TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/16 W283 2235516-3

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Veröffentlicht am 16.11.2020
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Entscheidungsdatum

16.11.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch

W283 2235516-3/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Stefanie OMENITSCH als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 1097785509-200509453 zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , StA. AFGHANISTAN, vertreten durch die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, Schottengase 3a/1/59, 1010 Wien zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.




Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 03.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieses Verfahren wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.03.2020 rechtskräftig negativ beendet.

Am 12.06.2020 versuchte der Beschwerdeführer unrechtmäßig nach Deutschland einzureisen. Er wurde der österreichischen Polizei übergeben. Am 19.06.2020 wurde der Beschwerdeführer festgenommen und zur Verhängung der Schubhaft einvernommen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamtes) vom 19.06.2020 wurde gegen den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Seit 19.06.2020 wird der Beschwerdeführer in Schubhaft angehalten.

Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.10.2020 nach Einbringung einer Beschwerde und vom 19.10.2020 im Zuge der amtswegigen Prüfung wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

Am 06.11.2020 legte das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG fristgerecht vor. Der Abschiebecharter ist für 15.12.2020 bis 17.12.2020 geplant.

Mit Stellungnahme vom 10.11.2020 wurde seitens des Bundesamtes mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer in den nächsten Tagen für den mittlerweile ausgeschriebenen Charterflug nach Afghanistan gebucht wird.

Mit Stellungnahme vom 12.11.2020, brachte der Beschwerdeführer vor, dass keine Fluchtgefahr vorliege, da der Beschwerdeführer beim Versuch der Ausreise nach Deutschland aus dem Gewahrsam der österreichischen Polizei freigelassen wurde. Erst nach einer Woche sei er an seinem damaligen Wohnsitz angetroffen und in weiterer Folge festgenommen worden. Der Beschwerdeführer könne bei seinem Cousin Unterkunft nehmen. Auch aufgrund des psychischen Gesundheitszustandes und da der Beschwerdeführer auf regelmäßige medizinische Behandlung und Medikation angewiesen sei, liege keine Fluchtgefahr vor. Zudem sei die Anhaltung des Beschwerdeführers seit fünf Monaten in Schubhaft unverhältnismäßig, zumal aufgrund der Reisebeschränkungen im Zusammenhang mit der Covid-19 Krise keine Abschiebungen nach Afghanistan stattfinden. Die der letzten gerichtlichen Entscheidung vom 19.10.2020 zugrunde gelegte Annahme, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den kommenden zwei Monaten geplant sei, habe sich nicht realisiert und sei eine Abschiebung auch in Zukunft nicht zu erwarten. Zudem sei dem Beschwerdeführer auch kein Heimreisezertifikat ausgestellt worden und auch seitens des Bundesamtes keine Schritte in diese Richtung erfolgt. Daher sei insgesamt davon auszugehen, dass eine Abschiebung in absehbarer Zeit nicht möglich sein werde. Nachdem die Rückkehrentscheidung erst mit 09.03.2020 rechtskräftig geworden sei, könne auch keine Rede davon sein, dass der Beschwerdeführer über Jahre hinweg seine Ausreiseverpflichtung ignoriert habe, wie dies der gerichtlichen Entscheidung vom 19.10.2020 zugrunde gelegt wurde. Auch sei der psychische Gesundheitszustand in der Vergangenheit nicht in die Verhältnismäßigkeitsprüfung eingeflossen. Aus diesen Erwägungen sei die Erlassung eines gelinderen Mittels geboten.

Dem Bundesamt wurde die Stellungnahme als Parteiengehör übermittelt und langte am 16.11.2020 dazu eine Stellungnahme ein, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass der Beschwerdeführer nach negativem Abschluss des Asylverfahrens bis zum 25.03.2020 nicht freiwillig ausgereist sei. Durch die unrechtmäßige Weiterreise nach Deutschland, sei die Fluchtgefahr evident. Ein gelinderes Mittel sei mangels finanzieller Mittel bzw. aufgrund der Gefahr des Untertauchens nicht ausreichend. Die Identifizierung des Beschwerdeführers durch die afghanische Botschaft sei bereits seit 26.06.2020 positiv abgeschlossen, das Heimreisezertifikat könne jederzeit ausgestellt werden. Bei Rückkehrberatungsgesprächen am 27.03.2019 und am 11.03.2020 habe sich der Beschwerdeführer zudem nicht rückkehrwillig gezeigt. Der Beschwerdeführer sei bereits für den Charterflug am 15.12.2020 angemeldet und wurde die Buchung reserviert.

Das Bundesverwaltungsgericht forderte die Unterlagen zum Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers an, die am 16.11.2020 einlangten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit 19.06.2020, somit seit mehr als vier Monaten in Schubhaft. Die erste gerichtliche Überprüfung fand am 19.10.2020 statt, danach ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen, sohin bis längstens zum 16.11.2020. Es ist zu prüfen, ob unter der Voraussetzung des § 22a Abs. 4 BFA-VG zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und, dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1.1. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein. Dokumente zum Nachweis seiner Identität hat er bisher nicht vorgelegt. Er wurde als afghanischer Staatsangehöriger identifiziert. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.1.2. Der Beschwerdeführer wird seit 19.06.2020 in Schubhaft angehalten, die gesetzliche Frist zur gegenständlichen Überprüfung der Schubhaft endet am 16.11.2020.

1.1.3. Der Beschwerdeführer ist haftfähig. Der Beschwerdeführer leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Dem Beschwerdeführer wurden schlafanstoßende Medikamente abends empfohlen, wozu der Beschwerdeführer in der Schubhaft auch Zugang hat. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung und Medikamenten. Der Beschwerdeführer erhält in der Schubhaft psychologische Betreuung in Form von psychologischen Gesprächen, regelmäßige ärztliche Kontrollen und Medikamente (Anhaltedatei; OZ 9 = Übermittlung der Unterlagen zum Gesundheitszustand vom 16.11.2020 durch den polizeiärztlichen Dienst).

1.1.4. Gegen den Beschwerdeführer besteht eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme (W185 2217076-1/20E).

1.2. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit

1.2.1. Der Beschwerdeführer entzog sich seiner Abschiebung aus Österreich, da er am 12.06.2020 versuchte unrechtmäßig nach Deutschland auszureisen.

1.2.2.Mit Bescheid vom 19.06.2020, ordnete das Bundesamt gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung an.

1.2.3. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich weder über nahe Familienangehörige noch relevante soziale Bindungen. Er ging in Österreich bisher keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, verfügt über kein Vermögen und keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.

1.2.4. Am 19.06.2020 fügte sich der Beschwerdeführer oberflächliche Ritzverletzungen im Bereich des linken Handgelenks zu (Anhaltedatei; SIM Verfahren, AS 35 – 37). Der Beschwerdeführer wurde von 22.06.2020 bis 23.06.2020 und von 03.10.2020 bis 04.10.2020 in einer Einzelzelle angehalten (OZ 9).

1.2.5. Der Beschwerdeführer wurde am 26.06.2020 von der afghanischen Vertretungsbehörde als afghanischer Staatsangehöriger identifiziert. Die Ausstellung eines Heimreisezertifkates ist an die Möglichkeit der Charterabschiebung gebunden. Sobald diese geplante Charterabschiebung für den Beschwerdeführer tatsächlich gebucht werden kann, wird das Heimreisezertifikat bei afghanischen Vertretungsbehörde beantragt. Die afghanische Vertretungsbehörde wird bei der Charterbuchung ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer ausstellen.

1.2.6. Die Abschiebung des Beschwerdeführers ist für 15.12.2020 geplant. Es ist damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 soweit gelockert sind, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers am 15.12.2020 durchführbar ist. Es liegen derzeit keine Hinweise vor, dass der Abschiebetermin am 15.12.2020 nicht stattfinden wird. Der Beschwerdeführer wurde bereits für diesen Charterflug gebucht und ist der Buchungsstatus reserviert.

1.2.7. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten um sich einer Abschiebung zu entziehen.

1.2.8. Der Beschwerdeführe ist in unbescholten (Strafregister; OZ 14 = Stellungnahme des Bundesamtes vom 16.11.2020).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren sowie das bisherige Schubhaftverfahren des Beschwerdeführers betreffend, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres und die angeforderten medizinischen Unterlagen des Polizeianhaltezentrums (OZ 9).

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes (Aktenteile „SIM Verfahrensakt“ [OZ 4] und „DEF Verfahrensakt“ [OZ 5] von W279 2235516-1, OZ 6 übernommen), dem vorliegenden Gerichtsakt (bestehend aus der Stellungnahme des Bundesamtes vom 06.11.2020, OZ 1; Stellungnahme des Bundesamtes vom 10.11.2020, OZ 2; Stellungnahme des Bundesamtes vom 16.11.2020, OZ 12;) sowie den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren (W185 2217076-1) sowie das Schubhaftverfahren des Beschwerdeführers betreffend (W279 2235516-1 und W171 2235516-2).

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1.1. Aus dem Verwaltungsakt sowie den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes ergibt sich, dass der Beschwerdeführer illegal in das Bundesgebiet eingereist ist und bisher keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität vorgelegt hat. Von der afghanischen Vertretungsbehörde wurde er entsprechend der vom Bundesamt vorgelegten Stellungnahme vom 06.11.2020 bereits am 26.06.2020 als afghanischer Staatsangehöriger identifiziert. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des Beschwerdeführers. Da sein Asylantrag in Österreich abgewiesen wurde, ist der Beschwerdeführer weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.1.2. Dass der Beschwerdeführer seit 19.06.2020 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres. Da die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft zuletzt am 19.10.2020 gerichtlich überprüft wurde, endet die Frist zur neuerlichen Überprüfung am 16.11.2020.

2.1.3. Aus dem Akt ergeben sich keine Indizien für eine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers und wurde die Haftfähigkeit in der Stellungnahme des polizeiärztlichen Dienstes vom 16.11.2020 bestätigt. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers beruhen auf den Feststellungen im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts betreffend das Asylverfahren und dem diesen Feststellungen zugrundeliegenden ärztlichen Befundbericht vom 15.01.2020 (W185 2217076-1/20E: Seite 7 f sowie W185 2217076-1: OZ), woraus sich insbesondere ergibt, dass der Beschwerdeführer an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet und eine Gesprächstherapie und abends die Einnahme von Schlaftabletten empfohlen wird. Dass der Beschwerdeführer auch in der Anhaltung Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft und durch den Akteninhalt belegt. Weiters ist aufgrund der vorliegenden medizinischen Dokumentation belegt, dass der Beschwerdeführer auch im Stande der Schubhaft regelmäßig psychologische Gespräche erhält, wie zuletzt am 05.11.2020, am 22.10.2020 sowie am 08.10.2020 (SIM Verfahren: AS 47 f; OZ 9: Eintragungen in der Kartei des Beschwerdeführers).

2.1.4. Dass gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht, fußt auf dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.03.2020, mit welchem das Asylverfahren des Beschwerdeführers negativ abgeschlossen wurde (W185 2217076-1/20E).

2.2. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit

2.2.1. Dass der Beschwerdeführer am 12.06.2020 versuchte unrechtmäßig nach Deutschland weiterzureisen, um sich seiner Abschiebung aus Österreich zu entziehen, ergibt sich aufgrund der Stellungnahme des Bundesamtes vom 06.11.2020 und der diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers in seiner Befragung am 19.06.2020, wonach er in Deutschland eine Berufsausbildung machen wollte, um dort bleiben zu können (SIM Verfahren: AS 3).

2.2.2. Die Feststellungen zur Erlassung des Schubhaftbescheides waren aufgrund des im Akt aufliegenden Schubhaftbescheides im Original und der Übernahmebestätigung zu treffen (SIM Verfahren: AS 9 ff; AS 23).

2.2.3. Die Feststellungen zu den mangelnden familiären, sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkten des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich ebenso aus den bisher durchgeführten Verfahren. Insbesondere die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich eines ihm namentlich nicht bekannten Onkels und seines Cousins, dessen Adresse er nicht wusste am 19.06.2020 und seine eigenen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht, wonach keine enge Bindung bzw. Abhängigkeitsverhältnis bestehe, vermochten enge familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte nicht darzutun (SIM Verfahren, AS 4; W185 2217076-1/20E: S. 6).

Dass der Beschwerdeführer über keine Vermögenswerte verfügt, ließ sich aufgrund seiner eigenen Angaben am 19.06.2020 hinsichtlich des seiner finanziellen Mittel in Form von Bargeld iHv € 337,20 in Zusammenschau mit der Einsicht in die Anhaltedatei, die am 06.11.2020 keinen verfügbaren Geldbetrag ausweist, feststellen (SIM Verfahren, AS 4; Anhaltedatei).

Dass der Beschwerdeführer über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz verfügt, ergibt sich aufgrund der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister. Daraus ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer aktuell lediglich im Polizeianhaltezentrum behördlich gemeldet ist und über keine Meldeadresse außerhalb des Polizeianhaltezentrums verfügt. Dass der Beschwerdeführer bei einem Cousin „möglicherweise“ Unterkunft nehmen könnte, was der Beschwerdeführer selbst im Zuge seiner Befragung am 19.06.2020 angab, lässt das Gericht ebenfalls nicht von einem gesicherten Wohnsitz ausgehen.

2.2.4. Dass sich der Beschwerdeführer am 19.06.2020 oberflächliche Ritzverletzungen im Bereich des linken Handgelenks zufügte, war aufgrund der Eintragung in der Anhaltedatei sowie der im Akt befindlichen Meldung des Polizeianhaltezentrums festzustellen (Anhaltedatei; SIM Verfahren, AS 35 ff). Die Feststellungen zur Anhaltung in Einzelhaft waren aufgrund der Stellungnahme des polizeiärztlichen Dienstes vom 16.11.2020 zu treffen (OZ 9).

2.2.5. Die Feststellungen zur erfolgten Identifizierung des Beschwerdeführers und der Ausstellung eines Heimreisezertifikates ergeben sich aufgrund der Stellungnahme des Bundesamtes vom 06.11.2020. Den gegenteiligen Angaben in der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 12.11.2020, wonach das Bundesamt hinsichtlich der Erlangung des Heimreisezertifkates keine Schritte gesetzt habe, war aufgrund des Akteninhalts nichts abzugewinnen.

2.2.6. Die Feststellungen zur geplanten Abschiebung des Beschwerdeführers und der Durchführbarkeit ergeben sich aufgrund der Stellungnahme des Bundesamtes vom 06.11.2020 ist. Aus dieser Stellungnahme sind keine Hinweise ersichtlich, dass der Abschiebetermin für 15.12.2020 nicht stattfinden wird. Dass der Beschwerdeführer bereits für diesen Charterflug gebucht wurde und der Buchungsstatus reserviert ist, war aufgrund der Stellungnahme des Bundesamtes vom 16.11.2020 festzustellen.

2.2.7. Das Gericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten wird. Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer sein bisher gezeigtes Verhalten ändern wird, insbesondere ist der Beschwerdeführer nicht bereit seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen.

2.2.8. Dass der Beschwerdeführer in Österreich unbescholten ist, war aufgrund der Einsicht in das Strafregister festzustellen. Dass gegen den Beschwerdeführer insbesondere nicht wegen des Verdachtes des Mordes ermittelt wird, ergibt sich daraus, dass es dazu keinerlei Hinweise im Akt gibt und das Bundesamt in seiner Stellungnahme vom 16.11.2020 dargelegt hat, dass es sich bei einer diesbezüglichen Aufenthaltsermittlung um eine Fehlspeicherung gehandelt hat (OZ 14).

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gesetzliche Grundlagen

3.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) lauten (auszugsweise):

Der mit „Begriffsbestimmungen“ betitelte § 2 FPG lautet:

§ 2 (4) Im Sinn dieses Bundesgesetzes ist

1. Fremder: wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt.

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 FPG lautet:

§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 FPG lautet:

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit „Dauer der Schubhaft“ betitelte § 80 lautet:

§ 80 (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1.

drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2.

sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1.

die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.

eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3.

der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4.

die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

3.1.2. Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

§ 22a (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

3.2. Zur Judikatur

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das BFA eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG - einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

3.3. Allgemeine Voraussetzungen

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Gegen den Beschwerdeführer besteht eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme. Daher war die Anhaltung in Schubhaft seit 19.06.2020 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich.

3.4. Fluchtgefahr

Im vorliegenden Fall hat sich der Beschwerdeführer seiner Abschiebung bereits entzogen, indem er am 12.06.2020 versuchte unrechtmäßig nach Deutschland weiterzureisen. Fluchtgefahr ist dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus:

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Da der Beschwerdeführer durch seine unrechtmäßige Weiterreise nach Deutschland versucht hat, seine Abschiebung zu umgehen, ist der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Da gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige, durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliegt, ist der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt sind gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG der Grad der sozialen Verankerung des Fremden in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen.

Das Verfahren hat keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass im Fall des Beschwerdeführers Umstände vorliegen, die wegen seiner Verankerung im Bundesgebiet gegen das Bestehen der Fluchtgefahr sprechen. Er verfügt im Inland über keinerlei enge soziale, berufliche oder familiäre Anknüpfungspunkte und ist auch nicht selbsterhaltungsfähig, weshalb keinerlei soziales Netz vorhanden ist, welches ihn vom Untertauchen bewahren könnte. Zu seinem im Österreich lebenden Onkel und Cousin besteht kein enges Naheverhältnis. § 76 Abs. 3 Z 9 FPG liegt daher gegenständlich ebenfalls vor.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3 und Z 9 FPG vor.

3.5. Sicherungsbedarf

Sicherungsbedarf ist zu bejahen, wenn die Gefahr des Untertauchens des Beschwerdeführers gegeben oder wahrscheinlich ist oder ein wesentliches Erschweren der Abschiebung zu erwarten ist.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers vor Verhängung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, da im Fall des Beschwerdeführers ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben ist. Der Beschwerdeführer hat nach negativem Abschluss seines Asylverfahrens versucht nach Deutschland unrechtmäßig weiterzureisen, um seiner Abschiebung zu entgehen. Es liegt eine den Beschwerdeführer betreffende durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Die Charterabschiebung ist für 15.12.2020 bis 17.12.2020 geplant. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

In Österreich befinden sich weder nahe Familienangehörige des Beschwerdeführers noch ist er sonst sozial eng verankert. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keinen gefestigten Wohnsitz und auch nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung. Einer legalen Beschäftigung ging er in Österreich bisher nicht nach.

Es ist daher auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.6. Verhältnismäßigkeit

Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der Beschwerdeführer missachtete seine Ausreiseverpflichtung nach Afghanistan und versuchte sich seiner Abschiebung durch seine unrechtmäßige Weiterreise nach Deutschland zu entziehen. Daher besteht ein hohes öffentliches Interesse an der baldigen Außerlandesbringung des Beschwerdeführers. Betrachtet man die Interessen des Beschwerdeführers an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der Beschwerdeführer enge familiäre Kontakte und andere enge soziale oder berufliche Kontakte im Inland nicht vorweisen konnte die im Rahmen der Abwägung die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung zu beeinflussen geeignet waren. Der Beschwerdeführer hat mit seiner unrechtmäßigen Weiterreise nach Deutschland zum Ausdruck gebracht, dass er ganz klar keine Unterordnung unter das bestehende Asylrechtssystem beabsichtigt und nicht gewillt ist seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Dem gegenüber wiegen die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers, der keine engen Kontakte und keine engen Angehörigen in Österreich hat, weit weniger schwer als das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen – insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers.

Für den Beschwerdeführer wird bei Charterbuchung ein gültiges Heimreisezertifikat ausgestellt. Der Charterflug ist am 15.12.2020 geplant und wurde der Beschwerdeführer für diesen Chartertermin bereits gebucht. Aus derzeitiger Sicht ist damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Einschränkungen im Zusammenhang mit Covid-19 gelockert werden und diese Abschiebung durchführbar sein wird. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand mit wenigen Wochen, einzustufen.

Es ist dem Beschwerdeführer unter Hinweis auf VwGH 2008/21/0404 vom 08.07.2009 zuzustimmen, dass die Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers, selbst wenn daraus keine fortdauernde Haftunfähigkeit resultiert, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zum Ergebnis führen könnte, dass an Stelle der Anordnung der Schubhaft die Anwendung gelinderer Mittel ausreichend gewesen wäre.

Dem in der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 12.11.2020 erstatteten Vorbringen, wonach sich aufgrund des psychische Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers ergebe, dass die Anhaltung unverhältnismäßig sei, war nicht zu folgen. Die Fortsetzung der Schubhaft ist nämlich verhältnismäßig, wenn auch unter Einbeziehung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers eine Anhaltung weiterhin in Betracht kommt. Der Beschwerdeführer hat in Schubhaft Zugang zu ärztlicher Behandlung und Medikamenten sowie zudem zu psychologischen Gesprächen, die er regelmäßig absolviert. Die Einnahme diverser Medikamente und die regelmäßige medizinische Behandlung mindern die Fluchtgefahr nicht und sind auch nicht geeignet die Verhältnismäßigkeitsprüfung zu seinen Gunsten zu beeinflussen.

Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft zum Entscheidungszeitpunkt das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

3.7. Gelinderes Mittel

Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung kann auf Grund der fehlenden finanziellen Mittel des Beschwerdeführers nicht zur Anwendung kommen. Aber auch die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens nicht zum Ziel der Sicherung des Verfahrens, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens des Beschwerdeführers besteht. Der Beschwerdeführer hat sich bereits einmal seiner drohenden Abschiebung durch Untertauchen und Weiterreise nach Deutschland zu entziehen versucht. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Beschwerdeführer bisher nicht bereit ist freiwillig auszureisen.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.8. Ultima ratio

Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des Beschwerdeführers zu gewährleisten.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.9. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage, der Stellungnahmen der belangten Behörde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Ausreisewilligkeit Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Gesundheitszustand Haftfähigkeit Identität illegale Ausreise Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Ultima Ratio Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W283.2235516.3.00

Im RIS seit

11.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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