TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/2 W224 2231519-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.07.2020
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Entscheidungsdatum

02.07.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
SchUG §8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W224 2231519-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde des minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch seinen erziehungsberechtigten Vater XXXX , beide wohnhaft in: XXXX , vertreten durch RA Dr. Wolfgang VACARESCU, Jakominiplatz 16/II, 8010 Graz, gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Steiermark vom 26.03.2020, Zl. 601042/88-2019, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 8 Schulpflichtgesetz 1985, BGBl. Nr. 176/1985, in der Fassung BGBl. I Nr. 23/2020, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Mit Bescheid vom 06.03.2013, ergangen aufgrund des Antrages des erziehungsberechtigten Vaters vom 15.11.2012, wurde für den Beschwerdeführer erstmals der sonderpädagogische Förderbedarf (im Folgenden: SPF) festgestellt. Begründend wurde ausgeführt, dass sich der sonderpädagogische Förderbedarf auf ein ärztliches Gutachten vom 10.12.2012, auf ein sonderpädagogisches Gutachten vom 13.02.2013 und auf ein schulpsychologisches Gutachten vom 21.12.2012 gründete. Da das Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass der Beschwerdeführer infolge psychischer Behinderung dem Unterricht in der Volkschule ohne sonderpädagogische Förderung nicht zu folgen vermag, sei ein solcher Förderbedarf festzustellen gewesen.

2.       Der Beschwerdeführer besuchte im Schuljahr 2019/20 die 7. Schulstufe der NMS XXXX (im Folgenden: NMS), zuvor besuchte er die Sonderschule XXXX . Die NMS regte mit Schreiben vom 07.11.2018 an, den Beschwerdeführer aufgrund des Bescheides vom 06.03.2013 des damaligen Bezirksschulrates XXXX , mit welchem ein SPF festgestellt wurde, den Beschwerdeführer in den Gegenständen Deutsch, Mathematik, Englisch, Geschichte und Sozialkunde, Geografie und Wirtschaftskunde, Biologie und Umweltkunde, Physik und Musik an Stelle des Lehrplanes der NMS nach dem Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule (ASO) zu unterrichten.

3.       Am 31.01.2019 wurde durch den erziehungsberechtigten Vater des Beschwerdeführers, im Rahmen des eingeräumten Parteiengehörs vom 17.01.2019, der Antrag gestellt, eine Überprüfung vorzunehmen, in wie weit ein SPF anzunehmen sei, zumal die psychische Behinderung des Beschwerdeführers zu diesem Zeitpunkt weder befundet noch feststellbar sei.

4.       Mit Schreiben vom 20.02.2019 wurde dem Beschwerdeführer bzw. dessen erziehungsberechtigten Vater durch die Bildungsdirektion Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde) mitgeteilt, dass mit Schreiben vom 31.01.2019 der Antrag gestellt worden sei „eine Überprüfung dahingehend herbeizuführen, in wie weit ein sonderpädagogischer Förderbedarf anzunehmen ist, zumal eine psychische Behinderung zum derzeitigen Zeitpunkt weder befundet wurde, noch derzeit feststellbar ist“. Eine neuerliche Überprüfung des SPF sei insbesonders auch im Hinblick auf das Vorliegen einer Behinderung nach § 8 SchPflG zu erfolgen. Um diese Überprüfung durchführen zu können, werde der Beschwerdeführer ersucht, das dem Schreiben beigelegte Formular auszufüllen und an die belangte Behörde zu retournieren. Zu beachten sei, dass für das Verfahren eine schulärztliche und/oder schulpsychologische Untersuchung erforderlich sein werde. Diese Untersuchungen dürften jedoch nur mit ausdrücklicher Zustimmung durchgeführt werden.

5.       Datiert mit 30.04.2019 wurde seitens der Schulpsychologin eine Stellungnahme abgegeben, der zu entnehmen ist, dass aufgrund der Tatsache, dass von den Erziehungsberechtigten bis dato keine Zustimmung zur schulpsychologischen Untersuchung gegeben worden sei, keine Stellungnahme zum Vorliegen einer etwaigen Behinderung nach § 8 SchPflG verfasst werden könne.

6.       Das Schreiben vom 30.04.2019 wurde dem Beschwerdeführer bzw. dessen Rechtsvertreter am 06.05.2019 im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt. Der Beschwerdeführer wurde darauf hingewiesen, dass – sofern die Weiterführung des Verfahrens zur Überprüfung/Aufhebung des SPF gewünscht sei – die Zustimmung zur schulpsychologischen Untersuchung bis längstens 20.05.2019 ausdrücklich und schriftlich erteilt werden müsse.

7.       Am 15.05.2019 wurde durch den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mitgeteilt, dass das gewünschte Formular ausgefüllt übermittelt werde, damit eine schulpsychologische Untersuchung durchgeführt werden könne. Als ersten positiven Schritt gäbe es zu berichten, dass seit mehr als eineinhalb Jahren die entsprechenden schulischen Belange sich auch zur Zufriedenheit der Eltern verbessert hätten. Dies sei auf die Interaktion zwischen dem derzeitigen Personal der NMS und dem Beschwerdeführer zurückzuführen.

8.       Datiert mit 04.07.2019 wurde durch die zuständige Schulpsychologin, nach der Untersuchung des Beschwerdeführers am 07.06.2019 sowie am 26.06.2019, ein „Schulpsychologisches Gutachten“ erstellt.

Diesem ist auf das Wesentlichste zusammengefasst auf die Fragestellung „Liegt eine Behinderung nach § 8 Schulpflichtgesetz 1985 vor, die geeignet ist die Teilhabe am Unterricht zu erschweren?“ zu entnehmen, dass aufgrund der vorliegenden Ergebnisse bei dem Beschwerdeführer aus schulpsychologischer Sicht eine psychische Behinderung im schulrechtlichen Sinne nach § 8 SchPflG vorläge, die geeignet sei, die Teilhabe am Unterricht zu erschweren. Begründet wurde dies damit, dass der Beschwerdeführer das Störungsbild einer kombinierten Störung schulischer Fertigkeiten aufweise (ICD-10: F81.3), wobei freies Schreiben, Lesen und Rechnen sowie alle weiteren darauf begründeten Bereiche schulischen Lernens massiv beeinträchtigt seien. Dies stelle eine nicht nur vorübergehende psychische Funktionseinschränkung dar, die gravierende Rückstände in allen Lernbereichen zur Folge habe und die mit den Fördermöglichkeiten der Regelschule nicht kompensiert werden könnte. Zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens sei von einer mindestens sechs Monate andauernden psychischen Behinderung im schulrechtlichen Sinne auszugehen, die geeignet sei eine Teilhabe am Unterricht zu erschweren. Als weiterführende Fördermaßnahmen wurden eine Lehrplaneinstufung, sonderpädagogische Unterstützung im Unterricht sowie ein Jugendcoaching spätestens ab dem 9. Schuljahr empfohlen.

Am 04.07.2019 verfasste die Schulpsychologin einen Aktenvermerk über die Ergebnisbesprechung vom 03.07.2019 mit dem erziehungsberechtigten Vater des Beschwerdeführers betreffend die schulpsychologische Untersuchung.

Diesem Aktenvermerk ist zu entnehmen, dass seitens der Schulpsychologin dargelegt worden sei, aus welchem Grund nach wie vor eine psychische Behinderung im schulrechtlichen Sinne nach § 8 SchPflG vorliege, die geeignet sei, die Teilnahme am Unterricht zu erschweren. Der Vater sei sehr einsichtig gewesen und habe auch gefragt, ob der Beschwerdeführer nun wohl weiterhin und auch außerschulisch Unterstützung bekomme (Begünstigungen). Der Vater sei sehr zufrieden mit der Schule und den Lehrerinnen der NMS, der Beschwerdeführer fühle sich dort sehr wohl und werde optimal betreut. Der Vater habe nachgefragt, ob der Beschwerdeführer aufgrund des SPF kein Gymnasium besuchen bzw. die Matura machen könne. Die Schulpsychologin habe dem Vater zu verstehen gegeben, dass der Beschwerdeführer in einigen Bereichen nur mit Mühe dem ASO-Lehrplan folgen könne, er zum Teil (Mathematik, Texte schreiben) nicht einmal auf dem Stand der 4. Klasse Volkschule sei. Der Vater habe sich überrascht darüber gezeigt, dass der Beschwerdeführer schon alle Rechenoperationen, Maßeinheiten und Umwandlungen beherrschen solle. Der Beschwerdeführer habe dies aufgrund des SPF in der Volksschule nicht erlernen können. Dies habe von der Schulpsychologin entkräftet werden können, da laut Aussage des Sonderpädagogen der NMS er mit dem Beschwerdeführer zwar Inhalte erarbeiten hätte, der Beschwerdeführer diese aber nicht dauerhaft abspeichern könne. Die Schulpsychologin habe dem Vater unmissverständlich erklärt, dass das Ziel Matura nicht erreichbar sei, nicht aufgrund des „SPF-Bescheides“, sondern aufgrund der kognitiven Fähigkeiten und des Leistungsstandes des Beschwerdeführers. Sie seien sich einig gewesen, dass der Beschwerdeführer trotzdem seinen beruflichen Weg (z.B. Lehre im Wunschberuf Gastronomie) mit Unterstützung durch Berufsschulassistenz o.ä. gehen werde. Dazu sei es allerdings wichtig, das Jugendcoaching hinzuzuziehen. Die Schulpsychologin habe dem Vater die Möglichkeit aufgezeigt, den Antrag zurückzuziehen, anderenfalls würde sie das Gutachten, wie es sei, weiterleiten. Sie hätten sich auf Letzteres geeinigt. Der Vater schien sehr einsichtig zu sein, habe sich aber noch mit seiner Frau beraten wollen. Zehn Minuten nach dem Gespräch habe der Vater die Schulpsychologin angerufen und es sei durch den Vater bekannt gegeben worden, dass der Beschwerdeführer keinerlei Sonderförderung mehr erhalten solle, er solle so wie alle in seiner Klasse unterrichtet werden. Ein weiteres Gespräch, wie dieses durch die Schulpsychologin angeboten worden sei, wäre von den Eltern abgelehnt worden und es sei durch die Eltern festgehalten worden, dass der Beschwerdeführer normal zu beschulen sei, sonst würde er die Schule nicht mehr besuchen.

9. Am 12.07.2019 wurde dem Beschwerdeführer bzw. dessen Vertretern Parteiengehör gewährt und es wurde diesen das eingeholte schulpsychologische Gutachten sowie der Aktenvermerk übermittelt. Es wurde mitgeteilt, dass um eine möglichst rasche und effiziente Abwicklung des Verfahrens zu gewährleisten aufgrund der im psychologischen Gutachten festgestellten Behinderung bereits ein weiteres Gutachten, nämlich ein sonderpädagogisches beauftragt worden sei.

10. Am 29.07.2019 wurde ein Antrag auf Fristerstreckung eingebracht um eine fundierte Stellungnahme zum Parteiengehör erstatten zu können.

11. Am 31.07.2019 wurde seitens der belangten Behörde dem Antrag auf Fristerstreckung stattgegeben und die Frist für die Abgabe einer Stellungnahme bis zum 13.08.2019 verlängert.

12. Am 13.08.2019 erging seitens des Beschwerdeführers bzw. dessen Vertretern eine Stellungnahme. Ausgeführt wurde, dass, trotz des noch ausständigen Gutachtens, die Eltern des Beschwerdeführers auf dem Standpunkt stehen würden, dass der Beschwerdeführer eine „derart positive Entwicklung“ im bisherigen Verlauf durchgemacht habe, sodass ein SPF nicht mehr erforderlich erscheine.

13. Nach einer Untersuchung des Beschwerdeführers am 14.10.2019 wurde das mit 22.10.2019 datierte „Sonderpädagogische Gutachten“ durch die zuständige Koordinatiorin des Fachbereiches für Inklusion, Diversität und Sonderpädagogik (FIDS) verfasst.

Diesem ist, in Bezug auf die Fragestellungen, wie folgt zu entnehmen:

1. Kann das Kind aufgrund der im schulpsychologischen und/oder schulärztlichen Gutachten festgestellten Behinderung und der damit verbundenen Einschränkung der Teilhabe am Unterricht ohne sonderpädagogische Förderung dem Unterricht der allgemeinen Schule nicht folgen?

„a. Die schulpsychologische Untersuchung konnte zeigen, dass eine psychische Behinderung nach § 8 Schulpflichtgesetz vorliegt (F 81.3 kombinierte Störung schulischer Fertigkeiten). b. Aus sonderpädagogischer Sicht liegt aufgrund der oben dargestellten Befunderhebung ein massives Leistungsversagen vor. Die vorliegende Behinderung (ICD 10-Diagnose) ist ursächlich dafür, dass der Schüler dem Unterricht ohne sonderpädagogische Förderung nicht zu folgen vermag. c. Alle Fördermaßnahmen des Regelschulwesens wurden, wie in der Befunderhebung unter Punkt 2 dargestellt, ausgeschöpft. d. Folgende sonderpädagogische Fördermaßnahmen sind konkret erforderlich (z.B. Einsatz eines „Stützlehrers“, Einsatz „spezifischer Lehrmittel“, etc.): …“.

2. Ist das Kind nach einem anderen Lehrplan als jenem der allgemeinen Schule zu unterrichten?

„Bezugnehmend auf die Ausführungen unter Punkt II.5 wird die Lehrplaneinstufung in den Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule für die Gegenstände Deutsch, Mathematik, Englisch, Geschichte und politische Bildung, Geografie und Wirtschaftskunde, Biologie und Umweltkunde, Physik und Musik empfohlen.“

3. Welche konkrete Sonderschule oder allgemeine Schule kommt in Betracht und welche stellt die bestmögliche Förderung für das Kind dar?

„Der Schüler besucht derzeit die NMS. Er wird im Sinne einer inklusiven Beschulung bestmöglich gefördert.“

Zusammenfassend wurde empfohlen, dem Antrag auf SPF stattzugeben und den Beschwerdeführer in den aufgelisteten Gegenständen nach dem Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule zu unterrichten. Eine Beschulung in der NMS, die der Beschwerdeführer bereits besuchte, wurde empfohlen.

14.       Am 13.12.2019 fand eine Information der Erziehungsberechtigten des Beschwerdeführers durch die FIDS-Koordinatorin der Bildungsdirektion Zentralraum Steiermark statt. Im Rahmen dieses Gespräches seien die erziehungsberechtigten Eltern des Beschwerdeführers über die Schlussfolgerungen des Gutachtens zur Aufhebung des SPF informiert worden. Die Aufhebung des SPF könne aus sonderpädagogischer Sicht nicht befürwortet werden, da die schulischen Leistungen des Beschwerdeführers weit unter den Anforderungen des Regellehrplanes der 7. Schulstufe lägen. Dies gelte insbesonders für den Gegenstand Mathematik. In diesem Gegenstand beherrsche der Beschwerdeführer Lehrplaninhalte der Volkschule nicht. Im Bereich Deutsch würden die Lernrückstände im schriftsprachlichen Bereich, im Verfassen von Texten liegen. Der Vater des Beschwerdeführers forderte die FIDS-Koordinatorin auf, die Rückmeldungen der Familie „nicht persönlich“ zu nehmen, die Familie sei „vom Kindergarten an reingelegt“ worden und dies habe ihr Sohn nun zu „büßen“. Die Lernrückstände des Sohnes seien das Ergebnis der sonderpädagogischen Förderung. Der Vater habe angegeben, „sein Sohn werde aus dem System (sonderpädagogische Förderung)“ genommen und der Beschwerdeführer bekomme Nachhilfe, weil er Anforderungen brauche. Die FIDS-Koordinatorin habe nochmals ihre Rolle als sonderpädagogische Gutachterin erläutert und habe festgehalten, dass es beim derzeitigen Leistungsstand des Beschwerdeführers nicht möglich sei, die Aufhebung des SPF zu empfehlen. Der Vater habe die FIDS-Koordinatorin informiert, dass er das Protokoll nicht unterschreiben werde und habe der Gutachterin unterstellt, dass sie „finanzielle Interessen“ habe. Die Eltern würden jede weitere sonderpädagogische Betreuung ablehnen und die Gutachtenserstellerin könne sich ihr Gutachten „dorthin stecken wo die Sonne nicht scheine“. Der Vater habe weiter angegeben, dass er einen Bericht in der Zeitung „Falter“ lanciert habe und dass sich die Gutachterin bezüglich ihrer Rolle dort wiederfinden würde. Der Vater habe berichtet, dass der Beschwerdeführer am Tag der sonderpädagogischen Begutachtung an der Schule geweint und Angst vor der Gutachterin gehabt habe. Der Vater habe die Aufhebung des SPF verlangt und die Wiederholung der Schulstufe, solange bis der Beschwerdeführer die Anforderungen des Regellehrplanes schaffe. Die Gutachterin habe darauf hingewiesen, dass sie von der juridischen Abteilung benannt worden sei und dass Begutachtungssituationen für Schüler/innen immer mit Stress verbunden seien. Die Begutachtung sei rechtlich vorgesehen und daher durchzuführen. Die Verfahrensleitung liege in der juridischen Abteilung der Bildungsdirektion. Auf diesen Verweis hin, hätten die Eltern grußlos den Raum verlassen um den Leiter des Referates „Präs/2b – Schulrecht und sonstige Rechtsleistungen Bund“ aufzusuchen.

15.       Mit E-Mail vom 15.12.2019 teilte der Vater des Beschwerdeführers mit, dass sie am Freitag zu einem Gesprächstermin bei der FIDS-Koordinatorin, welche das Sonderpädagogische Gutachten verfasst hat, eingeladen gewesen seien. Sie hätten das Gutachten nicht unterschreiben wollen, da sie mit dem „ganzen sonderpädagogischen Förderbedarf-Programm“ unglücklich seien. Sie hätten den Beschwerdeführer „schon immer“ von diesem Programm „befreien“ wollen. Sie würden um einen baldigen Termin bitten um die Abmeldung ihres Sohnes von diesem Programm zu unterschreiben.

16. Am 20.12.2019 wurde dem Beschwerdeführer bzw. dessen Vertretern das sonderpädagogische Gutachten sowie das Beratungsprotokoll des FIDS übermittelt und ihnen die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen gestellt.

17. Datiert mit 09.01.2020 gab der Beschwerdeführer bzw. dessen Vertreter eine Stellungnahme ab, der zu entnehmen ist, dass das sonderpädagogische Gutachten „in einzelnen Passagen richtige Beobachtungen enthalte“. Maßgeblich sei jedoch, dass im Rahmen dieses Gutachtens, welches auf den Förderbedarf abstelle, nicht die elterlichen Erlebnisse der letzten Jahre berücksichtigt worden seien. Faktum sei, dass durch die Beistellung des SPF, welcher aus Sicht der Eltern (nicht mehr) nötig ist, eine „Stigmatisierung“ des Beschwerdeführers im Rahmen der Schulgemeinschaft und somit auch für seine weitere Zukunft bewirkt werde. Der Beschwerdeführer sei sehr wohl in der Lage, insbesondere auch bei intensiver Betreuung durch die Eltern, allenfalls auch durch Nachhilfeunterricht, die entsprechenden schulischen Voraussetzungen zu erfüllen und den Lernzielen nachzukommen. Lernhilfen könnten somit auch außerhalb des Rahmens des SPF zur Verfügung gestellt werden und hätten die Eltern auch in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass nach Herauslösen aus dieser „Stigmatisierung“, der Beschwerdeführer eine entsprechende positive Entwicklung durchmache. Diese positive Entwicklung habe durch die Gutachterin nicht festgestellt werden können, da sie hinsichtlich ihrer Begutachtung lediglich eine Überprüfung auf einen bestimmten Zeitpunkt vorgenommen habe, jedoch die Entwicklung in den Monaten davor nicht wahrgenommen und somit nicht in ihrem Gutachten berücksichtigt habe. Selbstverständlich würden die Eltern des Beschwerdeführers eine größtmögliche Förderung ihres Sohnes anstreben, jedoch erscheine der SPF im gegenständlichen Fall der falsche Weg zu sein um den Beschwerdeführer tatsächlich „entsprechend zu entwickeln“ und zu fördern. Die Eltern würden sich daher nach wie vor gegen die Vornahme eines SPF aussprechen.

18. Am 22.01.2020 erging eine „Sonderpädagogische Stellungnahme“ als Replik auf die Stellungnahme des Beschwerdeführers bzw. dessen Vertretern. Es wurde zusammengefasst wie folgt ausgeführt: „Zusammenfassend kann aus sonderpädagogischer Sicht festgestellt werden, dass sich der Schüler derzeit auf der 7. Schulstufe im 8. Schulbesuchsjahr befindet. Er konnte während seiner Schulzeit in seinem individuellen Lerntempo kontinuierliche Fortschritte im sozial-emotionalen Bereich und im Bereich des kognitiven Lernens machen. Sein aktueller schulischer Leistungsstand entspricht trotz Besuch der Vorschulstufe, sonderpädagogischer Förderung ab der 1. Schulstufe und laut Angabe der Eltern Nachhilfeunterricht im außerschulischen Bereich, bei Weitem nicht den Anforderungen des Lehrplans der Neuen Mittelschule Stufe 7 und er benötigt aus sonderpädagogischer Sicht auch weiterhin:

?        die Unterstützung des Sonderpädagogen in einem Ausmaß von 21 Wochenstunden;

?        Anpassung des Unterrichtes an die individuellen Bedürfnisse des Schülers sowie den abgesicherten Rahmen für soziale Kontakte im Rahmen des Klassenunterrichts und in der Kleingruppe;

?        individuelle, Kind zentrierte Förderung nach einem sonderpädagogischen Förderplan,

?        Anpassung des Lehrplans an den aktuellen Entwicklungsstand des Schülers – Einstufung in den Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule.

Partizipation und Teilhabe am Regelunterricht der 7. Schulstufe der Neuen Mittelschule und Erreichen eines positiven Abschlusses nach dem Lehrplan der Neuen Mittelschule sind aufgrund des umfassenden Leistungsrückstandes des Schülers, bedingt durch die diagnostizierte Behinderung, derzeit nicht möglich.“

19. Diese sonderpädagogische Stellungnahme wurde dem Beschwerdeführer bzw. dessen Vertretern zur Wahrung des Parteiengehörs am 04.02.2020 weitergeleitet und die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben.

20. Am 24.02.2020 wurde ein Antrag auf Fristerstreckung seitens des Beschwerdeführers eingebracht.

21. Nach Fristerstreckung brachte der Beschwerdeführer bzw. dessen Vertreter eine Stellungnahme ein, der zu entnehmen ist, dass der sonderpädagogischen Stellungnahme „zuzugestehen“ sei, dass der Beschwerdeführer von Anfang an die in der Stellungnahme angeführten Defizite aufgewiesen habe. Was jedoch völlig unberücksichtigt geblieben sei, sei dass sich vor allem in den letzten Monaten eine mehr als positive Entwicklung des Beschwerdeführers abgezeichnet habe. Diesbezüglich werde auf die Schulnachricht vom 14.02.2020 verwiesen, wonach der Beschwerdeführer bis auf einen Pflichtgegenstand in sämtlichen anderen Pflichtgegenständen positiv beurteilt werden habe können. Durch den sonderpädagogischen Bedarf sei nach Meinung der Eltern eine „Stigmatisierung“ des Beschwerdeführers herbeigeführt worden, welche sich auf die Psyche des Beschwerdeführers niederschlage. Die Eltern hätten vor allem durch Lernhilfestellung von Seiten der Schwester erreichen können, dass der Beschwerdeführer seine Lernleistungen intensiviert habe und das Leistungsniveau auch angehoben worden sei. Die Gutachterin sei in ihrer Stellungnahme auch zum Schluss gekommen, dass von ihr keine valide Aussage über die Gestaltung des Unterrichtes und der Qualität der konkreten Fördermaßnahmen der NMS XXXX getroffen werden könnten. Derartige Feststellungen seien jedoch notwendig, um konkrete Aussagen über einen SPF treffen zu können. Trotz der Feststellungen in der sonderpädagogischen „Feststellung“ würden daher die Eltern bei ihrer „Ablehnung für die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs“ bleiben.

22. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 26.03.2020 wurde festgestellt, dass für den Beschwerdeführer weiterhin sonderpädagogischer Förderbedarf bestehe (1.) und er in den Unterrichtsgegenständen Deutsch, Mathematik, Englisch, Geschichte und Sozialkunde, Geografie und Wirtschaftskunde, Biologie und Umweltkunde, Physik und Musik an Stelle des Lehrplanes der Neuen Mittelschule nach dem Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule zu unterrichten sei (2.). Unter 3. wurde festgestellt, dass für den Beschwerdeführer der Besuch der näher bezeichneten NMS in Betracht komme.

Begründet wurde dies damit, dass mit Bescheid des damaligen Bezirksschulrates XXXX vom 06.03.2013 das Vorliegen eines SPF festgestellt wurde. Diese Feststellung blieb innerhalb der Rechtsmittelfrist unbekämpft.

Der Beschwerdeführer besuche derzeit die 7. Schulstufe der NMS, welche mit Schreiben vom 07.11.2018 angeregt habe, den Beschwerdeführer aufgrund des obigen Bescheides in den Gegenständen Deutsch, Mathematik, Englisch, Geschichte und Sozialkunde, Geografie und Wirtschaftskunde, Biologie und Umweltkunde, Physik, Musik an Stelle des Lehrplanes der NMS nach dem ASO-Lehrplan zu unterrichten.

Nach Zustimmung der Erziehungsberechtigen wurden ein schulpsychologisches sowie ein sonderpädagogisches Gutachten erstellt. Aus diesen widerspruchsfreien Gutachten ergebe sich, dass gegenständlich sowohl eine Funktionsbeeinträchtigung vorliege, die einerseits nicht nur vorübergehender Art sei und die andererseits dazu geeignet sei, die Teilhabe am Unterricht zu erschweren. Es liege daher – weiterhin – eine Behinderung im Sinne des § 8 Abs. 1 SchPflG vor. Diese Behinderung sei auch – weiterhin – ursächlich dafür, dass der Beschwerdeführer dem Unterricht in der besuchten Schulart ohne SPF nicht zu folgen vermag. Aus dem vorliegenden sonderpädagogischen Gutachten gehe unmissverständlich hervor, dass der Beschwerdeführer in näher bezeichneten Unterrichtsgegenständen nach dem Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule zu unterrichten sei und dies die bestmögliche Förderung für das Kind darstelle, sodass dieser Empfehlung vollinhaltlich zu folgen sei. Es sei auch in der Stellungnahme seitens der Erziehungsberechtigten vom 09.03.2020 ausdrücklich zugestanden worden, „dass das betroffene Kind von Anfang an die in der Stellungnahme festgestellten Defizite aufgewiesen hat“. Daraus ergebe sich, dass die von der Gutachterin festgestellten Defizite nicht mehr bestritten würden und auch aus Sicht der Eltern vorlägen. Weshalb die Eltern trotz dieses Zugeständnisses „bei ihrer Ablehnung für die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs“ bleiben würden, sei nicht nachvollziehbar.

Das Vorbringen, dass „sich vor allem in den letzten Monaten eine mehr als positive Entwicklung des betroffenen Kindes abgezeichnet habe“ und diesbezüglich auf die Schulnachricht verwiesen wird, gehe dieses Argument ins Leere. Es werde dabei nämlich übersehen, dass der Beschwerdeführer in näher bezeichneten Gegenständen nach dem ASO-Lehrplan unterrichtet und auch danach beurteilt worden sei. Nur dadurch habe in den genannten Gegenständen überhaupt eine positive Beurteilung erfolgen können, sonst wäre der Beschwerdeführer wohl – zumindest in einigen Gegenständen – negativ zu beurteilen gewesen. Der Unterricht und somit auch die Beurteilung nach einem anderen als dem Regellehrplan könne jedoch ausschließlich dann erfolgen, wenn für das betreffende Kind ein SPF festgestellt worden sei.

Aufgrund des Umstandes, dass die besuchte Schule in der Lage sei, die notwendigen sonderpädagogischen Maßnahmen anzubieten, sei als Standort für die Beschulung die genannte Schule in Betracht zu ziehen.

Es sei daher in erster Linie aufgrund der widerspruchsfreien Gutachten, aber nicht zuletzt auch aufgrund des Zugeständnisses der Eltern spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

23. Am 16.05.2020 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Beschwerde. Begründet wurde diese zusammengefasst damit, dass die Wiedergabe von Teilen des Gutachtens und von verschiedenen Stellungnahmen keineswegs ausreichend sei, um Feststellungen in der Sache zu ersetzen. Feststellungen, welche von der Behörde getroffen werden, seien „jedoch nicht ausreichend, um lediglich mit Hinweis auf das Sachverständigengutachten eine Beurteilung über eine richtig getroffene rechtliche Begründung zu tragen“. Darüber hinaus sei nach Meinung der Eltern des Beschwerdeführers die „Behörde erster Instanz“ auch zu Unrecht von einem sonderpädagogischen Förderbedarf ausgegangen. Evident sei, dass die Eltern „einen sonderpädagogischen Förderbedarf ihre Zustimmung nicht erteilt“ hätten. Evident sei weiters, dass die „Überweisung zu einer Sonderschule für Lernbehinderte“ in jedem Fall nicht nur von den Eltern, sondern auch von der Umgebung als Diskriminierung wahrgenommen und oft auch abgelehnt werde. Die „Überweisung zu einer Sonderschule“ und die „damit zusammenhängende niedrigere qualifizierende Bildungsabschlüsse und schlechtere Berufschancen“ seien dabei als Nachteile für den Beschwerdeführer aufzufassen. Verständlicherweise würden sich Eltern für ihre Kinder einen Verbleib in der Regelschule, um ihnen eine soziale Integration und bessere Bildungschancen zu ermöglichen, wünschen. Es wäre daher in jedem Fall zu überprüfen gewesen, ob Alternativen zur Verfügung stehen würden, ob durch entsprechende Lernmaßnahmen außerhalb des Schulbereichs, insbesondere durch Inanspruchnahme von Lernhilfe und Nachhilfe, diese nach außen hin ersichtliche „Brandmarkung“ der Zuteilung zur allgemeinen Sonderschule nicht hintangehalten werden könne und bei Inanspruchnahme derartiger Maßnahmen nicht ein gleichartiger Lernerfolg sichergestellt werden könne. Stehe nämlich die „Alternative zu der Zuordnung des Minderjährigen allgemeinen Sonderschulbereich zur Verfügung, so ist diese Alternative der Feststellung der sonderpädagogischen Förderbedarfs vorzuziehen“. Es werde von den Eltern unzweifelhaft festgehalten, dass die Behandlung des Beschwerdeführers in der NMS vorbildlich sei und sich die Pädagogen, „im Gegensatz zu anderen Schulen“, vorbildlich um den Beschwerdeführer kümmern. Nichts desto trotz wurde von den Behörden eine „alternative Behandlung nicht ins Kalkül gezogen, ungeachtet des Umstandes, dass sich die Lernerfolge durch zusätzliche Lernhilfe im privaten Bereich der Eltern zusehend gebessert haben“. Bei Berücksichtigung dieser „Alternativen“ hätte die Behörde zu einem anderen Bescheid gelangen müssen.

24. Mit Schreiben vom 28.05.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 03.06.2020, wurde die Beschwerde samt Verfahrensakten an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer besuchte im Schuljahr 2019/20 die 7. Schulstufe der NMS XXXX . Mit rechtskräftigem Bescheid des Bezirksschulrates für XXXX vom 06.03.2012, Zl. BSR-G-SPF/475-BSR-Allg/2012, wurde das Vorliegen eines sonderpädagogischen Förderbedarfs den Beschwerdeführer betreffend festgestellt.

Beim Beschwerdeführer liegt eine „kombinierte Störung schulischer Fertigkeiten (ICD-10: F81.3)“ vor.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen. Der verfahrensmaßgebliche Sachverhalt entspricht dem oben angeführten Verfahrensgang und konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei und vollständig festgestellt werden.

Die Feststellung, dass beim Beschwerdeführer eine „kombinierte Störung schulischer Fertigkeiten (ICD-10: F81.3)“ vorliegt, stützt sich auf die schlüssigen, eindeutigen, fachlich unzweifelhaften und nachvollziehbaren Gutachten (Sonderpädagogisches Gutachten vom 22.10.2019 sowie die dazu ergangene Sonderpädagogische Stellungnahme vom 22.01.2020 und das Schulpsychologische Gutachten vom 04.07.2019). Der Beschwerdeführer bzw. dessen Vertreter traten den Feststellungen in diesen Gutachten bzw. der dazu ergangenen Stellungnahme auch nicht auf gleichem fachlichen Niveau entgegen, sondern bestritten das zum jetzigen Zeitpunkt ein SPF beim Beschwerdeführer vorliegt lediglich inhaltsleer (vgl. VwGH vom 16.05.2001, 99/09/0187; VwGH vom 25.05.2005, 2004/09/0033) und entkräfteten diese insofern nicht. Festzuhalten ist auch, dass die Eltern des Beschwerdeführers in einer Stellungnahme vom 09.03.2020 zugestanden haben, dass „das betroffene Kind von Anfang an die in der Stellungnahme festgestellten Defizite aufgewiesen hat“ und somit die beim Beschwerdeführer bestehenden Defizite nicht mehr bestritten – auch nicht explizit in der Beschwerde - worden sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

1.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

1.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Schulpflicht (Schulpflichtgesetz 1985), BGBl. 76/1985, in der Fassung BGBl. I Nr. 23/2020, lauten:

„Schulbesuch bei sonderpädagogischem Förderbedarf

§ 8. (1) Auf Antrag oder von Amts wegen hat die Bildungsdirektion mit Bescheid den sonderpädagogischen Förderbedarf für ein Kind festzustellen, sofern dieses infolge einer Behinderung dem Unterricht in der Volksschule, Mittelschule oder Polytechnischen Schule ohne sonderpädagogische Förderung nicht zu folgen vermag. Unter Behinderung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Unterricht zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. Im Zuge der Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs ist auszusprechen, welche Sonderschule für den Besuch durch das Kind in Betracht kommt oder, wenn die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten es verlangen, welche allgemeine Schule in Betracht kommt. Unter Bedachtnahme auf diese Feststellung hat die Bildungsdirektion festzulegen, ob und in welchem Ausmaß der Schüler oder die Schülerin nach dem Lehrplan der Sonderschule oder einer anderen Schulart zu unterrichten ist. Bei dieser Feststellung ist anzustreben, dass der Schüler oder die Schülerin die für ihn oder sie bestmögliche Förderung erhält.

(2) Im Rahmen der Verfahren gemäß Abs. 1 kann auf Verlangen oder mit Zustimmung der Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten das Kind, sofern es die Volksschule oder Mittelschule noch nicht besucht, für höchstens fünf Monate in die Volksschule oder die Mittelschule oder eine Sonderschule der beantragten Art, sofern es die Volksschule oder die Mittelschule bereits besucht, in eine Sonderschule der beantragten Art zur Beobachtung aufgenommen werden.

(3) Sobald bei einem Kind auf die sonderpädagogische Förderung verzichtet werden kann, weil es – allenfalls trotz Weiterbestandes der Behinderung – dem Unterricht nach dem Lehrplan der betreffenden allgemeinen Schule zu folgen vermag, ist die Feststellung gemäß Abs. 1 erster Satz aufzuheben. Für den Fall, dass bei Fortbestand des sonderpädagogischen Förderbedarfs der Schüler oder die Schülerin dem Unterricht nach dem Lehrplan der betreffenden allgemeinen Schule zu folgen vermag, ist die Feststellung gemäß Abs. 1 vierter und fünfter Satz entsprechend abzuändern.

(3a) Bei körperbehinderten und sinnesbehinderten Schülern, die in eine Sekundarschule nach Erfüllung der allgemeinen Aufnahmsvoraussetzungen der jeweiligen Schulart aufgenommen werden, ist die Feststellung gemäß Abs. 1 aufzuheben. Dies gilt nicht beim Besuch einer Sonderschule.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 75/2013)“

„§ 8a. (1) Schulpflichtige Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (§ 8 Abs. 1) sind berechtigt, die allgemeine Schulpflicht entweder in einer für sie geeigneten Sonderschule oder Sonderschulklasse oder in einer den sonderpädagogischen Förderbedarf erfüllenden Volksschule, Mittelschule, Polytechnischen Schule, Unterstufe einer allgemein bildenden höheren Schule oder einjährigen Fachschule für wirtschaftliche Berufe zu erfüllen, soweit solche Schulen (Klassen) vorhanden sind und der Schulweg den Kindern zumutbar oder der Schulbesuch auf Grund der mit Zustimmung der Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes erfolgten Unterbringung in einem der Schule angegliederten oder sonst geeigneten Schülerheim möglich ist.

(2) Die Bildungsdirektion hat anläßlich der Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs sowie bei einem Übertritt in eine Sekundarschule die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten über die hinsichtlich der Behinderung bestehenden Fördermöglichkeiten in Sonderschulen und allgemeinen Schulen und den jeweils zweckmäßigsten Schulbesuch zu beraten. Wünschen die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Aufnahme in eine Volksschule, Mittelschule, Polytechnische Schule, Unterstufe einer allgemein bildenden höheren Schule oder einjährige Fachschule für wirtschaftliche Berufe, so hat die Bildungsdirektion zu informieren, an welcher nächstgelegenen allgemeinen Schule dem sonderpädagogischen Förderbedarf entsprochen werden kann.

(3) Wünschen die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Aufnahme des Kindes in eine Volksschule, Mittelschule, Polytechnische Schule, Unterstufe einer allgemein bildenden höheren Schule oder einjährige Fachschule für wirtschaftliche Berufe und bestehen keine entsprechenden Fördermöglichkeiten an einer derartigen Schule, welche das Kind bei einem ihm zumutbaren Schulweg erreichen kann, so hat die Bildungsdirektion unter Bedachtnahme auf die Gegebenheiten im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Maßnahmen zur Ermöglichung des Besuches der gewünschten Schulart zu ergreifen oder, falls es sich um Zentrallehranstalten (§ 1 Abs. 3 des Bildungsdirektionen-Einrichtungsgesetzes) handelt, beim Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung die Durchführung der entsprechenden Maßnahmen zu beantragen“.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Das Vorbringen des Beschwerdeführers bzw. dessen Vertretern zeigt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 8 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 ist Beweisthema des Verwaltungsverfahrens bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Feststellung von sonderpädagogischem Förderbedarf nach § 8 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 vorliegen, ob der Schüler infolge physischer oder psychischer Behinderung dem Unterricht in der Volks- oder Hauptschule bzw. Neuen Mittelschule zu folgen vermag (vgl. VwGH vom 20.01.1992, 91/10/0154; VwGH vom 23.04.2007, 2003/10/0234). Daraus ergibt sich, dass ein schulisches Versagen eines Schülers auf eine physische oder psychische Behinderung rückführbar sein muss, dass somit ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Bestimmungsmerkmal „dem Unterricht nicht folgen können“ und dem Vorliegen einer physischen oder psychischen Behinderung bestehen muss.

2.2. In Ansehung der Beweiswürdigung ist seitens des Bundesverwaltungsgerichts zu prüfen, ob die Behörde den Sachverhalt genügend erhoben hat und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind (vgl. erneut VwGH vom 20.01.1992, 91/10/0154).

2.3. Entscheidungsrelevant ist somit, ob die belangte Behörde auf Grund der Einholung eines „Sonderpädagogischen Gutachtens“ bzw. eines „Schulpsychologischen Gutachtens“ davon ausgehen konnte, dass für den Beschwerdeführer eine Unterrichtung nach dem Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule notwendig ist. Es liegt in der Natur eines Gutachtens, dessen Aufgabe eine Prognose über das zukünftige Verhalten und die Entwicklung eines Menschen aufgrund seines Ist-Zustandes ist, dass eine solche Prognose nicht mit absoluter Sicherheit erstellt werden kann, zumal schon die Ermittlung des Ist-Zustandes an Grenzen stößt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Tatsache bereits dann als erwiesen anzusehen, wenn für sie eine größere Wahrscheinlichkeit spricht als für den Eintritt anderer Tatsachen (vgl. VwGH vom 13.11.1986, 85/16/0109; VwGH vom 12.02.1987, 81/08/0035, ähnlich auch VwSlg. 11.935/A zum Schulrecht). Die Beweiswürdigung erscheint – entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers bzw. dessen Vertretern – schlüssig und nachvollziehbar, die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens wurden zutreffend berücksichtigt, erörtert und einbezogen.

2.4. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes wurden alle zweckmäßigen, angemessenen und auf den Beschwerdeführer individuell abgestimmten pädagogischen Maßnahmen ausgeschöpft (z.B. intensive individuelle Betreuung).

2.5. Wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, dass „die Überweisung zu einer Sonderschule für Lernbehinderte“ nicht nur von den Eltern, sondern auch von der Umgebung als Diskriminierung wahrgenommen und abgelehnt werde, ist festzuhalten, dass eine solche „Überweisung“ dem Bescheid nicht zu entnehmen ist. Es wurde sogar im Gegensatz zu dieser Feststellung unter Punkt 3. des Bescheides der Besuch der NMS als in Betracht kommend ausgewiesen. Aus der Beschwerde geht auch hervor, dass von den Eltern „unzweifelhaft“ festgehalten wurde, dass die Behandlung des Beschwerdeführers in der NMS vorbildlich sei und sich die Pädagogen „im Gegensatz zu anderen Schulen“ vorbildlich um den Beschwerdeführer kümmern. Aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichts führt dieses Vorbringen in der Beschwerde ins Leere, zumal sich keine Deckung eine solche „Überweisung zu einer Sonderschule für Lernbehinderte“ im Bescheid ausgewiesen findet.

2.6. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden, dass bei dem Beschwerdeführer weiterhin ein sonderpädagogischer Förderbedarf besteht und dass dieser in den Unterrichtsgegenständen Deutsch, Mathematik, Englisch, Geschichte und Sozialkunde, Geografie und Wirtschaftskunde, Biologie und Umweltkunde, Physik und Musik nach dem Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule zu unterrichten ist.

2.7. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann – soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist – das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall konnte das Unterlassen einer mündlichen Verhandlung darauf gestützt werden, dass der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt erschien, da der Sachverhalt nach einem grundsätzlich ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren festgestellt wurde und dieser Sachverhaltsfeststellung in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten wurde. Weder war der vorgebrachte Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig, noch erschien er in wesentlichen Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante und zulässige Neuerungen wurden in den Äußerungen zur Beschwerde nicht vorgetragen (zum Erfordernis einer schlüssigen Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Bescheid und zur Verhandlungspflicht bei Neuerungen VwGH 11.11.1998, 98/01/0308, und 21.01.1999, 98/20/0339; zur Bekämpfung der Beweiswürdigung in der Berufung VwGH 25.03.1999, 98/20/0577, und 22.04.1999, 98/20/0389; zum Abgehen von der erstinstanzlichen Beweiswürdigung VwGH 18.02.1999, 98/20/0423; zu Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens VwGH 25.03.1999, 98/20/0475). Darunter sind allerdings lediglich inhaltsleere Bestreitungen nicht zu verstehen (vgl. VwGH 16.5.2001, 99/09/0187, VwGH 2004/09/0033, VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018). Das Bundesverwaltungsgericht hat vorliegend daher ausschließlich über eine Rechtsfrage zu erkennen (vgl. EGMR 20.6.2013, Appl. Nr. 24510/06, Abdulgadirov/AZE, Rz 34 ff). Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist (VfSlg. 17.597/2005; VfSlg. 17.855/2006; zuletzt etwa VfGH 18.6.2012, B 155/12).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90; vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 Schulpflichtgesetz 1985 (VwGH 20.1.1992, 91/10/0154; VwGH 29.3.1993, 92/10/0059; VwGH 23.4.2007, 2003/10/0234; VwSlg. 11.935/A), hinsichtlich des Unterlassens der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird auf die zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.

Schlagworte

Allgemeine Sonderschule Lehrplan Leistungsdefizit Lernbehinderung negative Beurteilung psychische Behinderung sonderpädagogischer Förderbedarf sonderpädagogisches Gutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W224.2231519.1.00

Im RIS seit

11.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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