TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/29 I421 2232099-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.06.2020
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Entscheidungsdatum

29.06.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
NAG §51 Abs1
StGB §125
StGB §127
StGB §146
StGB §147 Abs1 Z1
StGB §287
StGB §83 Abs1
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I421 2232099-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin Steinlechner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Deutschland, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 13.05.2020, Zl. 73164200-190919685, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom 18.06.2019, beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangt am 28.08.2019, wurde die belangte Behörde informiert, dass gegen den Beschwerdeführer ein rechtskräftiges Urteil wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen ergangen ist.

2. Mit Schriftsatz des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.09.2019 wurde dem Beschwerdeführer ein Parteiengehör gemäß § 45 Abs. 3 AVG eingeräumt, da die Behörde beabsichtigte, den Beschwerdeführer in sein Heimatland abzuschieben und ein Aufenthaltsverbot zu erlassen. Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert einige Fragen hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse zu beantworten und er hatte die Möglichkeit zum Ergebnis der Beweisaufnahme innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung der Verständigung eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

3. Das Schreiben vom 17.09.2019 wurde vom Beschwerdeführer nicht abgeholt und es erfolgte keine Stellungnahme.

4. Mit Bescheid vom 13.05.2020, Zl. 73164200-190919685, wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von 4 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs 3 FPG wurde dem Beschwerdeführer kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Zugleich wurde gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot aberkannt (Spruchpunkt III.). Begründend wurde ausgeführt, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung darstelle.

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 05.06.2020 (bei der belangten Behörde eingelangt am 09.06.2020), mit welcher die Aufhebung des Bescheids und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde beantragt wird.

6. Mit Schriftsatz vom 12.06.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 18.06.2020, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland, stammt aus XXXX und spricht Deutsch. Er ist seit 18.05.2009 vom österreichischen Melderegister erfasst und seit 27.03.2015 durchgehend in Österreich aufhältig.

Der Beschwerdeführer war in Österreich mehrmals für kurze Zeiträume als Arbeiter, Angestellter oder geringfügig beschäftigter Arbeiter tätig. Aktuell geht er in Österreich keiner Beschäftigung nach, erhält monatlich ca. EUR 350,-- an staatlicher Unterstützung. Seit 10.07.2017 bezieht er (fast) durchgehend Leistungen aus der staatlichen Nothilfe sowie der Überbrückungshilfe. Im Zeitraum von 25.04.2017 bis 09.07.2017 bezog er Arbeitslosengeld. Der Beschwerdeführer ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer hat kein Vermögen, jedoch Schulden in Höhe von ca. EUR 1.000,--. Ob der Beschwerdeführer über ein schützenswertes Privat und Familienleben in Österreich verfügt, konnte nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich vorbestraft. Im Strafregister der Republik Österreich - geführt von der Landespolizeidirektion Wien - scheinen folgende Verurteilungen auf:

01) BG XXXX vom 29.11.2010 RK 03.12.2010

§ 125 StGB

Geldstrafe von 50 Tags zu je 4,00 EUR (200,00 EUR) im NEF 25 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

Vollzugsdatum 06.09.2011

02) BG XXXX vom 13.02.2012 RK 06.03.2012

§ 127 StGB

Geldstrafe von 70 Tags zu je 4,00 EUR (280,00 EUR) im NEF 35 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

Vollzugsdatum 09.01.2013

03) BG XXXX vom 21.05.2012 RK 26.06.2012

§§ 27 (1) Z 1 1.2.Fall 27 (2) SMG

Geldstrafe von 50 Tags zu je 4,00 EUR (200,00 EUR) im NEF 25 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf BG XXXX RK 06.03.2012

Vollzugsdatum 03.04.2013

04) BG XXXX vom 07.08.2017 RK 11.08.2017

§ 15 StGB § 127 StGB

§ 15 StGB, § 287 StGB § 83 (1) StGB

Geldstrafe von 80 Tags zu je 4,00 EUR (320,00 EUR) im NEF 40 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

Vollzugsdatum 30.10.2018

05) LG XXXX vom 12.06.2019 RK 18.06.2019

§ 15 StGB §§ 146, 147 (1) Z 1 StGB

Freiheitsstrafe 7 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

zu LG XXXX RK 18.06.2019

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

BG XXXX vom 16.01.2020

06) BG XXXX vom 16.01.2020 RK 21.01.2020

§ 15 StGB § 127 StGB

Datum der (letzten) Tat 05.07.2019

Geldstrafe von 90 Tags zu je 4,00 EUR (360,00 EUR) im NEF 45 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

Strafzumessungsgründe bei den Urteilen XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX :

Im Strafurteil zu 52 Hv 33/19v wurde das Geständnis des Beschwerdeführers, der Umstand, dass es beim Versuch blieb und er nur eingeschränkt dispositions- und diskretionsfähig war, mildernd berücksichtigt. Erschwerend wurde die einschlägige Vorstrafenbelastung und Tatwiederholung gewertet. Ein diversionelles vorgehen scheiterte aus general- und spezialpräventiven Gründen.

Im Strafurteil zu XXXX wurde das Geständnis des Beschwerdeführers mildernd und eine einschlägige Vorstrafe erschwerend bei der Strafbemessung berücksichtigt.

Im Strafurteil zu XXXX wurde das Geständnis des Beschwerdeführers und der Umstand, dass die taten beim Versuch geblieben sind, mildern berücksichtigt. Erschwerend wurde das Zusammentreffen 2er Vergehen und 2 einschlägige Vorstrafen gewertet.

Im Abwesenheitsurteil zu XXXX wurde bei der Strafbemessung das Geständnis des Beschwerdeführers und die teilweise Schadenswiedergutmachung mildernd, hingegen eine einschlägige Vorstrafe als erschwerend gewertet.

Im gekürzten Urteil zu XXXX wurden bei den Milderungsgründen das Geständnis, der geringe Schadensbetrag, seine Notlage (Hunger) und das Versuchsstadium angeführt. Erschwerend wurden seine vier einschlägigen Vorstrafen gewertet.

Der Beschwerdeführer wurde auch in Deutschland verurteilt:

1) Mit Urteil vom 23.12.2008, rechtskräftig seit 20.01.2009, des AG XXXX zu XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen § 265a Abs 1, Abs 3, § 248a StGB (Leistungserschleichung bzw. Betrug bei öffentlichen Leistungen sowie bei Sozial- oder Familienleistungen) zu einer Geldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen zu je EUR 15 verurteilt.

2) Mit Urteil vom 15.05.2012, rechtskräftig seit 23.05.2012, des AG XXXX zu XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen § 113 Abs 1, § 185, § 194 Abs 1, Abs 3, § 52, § 53 (Beleidigung, Beschimpfung, Verleumdung, Missachtung bzw. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung in drei tateinheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit Beleidigung) zu einer Geldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen zu je EUR 15 verurteilt.

3) Mit Urteil vom 03.09.2013, rechtskräftig seit 24.09.2013, des AG XXXX zu XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen BtMG § 1 Abs 1, § 3 Abs 1 Nr 1, § 29 Abs 1 Nr 3, § 33 Abs 2 (Unerlaubter Handel mit nicht ausschließlich für den persönlichen Gebrauch bestimmten Betäubungsmitteln, psychotropen Stoffen und Drogenausgangsstoffen bzw. Unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln) zu einer Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zu je EUR 10 verurteilt.

4) Mit Urteil vom 06.07.2018, rechtskräftig seit 14.07.2018, des AG XXXX zu XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen §185, § 194 StGB (Beleidigung, Beschimpfung, Verleumdung, Missachtung) zu einer Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen zu je EUR 10 verurteilt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen, dass der volljährige Beschwerdeführer Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland ist, aus XXXX stammt, seit 18.05.2009 erstmals vom zentralen Melderegister erfasst und seit 27.03.2015 durchgehend in Österreich aufhältig ist, ergeben sich insbesondere aus dem Auszug vom 19.06.2020 aus dem zentralen Melderegister (ZMR). Die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers folgen aus seiner Herkunft und Staatsangehörigkeit.

Da der Beschwerdeführer von der Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben, nicht Gebrauch gemacht hat und sich aus der Aktenlage kein schützenswertes Privat oder Familienleben ergibt, konnte nicht festgestellt werden, ob er über ein schützenswertes Privat und Familienleben in Österreich verfügt.

Die Feststellungen zu seiner Erwerbstätigkeit, seiner aktuellen Arbeitslosigkeit und zu seinem Leistungsbezug aus der staatlichen Nothilfe und Überbrückungshilfe, gründen sich auf das AJ-Web Auskunftsverfahren vom 18.03.2020. Die Feststellung zu den finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers basieren auf dem Urteil XXXX vom 16.01.2020 des Bezirksgerichtes XXXX . Aus dem Urteil zu XXXX geht auch hervor, dass der Beschwerdeführer monatlich EUR 350, -- an staatlicher Unterstützung bezieht. Da der Beschwerdeführer Nothilfe bezieht, ist er nicht selbsterhaltungsfähig.

Die Feststellung über die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 19.06.2020. Die Feststellungen zu den Erschwerungs- und Milderungsgründen basieren auf den im Akt einliegenden Strafurteilen.

Die Feststellung zu seinen strafgerichtlichen Verurteilungen in Deutschland, ergibt sich aus der Abfrage vom 11.10.2019 aus dem europäischen Strafregister-informationssystem (ECRIS).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1.    Zum Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1 Rechtslage

Zum unionsrechtlichen Aufenthaltsrecht:

Der mit "Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate" betitelte § 51 Abs 1 NAG lautet:

"§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

Der mit "Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern" betitelte § 53a NAG lautet wie folgt:

"§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von

1. Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;

2. Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder

3. durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.

(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie

1. zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;

2. sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder

3. drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;

Zum Aufenthaltsverbot:

Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Gemäß § 67 Abs. 3 FPG kann das Aufenthaltsverbot sogar unbefristet erlassen werden, so etwa, wenn ein EWR-Bürger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt wurde (Z1).

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 19.02.2014, 2013/22/0309).

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).

3.1.2.  Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland und als solcher EWR-Bürger im Sinne des § 2 Abs 4 Z 8 FPG. Er verfügt– wie die Behörde bereits ausführte - über ein unionrechtliches Aufenthaltsrecht.

Es konnten keinerlei maßgeblichen familiären und privaten Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich festgestellt werden. Daher konnten allfällige Aspekte des Privat und Familienlebens des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt werden.

Aufgrund der strafrechtlichen Delinquenz des Beschwerdeführers und der Wirkungslosigkeit der bisherigen strafrechtlichen Sanktionen in Zusammenschau mit dem nicht vorhandenen stabilen sozialen und finanziellen Umfeld des Beschwerdeführers, ist davon auszugehen, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet schwerwiegend gefährdet würde und ein Aufenthaltsverbot aus erheblichen Gründen der öffentlichen Sicherheit notwendig ist.

Der Beschwerdeführer wurde hauptsächlich wegen Vermögensdelikten, jedoch auch wegen Suchtmitteldelikte verurteilt. Die vorliegenden Eigentumsdelikte stellen ohne Zweifel ein die öffentliche Sicherheit und Ordnung schwer gefährdendes und beeinträchtigendes Fehlverhalten dar (vgl. VwGH 22.02.2017, Ra 2017/19/0043, wonach ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere der Gewalt- und Eigentumskriminalität besteht). Der VwGH hat auch in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz bereits wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0249, Hinweis E vom 20. Dezember 2012, 2011/23/0554, mwN).

Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer nicht selbständig seinen Unterhalt finanzieren kann. Aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung gerechtfertigt ist (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung zu den insoweit gleichgelagerten Vorgängerbestimmungen des FrPolG 2005 etwa VwGH 22.1.2013, 2012/18/0191; 13.9.2012, 2011/23/0156, jeweils mwN; vgl. weiters der Sache nach bei der Beurteilung gemäß § 53 Abs. 2 Z 6 FrPolG 2005 auf diese Judikatur abstellend VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0129, Rn. 11 und 12).

Gerade der im Urteil zu XXXX angeführte Milderungsgrund „Notlage (Hunger)“ bestätigt, dass der mittelose Beschwerdeführer widerkehrend versucht, sich Unterhaltsmittel auf illegale Weise zu besorgen.

Zwar wurde in den Urteilen zu XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX jeweils das Geständnis des Beschwerdeführers mildernd berücksichtigt, jedoch wurde er weiterhin straffällig und es kann weder ein positiver Sinneswandel noch eine ernsthafte Reue erblickt werden.

Angesichts des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers kann der belangten Behörde - im Ergebnis - nicht entgegengetreten werden, dass der Beschwerdeführer eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt. Ebenfalls kann die von der Behörde festgesetzte Dauer des Aufenthaltsverbotes nicht beanstandet werden. Die vom BFA gewählte Befristung von 4 Jahren ist in Anbetracht des vom Beschwerdeführer gesetzten Verhaltens angemessen und rechtens.

Das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot ist daher insgesamt zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer dringend geboten.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war sohin als unbegründet abzuweisen.

3.2.    Zur Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II. und III. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1.  Rechtslage

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 18 Abs. 6 BFA-VG steht ein Ablauf der Frist nach § 18 Abs. 5 BFA-VG der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

3.2.2.  Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Die Voraussetzungen des § 18 Abs 5 BFA-VG liegen gegenständlich nicht vor.

Da der Beschwerdeführer mehrmals straffällig wurde und Wiederholungsgefahr besteht, liegt seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, weshalb weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG korrekturbedürftig ist.

Die Beschwerde war daher in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids als unbegründet abzuweisen.

3.3.    Unterbleiben der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn – wie im vorliegenden Fall – deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist – aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Bundesverwaltungsgericht ca 6 Wochen liegen – die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Das Beschwerdevorbringen ist unsubstantiiert. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und waren auch keine Beweise aufzunehmen.

Das Bundesverwaltungsgericht musste sich auch keinen persönlicher Eindruck vom Beschwerdeführer im vorliegenden Fall trotz des Vorliegens einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verschaffen, da selbst unter Berücksichtigung aller zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Fakten auch dann für den Beschwerdeführer kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht von ihm einen persönlichen Eindruck verschafft, weshalb eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233; 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 bis 0423, Ra 2017/19/0424).

Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Zudem liegt ein Verfahren nach § 18 BFA-VG vor, welches das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet innert 7 Tagen zu entscheiden, es sei denn es lägen Gründe vor, die aufschiebende Wirkung nach § 18 Abs 5 VFA-VG zuzuerkennen. Dies war im gegenständlichen Fall – wie oben dargelegt – aber nicht gegeben.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreise- oder Aufenthaltsverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284 und 10.07.2019, Ra 2019/19/0186). Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Aufenthalt im Bundesgebiet Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung - Entfall Beleidigung Beschimpfung Diebstahl Durchsetzungsaufschub EWR-Bürger Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Gesamtverhalten AntragstellerIn Haft Haftstrafe Interessenabwägung Körperverletzung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Sachbeschädigung Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Suchtmitteldelikt Unionsbürger Vorstrafe Wiederholungsgefahr Wiederholungstaten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I421.2232099.1.00

Im RIS seit

05.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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