüßten, was ihn jedoch nicht zu rechtskonformen Verhalten bewegen konnte. Dass der Beschwerdeführer nicht bereit ist freiwillig auszureisen und dass er sich seiner Abschiebung widersetzen und neuerlich untertauchen wird, war aufgrund seiner eigenen Angaben in der Einvernahme vom 07.02.2020 festzustellen und aufgrund seines Vorverhaltens, wonach er bereits im Jahr 2015 untergetaucht ist und bereits einen Tag nach der Erlassung eines gelinderen Mittels, dieses missachtete, um nach Italien unterzutauchen.

2.3.7. Die Feststellungen zum Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer beruhen auf dem Akteninhalt, insbesondere auf der Stellungnahme des Bundesamtes vom 03.12.2020. Die Feststellungen zum unkooperativen Verhalten des Beschwerdeführers und zu seinen Täuschungsversuchen hinsichtlich seiner Identität ergeben sich ebenso aufgrund dieser Stellungnahme. Aus dem Akteninhalt ergeben sich keine Hinweise auf die Unmöglichkeit der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer. Das erkennende Gericht geht im Entscheidungszeitpunkt davon aus, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers zeitnah nach Erlangung eines Heimreisezertifikates möglich sein wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A) Fortsetzungsausspruch

3.1. Gesetzliche Grundlagen

3.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) lauten (auszugsweise):

Der mit „Begriffsbestimmungen“ betitelte § 2 FPG lautet:

§ 2 (4) Im Sinn dieses Bundesgesetzes ist

1. Fremder: wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt.

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 FPG lautet:

§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 FPG lautet:

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit „Dauer der Schubhaft“ betitelte § 80 lautet:

§ 80 (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1.

drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2.

sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1.

die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.

eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3.

der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4.

die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

3.1.2. Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

§ 22a (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

3.1.3. Art 2 und Art 15 Rückführungsrichtlinie lauten auszugsweise:

„Anwendungsbereich (Rückführungsrichtlinie)

Art 2. (1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige.“

„Inhaftnahme (Rückführungsrichtlinie)

Art 15. (1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, (…)

(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf. 

(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:
a.         mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder,
b.         Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.

…“

3.2. Zur Judikatur

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das BFA eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG - einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Diesen Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann (VwGH vom 11.06.2013, 2013/21/0024).

Wird die Aufrechterhaltung einer - wegen Wegfalls des bisherigen Tatbestandes eigentlich zu beendenden - Schubhaft aber auf einen anderen Grund gestützt, muss es dem Betroffenen möglich sein, die Annahme des Vorliegens des neuen Schubhafttatbestandes mit Beschwerde effektiv zu bekämpfen. Das setzt eine entsprechende Kenntnis vom Austausch des Schubhaftgrundes voraus, sodass die Behörde gegenüber dem Fremden insoweit eine Informationspflicht trifft (Hinweis E VfGH 23. Juni 1994, B 2019/93, VfSlg 13806; Urteil OGH 29. Juli 2005, 14 Os 76/05s). In dieser Konstellation ist daher eine unverzügliche schriftliche Verständigung des Angehaltenen vorzunehmen, wie sie in § 80 Abs 7 FrPolG 2005 vorgesehen ist. Um dem verfassungsrechtlichen Gebot des Art 5 Abs 2 MRK bzw. des Art 4 Abs 6 PersFrSchG 1988 Rechnung zu tragen, wonach jeder Festgenommene in möglichst kurzer Frist und in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe seiner Festnahme unterrichtet werden muss (Hinweis Urteil EGMR 2. Oktober 2008, Appl Nr 34082/02, Rusu gg. Österreich), muss diese Information in einer dem Schubhäftling verständlichen Sprache erfolgen. Nur durch eine solche schriftliche Verständigung wird der Rechtsschutz für den Betroffenen ausreichend gewahrt, wird er doch erst dadurch in die Lage versetzt, die angenommenen Voraussetzungen für die weitere Anhaltung mit einer Schubhaftbeschwerde wirksam zu bekämpfen (VwGH vom 18.12.2008, 2008/21/0582).

3.3. Allgemeine Voraussetzungen

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Gegen den Beschwerdeführer besteht eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme. Daher war die Anhaltung in Schubhaft seit 07.02.2020 gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich.

Mit Eintritt der Rechtskraft der abweisenden Asylentscheidung wurde die aufenthaltsbeendende Maßnahme auch durchsetzbar. Die Überwachung der Ausreise des Beschwerdeführers ist notwendig, daher gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 5 FPG verhängt.

3.4. Fluchtgefahr

Fluchtgefahr ist dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Die Gründe aus denen das Bundesamt die Fluchtgefahr bejahte haben sich seither nicht geändert und geht im vorliegenden Fall das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus:

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert.

Da der Beschwerdeführer durch seine unrechtmäßige Weiterreise nach Italien versucht hat, seine Abschiebung zu umgehen, ist der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Da gegen den Beschwerdeführer eine (mittlerweile rechtskräftige) durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliegt, ist der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 7 FPG zu berücksichtigen, ob der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt.

Nachdem der Beschwerdeführer nach der Erlassung eines gelinderen Mittels im Zug nach Italien festgenommen wurde und er damit den Auflagen des gelinderen Mittels nicht nachgekommen ist, ist auch der Tatbestand der Z 7 leg. cit. erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt sind gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG der Grad der sozialen Verankerung des Fremden in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen.

Das Verfahren hat keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass im Fall des Beschwerdeführers Änderungen im Zusammenhang mit der Ziffer 9 gegeben habe. Insbesondere leben die Freundin und der Sohn des Beschwerdeführers nach seinen Angaben in Paris. Die Existenz von in Österreich lebenden Verwandten wurde von ihm stets verneint. Der Beschwerdeführer verfügt im Inland über keinerlei enge soziale, berufliche oder familiäre Anknüpfungspunkte und ist auch nicht selbsterhaltungsfähig, weshalb keinerlei soziales Netz vorhanden ist, welches ihn vom Untertauchen bewahren könnte. § 76 Abs. 3 Z 9 FPG liegt daher gegenständlich ebenfalls vor.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3, Z 7 und Z 9 FPG vor.

3.5. Sicherungsbedarf

Sicherungsbedarf ist zu bejahen, wenn die Gefahr des Untertauchens des Beschwerdeführers gegeben oder wahrscheinlich ist oder ein wesentliches Erschweren der Abschiebung zu erwarten ist.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers vor Verhängung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, da im Fall des Beschwerdeführers ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben ist. Der Beschwerdeführer hat nach seiner ersten Entlassung aus der Schubhaft unrechtmäßig nach Italien weiterzureisen, um seiner Abschiebung zu entgehen. Gegen den Beschwerdeführer wurde in Einreiseverbot erlassen. Der Beschwerdeführer hat klar zum Ausdruck gebracht, dass er sich seiner Abschiebung nach Algerien widersetzen werde. Es liegt eine den Beschwerdeführer betreffende durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Zeitnah nach der Erlangung eines Heimreisezertifkates wird die Abschiebung des Beschwerdeführers effektuiert. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

In Österreich befinden sich weder nahe Familienangehörige des Beschwerdeführers noch ist er sonst sozial eng verankert. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keinen gefestigten Wohnsitz und auch nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung. Einer legalen Beschäftigung ging er in Österreich bisher nicht nach.

Es ist daher auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.6. Verhältnismäßigkeit

Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der Beschwerdeführer missachtete die Rechtsordnung, wurde straffällig und versuchte sich seiner Abschiebung durch seine unrechtmäßige Weiterreise nach Italien zu entziehen. Daher besteht ein hohes öffentliches Interesse an der baldigen Außerlandesbringung des Beschwerdeführers. Betrachtet man die Interessen des Beschwerdeführers an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der Beschwerdeführer enge familiäre Kontakte und andere enge soziale oder berufliche Kontakte im Inland nicht vorweisen konnte die im Rahmen der Abwägung die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung zu beeinflussen geeignet waren. Der Beschwerdeführer hat mit seiner unrechtmäßigen Weiterreise nach Italien während einem angeordneten gelinderen MIttel zum Ausdruck gebracht, dass er ganz klar keine Unterordnung unter das bestehende Fremdenrechtssystem beabsichtigt und nicht gewillt ist seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Dem gegenüber wiegen die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers, der keine engen Kontakte und keine engen Angehörigen in Österreich hat, weit weniger schwer als das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen – insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers.

Für den Beschwerdeführer wird ein Heimreisezertifikat ausgestellt und sodann zeitnah die Abschiebung effektuiert. Aus derzeitiger Sicht ist damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Einschränkungen im Zusammenhang mit Covid-19 gelockert werden und Abschiebung durchführbar sein wird. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand mit wenigen Monaten, einzustufen. Die Erlangung eines Heimreisezertifikates könnte durch die Mitwirkung und Kooperation des Beschwerdeführers beschleunigt werden. Der Beschwerdeführer hat sich bisher jedoch nicht kooperativ verhalten, sondern versucht seine Identität durch falsche Angaben zu verschleiern.

Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft zum Entscheidungszeitpunkt das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

3.6.1. Dauer der Schubhaft

Zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer noch vor dem Hintergrund der zulässigen Dauer einer Anhaltung in Schubhaft in Schubhaft angehalten werden darf und allenfalls in weiterer Folge, ob eine Abschiebung des Beschwerdeführers noch innerhalb der noch zur Verfügung stehenden, zulässigen Dauer der Schubhaft bewerkstelligt werden kann.

Eine Verlängerung der Schubhaft über den Zeitraum von sechs Monaten gemäß § 80 Abs. 2 Z 2 FPG ist im vorliegenden Fall, mangels Anwendbarkeit von § 80 Abs. 3 und Abs. 5 FPG nur unter den Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 zulässig.

3.6.1.1. Aus den erläuternden Bemerkungen zu § 80 FPG (RV 1523 BlgNR XXV. GP 2, Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 – FrÄG 2017) ergibt sich:

„Schließlich wird durch die Änderung des § 80 FPG einerseits die Regelung der höchstzulässigen Dauer der Schubhaft den Vorgaben des Unionsrechts auf Grund der Richtlinie 2008/115/EG über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. Nr. L 348 vom 24.12.2008 S. 98 (im Folgenden: „Rückführungs-RL“) angepasst.“

Mit § 80 FPG wird die Bestimmung des Art. 15 Rückführungs-RL umgesetzt. Ist eine Anhaltung des Fremden in Schubhaft über die übliche Dauer gemäß § 80 Abs. 2 FPG vorgesehen und fällt daher die Überprüfung einer Anhaltung in Schubhaft in den Anwendungsbereich der Rückführungs-RL, ist die innerstaatliche Bestimmung des § 80 FPG richtlinienkonform auszulegen.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich gemäß Art. 2 Abs. 1 Rückführungs-RL um einen Drittstaatsangehörigen, der sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates aufhält. Die Rückführungs-RL ist im gegenständlichen Fall daher anwendbar und die Bestimmung des § 80 FPG daher im Sinne der Rückführungs-RL auszulegen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten