TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/26 I421 2231940-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.06.2020
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Entscheidungsdatum

26.06.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §66 Abs1
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I421 2231940-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin Steinlechner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Tschechien, vertreten durch: RA Mag. Arthofer, Gewerbeallee 13a, 4221 Steyregg, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich vom 04.05.2020, Zl. 648675802/190397794 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid wird insoweit stattgegeben, als die Dauer des Aufenthaltsverbots auf 7 Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.       Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) wurde mit Urteil des LG XXXX , Zl. XXXX , vom 15.04.2020, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 2. und 3. Fall, Abs 2 Z 3 SMG, § 12 3. Fall StGB, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 5. und 6. Fall, Abs 2 Z 3 SMG, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 4. Fall., Abs 2 Z 3 SMG und wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 2. Fall, Abs 2 SMG, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

2. Der BF wurde mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom 31.01.2020 über die Einleitung eines Aufenthaltsbeendigungs-verfahrens im Falle einer Verurteilung und die in Aussicht genommene Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in Kenntnis gesetzt. Gleichzeitig wurde die BF zu einer Stellungnahme binnen zwei Wochen aufgefordert.

3. Mit am 13.02.2020 per Fax beim BFA eingebrachtem Schriftsatz gab die BF eine Stellungnahme ab.

4. Mit dem oben im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde, der BF zugestellt am 07.05.2020, wurde gegen die BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), der BF gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

5. Mit per E-Mail am 04.06.2020 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz, erhob die BF durch ihre Rechtsvertretung gegen den im Spruch genannten Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

6. Darin wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen, den angefochtenen Bescheid Zl. 648675802/190397794 in seinem gesamten Umfang aufheben sowie in eventu den angefochtenen Bescheid in seinem gesamten Umfang aufheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen.

6. Die gegenständliche Beschwerde sowie die bezughabenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde mit Schriftsatz vom 12.06.2020 dem Bundesverwaltungsgericht am 17.06.2020 vorgelegt.

I.       Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF führt die im Spruch angeführte Identität (Name und Geburtsdatum) und ist Staatsangehörige der Republik Tschechien, ledig und kinderlos.

Die BF hielt sich beginnend mit November 2006 wiederholt in Österreich auf, jedoch stets mit Unterbrechungen. Vom 14.12.2006 bis 04.08.2008 war die BF mit Unterbrechungen von über 9 Monaten mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet. Danach war die BF ein Jahr und 3,5 Monate nicht in Österreich melderechtlich erfasst. Zwischen 23.11.2009 und 30.08.2012 war die BF mit einer etwa dreimonatigen Unterbrechung mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet, bis 17.12.2012 wies sie noch einen Nebenwohnsitz im Bundesgebiet auf. Danach, somit knapp 6 Monate später, war die BF wieder mit 13.06.2013 bis zum 21.03.2018 mit Hauptwohnsitz in Österreich melderechtlich erfasst, vom 09.07.2018 bis zum 15.10.2018 mit Nebenwohnsitz. Zwischen dem 03.10.2018 und dem 22.11.2018 war die BF wieder mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet. Die BF war somit nie einen Zeitraum von fünf Jahren hinweg in Österreich durchgehend mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Zwischen 23.11.2018 und 10.01.2020 war die BF melderechtlich nicht im Bundesgebiet erfasst, seit 10.01.2020 befindet sich die BF in der Justizanstalt XXXX .

Die BF leidet an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten und ist grundsätzlich arbeitsfähig, und ging beginnend mit 18.141.2013 wiederholt Erwerbstätigkeiten in Österreich nach. Zuletzt war die BF als Angestellte bei XXXX vom 01.02.2018 bis 28.02.2018 beschäftigt. Ein Bezug von Sozialleistungen bzw. Arbeitslosengeldbezug konnte nicht festgestellt werden. Die BF ist im Besitz einer Wiedereinstellungszusage von XXXX

Am 07.04.2019 wurde aufgrund einer Anzeige von XXXX gegen die BF ein Betretungsverbot ausgesprochen.

Die BF verfügt über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich.

Soziale Beziehungen im Bundesgebiet bestehen, jedoch konnten deren Umfang sowie das diesbezügliche Vorliegen besonderer Nahe- und/oder Abhängigkeitsverhältnisse nicht festgestellt werden.

Die BF wurde mit Urteil des LG XXXX , Zl. XXXX , vom 15.04.2020, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 2. und 3. Fall, Abs 2 Z 3 SMG, § 12 3. Fall StGB, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 5. und 6. Fall, Abs 2 Z 3 SMG, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 4. Fall., Abs 2 Z 3 SMG und wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 2. Fall, Abs 2 SMG, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Die BF wurde für schuldig befunden, im Zeitraum April 2018 bis zu ihrer Festnahme am 10. Januar 2020 zusammengefasst

A) vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 15-fache der Grenzmenge (§28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich zumindest 365 Gramm Crystal Meth, teils als Beitragstäterin aus dem Ausland aus- und nach Österreich eingeführt zu haben, indem sie in den ersten Monaten von XXXX in XXXX eine unbekannte Menge Crystal Meth durchschnittlicher Qualität zum Grammpreis von € 80,--, in den weiteren Monaten von XXXX eine unbekannte Menge Crystal Meth in überwiegend sehr guter Qualität zum Grammpreis von € 60.-- bis € 70,-- kaufte und dieses anschließend in zahlreichen Angriffen in Österreich bzw. in Tschechien an aus Österreich anreisende Abnehmer verkaufte.

B) Weiters hat sie eine das 15-fache der Grenzmenge (§28b SMG) übersteigende Menge, nämlich zumindest 425 Gramm Crystal Meth anderen gewinnbringend überlassen bzw. verschafft, die sie teils nach Österreich geschmuggelt und teils in Tschechien an österreichische Abnehmer verkauft hat.

C) Zudem bot sie zumindest 418,5 Gramm Crystal Meth (das 15-fache der Grenzmenge (§28b SMG) übersteigende Menge), gegen Entgelt anderen an.

D) Weiters hat sie im Zeitraum von April 2018 bis zur Festnahme am 10. Januar 2020 an verschiedenen Orten des Bundesgebiets ausschließlich zum persönlichen Gebrauch bis zum Eigenkonsum bzw. zur Sicherstellung, Crystal Meth besessen, welches sie in Tschechien von XXXX und XXXX zu der zum Verkauf vorgesehene Menge Crystal Meth zusätzlich erwarb und wöchentlich 2 Gramm davon konsumierte, wobei sie zumindest einen Teil dieser Menge zu ihren Aufenthalten in Österreich mitnahm und es an verschiedenen Orten im Bundesgebiet konsumierte.

Mildernd wurde dabei das Geständnis, die Unbescholtenheit der BF sowie der Beitrag zur Wahrheitsfindung gewertet, erschwerend hingegen das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen und Vergehen sowie der lange Tatzeitraum.

Im Rahmen der Anhaltung der BF am 10.01.2020 wurde neben einer mitgeführten geringen Menge an Crystal Meth nach Durchführung einer Personenanfrage festgestellt, dass die BF über keine Lenkberechtigung verfügt, da ihr der tschechische Führerschein entzogen wurde und seit 05.12.2018 (bis 31.10.2021) ein Fahrverbot für die BF besteht.

Seit 10.01.2020 befindet sich die BF in Strafhaft, das errechnete Strafende ist der 07.01.2022.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

2.2. Zum Sachverhalt:

Die Feststellungen basieren ebenfalls auf dem unbestrittenen Akteninhalt, den Angaben der BF in der Beschwerde und den Informationen aufgrund von Abfragen im Zentralen Melderegister, dem Zentralen Fremdenregister, dem Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem, den Sozialversicherungsdaten, dem Strafregister und der Vollzugsinformation.

Der wiederholte Aufenthalt der BF in Österreich seit November 2006 sowie die Aufschlüsselung zwischen Haupt- und Nebenwohnsitzen ergibt sich aus den Wohnsitzmeldungen laut Zentralen Melderegister (ZMR), ebenso wie der Umstand, dass sich die BF seit dem 10.01.2020 in der Justizanstalt XXXX befindet.

Die BF litt entsprechend ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 13.02.2020 an Drogenabhängigkeit, wobei sie allerdings guter Dinge sei, ihr Drogenproblem in den Griff zu bekommen. Andere Krankheiten bzw. gesundheitliche Beeinträchtigungen brachte die BF nicht vor, weswegen davon auszugehen ist, dass sie an keinen lebensbedrohenden Krankheiten leidet. Dass die BF grundsätzlich arbeitsfähig ist, geht einerseits daraus hervor, dass sie eben nicht an lebensbedrohenden Erkrankungen leidet, weiters auch im Laufe ihrer Aufenthalte in Österreich teilweise einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist und auch dem Verkauf von Suchtmitteln über fast zwei Jahre hinweg nachgehen konnte. Zudem führt die BF im Rahmen ihrer schriftlichen Stellungnahme selber aus, sie wolle in einem Gasthof arbeiten und sich ihr Leben eigenständig finanzieren, was ebenfalls auf eine Arbeitsfähigkeit schließen lässt. Ihre letzte Tätigkeit bei XXXX ergibt sich aus dem Sozialversicherungsdatenauszug, ebenso, dass die BF keine Arbeitslosengeldbezüge erhalten hat. Dass die BF keine Sozialleistungen bezieht ergibt sich aus dem Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem. Seitens XXXX liegt eine schriftliche Einstellungszusage vom 16.04.2020 ab dem Tag der Enthaftung der BF vor.

Der Umstand, dass gegen die BF ab 07.04.2019 ein Betretungsverbot aufgrund einer Anzeige von XXXX ausgesprochen wurde, ergibt sich aus dem Bericht der Polizeiinspektion Schörfling vom 08.04.2019.

Der Umstand, dass die BF im Bundesgebiet über keine familiären Anknüpfungspunkte verfügt, ergibt sich aus der schriftlichen Stellungnahme der BF vom 13.02.2020, in der die BF anführt, dass ihre Eltern, Geschwister sowie die Großmutter in Tschechien leben, ebenso wie auch der aktuelle Lebensgefährte XXXX . Wenn in der Beschwerde ausgeführt wird, dass XXXX der Lebensgefährte der BF sei, so wird übersehen, dass die BF im Rahmen ihrer schriftlichen Stellungnahme von XXXX als ihren in Tschechien ansässigen Lebensgefährten spricht („Mein Lebensgefährte XXXX ist in Tschechien wohnhaft. Er ist LKW-Fahrer und berufsbedingt sehr viel unterwegs.“). Bei XXXX handelt es sich hingegen um den Ex-Lebensgefährten der BF („Ich habe ca. 5 Jahre lang in Österreich bei meinem Ex-Freund XXXX gelebt. […] Zu meinem Ex-Freund pflege ich noch Kontakt. […]“. Auch aus dem Unterstützungsschreiben von XXXX vom 20.02.2020 geht in keiner Weise hervor, dass es sich bei ihm um den aktuellen Lebensgefährten der BF handeln würde, sondern lediglich, dass er ihr eine Wohngelegenheit und eine Arbeit geben könne. Eine soziale Beziehung wird mit diesem seitens des Gerichts zuerkannt (relativiert jedoch dadurch, dass dieser gegen die BF ein Betretungsverbot erwirkt hat), jedoch liegt– auch in Anbetracht dessen, dass sich die BF in einer neuen Beziehung in Tschechien befindet – kein schützenswertes Familienleben im Bundesgebiet vor.

Die Nichtfeststellbarkeit des Bestehens besonderer Naheverhältnisse in Bezug auf in Österreich bestehende Sozialkontakte erschließt sich aus dem Nichtvorbringen eines diesbezüglich verifizierbaren Sachverhaltes seitens der BF. Die BF gab zwar im Rahmen ihrer Beschwerde an, über einen Freundes- und Bekanntenkreis im hohen Maß im Bundesgebiet zu verfügen, brachte jedoch – mit Ausnahme ihres Ex-Freundes Christian Müller – keine näheren verifizierbaren Angaben zu diesen (Personalien, Adresse, konkretes Verhältnis) vor.

Die strafgerichtliche Verurteilung wurde dem aktuellen Strafregisterauszug entnommen. Die Feststellungen zu den genauen Strafhandlungen der BF sowie die Erschwerungs- und Milderungsgründe im Rahmen des Verfahrens XXXX vor dem Landesgericht XXXX wurden aufgrund von Einsichtnahme in das gekürzte Gerichtsurteil getroffen.

Die Feststellung zum Fahrverbot sowie den Umstand, dass die BF keine Lenkberechtigung aufweist, ergibt sich aus der Meldung der Polizeiinspektion XXXX vom 13.01.2020.

Der Umstand, dass die BF sich in Strafhaft befindet, ergibt sich aus der Vollzugsinformation sowie aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister, das Datum des errechneten Strafendes (07.01.2022) ergibt sich aus der Vollzugsinformation.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Gemäß § 2 Abs 1 Z 1 NAG und § 2 Abs 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt. Gemäß § 2 Abs 1 Z 4 NAG und § 2 Abs 4 Z 8 FPG gilt als EWR-Bürger ein Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

Die BF als Staatsangehörige der Republik Tschechien ist EWR-Bürgerin und folglich Fremde iSd. soeben angeführten Bestimmungen.

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.1.1 Rechtslage

Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG idgF lautet:

§ 67 (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Ab. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG idgF lautet wie folgt:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.

Der mit "Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern" betitelte § 53a NAG lautet wie folgt:

§ 53a (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von

1. Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;

2. Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder

3. durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.

(3) Abweichend von Abs 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie

1. zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;

2. sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder

3. drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;

Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.

(4) EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern gemäß § 51 Abs 1 Z 1 sind, erwerben ebenfalls das Daueraufenthaltsrecht, wenn der zusammenführende EWR-Bürger das Daueraufenthaltsrecht gemäß Abs 3 vorzeitig erworben hat oder vor seinem Tod erworben hatte, sofern sie bereits bei Entstehung seines Daueraufenthaltsrechtes bei dem EWR-Bürger ihren ständigen Aufenthalt hatten.

(5) Ist der EWR-Bürger gemäß § 51 Abs 1 Z 1 im Laufe seines Erwerbslebens verstorben, bevor er gemäß Abs 3 das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, so erwerben seine Angehörigen, die selbst EWR-Bürger sind und die zum Zeitpunkt seines Todes bei ihm ihren ständigen Aufenthalt hatten, das Daueraufenthaltsrecht, wenn

1. sich der EWR-Bürger zum Zeitpunkt seines Todes seit mindestens zwei Jahren im Bundesgebiet ununterbrochen aufgehalten hat;

2. der EWR-Bürger infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben ist, oder

3. der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner die österreichische Staatsangehörigkeit nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat.

Der mit "Ausweisung" betitelte § 66 FPG lautet wie folgt:

§ 66 (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall

Die Bestimmungen der § 67 Abs 1 und 2 FPG und § 66 Abs 1 FPG sind vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2004/38/EG - Freizügigkeitsrichtlinie, deren Umsetzung sie dienen, zu verstehen. Demnach sind sie in ihrem Zusammenspiel dahin auszulegen, dass hinsichtlich Personen, die das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nicht nur bei der Ausweisung, sondern auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in § 66 Abs 1 letzter Satzteil FPG vorgesehene Gefährdungsmaßstab, der jenem in Art 28 Abs 2 der genannten Richtlinie entspricht, heranzuziehen ist (vgl. VwGH 13.12.2012, 2012/21/0181; VwGH 12.03.2013, 2012/18/0228). Dieser Maßstab liegt im abgestuften System der Gefährdungsprognosen über dem Gefährdungsmaßstab nach dem ersten und zweiten Satz des § 67 Abs 1 FPG (vgl. VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0205).

Entsprechend den Feststellungen konnte die BF keinen ununterbrochenen, zumindest fünfjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet nachweisen. Die BF war zwar zwischen 13.06.2013 und 15.10.2018 melderechtlich über einen Zeitraum von über fünf Jahren hinweg im Bundesgebiet erfasst, jedoch im Zeitraum ab dem 09.07.2018 bis zum 15.10.2018 nur mit Nebenwohnsitz, weswegen sie auch kein Recht auf Daueraufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 53a Abs 1 erworben hat.

Da die BF, die aufgrund ihrer tschechischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt, die Voraussetzung eines durchgehenden rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet seit mehr als 5 Jahren iSd. § 53a NAG nicht erfüllt, kommt für sie der Prüfungsmaßstab des § 66 Abs 1 letzter Satzteil FPG (vgl. VwGH 22.01.2014, 2013/21/0135; VwGH 12.03.2013, 2012/18/0228, VwGH 13.12.2012, 2012/21/0181), nämlich, dass ihr Aufenthalt eine „schwerwiegende“ Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt, nicht zur Anwendung.

Entsprechend § 67 Abs 1 NAG ist daher die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Es ist daher auf ihr persönliches Verhalten abzustellen, das eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

"Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. - noch zu § 86 FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011, der Vorgängerbestimmung des § 67 FPG - etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0197, und vom 21. Februar 2013, Zl. 2012/23/0042, mwN)." (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039).

Zudem gilt es festzuhalten, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen eigenständig und unabhängig von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. VwGH 06.07.2010, 2010/22/0096) und es bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes/Einreiseverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung geht (vgl. VwGH vom 08.07.2004, 2001/21/0119).

Gerade Suchtmitteldelinquenz stellt - auch nach gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben - ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und besteht an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse (vlg. VwGH vom 24.4.2012, 2011/23/0168; 29.3.2012, 2011/23/0662; 20.8.2013, 2013/22/0082).

Die BF wurde mit Urteil des LG XXXX , Zl. XXXX , vom 15.04.2020, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 2. und 3. Fall, Abs 2 Z 3 SMG, § 12 3. Fall StGB, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 5. und 6. Fall, Abs 2 Z 3 SMG, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 4. Fall., Abs 2 Z 3 SMG und wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 2. Fall, Abs 2 SMG, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Die von ihr ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich ergibt sich insbesondere auch daraus, dass die BF über einen langen Zeitraum hinweg, nämlich von April 2018 bis zu ihrer Festnahme am 10. Januar 2020 Suchtgift aus dem Ausland aus- und nach Österreich eingeführt und verkauft hat. Die BF wollte sich durch Drogenhandel eine Einnahmequelle verschaffen und nahm dafür die Schädigung der Gesundheit anderer Personen in Kauf. Ihr Aufenthalt stellt daher sogar eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, die ein Aufenthaltsverbot erforderlich macht, obwohl sie erstmals strafgerichtlich verurteilt wurde. Aufgrund der qualifizierten Drogenkriminalität ist in Verbindung mit dem eigenen Suchtgiftkonsum der BF und dem Fehlen eines legalen Einkommens eine beträchtliche Wiederholungsgefahr anzunehmen, dem auch eine Einstellungszusage des XXXX nicht entgegenzustehen vermag. Zudem besteht bei der BF auch ein großes Rückfallrisiko. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die BF zwar in ihrer Stellungnahme vom 13.02.2020 und in ihrer Beschwerde vom 04.06.2020 angab, zwischen Weihnachten und Silvester 2019 einen Entzug gemacht zu haben, seit Weihnachten 2019 drogenfrei und guter Dinge zu sein, ihre Drogenabhängigkeit dauerhaft in den Griff zu bekommen, jedoch im Rahmen der Lenker- und Fahrzeugkontrolle am 10.01.2020 durch die Polizeistreife XXXX Crystal Meth bei ihr im Fahrzeug gefunden werden konnten.

Die Verhinderung strafbarer Handlungen, insbesondere von Suchtgiftdelikten, ist vor dem Hintergrund der verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft, zu denen der Konsum von Suchtgiften führt, ein Grundinteresse der Gesellschaft zum Schutz und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.

Auch im Hinblick auf § 9 BFA-VG konnte nicht von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Abstand genommen werden.

Es konnten in Bezug auf die BF keine familiären Bezugspunkte in Österreich festgestellt werden, alle Verwandten sowie auch der aktuelle Lebensgefährte der BF befinden sich in Tschechien. Hinsichtlich ihrer zuzubilligenden sozialen Kontakte konnten keine besonderen Beziehungsverhältnisse festgestellt werden, insofern es sich dabei ausschließlich um ihren ehemaligen Lebensgefährten handelt, der gegen sie im April 2019 ein Betretungsverbot erwirkt hat und sich die BF zudem in Tschechien nunmehr in einer neuen Lebensgemeinschaft mit XXXX befindet. Auch die vielen monate- bis jahrelangen Unterbrechungen ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet verstärken den Eindruck, dass die BF über zahlreiche familiäre bzw. sonstiges soziale Kontakte außerhalb der Bundesrepublik verfügt. Der BF ist zwar der – trotz zahlreicher Unterbrechungen – langjähriger Aufenthalt in Österreich zu Gute zu halten, jedoch ist dem das von der BF gezeigte, strafrechtswidrige Verhalten gegenüberzustellen.

Angesichts des Fehlverhaltens der BF ist davon auszugehen, dass die Erlassung eines gegen die BF gerichteten Aufenthaltsverbotes gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist, ist es doch zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele, insbesondere der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Hinblick auf Verhinderung strafbarer Handlungen im Bereich der Suchtmitteldelinquenz dringend geboten.

Die öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sind demnach höher zu gewichten als die gegenläufigen privaten Interessen der BF. Die Voraussetzungen für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 Abs 1 iVm Abs 2 FPG liegen gegenständlich vor und ist unter den gegebenen Umständen die Erlassung eines solchen auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten.

Was die gewählte Dauer des Aufenthaltsverbotes betrifft, bewegt sich diese innerhalb des dem der belangten Behörde zur Verfügung stehenden Rahmens, welcher nach § 67 Abs 2 FPG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer bis zu höchstens 10 als zulässig erachtet.

Da das das Strafgericht jedoch den Strafrahmen des § 28a Abs 1 SMG nicht ausschöpfte, es sich bei der gegenständlichen Verurteilung um die erste strafgerichtliche Verurteilung der BF handelt und diese auch ihren Beitrag zur Tataufklärung und zur Ermittlung von Mittätern geleistet hat, ist unter Berücksichtigung der allgemein erhöhten spezialpräventiven Wirksamkeit des Erstvollzugs die Dauer des Einreiseverbots in Stattgebung des entsprechenden Beschwerdeantrags auf sieben Jahre zu reduzieren.

Ein Einreiseverbot in dieser Dauer ist notwendig, aber auch ausreichend, um der von der BF ausgehenden Gefährlichkeit wirksam zu begegnen und eine nachhaltige Änderung ihres Verhaltens und ihrer Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten zu bewirken. Eine weitere Reduktion scheitert an der Schwere der von ihr begangenen Straftaten, weil sie über einen sehr langen Tatzeitraum hinweg mit beträchtlichen Mengen überaus gefährlicher Suchtgifte handelte und schon bei der Erstverurteilung eine empfindliche unbedingte Freiheitsstrafe verhängt werden musste.

3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides

3.2.1 Rechtslage

Der mit "Ausreiseverpflichtung und Durchsetzungsaufschub" betitelte § 70 FPG lautet:

§ 70. (1) Die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot werden spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.

(Anm.: Abs 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

(4) Der Durchsetzungsaufschub ist zu widerrufen, wenn

1. nachträglich Tatsachen bekannt werden, die dessen Versagung gerechtfertigt hätten;

2. die Gründe für die Erteilung weggefallen sind oder

3. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige während seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet ein Verhalten setzt, das die sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebietet.

3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall

Zur Versagung des Durchsetzungsaufschubes ist festzuhalten, dass in Hinblick auf die verübte Straftat in Zusammenhang mit Suchtmitteldelinquenz es vordringlicher Zweck der Entscheidung ist, weitere dahingehende Straftaten der BF in Österreich zu verhindern. Eine Wiederholungsgefahr ist angesichts des hohen Rückfallrisikos in Zusammenhang mit Suchtmitteldelikten, zumal die BF selber jahrelang Drogen konsumiert hat, auch zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Strafhaft noch gegeben, sodass nicht von einem maßgeblichen Wegfall der von der BF ausgehenden Gefährdung auszugehen sein wird. Eine sofortige Ausreise im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ist geboten.

Die belangte Behörde hat daher im Ergebnis zutreffend keinen Durchsetzungsaufschub gemäß § 70 Abs 3 FPG erteilt.

3.3. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides

Zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ist auszuführen, dass die BF die Straftaten über einen äußerst langen Zeitzeitraum hinweg verübt hat und nur aufgrund einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle beendet werden konnte. Die sofortige Ausreise ist daher im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich, weshalb der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ebenfalls zu Recht erfolgt ist.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Es wurden alle für die BF sprechenden Tatsachen der Entscheidung zugrunde gelegt und musste sich der erkennende Richter kein eigenes Bild mehr von der BF machen. Zwar kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen der mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu (VwGH 23.03.2017, Ra 2016/21/0349 (und das auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK relevanten Umstände. Daraus ist aber keine "absolute" (generelle) Pflicht zur Durchführung einer Verhandlung im Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, bei denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen positiven persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte mündliche Verhandlung unterbleiben (VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422).

Das Gericht musste sich keinen persönlichen Eindruck von der BF verschaffen, da es sich um einen solchen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten der Fremden sprechenden Fakten für sie kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I421.2231940.1.00

Im RIS seit

03.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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