TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/23 W251 2236895-1

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Veröffentlicht am 23.11.2020
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Entscheidungsdatum

23.11.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W251 2236895-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Marokko, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 14.09.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Dieser Antrag wurde zur Gänze abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

2. Der Beschwerdeführer tauchte unter und stellte am 09.06.2016 in Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz. Er stellte am 23.10.2016 in den Niederlanden einen Antrag auf internationalen Schutz. Er stellte am 11.05.2017 in Luxemburg einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer wurde am 08.06.2017 nach Österreich überstellt.

3. Der Beschwerdeführer wurde in Österreich mehrfach von einem Strafgericht verurteilt. Er stellte am 29.06.2020 während seiner Anhaltung in Strafhaft erneut einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 20.07.2020 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.

Er wurde am 23.07.2020 nach Verbüßung einer Strafhaft in Schubhaft genommen.

5. Der Beschwerdeführer wird seit 23.07.2020 in Schubhaft angehalten.

6. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.07.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wegen entschiedener Rechtssache zurückgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.08.2020 abgewiesen.

7. Das Bundesamt stellte am 12.10.2015 einen Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikats bei der Botschaft von Marokko. Das Bundesamt urgierte diesen Antrag mehrfach. Da die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers nicht mit Sicherheit feststeht wurde am 20.04.2020 an die algerische Botschaft, am 17.04.2020 an die tunesische Botschaft sowie am 20.04.2020 an die libysche Botschaft ein Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikats gestellt. Diese Anträge wurden mehrfach urgiert. Ein Interview bei der algerischen Botschaft am 18.09.2020 ergab, dass der Beschwerdeführer Algerier, Marokkaner oder Tunesier ist. Ein Interview bei der Botschaft von Libyen am 02.10.2020 ergab, dass der Beschwerdeführer kein libyscher Staatsangehöriger ist, sondern wahrscheinlich marokkanischer Staatsangehöriger.

5. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 13.11.2020 die Akten gemäß §22a BFA-VG zur neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 14.09.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser Antrag wurde zur Gänze abgewiesen und ist in Rechtskraft erwachsen.

1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.11.2015 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist. Es wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen, da dieser mehrfach von einem Strafgericht verurteilt wurde.

1.3. Der Beschwerdeführer tauchte unter. Er stellte am 09.06.2016 in Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz. Er stellte am 23.10.2016 in den Niederlanden einen Antrag auf internationalen Schutz. Er stellte am 11.05.2017 in Luxemburg einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer wurde am 08.06.2017 von den Niederlanden nach Österreich überstellt. Aufgrund des dringenden Verdachts der Verübung von Straftaten wurde der Beschwerdeführer in Untersuchungshaft genommen.

1.4. Der Beschwerdeführer wurde mehrfach von einem Strafgericht verurteilt.

1.5. Er stellte am 29.06.2020 während seiner Anhaltung in Strafhaft erneut einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.6. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 20.07.2020 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.

1.7. Der Beschwerdeführer wurde am 23.07.2020 nach Verbüßung einer Strafhaft in Schubhaft genommen.

1.8. Der Beschwerdeführer wird seit 23.07.2020 in Schubhaft angehalten.

1.9. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.07.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wegen entschiedener Rechtssache zurückgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.08.2020 abgewiesen.

1.10. Das Bundesamt stellte am 12.10.2015 einen Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikats bei der Botschaft von Marokko. Das Bundesamt urgierte diesen Antrag mehrfach. Da die Staatsangehörigkeit und die Identität des Beschwerdeführers nicht mit Sicherheit feststeht, wurde am 20.04.2020 an die algerische Botschaft, am 17.04.2020 an die tunesische Botschaft sowie am 20.04.2020 an die lybische Botschaft ein Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikats gestellt. Diese Anträge wurden mehrfach und regelmäßig urgiert.

Das Bundesamt erneuerte seinen Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikats am 23.07.2020 bei der marokkanischen Botschaft durch erneute persönliche Antragsübergabe. Das Bundesamt urgierte diesen Antrag am 15.09.2020, am 14.10.2020 sowie am 12.11.2020.

Ein Interview bei der algerischen Botschaft am 18.09.2020 ergab, dass der Beschwerdeführer Algerier, Marokkaner oder Tunesier ist.

Ein Interview bei der Botschaft von Libyen am 02.10.2020 ergab, dass der Beschwerdeführer kein libyscher Staatsangehöriger ist, sondern wahrscheinlich marokkanischer Staatsangehöriger.

Am 11.11.2020 ersuchte das Bundesamt das Bundeskriminalamt um Abgleich der Personendaten des Beschwerdeführers in Marokko, Algerien und Tunesien. Diesbezügliche Ergebnisse liegen derzeit noch nicht vor.

2. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der Beschwerdeführer besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft nicht, er besitzt auch keine Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

2.3. Der Beschwerdeführer ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

3.1. Der Beschwerdeführer weist in Österreich folgende strafgerichtlichen Verurteilungen auf:

3.1.1. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 09.01.2013 wurde der Beschwerdeführer wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz (§ 27 Abs. 1, Z 1 achter Fall, § 27 Abs 3, § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG) aufgrund einer Jugendstraftat zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt, wobei die Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Der Beschwerdeführer hat am 10.12.2012 10,3 Gramm Cannabiskraut erworben und besessen sowie 2,1 Gramm Cannabiskraut durch gewinnbringenden Verkauf einem verdeckten Ermittler überlassen, wobei er diese Straftat gewerbsmäßig beging.

Das Gericht wertete den bisherigen ordentlichen Lebenswandel als mildernd. Das Zusammentreffen von mehreren Vergehen wurde erschwerend gewertet.

3.1.2. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 02.05.2013 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des schweren Raubes (§§ 142 ABs 1, 143 zweiter Fall StGB) aufgrund einer Jugendstraftat zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Ein Teil der Freiheitsstrafe von 16 Monaten wurde unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.

Der Beschwerdeführer hat am 18.12.2012 mit einem weiteren Mittäter im bewussten und gewollten Zusammenwirken ein Messer gegen einen Dritten gerichtet und diesen dadurch bedroht sowie diesem die Geldbörse gewaltsam entrissen und dadurch Bargeld in nicht feststellbarer Höhe (unter EUR 10) weggenommen.

Das Gericht wertete den bisherigen ordentlichen Lebenswandel sowie den geringen Schaden beim schweren Raub als mildern. Als erschwerend wurde das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen gewertet.

3.1.3. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 14.10.2013 wurde der Beschwerdeführer wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz (§ 27 Abs 1 achter Fall, § 27 Abs 3 SMG, § 15 StGB) aufgrund einer Jugendstraftat zu einer Freiheitsstrafe von 6 Wochen verurteilt.

Der Beschwerdeführer hat am 16.07.2013 ein Säckchen Marihuana besessen.

Das Gericht wertete den Umstand, dass es beim Versuch geblieben ist und der Beschwerdeführer auch in der Opferrolle war als mildernd. Als erschwerend wurden die einschlägigen Vorstrafen gewertet.

3.1.4. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 02.12.2014 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch wegen der Vergehen der Urkundenunterdrückung und wegen der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel (§ 241e Abs 3 StGB, § 229 Abs 1 StGB, § 127, 129 Z 1 StGB) als junger Erwachsener zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt.

Der Beschwerdeführer hat am 22.05.2014 die Fensterscheibe eines PKW eingeschlagen und aus dem Inneren eine Geldbörse mit EUR 50,00 an Bargeld sowie ein Handy im Wert von EUR 300,00 weggenommen. Er hat die in der Geldbörse befindlichen Urkunden, nämlich einen Führerschein und eine E-Card weggeworfen und dadurch unterdrückt. Er hat ebenso die in der Geldbörse befindlichen Bankomatkarten unterdrückt.

Das Gericht wertete das Geständnis und die Begehung im Alter unter 21 Jahren als mildernd. Als erschwerend wertete das Gericht das durch drei einschlägige Vorstrafen belastete Vorleben und das Zusammentreffen von einem Verbrechen und vier Vergehen.

3.1.5. Mit Urteil eines Bezirksgerichts vom 13.03.2015 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung (§83 Abs 1 StGB) als junger Erwachsener verurteilt, unter Einbeziehung des Strafurteils vom 02.12.2014 wurde keine weitere Zusatzstrafe erteilt.

Der Beschwerdeführer und ein anderer Insasse einer Justizanstalt haben sich am 09.11.2014 gegenseitig am Körper verletzt.

Das Gericht wertete als mildernd die Begehung der Tat vor Vollendung des 21. Lebensjahres sowie das Geständnis. Als erschwerend wurden die Vorstrafen gewertet.

3.1.6. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 28.07.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen der Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch (§§ 127, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 2 StGB) als junger Erwachsener zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt.

Der Beschwerdeführer hat am 18.03.2016 EUR 80 an Bargeld sowie eine Sonnenbrille aus einem PKW gestohlen, indem er die Fensterscheibe durch Einschlagen aufbrach und die Gegenstände entwendete. Er hat am 18.03.2016 ein weiteres Auto aufgebrochen und ein Mobiltelefon sowie EUR 200 an Bargeld weggenommen. Er hat am 10.03.2016 ein Auto aufgebrochen und eine Schultasche weggenommen. Er hat am 09.03.2016 ein Auto aufgebrochen und Bargeld, Werkzeug sowie einen Rucksack im Gesamtwert von EUR 400 weggenommen. Er hat am 09.03.2016 ein Auto aufgebrochen und Werkzeug im Gesamtwert von EUR 960 weggenommen. Er hat am 09.03.2016 ein Auto aufgebrochen und einen Laptop im Gesamtwert von EUR 150 weggenommen. Er hat versucht dreimal am 18.03.2016, zweimal am 10.03.2016 sowie einmal am 09.03.2016 stehlenswertes Gut durch Einbruch in einen PKW wegzunehmen, wobei es beim Versuch blieb.

Das Gericht wertete das Geständnis, die Tatbegehung vor dem 21. Lebensjahr sowie den teilweisen Versuch als mildernd. Erschwerend wurden die vier einschlägigen Vorstrafen, der rasche Rückfall und die mehrfache Tatwiederholung gewertet.

3.1.7. Mit Urteil eines Bezirksgerichts vom 15.01.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung (§83 Abs 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 4 Wochen verurteilt.

Der Beschwerdeführer und ein anderer Insasse einer Justizanstalt haben sich durch das Versetzen von Faustschlägen gegenseitig am Körper verletzt, wobei die Provokation vom Beschwerdeführer ausging. Der Beschwerdeführer fügte dem anderen Insassen durch die Faustschläge Prellungen an der linken Schulter, am Abdomen links sowie am linken Handgelenk zu.

Das Gericht wertete als mildernd, dass bei der Auseinandersetzung auch der Beschwerdeführer selber verletzt wurde. Als erschwerend wurden die einschlägigen Vorstrafen gewertet.

3.1.8. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 16.01.2020 wurde der Beschwerdeführer wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt (§ 15 StGB, 269 Abs 1 dritter Fall StGB) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 6 Wochen verurteilt.

Der Beschwerdeführer hat am 01.11.2019 versucht zwei Justizbeamte an einer Amtshandlung zu hindern, nämlich an seiner Fixierung und seiner Verbringung in den Isolationsraum. Er hat versucht sich loszureißen, schlug und trat wild um sich und versuchte einem Justizwachebeamten einen gezielten Stoß zu versetzen.

Das Gericht wertete mildern, dass es beim Versuch geblieben ist. Erschwerend wurden die einschlägigen Vorstrafen gewertet.

3.2. Der Beschwerdeführer hat sich in mehreren EU-Staaten dem Asylverfahren durch Untertauchen entzogen.

3.3. Der Beschwerdeführer hat weder Verwandte noch enge soziale Anknüpfungspunkte in Österreich. Er ist beruflich in Österreich nicht verankert. Er verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz oder finanzielle Mittel.

3.4. Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Es konnten auch eine Inhaftierung und Verurteilung den Beschwerdeführer nicht zu rechtskonformen Verhalten bewegen. Der Beschwerdeführer hat sich bereits in mehreren EU-Staaten seinem Asylverfahren entzogen. Der Beschwerdeführer ist nicht bereit freiwillig in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten um sich einer Abschiebung zu entziehen.

3.5. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer ist möglich. Durch Mitwirkung bei den zuständigen Behörden und Preisgabe seiner tatsächlichen Identität kann der Beschwerdeführer zu einer raschen Identitätsfeststellung und Ausstellung eines Heimreisezertifikats beitragen.

Nach Ausstellung eines Heimreisezertifikats erfolgt eine zeitnahe Abschiebung des Beschwerdeführers.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Akten des Bundesamtes und in die Akten des Bundesverwaltungsgerichtes zum Asylverfahren sowie zum Schubhaftverfahren und durch Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungsinformationssystem, in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres und in die vom Bundesamt vorgelegten Unterlagen und Stellungnahmen.

1. Zum Verfahrensgang, zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister sowie aus dem Auszug aus dem Fremdenregister und aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1.2. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des Beschwerdeführers.

1.3. Die Feststellungen zu der erlassenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme gründen auf den Eintragungen im Zentralen Fremdenregister sowie aus dem vorgelegten Bescheid und dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.08.2020.

Die Feststellungen zur Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 23.07.2020, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1.4. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim Beschwerdeführer eine Haftunfähigkeit vorliegen würde. Dass der Beschwerdeführer Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.

2. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

2.1. Aus der Einsichtnahme in das Strafregister sowie aus den im Akt einliegenden Urteilen ergeben sich die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers.

2.2. Die Feststellung zum Untertauchen des Beschwerdeführers und, dass er sich bereits dem Asylverfahren entzogen hat, ergibt sich aus dem Akteninhalt.

2.3. Die Feststellungen zur Inhaftierung des Beschwerdeführers in Schubhaft sowie in Strafhaft, ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

2.4. Die Feststellungen zur mangelnden Integration in Österreich und zu fehlenden sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkten in Österreich, ergeben sich aus dem Verwaltungsakt sowie aus den Einvernahmeprotokollen. Diesen sind keine gefestigten sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich zu entnehmen. Der Beschwerdeführer wurde in der Einvernahme vom 14.07.2020 zu seinen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich befragt. Er gab an keine Verwandten und auch sonst keine sozialen oder privaten Bindungen in Österreich zu haben.

2.5. Dass der Beschwerdeführer nicht gewillt ist, mit den Behörden zu kooperieren und sich an die Rechtsordnung in Österreich zu halten, ergibt sich aus dem festgestellten bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers, seinen strafrechtlichen Verurteilungen sowie dem Widerstand gegen Justizbeamte und aus dem Umstand, dass sich der Beschwerdeführer bereits öfters dem Asylverfahren entzogen hat.

Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten werde. Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer sein bisher jahrelang gezeigtes Verhalten ändern werde.

2.6. Die Feststellungen zum Heimreisezertifikatsverfahren ergeben sich aus dem Verfahrensakt und aus den vom Bundesamt vorgelegten Unterlagen. Sobald ein Heimreisezertifikat vorliegt, erfolgt eine zeitnahe Abschiebung des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer kann durch Mitwirkung bei den marokkanischen Behörden bzw. bei den Behörden seines Herkunftsstaates die Erlangung eines Heimreisezertifikats beschleunigen und somit die Anhaltung in Schubhaft selber möglichst kurzhalten. Es liegen keine Hinweise vor, wonach die Erlangung eines Heimreisezertifikats innerhalb der höchstmöglichen Schubhaftdauer nicht möglich wäre.

2.7. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft, insbesondere der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

2.8. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch

3.1.1. §§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

Schubhaft (FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Dauer der Schubhaft (FPG)

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich,
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil,
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das BFA eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG - einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

3.1.3. Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft) – möglich ist.

3.1.4. Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt gemäß § 76 Abs 5 FPG eine zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

3.1.5. Es wurde bereits ein Heimreisezertifikatsverfahren eingeleitet. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats wurde vom Bundesamt bereits mehrfach urgiert. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats innerhalb der höchstmöglichen Schubhaftdauer ist derzeit sehr wahrscheinlich. Der Beschwerdeführer kann durch Mitwirkung bei den marokkanischen Behörden bzw. durch Bekanntgabe seiner Identität und Mitwirkung bei seiner Identitätsfeststellung selber auf eine kurze Schubhaftdauer hinwirken.

3.1.6. Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus.

Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht, er ist nicht kooperativ. Der Beschwerdeführer hat sich bereits in mehreren EU-Staaten einem Asylverfahren durch Untertauchen entzogen. Es konnten auch Verurteilungen und Inhaftierungen den Beschwerdeführer nicht zu einem rechtskonformen Verhalten bewegen. Der Beschwerdeführer ist nicht bereit freiwillig in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

Sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose haben bei dem Beschwerdeführer ein erhöhtes Risiko des Untertauchens sowie einen Sicherungsbedarf ergeben. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 3, Z 6 und Z 9 FPG vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.7. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich weder sozial noch familiär verankert. Er hat keine Verwandten oder sonstigen engen Nahebeziehungen in Österreich. Er ist beruflich nicht verwurzelt und hat auch keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. Der Beschwerdeführer besitzt keine eigenen Finanzmittel um sich selber zu erhalten.

Die Anträge auf Ausstellung des Heimreisezertifikats wurden lange Zeit vor der Entlassung aus der Strafhaft gestellt. Das Bundesamt hat die Ausstellung eines Heimreisezertifikats bei mehreren Botschaften mehrfach und in regelmäßigen Abständen urgiert. Der Beschwerdeführer konnte bisher von keiner Botschaft als eigener Staatsangehöriger identifiziert werden. Das Verfahren zur Feststellung der Identität des Beschwerdeführers läuft noch. Das Bundesamt hat daher auf eine besonders kurze Anhaltung in Schubhaft hingewirkt.

Die Dauer der Schubhaft ist durch das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer bedingt. Es obliegt dem Beschwerdeführer durch eine Kooperation mit den Behörden und Mitwirkung bei seiner Identitätsfeststellung die Dauer der Schubhaft möglichst kurz zu halten.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen – insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung – zumal der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er die österreichische Rechtsordnung missachtet und im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er dieses Verhalten in Zukunft ändert.

3.1.8. Nach Ausstellung eines Heimreisezertifikats erfolgt umgehend eine Abschiebung des Beschwerdeführers. Die Ausstellung des Heimweisezertifikats scheint derzeit wahrscheinlich. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen ist zudem jedenfalls gewährleistet, dass eine allfällige weitere wesentliche Verlängerung der Schubhaft einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen sein wird. Bei einer im Sinne des § 80 Abs. 4 Z. 4 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten scheint die Aufrechterhaltung der seit 23.07.2020 bestehenden Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft verhältnismäßig.

Es kommt zwar derzeit zu Verzögerungen im internationalen Flugverkehr aufgrund der COVID-Situation. Da derzeit aber die Identität des Beschwerdeführers und seine Staatsangehörigkeit noch nicht geklärt ist, und erst die diesbezüglichen Ergebnisse des Heimreisezertifikatverfahrens noch abzuwarten sind, sind derzeitige Verzögerungen im internationalen Flugverkehr für die Dauer der Schubhaft nicht kausal und derzeit nicht relevant. Aufgrund der Fortschritte zur Erlangung eines COVID-19-Imofstoffes ist davon auszugehen, dass wieder Lockerungen im internationalen Flugverkehr erfolgen und Abschiebungen erfolgen können.

Die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung ist daher weiterhin verhältnismäßig.

3.1.9. Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

3.1.10. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung sowie die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens des Beschwerdeführers besteht.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.11. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des Beschwerdeführers zu gewährleisten.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.1.12. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist der Fall wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Heimreisezertifikat Identität Interessenabwägung Kooperation Mitwirkungspflicht öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft Ultima Ratio Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W251.2236895.1.00

Im RIS seit

01.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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