TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/22 98/20/0389

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Veröffentlicht am 22.04.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §27 Abs1;
AsylG 1997 §38;
AVG §67d;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a idF 1998/I/028;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur, Dr. Nowakowski, Dr. Hinterwirth und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des CT in Graz, geboren am 14. April 1970, vertreten durch Mag. Walter Krautgasser, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Marburger Kai 47/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 23. Juni 1998, Zl. 200.691/0-V/13/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundeskanzleramt) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Liberias. Er reiste am 9. September 1996 über Slowenien illegal nach Österreich ein und stellte am 10. September 1996 einen Asylantrag, den er auf die Behauptung stützte, am 8. Juni 1996 an einer Großdemonstration gegen Charles Taylor (damals Führer der National Patriotic Front of Liberia (NPFL) und Mitglied des am 1. September 1995 eingesetzten neuen Staatsrats von Liberia) teilgenommen zu haben und deswegen am 10. Juni 1996 verhaftet worden zu sein. Ein Armeefreund seines Vaters habe ihm am 29. Juni 1996 zur Flucht verholfen. Seine Identitätskarte sei ihm von dem Fluchthelfer abgenommen worden, mit dessen Reisepass er die Flucht habe antreten können. Diesen Reisepass habe er von Slowenien aus zurückgeschickt.

Mit dem Bescheid des Bundesasylamtes vom 9. Oktober 1996 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 des AsylG 1991, BGBl. Nr. 8/1992, abgewiesen.

2. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 23. Juni 1998 abgewiesen. Eine Prüfung der Zulässigkeit seiner Abschiebung wurde gemäß § 44 Abs. 1 letzter Satz AsylG 1997 nicht vorgenommen.

Die belangte Behörde sah sich außer Stande, Feststellungen im Sinne der vorgebrachten Fluchtgründe des Beschwerdeführers zu treffen. Sie begründete dies damit, dass die Angaben des Beschwerdeführers unglaubwürdig seien. Hervorgehoben wurde, dass die vom Beschwerdeführer im Zuge einer Vorsprache beim Sozialamt der Stadt Graz vorgewiesene Identitätskarte eine Totalfälschung darstelle.

Rechtlich vertrat die belangte Behörde den Standpunkt, dass dem Beschwerdeführer in dem von ihm behaupteten Herkunftsstaat Liberia keine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention drohe, weshalb kein Asyl gewährt werden könne.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben und die verzeichneten Kosten zuzusprechen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und den Beschwerdeführer zum Kostenersatz zu verhalten.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Sowohl mit dem Vorwurf der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch mit dem der Verletzung von Verfahrensvorschriften richtet sich die Beschwerde gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Diese habe sich nicht mit dem in Liberia herrschenden Bürgerkrieg und den dort vorkommenden Menschenrechtsverletzungen auseinander gesetzt. Unabhängig davon, ob es sich bei der vom Beschwerdeführer vorgewiesenen Identitätskarte um eine Fälschung handle oder nicht, sei unverständlich, warum dies auf die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers Einfluss nehmen solle. Der Beschwerdeführer habe diese Identitätskarte vor dem Sozialamt der Stadt Graz und nicht vor der Asylbehörde verwendet und damit nicht versucht, mit einer gefälschten Urkunde Asyl zu erhalten.

Der unabhängige Bundesasylsenat ist gemäß Art. 129 und 129c B-VG in der Fassung BGBl. I Nr. 87/1997 ein unabhängiger Verwaltungssenat. Er hat gemäß § 23 AsylG das AVG anzuwenden. Deshalb finden für das Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat grundsätzlich auch die Bestimmungen des AVG für das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten, insbesondere die Bestimmung des § 67d AVG über die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, Anwendung. Mit Bundesgesetz BGBl. I Nr. 28/1998, ausgegeben am 9. Jänner 1998, wurde in Art. II Abs. 2 EGVG mit Wirksamkeit ab dem 1. Jänner 1998 eine Z. 43a eingefügt, wonach das AVG auf das behördliche Verfahren des unabhängigen Bundesasylsenates anzuwenden ist, § 67d AVG jedoch mit der Maßgabe, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint. Im Sinne dieser Bestimmung ist der Sachverhalt im Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat dann als aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt anzusehen, wenn er nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt wurde und in der Berufung kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Bestehens eines Neuerungsverbotes zulässigerweise - neu und in konkreter Weise behauptet wird.

2. In seiner Berufung hat der Beschwerdeführer zu dem im Rahmen der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes erhobenen Vorwurf, er habe nur ungenaue Angaben gemacht, u.a. Folgendes ausgeführt:

"Außerdem bin ich gerne bereit,wenn mir die Möglichkeit dazu gegeben wird, ausführlichst über meine Inhaftierung, meine Haft und meine Flucht aus dem Gefängnis Auskunft zu geben. Bei meiner Einvernahme hatte ich lediglich nicht den Eindruck, dass der mich einvernehmende Beamte, daran interessiert war."

Diesem Berufungsvorbringen kann entnommen werden, der Beschwerdeführer sei in der Lage, bei seiner Vernehmung jene Bedenken, die gegen seine Glaubwürdigkeit sprechen, durch ausführlichere Angaben auszuräumen und damit die relevante Beweisgrundlage zu verbreitern. Die belangte Behörde hätte sich in Anbetracht dieses Vorbringens nicht auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung anhand der Aktenlage beschränken dürfen, sondern den Beschwerdeführer im Rahmen einer mündlichen Verhandlung insbesondere auch zu dem erstmals im Berufungsverfahren erörterten und für die Beweiswürdigung offenbar ausschlaggebenden Vorwurf, ein gefälschtes Personaldokument verwendet zu haben, vernehmen müssen.

3. Ein weiterer Verfahrensmangel liegt darin, dass die belangte Behörde in ihrer Beweiswürdigung auf Dokumentationen betreffend Liberia verweist, ohne diese konkret darzulegen und dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben.

4. Der bekämpfte Bescheid ist daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. 416/1994.

Soweit die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf die Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965 hingewiesen.

Wien, am 22. April 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998200389.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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