TE OGH 2020/9/17 2Ob66/20z

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Veröffentlicht am 17.09.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** A*****, vertreten durch Dr. Günther Klepp und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei K***** S*****, vertreten durch Mag. Lothar Korn, Rechtsanwalt in Linz, wegen 16.731,59 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 1.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teil- und Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. April 2020, GZ 1 R 51/20f-18, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1]            Am 14. 7. 2018 kam es auf einer als Treppelweg gekennzeichneten Verkehrsfläche zur Kollision der von den Streitteilen gelenkten Fahrräder, bei der der Kläger Verletzungen erlitt. Der Kläger hatte sich der Unfallstelle auf dem geradlinig verlaufenden „Donauradweg“ angenähert, während die Beklagte aus einem von rechts in spitzem Winkel einmündenden weiteren Treppelweg nach links in diese Verkehrsfläche einbiegen wollte.

[2]            Das Berufungsgericht gab dem Zahlungsbegehren des Klägers dem Grunde nach und dem Feststellungsbegehren zur Gänze statt.

[3]            Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

Rechtliche Beurteilung

[4]            1. Gemäß § 36 Abs 1 Schifffahrtsgesetz (SchFG) sind Treppelwege (§ 2 Z 26 SchFG) für die dort angeführten Zwecke bestimmt und dienen nicht dem öffentlichen Verkehr. Durch Verordnung kann die Benützung für andere als die in § 36 Abs 1 SchFG bestimmten Zwecke gestattet werden, soweit dadurch die Benützung für diese Zwecke nicht beeinträchtigt wird (§ 36 Abs 2 SchFG). In diesem Sinne gestattet § 50.01 Z 3 lit a und b Wasserstraßen-Verkehrsordnung (WVO) die Benützung der Treppelwege unter anderem durch Fußgänger und Radfahrer. Dies gilt für Letztere nur auf jenen Treppelwegen nicht, auf denen das Radfahren durch schifffahrtspolizeiliche Anordnung verboten ist (§ 50.02 Z 2 WVO).

[5]            Ob Treppelwege insoweit Straßen mit öffentlichem Verkehr iSd § 1 Abs 1 Satz 2 StVO sind (so Pürstl, StVO14 § 2 Anm 2) oder stets Straßen ohne öffentlichen Verkehr (vgl Muzak, Binnenschifffahrtsrecht [2004] 134 ff), muss im vorliegenden Fall nicht beantwortet werden, weil gemäß § 1 Abs 2 StVO auch auf Straßen ohne öffentlichen Verkehr die StVO insoweit gilt, als andere Rechtsvorschriften oder die Straßenerhalter nichts anderes bestimmen.

[6]            Die Beklagte behauptet gar nicht, zu den gemäß § 50.01 Z 7 WVO bevorzugten Benützern des Treppelwegs gehört zu haben. Die Bestimmungen der § 50.01 Z 8 WVO iVm § 1.04 WVO enthalten lediglich eine (mit § 3 Abs 1 und § 20 Abs 1 StVO vergleichbare) allgemeine Pflicht zur Vorsicht und Rücksichtnahme sowie der Einhaltung einer „sicheren Geschwindigkeit“. In der Ansicht des Berufungsgerichts, mangels bestehender Vorrangbestimmungen im SchFG oder der WVO, die im vorliegenden Fall anzuwenden wären, greife die Vorrangregel des § 19 StVO, ist daher keine aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erkennen.

[7]            2. Die Beurteilung, ob eine Verkehrsfläche den in § 19 Abs 6 StVO – nicht taxativ (RS0074560) – angeführten, gegenüber dem fließenden Verkehr benachrangten Verkehrsflächen gleichzuhalten ist, hat nach objektiven Kriterien zu erfolgen (RS0074521). Wesentlich ist das äußere Erscheinungsbild der Verkehrsfläche in ihrer Gesamtheit (2 Ob 154/16k mwN; RS0074625). Von Bedeutung sind objektive Kriterien (etwa Befestigung, Asphaltierung, Verkehrszeichen, Fahrbahnbreite, Straßenverlauf, Widmung etc) der betroffenen Flächen, die während der Fahrt deutlich erkennbar sind, wobei auf die Erkennbarkeit für beide am Unfallgeschehen beteiligte Straßenbenützer abzustellen ist (2 Ob 154/16k; RS0074597). Ob eine bestimmte Verkehrsfläche unter § 19 Abs 6 StVO zu subsumieren ist, hat regelmäßig keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung, weshalb – von einer aufzugreifenden Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen abgesehen – eine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht vorliegt (RS0074506 [T2]).

[8]            Der von der Beklagten befahrene, zunächst als Wiesenweg (mit Grasnarbe in der Mitte des Wegs) und 17 bis 18 m vor der Einmündung mit unebenen Granitplatten ausgestaltete Treppelweg, auf dem bis ca 7 m vor der Einmündung das Radfahren verboten war, unterschied sich in seiner gesamten Anlage äußerlich deutlich von dem durchgehend asphaltierten, geradlinig verlaufenden „Donauradweg“, der vom Kläger benutzt wurde. Das Gesamtbild der Verkehrsflächen war für die Unfallbeteiligten auch deutlich erkennbar. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beurteilung, der von der Beklagten benützte Treppelweg sei als benachrangte Verkehrsfläche iSd § 19 Abs 6 StVO zu betrachten, bewegt sich somit im Rahmen der dargelegten Rechtsprechung.

Textnummer

E129577

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00066.20Z.0917.000

Im RIS seit

10.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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