TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/10 W117 2232040-7

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Veröffentlicht am 10.12.2020
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Entscheidungsdatum

10.12.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W117 2232040-7/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 1114628701/200229230 zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung von XXXX , XXXX , in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) stellte am 12.05.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 24.05.2016 vollinhaltlich abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig sei und ein für die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.09.2016 als unbegründet abgewiesen. Eine Zustellung des Erkenntnisses an den BF war nicht möglich, da er an seiner Meldeadresse nicht mehr aufhältig war. Der BF ist untergetaucht und hat sich seiner Abschiebung entzogen.

2. Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und wurde in Österreich straffällig. Zuletzt befand er sich von 29.11.2017 bis 02.03.2020 in gerichtlicher Strafhaft. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 02.03.2020 wurde über den BF Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der BF wird seit 02.03.2020 in Schubhaft angehalten.

3. Die für den 14.03.2020 organisierte begleitete Abschiebung des BF auf dem Luftweg musste am 13.03.2020 storniert werden, da dafür erforderliche Flugverbindungen auf Grund der COVID-19-Pandemie kurzfristig nicht durchgeführt wurden.

4. Am 04.11.2020 stellte der BF während der Anhaltung in Schubhaft einen Asylfolgeantrag. Das Bundesamt stellte mit Aktenvermerk vom 04.11.2020 fest, dass Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der BF den Asylantrag in Verzögerungsabsicht gestellt hat, weshalb die Schubhaft aufrecht erhalten werde. Dieser Aktenvermerk wurde dem BF am 04.11.2020 nachweislich zur Kenntnis gebracht.

5. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.06.2020, 29.07.2020, 27.08.2020, 22.09.2020 und 20.10.2020 wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig war.

6. Am 11.11.2020 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt neuerlich zur amtswegigen Prüfung gemäß § 22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG vor.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.11.2020, W250 2232040-6/9E verlängerte der zuständige Einzelrichter die Schubhaft und sprach gleizeitig damit aus, dass diese verhältnismäßig sei; das Bundesverwaltungegricht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:

„1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang (I.1. – I.6.)

Der unter Punkt I.1. – I.6. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Für den BF wurde unter den im Spruch genannten Identitätsdaten die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugesagt. Dokumente, die seine Identität bescheinigen, hat der BF nicht vorgelegt. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Der BF wird seit 02.03.2020 in Schubhaft angehalten, die gesetzliche Frist zur neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft endet am 17.11.2020.

2.3. Der BF ist haftfähig und hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:

3.1. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 24.05.2016 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist. Gleichzeitig wurde gegen den BF ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.09.2016 abgewiesen.

3.2. Eine Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.09.2016 an den BF war nicht möglich, da er sich an seiner Meldeadresse nicht mehr aufhielt. Der BF hat sich damit seinem Asylverfahren bzw. seiner Abschiebung entzogen.

3.3. Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach, sondern wurde in Österreich straffällig. Der BF achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Selbst eine gerichtliche Verurteilung konnte den BF nicht zu einem rechtskonformen Verhalten bewegen.

3.4. Der BF verfügt in Österreich über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. Er geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt über keine eigenen finanziellen Mittel zur Existenzsicherung. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der BF ist in Österreich weder nennenswert sozial noch beruflich verankert. In Österreich leben keine Familienangehörigen des BF.

3.5. Am 17.06.2020 wurden bei einer Zellenkontrolle neben dem Bett des BF in einer kleinen Essensbox ein Ladekabel sowie 15 runde Filmtabletten vorgefunden. Der diensthabende Sanitäter gab an, dass es sich bei den Tabletten um SEROQUEL handelt, welches eine Art Beruhigungsmedikament ist. Der BF erhält dieses Medikament jedoch nicht von der Sanitätsstelle.

3.6. Am 13.09.2020 unternahm der BF mit anderen einen Fluchtversuch, er war dabei auf Videoaufzeichnungen zu sehen, wie er zu flüchten versuchte.

3.7. Am 04.11.2020 stellte der BF während seiner Anhaltung in Schubhaft einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem Zeitpunkt war die mit Bescheid des Bundesamtes vom 24.05.2016 erlassene Rückkehrentscheidung durchsetzbar.

4. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:

4.1. Der BF weist in Österreich folgende strafgerichtliche Verurteilungen auf:

4.1.1. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 06.07.2017 wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall Suchtmittelgesetz – SMG sowie wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 Strafgesetzbuch zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, die unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

Der BF hat im Zeitraum 01.06.2016 bis 01.10.2016 vorschriftswidrig Suchtgift – und zwar Cannabiskraut – in einer Menge von 2.000 Gramm zu einem Preis von EUR 10.000,-- einem anderen durch gewinnbringenden Verkauf überlassen. Der BF war zum Zeitpunkt der Tat nicht an Suchtmittel gewöhnt, er beging daher die Taten nicht vorwiegend dazu, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu beschaffen, der Erlös sollte vielmehr zur Finanzierung seines allgemeinen Lebensbedarfs verwendet werden.

Anfang Oktober 2016 hat der BF einen anderen im Zusammenhang mit der Lieferung von 500 Gramm Marihuana im Betrag von EUR 2.500,-- geschädigt.

4.1.2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 05.03.2018 wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 4 Z. 3 SMG und wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt. Gleichzeitig wurde die zum Urteil vom 06.07.2017 gewährte Strafnachsicht widerrufen.

Der BF hat in der Zeit zwischen Mitte September 2017 und 29.11.2017 während zumindest zehn Wochen wöchentlich durchschnittlich 1,5 Kilogramm, insgesamt daher 15.000 Gramm, Cannabisharz unbekannten Abnehmern überlassen. Außerdem hat er bis 29.11.2017 1.797,4 Gramm Cannabisharz mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde.

4.2. Von der algerischen Vertretungsbehörde wurde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugesagt, die begleitete Abschiebung des BF war bereits für den 14.03.2020 organisiert. Auf Grund der weltweiten COVID-19-Pandemie und den damit einhergehenden Reisebeschränkungen konnte die Abschiebung bisher nicht durchgeführt werden.

4.3. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit der letzten Überprüfung ihrer Verhältnismäßigkeit zu Gunsten des BF hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren des BF betreffend, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang, zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft:

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend, aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren des BF betreffend, aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister sowie aus dem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister und aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1.2. Die Feststellungen zur Identität des BF beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes, insbesondere auf den Unterlagen zur Vorbereitung seiner Abschiebung unter Bezugnahme auf jene Identitätsdaten, unter denen von der algerischen Vertretungsbehörde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugesagt wurde. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des BF. Da sein Asylantrag rechtskräftig vollinhaltlich abgewiesen und über den Asylfolgeantrag noch nicht entschieden wurde, handelt es sich beim BF weder um einen Asylberechtigten noch um einen subsidiär Schutzberechtigten.

1.3. Der Zeitpunkt, seit dem der BF in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei.

1.4. Dem Verwaltungsakt sind keine Hinweise auf gesundheitliche Probleme des BF zu entnehmen, auch in der Anhaltedatei finden sich keine Eintragungen von Arztbesuchen, die auf eine Erkrankung des BF hinweisen. In der Erstbefragung vom 04.11.2020 gab der BF ebenfalls keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen an. Insofern konnten die Feststellungen zur Haftfähigkeit des BF getroffen werden. Dass der BF Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.

2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:

2.1. Die Feststellungen zu der mit Bescheid des Bundesamtes vom 24.05.2016 gegen den BF erlassenen Rückkehrentscheidung und dem auf die Dauer von drei Jahren befristet erlassenen Einreiseverbot beruhen auf einer Einsichtnahme in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen diesen Bescheid betreffend.

2.2. Aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren des BF betreffend ergibt sich auf Grund eines Berichtes der um Zustellung des Erkenntnisses vom 20.09.2016 ersuchten Polizeiinspektion, dass sich der BF nicht mehr an seiner Meldeadresse aufhielt. Von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes wurde auch die Wohnungsinhaberin nach dem Aufenthalt des BF befragt, wobei diese angab, dass die Wohnung bereits seit längerer Zeit leerstehe und sie keine Angaben zum Aufenthaltsort des BF machen könne. Es konnte daher festgestellt werden, dass sich der BF seinem Asylverfahren bzw. seiner Abschiebung entzogen hat.

2.3. Aus den vom Bundesamt vorgelegten Urteilen ergibt sich, dass der BF im Zeitraum von 01.06.2016 bis 01.10.2016 sowie zwischen Mitte September 2017 und 29.11.2017 in Österreich Straftaten begangen hat. Es konnte daher festgestellt werden, dass der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkam und straffällig wurde. Dass er die österreichische Rechtsordnung nicht achtet, ergibt sich sowohl aus seinem unrechtmäßigen Verbleib in Österreich sowie aus seinem wiederholten strafrechtlichen Verhalten, das der BF trotz einer bereits erfolgten strafgerichtlichen Verurteilung zeigte.

2.4. Dass der BF in Österreich über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz verfügt ergibt sich aus dem Zentralen Melderegister. Er weist lediglich eine Meldeadresse in einem Polizeianhaltezentrum auf und wurde davor seit 29.11.2017 in Untersuchungs- bzw. Strafhaft angehalten. Aus seiner langjährigen Anhaltung in Gerichtshaft ergibt sich auch, dass er in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgeht. Aus den in der Anhaltedatei vermerkten finanziellen Mittel des BF ergibt sich, dass er über keine eigenen finanziellen Mittel zur Existenzsicherung verfügt. Dass der BF nicht selbsterhaltungsfähig ist ergibt sich zudem aus dem Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem, wonach der BF – mit Unterbrechungen auf Grund seines Untertauchens – bis zur Anordnung der Untersuchungshaft in der Grundversorgung betreut wurde. Dass der BF in Österreich weder nennenswert sozial noch beruflich verankert ist und in Österreich über keine Familienangehörigen verfügt ergibt sich aus seinen Angaben in den bisherigen Verfahren. Gestützt wird diese Feststellung auch durch die Eintragungen in der Anhaltedatei, laut denen er lediglich zwei Mal, und zwar am 04.03.2020 und am 08.03.2020, Besuch in der Schubhaft erhalten hat.

2.5. Die Feststellungen zum Fund von einem Ladekabel und Medikamenten in der Zelle des BF sowie zu seinem Fluchtversuch beruhen auf den diesbezüglichen Eintragungen in der Anhaltedatei.

2.6. Dass der BF am 04.11.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere auch aus der am 04.11.2020 diesbezüglich durchgeführten Erstbefragung. Dass der BF zu diesem Zeitpunkt in Schubhaft angehalten wurde und eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag, ergibt sich ebenfalls aus dem Akteninhalt.

3. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:

3.1. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister sowie auf den vom Bundesamt vorgelegten Ausfertigungen der beiden Urteile.

3.2. Die Feststellungen zu der von der algerischen Vertretungsbehörde zugesagten Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF sowie zu Vorbereitung und Stornierung der Abschiebung des BF ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.

3.3. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit ihrer letzten Überprüfung ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist.

3.1.4. Da der BF am 04.11.2020 im Stande der Schubhaft einen Asylfolgeantrag gestellt und das Bundesamt mit Aktenvermerk vom 04.11.2020 festgestellt hat, dass Gründe für die Annahme vorliegen, dass der BF diesen Antrag in Verzögerungsabsicht gestellt hat, gründet die ggst. Schubhaft im Entscheidungszeitpunkt auf § 76 Abs. 6 FPG. Da der BF bei seiner Erstbefragung am 04.11.2020 angab, dass ihm die Fluchtgründe, die ihn zur neuerlichen Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz bewogen haben, seit zwei Jahren bekannt seien, sind die Ausführungen des Bundesamtes zur Verzögerungsabsicht des BF nachvollziehbar und auf Grund des Versuches des BF aus der Schubhaft zu fliehen auch nachvollziehbar.

3.1.5. Da sich der BF bereits einmal seinem Asylverfahren bzw. seiner Abschiebung entzogen hat, er im Stande der Schubhaft einen Asylantrag gestellt hat wobei im Zeitpunkt der Antragstellung überdies eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag und er keinerlei soziale, familiäre oder berufliche Anknüpfungspunkte in Österreich aufweist und weder über einen eigenen gesicherten Wohnsitz noch über die finanziellen Mittel zur Finanzierung seines Aufenthaltes verfügt, ist weiterhin im Sinne des § 76 Abs. 3 Z. 1, 5 und 9 FPG von Fluchtgefahr auszugehen.

3.1.6. Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Verhängung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, da im Fall des BF ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben ist. Der BF hat noch während sein Asylverfahren anhängig war Straftaten begangen, er ist untergetaucht und hat sich damit seinem Asylverfahren und seiner Abschiebung entzogen. Anstatt seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen ist er unrechtmäßig in Österreich verblieben und hat wiederholt Straftaten begangen. Überdies hat der BF während seiner Anhaltung in Schubhaft ein Ladekabel sowie Medikamente in seiner Zelle versteckt und versucht aus dem Polizeianhaltezentrum auszubrechen.

In Österreich befinden sich weder Familienangehörige des BF noch ist er sonst sozial verankert. Der BF verfügt in Österreich über keinen gefestigten Wohnsitz und auch nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung. Einer legalen Beschäftigung ging er in Österreich bisher nicht nach.

Es ist daher auch weiterhin Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.7. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der BF hat keinerlei familiäre oder soziale Bindungen in Österreich. Einer legalen Erwerbstätigkeit ging der BF in Österreich nicht nach. Er tauchte während seines Asylverfahrens unter und entzog sich damit auch seiner Abschiebung.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Der BF weist Vorstrafen nach dem Suchtmittelgesetz auf, wobei sich der Zeitraum, in dem er die strafbaren Handlungen gesetzt hat, von 01.06.2016 bis 01.10.2016 sowie von Mitte September 2017 bis 29.11.2017 erstreckt. Seine erste strafbare Handlung nach dem Suchmittelgesetz hat der BF damit bereits wenige Wochen nach der Stellung seines Antrages auf internationalen Schutz in Österreich begangen. Gerade an der Verhinderung von Drogenkriminalität besteht ein besonders hohes öffentliches Interesse. Diesem hat der BF massiv zuwidergehandelt, da er wiederholt das Verbrechen des Suchtgifthandels begangen hat. Die gesamte Menge an Suchtgift, die jenen Taten, die dem BF nachgewiesen werden konnten, zugrunde liegen, beträgt 2 Kilogramm Cannabiskraut und 15 Kilogramm Cannabisharz. Durch den Verkauf des Suchtgiftes hat sich der ansonsten mittellose BF eine wesentliche Einnahmequelle erschlossen, da er 2 Kilogramm Cannabiskraut zum Gesamtpreis von EUR 10.000,-- verkauft hat. Die besondere Verwerflichkeit dieser Taten manifestiert sich nicht nur im langen Deliktszeitraum sondern insbesondere darin, dass der BF nach seiner strafgerichtlichen Verurteilung wegen der von 01.06.2016 bis 01.10.2016 begangenen Verbrechen trotz seiner Anhaltung in Untersuchungshaft und dem dadurch verspürten Haftübel bereits zwei Monate nach seiner Verurteilung wegen Suchtgifthandel erneut mit Suchtgift handelte und 15 Kilogramm Cannabisharz in Verkehr brachte.

Es ist auf die mit der Suchtgiftkriminalität im Allgemeinen verbundene große Wiederholungsgefahr hinzuweisen, von der auch im vorliegenden Fall angesichts der Mittellosigkeit des BF in Verbindung mit dem in der Vergangenheit gezeigten Verhalten auszugehen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat in Bezug auf Suchtmitteldelinquenz wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH 22.11.2012, 2011/23/0556; 20.12.2012, 2011/23/0554).

Es ist daher davon auszugehen, dass der BF auch künftig Straftaten nach dem Suchtmittelgesetz – insbesondere das Verbrechen des Suchtgifthandels – begehen wird, sodass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit massiv gefährdet und ein besonders hohes öffentliches Interesse an der baldigen Außerlandesbringung des BF besteht.

Die Dauer der Schubhaft ist auf die mit der COVID-19-Pandemie verbundene Unmöglichkeit der Durchführung der geplanten Abschiebung auf dem Luftweg zurückzuführen. Die damit verbundenen Reisebeschränkungen mindern die Fluchtgefahr nicht und ist auch die Aufrechterhaltung der Schubhaft in Erwartung einer Lockerung der Reisebeschränkungen aufrecht zu erhalten (vgl. VwGH vom 12.05.2020, Ra 2020/21/0094-8).

Durch die neuerliche Antragstellung des BF steht nunmehr nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Vordergrund (vgl. VwGH vom 19.09.2019, Ra 2019/21/0204). Dieses Verfahren ist seit 04.11.2020 beim Bundesamt anhängig, sodass diesbezüglich jedenfalls noch keine Unverhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft vorliegt.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des BF daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung. Der BF hat bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass er die ihn treffenden Verpflichtungen nicht einhält und er zur Finanzierung seines unrechtmäßigen Aufenthaltes auch vor der Begehung gerichtlich strafbarer Handlungen nicht zurückschreckt. Im Verfahren liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er dieses Verhalten in Zukunft ändern wird.

Die angeordnete Schubhaft erfüllt daher unter Berücksichtigung der gemäß § 80 Abs. 5 FPG möglichen Schubhafthöchstdauer von 10 Monaten auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit.

3.1.8. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung kann auf Grund der fehlenden finanziellen Mittel des BF nicht zur Anwendung kommen. Aber auch die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des neuerlichen Untertauchens des BF besteht. Da gegen den BF bereits eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen wurde und die Zustimmung der algerischen Vertretungsbehörde zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF besteht, ist nicht zu erwarten, dass ein gelinderes Mittel für die Sicherung des Verfahrens und in weiterer Folge für die Sicherung seiner Abschiebung ausreichend ist. Dies insbesondere auch deshalb, da der BF bereits versucht hat, aus der Schubhaft zu flüchten. Insofern ist von keinerlei Kooperationsbereitschaft, die jedoch unabdingbare Voraussetzung für die Anordnung eines gelinderen Mittels ist, auszugehen.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.9. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, das Asylverfahren und in weiterer Folge die Außerlandesbringung des BF zu sichern.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.1.10. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

Die Verwaltungsbehörde legte am 04.12.2020 die Akten neuerlich vor und gab im Rahmen einer Stellungnahme entscheidungswesentlich an: „Seit 04.11.2020 ist ein Verfahren zum internationalen Schutz laufend.“ Und ergänzend im Email vom 04.11.2020: „Ab Jänner gibt es wieder Flüge nach Algerien.“

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 

Feststellungen:

Die vom Bundesverwaltungsgericht im oben angeführten Vorerkenntnis getroffenen und im Verfahrensgang dargestellten Feststellungen werden, soweit zitiert, zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben.

Ergänzend wird festgestellt:

Seit 04.11.2020 ist ein Verfahren zum internationalen Schutz laufend. Ab Jänner 2021 gibt es wieder Flüge nach Algerien.

Es sind zwischenzeitlich keine Umstände eingetreten, die auch nur ansatzweise für eine Freilassung des Beschwerdeführers sprechen.

Beweiswürdigung:

Hinsichtlich der vom angeführten Vorerkenntnis übernommenen Feststellungen ist auf die eindeutige Aktenlage im Zusammenhang mit den erwägenden Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes im Vorerkenntnis zu verweisen.

Die ergänzende Feststellung ergibt sich aus der Stellungnahme der Verwaltungsbehörde und den Angaben im Email vom 04.12.2020 sowie der sich aus allen Sachverhaltsparametern zwingend abzuleitenden Schlussfolgerung des Nichtvorliegens von für die Freilassung des Beschwerdeführers sprechender Umstände – nochmals ist darauf im Besonderen hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer offensichtlich mit seiner neuerlichen Asylantragstellung alles daran setzt, seine Abschiebung zu verhindern.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage und des Inhaltes der Stellungnahme der belangten Behörde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Fortsetzungsausspruch:

Gesetzliche Grundlagen

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) lauten (auszugsweise):

Der mit „Begriffsbestimmungen“ betitelte § 2 FPG lautet:

§ 2 (4) Im Sinn dieses Bundesgesetzes ist

1. Fremder: wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt.

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 FPG lautet:

§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 FPG lautet:

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit „Dauer der Schubhaft“ betitelte § 80 lautet:

§ 80 (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1.

drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2.

sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1.

die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.

eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3.

der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4.

die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

§ 22a (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

3.2. Zur Judikatur

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das BFA eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG - einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

Vor dem Hintergrund des aktuell feststehenden Sachverhaltes, welcher aber in seiner Kernsubstanz des Bestehens von Fluchtgefahr bereits dem angeführten Vorerkenntnis zugrunde gelegt wurde und auch keine zwischenzeitlich für den Beschwerdeführer sprechenden Änderungen auf Sachverhaltsebene zu konstatieren waren, wird daher die rechtliche Beurteilung des Vorerkenntnisses, soweit zitiert, zur gegenständlich rechtlichen Beurteilung erhoben, wobei in diesem Zusammenhang nochmals darauf hinzuweisen ist, dass der Beschwerdeführer, wie oben ausgeführt, aufgrund seiner massiven Straffälligkeit (Drogenhandel im großen Umfang!) weiterhin als Gefahr für Österreich anzusehen ist – siehe nachfolgende Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit.

Die weitere Anhaltung zur Sicherung der gesetzlich zwingend vorgesehenen Durchsetzung fremdenrechtlicher Normen ist daher gerade unter dem Aspekt des §76 Abs. 2a FPG wegen seiner schon mehrfach angeführten massiven Straffälligkeit geboten und insofern auch verhältnismäßig.

Sie stößt weiters auf keine Bedenken vor dem Hintergrund des Art 15 Abs 6 lit a der Rückführungs-RL, welcher darauf abstellt, dass sich eine Abschiebung aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft des Drittstaatsangehörigen (hier: des Beschwerdeführers) verzögert und deswegen die Schubhaft länger als sechs Monate währen kann, da der Beschwerdeführer am 04.11.2020 eine Asylantrag in Verzögerungsabsicht stellte und sohin diese mangelnde Kooperationsbereitschaft wegen des aktuell laufenden Verfahrens kausal für die Verzögerung der drohenden Abschiebung ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Ausreisewilligkeit Einreiseverbot Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft Kooperation Meldeadresse Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt Ultima Ratio Untertauchen Vereitelung Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W117.2232040.7.00

Im RIS seit

23.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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