TE OGH 2021/1/11 12Os129/20t

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Veröffentlicht am 11.01.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Jänner 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter in der Strafsache gegen Enver Ö***** wegen des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Jugendschöffengericht vom 8. Juni 2020, GZ 25 Hv 110/19x-18, sowie über dessen Beschwerde gegen zugleich gefasste Beschlüsse auf Erteilung einer Weisung sowie Anordnung von Bewährungshilfe nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]            Mit dem angefochtenen Urteil wurde Enver Ö***** – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (B./1./) sowie des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB (B./2./) schuldig erkannt.

[2]       Danach hat er am 5. September 2019 in W***** Arel B***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz fremde bewegliche Sachen, und zwar

B./1./ eine Zigarettenschachtel samt vier Zigaretten weggenommen;

B./2./ mit Gewalt gegen dessen Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) eine Bauchtasche samt Inhalt wegzunehmen oder abzunötigen versucht, indem er zunächst Arel B***** an den Schultern packte und ihn zur Übergabe der Tasche aufforderte, ihm sodann androhte, er werde ihn schlagen, sollte er die Tasche nicht übergeben, und schließlich dessen linken Arm auf dessen Rücken drehte und dort festhielt sowie mehrmals kräftig am Gurt der Tasche zog, um diese über den Kopf des Arel B***** zu ziehen, wobei es infolge Weigerung und Gegenwehr des Opfers beim Versuch blieb.

Rechtliche Beurteilung

[3]       Die dagegen aus Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

[4]       Der gegen den Schuldspruch B./2./ gerichteten Mängelrüge (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Schöffengericht die leugnende Verantwortung des Angeklagten ohnedies nicht unberücksichtigt gelassen, sondern diese auf Basis einer vernetzten Betrachtung des objektiven Tathergangs im Zusammenhalt mit den Angaben des Opfers und weiterer Zeugen verworfen (vgl US 4 f). Dem Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe entsprechend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) war das Erstgericht jedoch nicht verhalten, sämtliche Details der Einlassung des Angeklagten zu erörtern.

[5]       Aus welchem Grund die genannten beweiswürdigenden Überlegungen des Schöffensenats eine bloße Scheinbegründung darstellen sollten, macht die Beschwerde (der Sache nach Z 5 vierter Fall) nicht klar.

[6]       Die auf die Privilegierung nach § 142 Abs 2 StGB abzielende Subsumtionsrüge (Z 10) orientiert sich prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der erstgerichtlichen Konstatierungen (vgl RIS-Justiz RS0099810; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.209), indem sie die Urteilsannahmen zur körperlichen Unterlegenheit des zur Tatzeit 16-jährigen und kindlich wirkenden Arel B***** (US 2 f) ausblendet. Solcherart macht das Rechtsmittel aber nicht klar, weshalb die vorliegende Gewaltanwendung (Drehen des Arms auf den Rücken und mehrmaliges kräftiges Ziehen am Gurt der Bauchtasche) mit Blick auf die persönliche Beschaffenheit des Opfers nicht erheblich sein soll (vgl RIS-Justiz RS0094427 [dort insb 12 Os 25/13p]; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 142 Rz 29).

[7]       Im Hinblick auf das Fehlen bereits einer der (kumulativen) Bedingungen des § 142 Abs 2 StGB ist auf das weitere, diese Privilegierung betreffende Rechtsmittelvorbringen (Z 5 und 10) nicht mehr einzugehen.

[8]       Zum Schuldspruch B./1./ strebt die Subsumtionsrüge (Z 10) eine Tatbeurteilung nach § 141 StGB mit der Behauptung an, dass der Angeklagte dem Opfer die vier Zigaretten nur aus Unbesonnenheit und zur Befriedigung eines Gelüstes (weil er diese danach rauchen wollte) weggenommen habe. Diese Rechtsmittelargumentation entfernt sich jedoch prozessordnungswidrig von der Feststellungsgrundlage des angefochtenen Urteils, das diesbezügliche Urteilsannahmen zur angesprochenen Motivationslage des Angeklagten gerade nicht enthält.

[9]       Diesbezügliche Feststellungsmängel (zum Begriff und den Voraussetzungen vgl Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.190) werden im Übrigen (zu Recht) nicht behauptet.

[10]     Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[11]     Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E130448

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0120OS00129.20T.0111.000

Im RIS seit

01.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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