TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/1 W170 2216796-1

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Veröffentlicht am 01.07.2020
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Entscheidungsdatum

01.07.2020

Norm

BDG 1979 §117 Abs2
BDG 1979 §43 Abs1
BDG 1979 §43 Abs2
BDG 1979 §91
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1

Spruch

W170 2216796-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von GrInsp XXXX , vertreten durch MMMag. Dr. Franz Josef Giesinger Rechtsanwalt GmbH, gegen das am 14.02.2019 mündlich verkündete, am 26.02.2019 schriftlich ausgefertige Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres, Senat 4, Zl. BMI-46057/31-DK/4/18-EB, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) I. In teilweiser Abweisung und teilweiser Stattgebung der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG, §§ 43 Abs. 1 und 2, 91 f BDG der Spruch des bekämpften Disziplinarerkenntnisses mit Ausnahme der Bewilligung der Ratenzahlung und der Kostenentscheidung geändert. Der Spruch hat zu lauten:

„I. GrInsp XXXX ist

schuldig,

er hat als eingeteilter Notrufsachbearbeiter in der Polizeiinspektion XXXX am 25.07.2018, nach einem Anruf über den Polizeinotruf um 08.19 Uhr des XXXX , der ihm mitteilte, dass im XXXX -Büro in Bludenz, in der XXXX , gerade XXXX , der polizeilich gesucht werde, anwesend gewesen sei und sich nunmehr Richtung Montafon bzw. Richtung Haus XXXX entferne, bis 09.30 Uhr keine Streife bzw. keine Streifen entsandt, um XXXX anzuhalten und festzustellen, ob dieser wirklich gesucht werde bzw. ob von diesem Gefahr ausgehe, obwohl ihm das möglich gewesen wäre und somit Dienstpflichtverletzungen nach § 43 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz, da er seine dienstlichen Aufgaben nicht unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem besorgt hat und § 43 Abs. 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz, da er in seinem gesamten Verhalten nicht darauf Bedacht genommen hat, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, begangen.

Gegen GrInsp XXXX daher wird gemäß § 92 Abs. 1 Z 3 Beamten-Dienstrechtsgesetz die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe eines Monatsgehaltes verhängt.

II. Hingegen wird GrInsp XXXX vom Vorwurf, er habe nach einem am 25.07.2018, um 08.36 Uhr, erfolgten weiteren Notruf von XXXX , die ihn davon in Kenntnis setzte, dass XXXX einerseits polizeilich gesucht wird und andererseits in Feldkirch Drohungen gegenüber einem Mitarbeiter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl geäußert sowie dort auch in der Bezirkshauptmannschaft randaliert hat und als sehr gefährlich eingeschätzt werde, keine Streife nach Bludenz, XXXX , entsandt,

freigesprochen.

III. Ebenso wird GrInsp XXXX vom Vorwurf, er habe nach einem am 25.07.2018, um 08.19 Uhr, und nach einem am 25.07.2018, um 08.36 Uhr eingegangenen Anruf weisungswidrig gehandelt,

freigesprochen.“

II. Gemäß § 117 Abs. 2 BDG hat GrInsp XXXX € 33 als Kosten des Verfahrens zu ersetzen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2020, nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgegenstand:

Verfahrensgegenständlich ist die Frage, ob XXXX , ein Exekutivbeamter, der am 25.07.2018 als Notrufsachbearbeiter eingesetzt war, dadurch, dass er nach dem am 25.07.2018 um 08.19 Uhr eingehenden Notruf eines Mitarbeiters der XXXX , der mitteilt habe, dass beim Büro der XXXX in Bludenz eine polizeilich gesuchte Person vorstellig geworden sei und nun in Richtung Montafon bzw. Haus XXXX weggehen würde, sowie dem kurz danach am 25.07.2018 um 08.36 Uhr eingehenden zweiten Notruf einer weiteren Mitarbeiterin der XXXX , in welchem diese XXXX ergänzend zum ersten Notruf ihres Kollegen mitteilte, dass es ein Schreiben gäbe, in welchem festgehalten ist, dass, wenn diese polizeilich gesuchte Person erscheine, die Polizei umgehend zu verständigen sei, da gegen diesen ein Festnahmeauftrag bestehe und dieser aktuell noch aufrecht sei, es unterlassen hat, die örtlich zuständige Streife zum Zwecke der Gefahrenerforschung gemäß § 16 Abs. 4 SPG unverzüglich zum Vorfallsort zu entsenden.

XXXX wurde mit im Spruch bezeichneten Disziplinarerkenntnis schuldig gesprochen, verschiedene genauer bezeichnete Dienstpflichten verletzt zu haben und wurde dieser mit einer Geldstrafe in der Höhe von € 3.000 bestraft.

Gegen dieses Disziplinarerkenntnis richtet sich eine rechtzeitige Beschwerde.

Nach Vorlage dieser Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wurde am 23.06.2020 vom zuständigen Richter eine mündliche Verhandlung durchgeführt, nunmehr hat die Entscheidung schriftlich zu ergehen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige und rechtzeitige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1.a. GrInsp XXXX , geboren am XXXX , ist seit 01.07.1983 Exekutivbeamter und wird seit 01.06.1995 auf der Polizeiinspektion XXXX verwendet; er ist auf eine E2b-Planstelle ernannt.

1.1.b. Zum Zeitpunkt der Entscheidung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres, Senat 4, war GrInsp XXXX in der Gehaltsstufe 18 eingereiht, sein monatliches Bruttoeinkommen betrug (ohne Zulagen) € 2.965,40.

1.1.c. GrInsp XXXX ist disziplinarrechtlich unbescholten, über sein Verhalten im und außer Dienst ist – vom gegenständlichen Verfahren abgesehen – nichts Nachteiliges bekannt. GrInsp XXXX wurde im Laufe seiner polizeilichen Laufbahn mehrmals belobigt.

1.1.d. GrInsp XXXX treffen keine Sorgepflichten, er hat keine Schulden und ein Barvermögen von € 8.000; GrInsp XXXX ist ledig.

1.2. Zum bisherigen Verfahren:

1.2.a. Nach Erstattung einer entsprechenden Disziplinaranzeige vom 17.10.2018, Gz. PAD/18/1793831/01/AA, durch den Landespolizeidirektor von Vorarlberg gegen GrInsp XXXX wurde mit Einleitungsbeschluss der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres, Senat 4, vom 06.11.2018, Zl. BMI-46057/31-DK/4/18-EB, gegen GrInsp XXXX ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Hierbei wurde GrInsp XXXX im Spruch folgendes Verhalten vorgeworfen:

„ XXXX ist verdächtig, er habe als diensthabender Beamter der BLS Bludenz,

1)       nach dem am 25.07.2018 um 08.19 Uhr eingehenden Notruf des XXXX , in dem dieser mitteilte, dass XXXX , welcher polizeilich gesucht werde und soeben beim Büro der XXXX in Bludenz, XXXX gewesen sei und nun in Richtung Montafon weggehen würde, sowie dem kurz danach

2)       am 25.07.2018 um 08.36 Uhr eingehenden zweiten Notruf der XXXX , in welchem diese dem Notrufsachbearbeiter ergänzend zum ersten Notruf ihres Kollegen XXXX mitteilte, dass es ein Schreiben gäbe, in welchem festgehalten ist, dass sollte XXXX erscheinen, die Polizei umgehend zu verständigen sei, da gegen diesen ein Festnahmeauftrag bestehe und dieser aktuell noch aufrecht sei,

es unterlassen, die örtlich zuständige Streife zum Zwecke der Gefahrenerforschung gemäß § 16 Abs. 4 SPG unverzüglich zum Vorfallsort zu entsenden.“

Durch dieses Verhalten habe GrInsp XXXX , so der Einleitungsbeschluss weiter, seine Dienstpflichten, seine dienstlichen Aufgaben treu und gewissenhaft zu erfüllen, in seinem Verhalten darauf zu achten, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seines Amtes erhalten bleibt und sich an ergangene Weisungen grundsätzlich zu halten, schuldhaft verletzt.

Im Einleitungsbeschluss wird auf die „EDR“ (Exekutivdienstrichtlinie) Bezug genommen und diese im Hinblick auf die Bezirks-/Stadtleitstelle zitiert.

Der Einleitungsbeschluss wurde GrInsp XXXX am 08.11.2018 durch Hinterlegung am Postamt nach Durchführung eines Zustellversuches am 07.11.2018 zugestellt und blieb unbekämpft.

1.2.b. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.02.2019 wurde das gegenständliche Disziplinarerkenntnis mündlich verkündet und am 26.02.2019, Zl.: BMI-46057/31-DK/4/18-EB, schriftlich ausgefertigt. Die schriftliche Ausfertigung wurde am 01.03.2019 dem inzwischen eingeschrittenen, im Spruch dieses Erkenntnis bezeichneten, Vertreter des GrInsp XXXX zugestellt.

1.2.c. Mit Schriftsatz vom 20.03.2019, am 22.03.2019 bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres, Senat 4, eingelangt, wurde gegen den im Spruch bzw. unter 1.2.b. bezeichneten Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben.

1.2.d. Die Beschwerde wurde am 01.04.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und – nach einer entsprechenden Abnahme – am 03.02.2020 der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen. Am 23.06.2020 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der die Parteien auf die sofortige mündliche Verkündung des Erkenntnisses verzichteten.

1.3. Zum entscheidungsrelevanten Sachverhalt:

1.3.a. Am 25.07.2018 war GrInsp XXXX als Notrufsachbearbeiter in der Bezirksleitstelle Bludenz eingeteilt und hatte dort seinen Dienst zu verrichten; GrInsp XXXX war der einzige Notrufsachbearbeiter, er erhielt zwischen 08.00 Uhr und 10.00 Uhr drei Notrufe, von denen einer zu keinem Gespräch führte (Dauer: 0 Sekunden); daher beschäftigte sich GrInsp XXXX „nebenbei“ mit der Bearbeitung von Akten, die nicht mit den unmittelbaren Aufgaben eines Notrufsachbearbeiters in Zusammenhang stehen.

1.3.b. Die Tätigkeit eines Notrufsachbearbeiters wird im Erlass „EDR-Exekutivdienstrichtlinie – BMI-OA1000/0253-II/1/2005“ geregelt. Dieser lautet auszugsweise:

„(…)

3.6.1. Bezirks-/Stadtleitstelle (BLS/SLS)

1)       Der Betrieb und der Standort von Leitstellen werden vom BM.I festgelegt. Grundsätzlich ist am Standort jeder Bezirkspolizeiinspektion (PI am Bezirksstandort) bzw. jeder für das SPK zuständigen PI eine Leitstelle eingerichtet. Werden mehr als ein Behördenbereich von einem gemeinsamen Kommando geführt, so ist für diesen Bereich nur eine Leitstelle vorzusehen.

2)       Diese Leitstellen müssen rund um die Uhr erreichbar sein. Sie sind funktionell Teil des örtlich zuständigen BPK/SPK, für das die Leitstelle im Einzelfall tätig wird. In personeller Hinsicht sind sie, sofern nicht hauptamtliche Bedienstete vorgesehen sind, von der am Standort der Leitstelle örtlich zuständigen Polizeiinspektion zu führen.

3)       Die BLS/SLS hat insbesondere folgende Aufgaben wahrzunehmen:

1.       Koordinierung und Leitung der überörtlichen Dienste und gegebenenfalls sonstigen Streifen.

2.       Entgegennahme von Notrufen und Alarmen sowie Veranlassung der erforderlichen Maßnahmen.

3.       bis 11. …

(…)“

Dieser Erlass war GrInsp XXXX am 25.07.2018 jedenfalls dem Inhalt nach bekannt, selbiges gilt für die einschlägigen Normen des SPG.

1.3.c. Der Leitung der XXXX und über diese den Mitarbeitern der XXXX , XXXX und XXXX , war von einer Mitarbeiterin des Amtes der Vorarlberger Landesregierung mit E-Mail vom 19.06.2018 bekannt gegeben worden, dass gegen XXXX , einen pakistanischen Staatsangehörigen, ein aufrechter Festnahmeauftrag bestehe und ersucht werde, bei dessen Erscheinen umgehend die Polizei zu verständigen und XXXX bis zum Eintreffen der Polizei, sofern möglich, abzulenken.

1.3.d. Gegen XXXX waren vor dem 25.07.2018 bereits Betretungsverbote erlassen worden, dies war GrInsp XXXX am 25.07.2018 auch bekannt, auch wenn er die genauen Hintergründe, die zur Erlassung dieser Betretungsverbote geführt hatten, nicht gekannt hat.

Dass XXXX angeblich Drohungen gegenüber einem Mitarbeiter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ausgesprochen habe und angeblich in einer Bezirkshauptmannschaft randaliert habe, hat GrInsp XXXX am 25.07.2018 nicht gewusst.

1.3.e. Am 25.07.2018, knapp vor 08.19 Uhr, erschien XXXX im XXXX -Büro in Bludenz und wollte Geld. Er wurde diesbezüglich an das XXXX -Büro in Feldkirch verwiesen und von XXXX erkannt. XXXX nahm wahr, dass XXXX Richtung des Hauses XXXX , einer für 25 bis 29 Personen konzipierten Asylwerberunterkunft der XXXX , bzw. Richtung Montafon wegging. Daher rief XXXX am 25.07.2018, um 08.19 Uhr, den Polizeinotruf an und wurde mit der Bezirksleitstelle Bludenz verbunden, wo GrInsp XXXX seinen Dienst versah und den Anruf annahm. Dieser Anruf nahm folgenden Verlauf:

„ XXXX : Polizeinotruf.

XXXX : Ja, guten Morgen, XXXX , XXXX Bludenz am Apparat. Bei mir im Büro war grade der Herrn XXXX , der wird polizeilich gesucht.

XXXX : Aha, ja, davon weiß ich jetzt nichts. Wegen was wird er gesucht?

XXXX : Warum weiß ich nicht.

XXXX : Aha.

XXXX : Wir haben da informell von der XXXX leitung eine Info bekommen, dass wenn der auftaucht wir halt die Polizei verständigen sollen …

XXXX : Aha.

XXXX : … und jetzt ist er eben wieder gegangen und jetzt läuft er Richtung, was ist das, Richtung Westen.

XXXX : (unverständlich, etwa 1 bis 2 Worte) oder Wo ist das?

XXXX : Wir sind in der XXXX am Bahnhof, ja. Er läuft jetzt Richtung Montafon.

XXXX : Ja, wir schauen.

XXXX : Ich schätz‘, dass er ins Haus XXXX geht von da.

XXXX : Ja, wir schauen. Gut, bitte. Wiederhören.

XXXX : Alles klar, danke. Auf Wiederhören.“

XXXX wäre in der Lage gewesen, GrInsp XXXX das genaue Nationale (Name, Vorname und Geburtsdatum) des XXXX bekannt zu geben, so GrInsp XXXX gefragt hätte.

Da zu diesem Zeitpunkt bzw. bis unmittelbar vor diesem Zeitpunkt die Frühbesprechung in der Polizeiinspektion XXXX im Laufen war, hat GrInsp XXXX keine Streife nach Bludenz, XXXX, entsandt. Das in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erstattete Vorbringen, GrInsp XXXX habe deshalb keine Streife entsandt, weil er geglaubt habe, dass XXXX nicht mehr vor Ort sei, ist hingegen nicht glaubhaft und wird dem entscheidungsrelevanten Sachverhalt nicht zu Grunde gelegt.

Zu diesem Zeitpunkt hätte eine realistische Möglichkeit bestanden, XXXX im Rahmen einer koordinierten Fahndung anzutreffen.

GrInsp XXXX hat die „Fahndungspinnwand“ (eine Pinnwand in der Polizeiinspektion XXXX , auf der relevante Fahndungen vermerkt werden) überprüft sowie hat ein weiterer anwesender Exekutivbeamter – auf eigene Veranlassung – die in der Polizeiinspektion XXXX aufliegenden Akten und das elektronische Protokollierungssystem PAD überprüft und bei der Polizeiinspektion Klösterle angerufen, in deren Zuständigkeitsbereich XXXX einige Zeit vor dem Vorfall gewohnt hat. All diese Überprüfungen verliefen hinsichtlich der Frage, ob XXXX gesucht werde, negativ. Während dieser Überprüfungen wurde das genaue Nationale des XXXX festgestellt.

GrInsp XXXX hat weder eine Anfrage in der Personenfahndung des EKIS durchgeführt noch eine solche veranlasst.

1.3.f. Nachdem XXXX seine Vorgesetzte bei der XXXX , XXXX , über das aus Sicht des XXXX unbefriedigende Gespräch mit GrInsp XXXX in Kenntnis gesetzt hatte, rief diese am 25.07.2018, um 08.36 Uhr, selbst beim Notruf in der Bezirksleitstelle Bludenz an; diesen Anruf nahm GrInsp XXXX entgegen und nahm jener folgenden Verlauf:

„ XXXX : Polizeinotruf.

XXXX : Grüß Gott. XXXX von der XXXX Flüchtlingshilfe. Ein Kollege bzw. Mitarbeiter von mir hat vorhin angerufen wegen dem XXXX . Uns liegt da von der Grundversorgungsstelle ein Ansuchen vor, wo die Polizei darum bittet, umgehend informiert zu werden, wenn er irgendwo ist.

XXXX : Welche Polizei ist das?

XXXX : Das weiß ich nicht, wir haben die (unverständlich, etwa 1 bis 2 Worte). Ich weiß nur, dass er in Feldkirch Drohungen gegenüber BFA ausgestoßen hat und sich dort total aufgeführt hat, dass er auch in BHs randaliert hat und als sehr gefährlich eingeschätzt wird.

XXXX : Ja, er ist aber nicht zur Fahndung ausgeschrieben, gell?

XXXX : Okay, das verstehe ich gerade auch nicht …

XXXX : Ich weiß natürlich nicht, welche Polizei das gewünscht hat. Von uns war es niemand, vom Klösterle auch nicht.

XXXX : Okay, das verstehe ich gerade auch nicht, weil wir das wirklich am 19. Juni so übergeben bekommen haben und dass wir ihn ablenken sollen.

XXXX : Ja, das ist jetzt einen Monat her. Ich kann natürlich nicht sagen wer braucht ihn. Wir von Bludenz und Klösterle brauchen ihn nicht.

XXXX : Okay, dann kläre ich das mit der XXXX von der Grundversorgungsstelle ab.

XXXX : Gut, danke. Wiederhören.“

XXXX wäre in der Lage gewesen, GrInsp XXXX das genaue Nationale des XXXX bekannt zu geben, so GrInsp XXXX gefragt hätte.

Auch nach diesem Anruf hat GrInsp XXXX keine Streife nach Bludenz, XXXX, entsandt oder weitere Erhebungen getätigt.

Es war zu diesem Zeitpunkt auf Grund des Zeitanlaufes und des Umstandes, dass sich XXXX schon zuvor entfernt hatte, sehr unwahrscheinlich, dass eine nach Bludenz, XXXX , entsandte Streife bzw. nach Bludenz, XXXX , entsandte Streifen XXXX noch im Nahbereich der XXXX angetroffen hätte und eine Fahndung Erfolg gezeitigt hätte.

1.3.g. Da auch XXXX mit dem Verlauf bzw. Ergebnis des Gespräches mit GrInsp XXXX nicht zufrieden war bzw. klären wollte, ob XXXX noch gesucht werde, wandte sich diese an ihren Vorgesetzten bei der XXXX XXXX , der in weiterer Folge die Landespolizeidirektion Vorarlberg kontaktierte. Ein dortiger leitender Mitarbeiter kontaktierte in weiterer Folge am 25.07.2018, kurz nach 09.00 Uhr, den Vorgesetzten des GrInsp XXXX , ChefInsp XXXX , der GrInsp XXXX anwies, eine EKIS/SIS-Anfrage durchzuführen, woraufhin festgestellt wurde, dass gegen XXXX zwei offene Ausschreibungen bestanden. Unmittelbar darauf, gegen 09.30 Uhr, entsandte GrInsp XXXX zwei Streifen der Polizeiinspektion XXXX , um nach XXXX zu fahnden, die Fahndung blieb aber im Bereich Bludenz erfolglos.

1.3.h. Am 25.07.2018, gegen Mittag, besuchte XXXX die XXXX -Betreuungsstelle in Feldkirch, wo er in Folge von Exekutivbeamten festgenommen werden konnte.

1.3.i. GrInsp XXXX hat bei sich bis dato keine Fehlleistung eingestanden, auch wenn er vor der Disziplinarkommission angegeben hat, nunmehr anders zu handeln. Weder liegt ein reuiges Geständnis noch ein Tatsachengeständnis, das erheblich zur Sachverhaltsklärung beigetragen hat, vor.

1.3.j. Am 20.07.2018 kam es in Vorarlberg zu einem Fall, in dem ein anderer Notrufsachbearbeiter nach einem Notruf keine Streife entsandt hatte („Fall XXXX “), bereits am 13.09.2016 wurde von der Disziplinarkommission eine andere Notrufsachbearbeiterin wegen der Nichtbearbeitung eines Notrufes schuldig gesprochen.

1.3.k. GrInsp XXXX würde zum Entscheidungszeitpunkt und in Zukunft wahrscheinlich nicht mehr darauf verzichten, als Notrufsachbearbeiter nach einem entsprechenden Notruf keine Streife zu entsenden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus der unstrittigen Aktenlage, die den Parteien in der Verhandlung vorgehalten wurde und welcher diese nicht entgegengetreten sind.

2.2. Die Feststellungen zum bisherigen Verfahrensgang ergeben sich aus der Aktenlage; den Parteien wurde in der mündlichen Verhandlung vorgehalten: die Disziplinaranzeige, der Einleitungsbeschluss samt dem Zustellnachweis, das Protokoll der Verhandlung vor der Disziplinarkommission, das im Spruch bezeichnete Disziplinarerkenntnis samt dem Zustellnachweis, die verfahrensgegenständliche Beschwerde, das an das Bundesverwaltungsgericht ergangene Schreiben der LPD Vorarlberg, mit der unter anderem Aufzeichnungen der oben festgestellten Anrufe vorgelegt wurden, und das Schreiben des Bundesverwaltungsgericht, mit dem den Parteien die Transkription dieser Anrufe durch das Bundesverwaltungsgericht vorgehalten wurde. Gegen all diese Unterlagen, aus denen sich der wesentliche, bisherige Verfahrensablauf ergibt, wurde kein Vorbringen erstattet, daher steht der bisherige Verfahrensgang fest.

2.3. Beweiswürdigung hinsichtlich der Feststellungen zum Sachverhalt:

2.3.a. Die Feststellung zu 1.3.a. ergibt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht und der Disziplinarkommission, die – von seiner „nebenbei“ durchgeführten Aktenbearbeitung abgesehen – auch Deckung in der Disziplinaranzeige finden.

2.3.b. Die Feststellungen zu 1.3.b. hinsichtlich des Inhalts des Erlasses „EDR-Exekutivdienstrichtlinie – BMI-OA1000/0253-II/1/2005“ ergeben sich aus der Aktenlage, der Erlass wird sowohl im Einleitungsbeschluss als auch im Disziplinarerkenntnis zitiert. Dass der Inhalt dieses Erlasses dem Beschwerdeführer am 25.07.2018 bekannt war (und ist), ergibt sich aus dessen Aussage vor dem Bundesverwaltungsgericht. Dass dem ausgebildeten Exekutivorgan die einschlägigen Normen des SPG nicht bekannt gewesen wären, wurde nicht einmal behauptet.

2.3.c. Die Feststellungen zu 1.3.c. ergeben sich aus der Aussage der Zeugen XXXX und XXXX in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus dem im Akt einliegenden E-Mail; es gibt keinen Grund, an den Aussagen der Zeugen zu zweifeln.

2.3.d. Die Feststellungen zu 1.3.d. ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht; dass der Beschwerdeführer vom Bestehen der Betretungsverbote – wenn auch nicht von deren Hintergrund – gewusst hat, hat er insoweit eingestanden, als er sich an einen Anruf der Frau des XXXX an einem Zeitpunkt vor dem 25.07.2018 erinnern konnte, auf Grund dessen der Beschwerdeführer Streifen zur Wohnung des XXXX entsandt habe. Dass der Beschwerdeführer nichts von den von XXXX ausgesprochenen Drohungen und von dessen Randalieren gewusst haben will, erscheint zwar auf den ersten Blick lebensfremd, weil gerade solche Ereignisse durch eine polizeibekannte Person in der Exekutive weitergegeben werden, insbesondere, wenn mit weiteren Einsätzen in Bezug auf diese Person zu rechnen ist, ist aber nicht ausgeschlossen. Hier ist im Zweifel den Angaben des Beschwerdeführers zu folgen.

2.3.e. Die Feststellungen zu 1.3.e. ergeben sich in Bezug auf die Vorfälle im XXXX -Büro in Feldkirch aus den Schilderungen des Zeugen XXXX in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht; diese sind zwar nicht ganz ident mit den Angaben im Rahmen der dienstbehördlichen Ermittlungen, aber sind die Unterschiede nicht entscheidungsrelevant, weil es für das gegenständliche Verfahren keine Rolle spielt, ob XXXX bei der Abweisung des XXXX anwesend war oder unmittelbar daraufhin auf XXXX hingewiesen wurde und sich allfällige Widersprüche mit dem Zeitablauf und dem damit einhergehenden Abbau der genauen Erinnerungen erklären. Die wesentlichen Punkte, nämlich, dass XXXX den XXXX erkannt und den Polizeinotruf angerufen hat, stehen zweifelsfrei fest. Dass der Beschwerdeführer den Anruf entgegennahm, ergibt sich aus seiner Aussage und der Aussage des XXXX sowie aus dem vorliegenden Mitschnitt des Anrufes; auch wurde dieser Umstand vom Beschwerdeführer nie bestritten.

Der Verlauf des Telefonats ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht angefertigten Transkript des Telefonats, das sowohl den Parteien als auch dem Zeugen XXXX vorgehalten und dem nicht widersprochen wurde.

Dass XXXX dem Beschwerdeführer das genaue Nationale, also den Namen, Vornamen und das Geburtsdatum des XXXX hätte nennen können, ergibt sich aus dessen Aussage in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Umstand, dass diese Daten im an die XXXX ergangenen E-Mail im Betreff zu ersehen waren. Dass XXXX im Besitz dieses E-Mails war, ist lebensnahe, sonst hätte er nichts von der Fahndung gegen XXXX gewusst.

Dass zum Zeitpunkt bzw. bis unmittelbar vor dem Zeitpunkt des Anrufes die Frühbesprechung in der Polizeiinspektion XXXX am Laufen war, ergibt sich aus den diesbezüglich lebensnahen Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und den im Akt einliegenden Dienstvorschreibungen/Dienstberichten der später zur Fahndung entsandten Streifen BP-80250 und BP-80109; die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung, der Beschwerdeführer habe gedacht, dass XXXX nicht mehr vor Ort sei, sind lebensfremd. Der Beschwerdeführer wusste, dass dieser gerade das XXXX -Büro verlassen hatte, da ihm dies vom XXXX mitgeteilt worden war. Auf Grund seiner langjährigen Erfahrung als Exekutivbeamter wusste der Beschwerdeführer auch, dass eine sofortige Fahndung die besten Erfolgsaussichten gehabt hätte. Es war dem Beschwerdeführer daher klar, dass – unabhängig davon, ob es ihm gelingen könnte, zu klären, ob XXXX wirklich gesucht wird oder nicht – das sofortige Entsenden der Streife wesentliche Voraussetzung dafür gewesen wäre, des XXXX habhaft zu werden. Dass der Beschwerdeführer, der bisher nicht negativ aufgefallen war und durchaus ein erfahrener Funksprecher war, keine Streife entsandt und zuvor die „Fahndungspinnwand“ überprüft hat lässt sich daher nur damit erklären, dass er die Frühbesprechung nicht stören wollte, von der er jedenfalls dachte, dass diese noch andauert. Dieser Schluss ist – wenn man dem Beschwerdeführer nicht unterstellen will, dass er keine Streife entsandt hat, weil er einfach nicht wollte – lebensnahe, weil – der erkennende Richter hat selbst jahrelange Erfahrung im exekutiven Außendienst – es für den Beschwerdeführer unangenehm gewesen wäre, die Besprechung für eine potentiell negative Fahndung nach einer Person, hinsichtlich der ihm, was glaubhaft ist, der Fahndungsgrund nicht bekannt war, zu unterbrechen.

Dass zu diesem Zeitpunkt eine realistische Möglichkeit gegeben gewesen wäre, XXXX im Rahmen einer sofort eingeleiteten Fahndung anzutreffen, ergibt sich aus dem Umstand, dass der Polizei bzw. dem Beschwerdeführer bekannt war, von wo XXXX gerade in welche Richtung weggegangen wäre, sowie aus dem Umstand, dass dieser zu Fuß unterwegs gewesen ist.

Dass der Beschwerdeführer die angegebenen Ermittlungen durchgeführt, veranlasst oder zumindest berichtet bekommen hat, ergibt sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Aussagen und denen des und des Zeugen GrInsp XXXX , ebenso, wie dass keine Anfrage in der Personenfahndung im EKIS durchgeführt wurde.

2.3.f. Die Feststellungen zu 1.3.f. ergeben sich hinsichtlich der Verständigung der XXXX aus deren Aussage in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und hinsichtlich des Umstandes, dass der Beschwerdeführer den Anruf entgegennahm, aus dessen Aussage und der Aussage der XXXX sowie aus dem vorliegenden Mitschnitt des Anrufes; auch wurde dieser Umstand vom Beschwerdeführer nie bestritten.

Der Verlauf des Telefonats ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht angefertigten Transkript des Telefonats, das sowohl den Parteien als auch der Zeugin XXXX vorgehalten und dem nicht widersprochen wurde.

Dass XXXX dem Beschwerdeführer das genaue Nationale, also den Namen, Vornamen und das Geburtsdatum des XXXX hätte nennen können, ergibt sich aus deren Aussage und dem Umstand, dass diese Daten im an die XXXX ergangenen E-Mail im Betreff zu ersehen waren. Dass XXXX im Besitz dieses E-Mails war, ist lebensnahe, sonst hätte sie nichts von der Fahndung gegen XXXX gewusst.

Dass der Beschwerdeführer nach dem Anruf der XXXX keine weiteren Erhebungen getätigt oder eine Streife entsandt hat, ergibt sich aus dessen Aussagen vor dem Bundesverwaltungsgericht und der Disziplinarkommission.

Dass es zu diesem Zeitpunkt bereits sehr unwahrscheinlich gewesen wäre, XXXX anzutreffen, ergibt sich aus dem Zeitablauf; 20 Minuten nachdem dem Beschwerdeführer die Örtlichkeit des Aufenthalts und die Bewegungslinie der gesuchten Person bekannt gegeben wurde, ist es im städtischen Umfeld der Erfahrung des erkennenden Richters nach sehr unwahrscheinlich und allenfalls dem Zufall geschuldet, dass man die gesuchte Person mit den beschränkten polizeilichen Mitteln noch antrifft.

2.3.g. Die Feststellungen zu 1.3.g. und 1.3.h ergeben sich aus der unbestrittenen Aktenlage.

2.3.h. Die Feststellungen zu 1.3.i. ergeben sich aus der Aktenlage und dem Eindruck des erkennenden Richters des Bundesverwaltungsgerichts in der mündlichen Verhandlung; zwar hat der Beschwerdeführer vor der Disziplinarkommission angegeben, dass er heute „vermutlich mehr machen“ würde, aber sich wieder in seine Ausflüchte, er habe vom Festnahmeauftrag nichts gewusst, begeben. Der Beschwerdeführer sieht bis heute seine Fehlleistung nicht ein und rechtfertigt sich immer mit der ungenügenden Kommunikation der Anrufer; es ist hier keine Reue zu erkennen. Da der Sachverhalt in seinen wesentlichen Teilen durch die Zeugenaussagen und die Mitschnitte der Telefonate geklärt war, konnten die immerhin die Tatsachen nicht leugnenden Ausführungen des Beschwerdeführers auch keinen wesentlichen Beitrag zur Sachverhaltsklärung liefern.

2.3.i. Die Feststellungen zu 1.3.j ergeben sich aus der Aktenlage, die zu 1.3.k. aus dem Eindruck des erkennenden Richters; insbesondere im Hinblick auf das Verfahren und die drohende Strafe würde der Beschwerdeführer – schon im Hinblick auf seine Interessen – in Zukunft bei einem entsprechenden Notruf eine Streife entsenden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zum anzuwendenden Recht und zur Besetzung des Bundesverwaltungsgerichtes:

3.1.a. Gemäß § 243 Abs. 1 1. Satz Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. Nr. 333/1979 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2020 (in Folge: BDG), sind die bei den Disziplinarkommissionen bis 30.09.2020 anhängig gemachten Disziplinarverfahren nach den bisherigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2019 (in Folge: BDG alt) fortzuführen. Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018 (in Folge: VwGVG), sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2020 (in Folge: B-VG), soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist, die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Daher hat auch das Bundesverwaltungsgericht, soweit es sich um eine schon von der Disziplinarkommission anzuwendende Verfahrensbestimmung handelt, das BDG alt, ansonsten das BDG anzuwenden.

3.1.b. Gemäß § 135a Abs. 3 Z 2 BDG – diese Bestimmung ist von der Disziplinarkommission nicht anzuwenden – hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch einen Senat zu erfolgen, wenn die Disziplinaranwältin oder der Disziplinaranwalt gegen ein Erkenntnis Beschwerde erhoben hat. Dies ist im vorliegenden Verfahren nicht der Fall, daher hatte das Bundesverwaltungsgericht als Einzelrichter zu entscheiden.

3.2. Zum Schuld- bzw. Freispruch:

3.2.a. Im Spruch eines jedem Disziplinarerkenntnis vorausgehenden Einleitungsbeschlusses ist das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten, das als Dienstpflichtverletzung erachtet wird, (wenn gegebenenfalls auch nur in groben Umrissen) zu umschreiben (VwGH 13.12.2016, Ra 2016/09/0102), diese Umschreibung bildet die Grundlage und Grenze des durchzuführenden Disziplinarverfahrens. Beim Einleitungsbeschluss handelt es sich um eine Entscheidung im Verdachtsbereich. Für den Spruch in der das Disziplinarverfahren abschließenden Entscheidung ist einzige Bedingung, dass der Einleitungsbeschluss von seinem sachlichen Inhalt her gesehen nicht überschritten wird (VwGH 31.01.2001, 2000/09/0144; VwGH 15. 12. 2011, 2009/09/0156; VwGH 25.11.2015, Ra 2015/09/0095).

Im gegenständlichen Verfahren wurde mit Einleitungsbeschluss der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres, Senat 4, vom 06.11.2018, Zl. BM.I-46057/31-DK/4/18-EB, gegen den Beschwerdeführer ein Disziplinarverfahren eingeleitet und im Spruch folgendes Verhalten vorgeworfen:

„ XXXX ist verdächtig, er habe als diensthabender Beamter der BLS Bludenz,

1)       nach dem am 25.07.2018 um 08.19 Uhr eingehenden Notruf des XXXX , in dem dieser mitteilte, dass XXXX , welcher polizeilich gesucht werde und soeben beim Büro der XXXX in Bludenz, XXXX gewesen sei und nun in Richtung Montafon weggehen würde, sowie dem kurz danach

2)       am 25.07.2018 um 08.36 Uhr eingehenden zweiten Notruf der XXXX , in welchem diese dem Notrufsachbearbeiter ergänzend zum ersten Notruf ihres Kollegen XXXX mitteilte, dass es ein Schreiben gäbe, in welchem festgehalten ist, dass sollte XXXX erscheinen, die Polizei umgehend zu verständigen sei, da gegen diesen ein Festnahmeauftrag bestehe und dieser aktuell noch aufrecht sei,

es unterlassen, die örtlich zuständige Streife zum Zwecke der Gefahrenerforschung gemäß § 16 Abs. 4 SPG unverzüglich zum Vorfallsort zu entsenden.“

Im Einleitungsbeschluss muss das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten noch nicht abschließend rechtlich gewürdigt werden (unter vielen: VwGH 28.03.2017, Ra 2017/09/0008), auf eine Wiedergabe der Subsumtion des Verhaltens kann daher verzichtet werden.

3.2.b. § 91 BDG normiert als Voraussetzung für die disziplinäre Verantwortlichkeit des Beamten die schuldhafte Verletzung von Dienstpflichten. Unter Schuld ist dabei die „Vorwerfbarkeit der Tat mit Rücksicht auf die darin liegende zu missbilligende Gesinnung des Täters“ zu verstehen, die drei Komponenten umfasst:

a.       das biologische Schuldelement, dh der Täter muss voll zurechnungsfähig sein,

b.       das psychologische Schuldelement, dh der Täter muss vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben und

c.       das normative Schuldelement, dh dem Täter muss zugemutet werden können, dass er sich rechtmäßig verhält.

(VwGH 18.10.1989, 89/09/0023; VwGH 13.12.1990, 89/09/0025)

Im gegenständlichen Fall finden sich keine Hinweise auf eine auch nur reduzierte Zurechnungsfähigkeit, der Beschwerdeführer hat nach beiden Anrufen vorsätzlich keine Streife entsandt – er hat sich, aus diesbezüglich nicht relevanten Gründen, dagegen entschieden und wäre ihm zumutbar gewesen, eine Streife zu entsenden. Daher muss auf die Frage, ob eine allenfalls festgestellte Dienstpflichtverletzung schuldhaft begangen wurde, in weiterer Folge nicht mehr eingegangen werden.

3.2.c. Wie oben festgestellt wurde, war der Beschwerdeführer am 25.07.2018 als Notrufsachbearbeiter in der Polizeiinspektion XXXX eingeteilt und erhielt am 25.07.2018, um 08.19 Uhr, über den Polizeinotruf einen Anruf des XXXX , der ihm mitteilte, dass im XXXX -Büro in Bludenz, in der XXXX , gerade XXXX , der polizeilich gesucht werde, anwesend gewesen sei und sich nunmehr Richtung Montafon bzw. Richtung Haus XXXX entferne.

Das bedeutet, dass der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt – polizeiliches Handeln kann immer nur einer ex ante Betrachtung unterliegen – den Verdacht haben musste, dass XXXX einerseits polizeilich gesucht werde und andererseits unmittelbar vor dem Anruf in Bludenz, in der XXXX aufhältig gewesen sei und sich nunmehr in eine bestimmte Richtung entferne. Es bestand zu diesem Zeitpunkt auch eine realistische Möglichkeit, des XXXX habhaft zu werden, was dem Beschwerdeführer als erfahrenen Polizisten auch klar war. Der Beschwerdeführer hat es aber vorsätzlich unterlassen, eine Streife zum XXXX -Büro in Bludenz, in der XXXX , zu entsenden, obwohl er nicht sicher sein konnte, dass die Person, die von einem ernstzunehmenden Anrufer – immerhin war der Aufforderer namentlich bekannt – als „polizeilich gesucht“ – ob der Anrufer den polizeilichen Fachbegriff eines Festnahmeauftrages erwähnt hat oder nicht, spielt keine Rolle, weil der Beschwerdeführer von einer Person, die außerhalb des Polizeiapparates steht, keine genaue Terminologie erwarten durfte – gemeldet wurde, nicht tatsächlich gesucht wurde, weil er eine Anfrage in der Personenfahndung im EKIS nicht durchgeführt hat. Auch aus welchem Grund XXXX wirklich gesucht werde, erhob der Beschwerdeführer nicht. Nur eine solche Anfrage hätte – im Zusammenwirken mit den anderen, durchgeführten Erhebungen – mit Sicherheit ergeben können, dass die Person nicht gesucht wird und bis eine solche vorlag, bestand der Verdacht, dass es sich bei XXXX um eine gesuchte Person handelt.

Darüber hinaus hat der Anrufer XXXX angegeben, dass sich XXXX , gegen den zuvor Betretungsverbote verhängt worden waren – was der Beschwerdeführer gewusst hat – Richtung Haus XXXX gehe; ohne zu wissen, um welches Objekt es sich beim Haus XXXX handle, hat der Beschwerdeführer weder nachgefragt noch eine Streife entsandt, um zu klären, ob dort durch den Beschwerdeführer Gewaltanwendung (im weitesten Sinne) droht.

Ein gefährlicher Angriff, den es zu beenden gegolten hätte, war zu dieser Zeit nicht im Laufen bzw. gab es keinen Hinweis bzw. Verdacht, dass ein solcher im Laufen wäre.

Weiters erhielt der Beschwerdeführer am 25.07.2018, um 08.36 Uhr, einen weiteren Notruf von XXXX , die den Beschwerdeführer davon in Kenntnis setzte, dass XXXX einerseits polizeilich gesucht wird und andererseits in Feldkirch Drohungen gegenüber einem Mitarbeiter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl geäußert sowie dort auch in der Bezirkshauptmannschaft randaliert hat und als sehr gefährlich eingeschätzt werde. Auch nach diesem Anruf hat GrInsp XXXX keine Streife nach Bludenz, XXXX , oder zum Haus XXXX , das ihm nicht als Asylwerberunterkunft bekannt war, aber nach dem er sich auch nicht erkundigt hat, entsandt noch weitere Erhebungen getätigt. Allerdings wäre es zu diesem Zeitpunkt schon sehr unwahrscheinlich gewesen, dass eine nach Bludenz, XXXX , entsandte Streife bzw. entsandte Streifen XXXX noch angetroffen hätte und eine Fahndung Erfolg gezeitigt hätte.

3.2.d. Gemäß § 43 Abs. 1 BDG ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.

Gemäß § 2 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz, BGBl. Nr. 566/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 105/2019 und BGBl. I Nr. 113/2019 (in Folge: SPG), obliegt die Sicherheitsverwaltung, die gemäß Abs. 2 leg.cit. aus der Sicherheitspolizei, dem Pass- und dem Meldewesen, der Fremdenpolizei, der Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm, dem Waffen-, Munitions-, Schieß- und Sprengmittelwesen sowie aus dem Pressewesen und den Vereins- und Versammlungsangelegenheiten besteht, den Sicherheitsbehörden.

Gemäß § 5 Abs. 1 SPG versehen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes für die Sicherheitsbehörden den Exekutivdienst.

Gemäß § 3 SPG besteht die Sicherheitspolizei aus der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, ausgenommen die örtliche Sicherheitspolizei (Art. 10 Abs. 1 Z 7 B-VG), und aus der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht, gemäß § 20 SPG umfasst die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit die Gefahrenabwehr, den vorbeugenden Schutz von Rechtsgütern, die Fahndung, die sicherheitspolizeiliche Beratung und die Streitschlichtung.

Gemäß § 16 Abs. 4 SPG ist Gefahrenerforschung die Feststellung einer Gefahrenquelle und des für die Abwehr einer Gefahr sonst maßgeblichen Sachverhaltes, gemäß § 28a Abs. 1 SPG obliegt den Sicherheitsbehörden, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme einer Gefahrensituation rechtfertigen, soweit ihnen die Abwehr solcher Gefahren aufgetragen ist, die Gefahrenerforschung.

Gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 SPG obliegt den Sicherheitsbehörden die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Menschen, nach dem gesucht wird (Personenfahndung), weil eine Anordnung zur Festnahme nach Art. 4 Abs. 1, 2 oder 4 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684/1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2008 (in Folge: BVG persönliche Freiheit), besteht.

Gemäß Art. 4 Abs. 1 BVG persönliche Freiheit ist eine Festnahme einer Person, wenn diese einer bestimmten, mit gerichtlicher oder finanzbehördlicher Strafe bedrohten Handlung verdächtig ist, zulässig, um ihn daran zu hindern, sich dem Verfahren zu entziehen oder Beweismittel zu beeinträchtigen, oder um ihn bei einer mit beträchtlicher Strafe bedrohten Handlung an der Begehung einer gleichartigen Handlung oder an der Ausführung zu hindern nur in Vollziehung eines begründeten richterlichen Befehls zulässig, der dem Betroffenen bei der Festnahme, spätestens aber innerhalb von 24 Stunden zuzustellen ist. Gemäß Art. 4 Abs. 2 BVG persönliche Freiheit darf eine Person bei Gefahr im Verzug sowie wenn diese einer bestimmten, mit gerichtlicher oder finanzbehördlicher Strafe bedrohten Handlung verdächtig ist, zum Zwecke der Beendigung des Angriffes oder zur sofortigen Feststellung des Sachverhalts, sofern der Verdacht im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Tat oder dadurch entsteht, dass er einen bestimmten Gegenstand innehat, auch ohne richterlichen Befehl festgenommen werden. Sie ist freizulassen, sobald sich ergibt, dass kein Grund zu ihrer weiteren Anhaltung vorhanden sei, sonst ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber vor Ablauf von 48 Stunden, dem zuständigen Gericht zu übergeben. Gemäß Art. 4 Abs. 4 BVG persönliche Freiheit ist eine Festnahme aus näher bestimmten Gründen wegen des Verdachtes einer mit finanzbehördlicher Strafe bedrohten Handlung nur in Vollziehung einer begründeten Anordnung eines gesetzlich zur Ausübung richterlicher Funktionen ermächtigten Beamten zulässig. Jedoch darf bei Gefahr im Verzug sowie in einem besonders geregelten Fall eine Person auch ohne eine solche Anordnung festgenommen werden.

Im Lichte der unter 1.3. festgestellten Tatsachen bzw. im Lichte der unter 3.2.b. erfolgten Zusammenfassung des Geschehens sowie der oben dargestellten Normen wäre der Beschwerdeführer nach dem Anruf des XXXX daher sofort verpflichtet gewesen, dem Verdacht nachzugehen, dass sich in Bludenz, XXXX , eine Person aufhält, gegen die eine Anordnung zur Festnahme nach Art. 4 Abs. 1, 2 oder 4 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684/1988, besteht, unabhängig davon ob in einer ex-post Betrachtung ein solcher Grund vorlag oder nicht. Da der Beschwerdeführer von einer Person, die außerhalb des Polizeidienstes steht, keine genaue terminologische Einordnung polizeilicher oder gerichtlicher Aufträge erwarten kann, spielt auch die vielleicht ungenaue Bezeichnung der gerichtlichen Festnahmeaufträge keine Rolle. Der Beschwerdeführer hätte den Einsatz nur dann nicht vergeben (oder eher widerrufen) dürfen, wenn er nach Durchsicht aller polizeilich zur Verfügung stehenden Daten – also insbesondere, aber nicht nur der Personenfahndung im EKIS – absolut sicher gewesen wäre, dass nach der gegenständlichen Person nicht im Sinne des § 24 SPG gefahndet wird. Ob ex post betrachtet konkret eine Anordnung zur Festnahme nach Art. 4 Abs. 1, 2 oder 4 BVG persönliche Freiheit vorgelegen hat oder nicht, spielt hier keine Rolle, weil ex ante betrachtet ein begründeter Verdacht vorlag und der Beschwerdeführer diesen Verdacht nicht hinreichend ausgeräumt hat. Mit anderen Worten reicht es, dass hier auf Grund eines namentlich bekannten Aufforderers der entsprechende Verdacht vorlag, der vom Beschwerdeführer durch die Entsendung einer Streife zu verifizieren gewesen wäre.

Darüber hinaus war – abermals in der gebotenen ex ante Betrachtung – nicht auszuschließen, dass der früher schon mit Betretungsverboten bedachte XXXX im Haus XXXX , dessen Wesen der Beschwerdeführer nicht kannte, eine Gefahr darstellen bzw. einen gefährlichen Angriff durchführen würde. Auch diesbezüglich wäre die Entsendung einer Streife notwendig gewesen.

Der Beschwerdeführer hat es nach dem Anruf am 25.07.2018, 08.19 Uhr, aber vorsätzlich unterlassen, eine Streife bzw. mehrere Streifen nach Bludenz, XXXX , und das dortige Umfeld und gegebenenfalls zum Haus XXXX zu entsenden, obwohl zu diesem Zeitpunkt eine gute Möglichkeit bestanden hätte, des XXXX habhaft zu werden und zu überprüfen, ob dieser wirklich gesucht wurde bzw. ob von diesem in weiterer Folge Gefahr ausging. Daher ist der Beschwerdeführer somit den gesetzlichen Aufgaben nach §§ 24, 28a Abs. 1 SPG, die ihm als Exekutivorgan gemäß §§ 2, 5 SPG zugekommen sind, nicht nachgekommen, hat daher seine dienstlichen Aufgaben nicht unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem besorgt und eine Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 1 BDG begangen.

Anders ist dies für die Handlungen nach dem Anruf am 25.07.2018, 08.36 Uhr, zu beurteilen. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Entsendung von Streifen nach Bludenz, XXXX , – was anderes, etwa die Veranlassung einer Fahndung im Rahmen des Streifendienstes oder die Entsendung einer Streife zum Haus XXXX , wurde dem Beschwerdeführer im Einleitungsbeschluss aber nicht vorgeworfen – keinen Sinn mehr gehabt, weil es nur noch sehr unwahrscheinlich gewesen wäre, XXXX in Bludenz, XXXX , oder im dortigen Nahgebiet anzutreffen. Es liegt daher diesbezüglich eine Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 1 BDG nicht vor. Auch haben sich die Hinweise auf das Vorliegen einer Gefahr durch XXXX beim Haus XXXX durch diese Informationen nicht verdichtet und liegt daher wegen des abermaligen Nichtentsendens einer Streife keine Dienstpflichtverletzung vor.

Dass um 09.30 Uhr dann – veranlasst durch den Vorgesetzten des Beschwerdeführers – eine Fahndung eingeleitet wurde, hatte ihren Zweck wohl mehr in der Wiederherstellung des Vertrauens als in der Hoffnung, die Fahndung zum Erfolg zu führen.

3.2.d. Gemäß § 43 Abs. 2 BDG hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Gerade bei einem Exekutivorgan ist ein entscheidender Gesichtspunkt der, dass sich auch der Dienstgeber auf die Vertrauenswürdigkeit bei der Dienstausübung verlassen können muss (VwGH 19.12.1996, 95/09/0153, mwN und 18.04.2002, 2000/09/0176). Das trifft insbesondere für Exekutivorgane an Notruftelefonen zu, weil diesen eine Schlüsselfunktion bei der gesetzlichen Aufgabenerfüllung zukommt. Als Exekutivbeamter hat der Beschwerdeführer auch gegen § 43 Abs. 2 BDG verstoßen, weil durch seine Untätigkeit für den Anrufer der Eindruck entstand und entstehen musste, dass sich die Polizei nicht für gesuchte Personen interessiert und stattdessen den Anrufer abwimmelt sodass der Anrufer, der immerhin den Notruf gewählt hat, nicht mehr darauf vertrauen kann, dass die von ihm informierte Polizei unverzüglich einschreitet, wenn etwa eine polizeilich gesuchte Person gemeldet wird. Dies hinterlässt aber den Eindruck von Willkür oder Zufälligkeit bei der polizeilichen Arbeit, weil es nach diesem Eindruck darauf ankommt, ob ein arbeitswilliger Beamter am Notruf sitzt oder nicht. Daher liegt hinsichtlich der Reaktion des Beschwerdeführers auf den Anruf am 25.07.2018, 08.19 Uhr, ein Verhalten vor, das nicht dazu geeignet ist, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben des Beschwerdeführers als Notrufsachbearbeiter erhalten bleibt und stellt eine Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG dar.

Anders stellt sich die Lage nach dem Anruf am 25.07.2018, 08.36 Uhr, dar. Hier konnte eine

objektive, verständige Anruferin

– das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Zweifel, dass es sich bei der Anruferin um eine solche handelt – nicht mehr erwarten, dass eine Fahndung in Bludenz, XXXX , und dessen Umfeld von Erfolg gekrönt ist. Vielmehr würde ein solcher verständiger Anrufer erwarten, dass der Notrufsachbearbeiter die Streifen auf die vermutlich im Bereich Bludenz befindliche Person hinweist und die Fahndung im Rahmen des Streifendienstes erfolgt. Zwar ist die Wortwahl des Beschwerdeführers im Gespräch mit der Anruferin am 25.07.2018, 08.36 Uhr, nicht geglückt und wäre von ihm auch zu erwarten gewesen, dass er – nach Kenntnis der Gefährlichkeit des XXXX – eine Streife zum Haus XXXX entsendet, dies wurde ihm aber im Einleitungsbeschluss nicht vorgehalten (offensichtlich ist mit Vorfallsort die einzige im Spruch des Einleitungsbeschlusses vorkommende Adresse, nämlich Bludenz, XXXX gemeint) und ist daher hier nicht relevant.

Daher hat der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Reaktion auf den Anruf am 25.07.2018, 08.36 Uhr, keine Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG begangen.

3.2.e. Gemäß § 44 Abs. 1 BDG hat der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.

Gemäß des eine generelle Weisung darstellenden Erlasses „EDR-Exekutivdienstrichtlinie – BMI-OA1000/0253-II/1/2005“ (in Folge: EDR) wird die Tätigkeit eines Notrufsachbearbeiters unter Punkt „3.6.1. Bezirks-/Stadtleitstelle (BLS/SLS)“ einer Bezirksleitstelle näher geregelt. Es wird ausgeführt, dass (siehe 2)) die Leitstellen rund um die Uhr erreichbar sein müssen und (siehe 3)) unter anderem (siehe 2.) die Entgegennahme von Notrufen und Alarmen sowie Veranlassung der erforderlichen Maßnahmen wahrzunehmen haben; die anderen Aufgaben der Notrufsachbearbeiter einer Leitstelle sind verfahrensgegenständlich jedenfalls nicht einschlägig und können daher nunmehr außer Betracht bleiben. Dieser Erlass war dem Beschwerdeführer am 25.07.2018 jedenfalls dem Inhalt nach bekannt.

Welche Maßnahmen das sind, lässt die EDR offen, legt also auch nicht konkret fest, dass sofort eine Streife zum Vorfallsort zu beordern ist. Somit kann auch das Ermitteln, ob tatsächlich eine Ausschreibung vorliegt, nicht als Weisungsverstoß betrachtet werden, wenngleich die sofortige Alarmierung einer Streife erforderlich gewesen wäre. Die konkrete Handlungspflicht ist durch die EDR nicht klar zum Ausdruck gekommen. Diesbezüglich bestand daher keine ausreichend konkrete Weisung zu einem bestimmten Handeln, deren Nichtbeachtung dem Beschwerdeführer vorgeworfen werden könnte (VwGH 22.02.2006, 2005/09/0147; VwGH 19.03.2014, Ro 2014/09/013). Das hat die belangte Behörde verkannt. Ein Verstoß gegen § 44 Abs. 1 BDG liegt demnach weder hinsichtlich des Anrufes am 25.07.2018, 08.19 Uhr, noch des Anrufes am 25.07.2018, 08.36 Uhr, vor.

3.2.f. Daher hat der Beschwerdeführer dadurch, dass er nach dem Anruf am 25.07.2018, 08.19 Uhr nicht sofort eine Streife nach Bludenz, XXXX entsandt hat, eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 1 BDG und eine Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG begangen.

Da der Beschwerdeführer durch das (einmalige) oben beschriebene Unterlassen mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen hat, die sich aber hinsichtlich ihres Schutzzweckes nicht decken, liegt Idealkonkurrenz vor und er ist wegen beider Dienstpflichtverletzungen schuldig zu sprechen und der Spruch entsprechend zu ändern (zu den Auswirkungen hinsichtlich der einheitlichen Strafe siehe unten).

3.2.g. Im Lichte des vom Bundesverwaltungsgericht vollständig neu durchgeführten Ermittlungsverfahrens muss auf die in der Beschwerde (unter dem dortigen Punkt 3.1.) gerügten unrichtigen Tatsachenfeststellungen nicht näher eingegangen werden.

Soweit in der Beschwerde (unter dem dortigen Punkt 3.2.) unvollständige Feststellungen gerügt werden, ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht einerseits das von ihm erstellte Transkript der Telefonate, dem von den Parteien ausdrücklich nicht entgegengetreten wurde, der Entscheidung unterstellt wurde und andererseits Feststellungen zum zugesicherten Rückruf der Zeugin XXXX im Lichte des Freispruchs nicht entscheidungsrelevant sind. Ebenso ist nicht entscheidungsrelevant, ob der Beschwerdeführer zwischen den Anrufen die Pinnwand durchgesehen hat oder nicht – auch wenn dies oben festgestellt wurde –, da der Anruf des XXXX bereits unmittelbare Handlungspflichten ausgelöst hat; es ist daher auch nicht relevant, was andere Beamte (siehe Ausführungen in der Beschwerde unter dem dortigen Punkt 3.2.1.4) geglaubt haben; die Handlungspflicht der Entsendung einer Streife bestand so lange, bis der Beschwerdeführer mit Sicherheit gewusst hätte, dass XXXX nicht gesucht wird; dies hätte jedenfalls die Durchführung einer Anfrage in der Personenfahndung des EKIS notwendig gemacht, die aber nicht erfolgt ist. Es spielt auch keine Rolle, dass der Beschwerdeführer nicht aktiv gewusst hat, dass XXXX gesucht wird; wäre dies der Fall, wäre im Übrigen an das Verbrechen des Amtsmissbrauches zu denken. Wie oben ausgeführt ist auch nicht relevant, ob der Anruf sich des korrekten polizeilichen Vokabulars bedient oder nicht; ob daher von einem Festnahmeauftrag die Rede war, spielt keine Rolle. Richtig ist, dass nach dem Anruf des XXXX von keinem unmittelbar stattfindenden gefährlichen Angriff, wenn auch von der Notwendigkeit der Gefahrenerforschung, auszugehen war. Wieso die Beschwerde davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer nicht vorsätzlich gehandelt hat, ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar, zumal niemals behauptet wurde, dass er auf die Entsendung der Streife – nur dies wird ihm vorgeworfen – vergessen hat; vielmehr hat er, wie oben ausgeführt, sich gegen die Entsendung entschieden und somit vorsätzlich gehandelt.

Dass keine Dienstpflichtverletzung nach § 44 Abs. 1 BDG vorliegt (siehe Punkt 3.3.1. der Beschwerde) hat das Bundesverwaltungsgericht oben ausgesprochen. Selbiges gilt für die Vorwürfe in der Beschwerde unter Punkt 3.3.2.; das Vorliegen eines gefährlichen Angriffes wird dem Beschwerdeführer vom Bundesverwaltungsgericht nicht mehr vorgeworfen.

Hinsichtlich des im Plädoyer vor dem Bundesverwaltungsgericht erfolgten Verweises auf § 118 BDG ist einerseits darauf zu verweisen, dass eine Einstellung nur vor der Einleitung des Disziplinarverfahrens erfolgen kann und andererseits – wie unter 3.3. auszuführen sein wird – die Schuld des Beschwerdeführers nicht gering ist.

3.3. Zur Strafbemessung:

3.3.a. Bei der Entscheidung über die disziplinarrechtliche Schuld und Strafe handelt es sich um eine aus gebundenen Entscheidungen und einer Ermessensentscheidung zusammengesetzte Entscheidung. Bei der Beurteilung der Schuld und deren Schwere ist kein Ermessen zu üben, erst die Auswahl der Strafmittel und gegebenenfalls (im Fall einer Geldbuße oder Geldstrafe) die Festlegung von deren Höhe stellen Ermessensentscheidungen dar. Hiebei sind Beurteilungen betreffend die Persönlichkeit des Beschuldigten, sein vergangenes und zukünftiges Verhalten zu treffen (VwGH 21.04.2015, Ra 2015/09/0009).

Bei der Bemessung einer Disziplinarstrafe nach § 93 BDG ist – auch – eine Ermessensentscheidung zu treffen (vgl. VwGH 12.11.2013, 2013/09/0027). Bei der Entscheidung über ein Disziplinarerkenntnis handelt es sich nicht um eine Verwaltungsstrafsache im Sinne des Art. 130 Abs. 3 B-VG. Das Bundesverwaltungsgericht darf, wenn es zur selben sachverhaltsmäßigen und rechtlichen Beurteilung kommt, vor dem Hintergrund des Art. 130 Abs. 3 B-VG nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle der Ermessensübung durch die Disziplinarkommission setzen. Jedoch ist das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung über die Bemessung einer Disziplinarstrafe nicht von der Verpflichtung zur Beurteilung entbunden, ob die Ermessensübung durch die Disziplinarkommission auf gesetzmäßige Weise erfolgte. Weiters ist zu bedenken, dass das Bundesverwaltungsgericht im Fall einer gesetzwidrigen Entscheidung der Verwaltungsbehörde im Fall des § 28 Abs. 2 VwGVG (Art. 130 Abs. 4 B-VG) in der Sache selbst zu entscheiden und dabei auch eine Ermessensentscheidung zu treffen hat (VwGH 21.04.2015, Ra 2015/09/0009). Es stellt sich also die Frage, ob die Behörde unter Einbeziehung der im Gesetz festgelegten Kriterien (noch) eine vertretbare Lösung gefunden hat oder ihr ein Ermessensfehler zum Vorwurf zu machen ist. Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Behörde ein Ermessensfehler zum Vorwurf zu machen, wenn diese zu berücksichtigende Umstände unbeachtet gelassen hat, unsachliche Ermessenskriterien herangezogen hat, die gebotene Abwägung überhaupt unterlassen hat, das Gewicht der abzuwägend

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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