TE OGH 2020/9/1 10ObS88/20v

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Veröffentlicht am 01.09.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Wolfgang Kozak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch DI Mag. Nikolaus Gratl, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Februar 2020, GZ 23 Rs 59/19a-73, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]       Ein nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO mit Nichtigkeit sanktionierter Widerspruch liegt vor, wenn einzelne Teile des Spruchs einander logisch ausschließen (10 ObS 152/15y SSV-NF 30/10 uva; RIS-Justiz RS0041306; RS0042171 [T2]). Der Revisionswerber macht jedoch eine Widersprüchlichkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung geltend, sodass der behauptete Nichtigkeitsgrund nicht vorliegt.

[2]       Die Beurteilung der Frage, ob Invalidität vorliegt, ist eine Rechtsfrage (RS0103345). Der Tatbestand des hier unstrittig anwendbaren § 255 Abs 3 ASVG enthält zwei Kriterien, anhand derer die Verweisbarkeit (auf eine auf dem Arbeitsmarkt noch bewertete Tätigkeit) zu prüfen ist: Zum einen kommt es auf die Zumutbarkeit einer (Verweisungs-)Tätigkeit „unter billiger Berücksichtigung der … ausgeübten Tätigkeiten“ an (inhaltlicher Verweisungsbereich), zum anderen auf die Möglichkeit des Erzielens einer bestimmten Entgelthöhe, der „gesetzlichen Lohnhälfte“ (10 ObS 109/06m SSV-NF 20/58; RS0084408). Die Beurteilung der Frage, ob der Kläger noch in der Lage ist, die von § 255 Abs 3 ASVG geforderte „Lohnhälfte“ zu erzielen, ist daher, wovon das Berufungsgericht ohnehin zutreffend ausgegangen ist, eine Rechtsfrage.

[3]       Ist ein Versicherter in der Lage, eine Verweisungstätigkeit ohne jede Einschränkung inhaltlicher oder zeitlicher Art auszuüben, so ist davon auszugehen, dass er in der Lage ist, ein Einkommen in der Höhe des kollektivvertraglichen Lohns zu erzielen (RS0084693). Ein ursprünglich vollzeitig beschäftigter Versicherter kann aber nach der Rechtsprechung auch auf Teilzeitarbeit verwiesen werden, durch die er wenigstens die Hälfte des Entgelts eines gesunden Vollzeitbeschäftigten erzielen kann (RS0084587). Bei einer Verweisung auf eine Teilzeittätigkeit ist für das Erreichen der Lohnhälfte vor allem von entscheidender Bedeutung, in welchem zeitlichen Ausmaß der Versicherte die jeweilige Verweisungstätigkeit noch verrichten kann. Nach der Rechtsprechung ist jedenfalls bei einer möglichen Arbeitszeit von vier Stunden täglich (oder zwanzig Stunden wöchentlich) davon auszugehen, dass die gesetzliche Lohnhälfte erzielt werden kann (10 ObS 28/18t SSV-NF 32/30 mwH; RS0084587 [T5]).

[4]       Der Kläger ist nach den unangefochtenen Feststellungen in der Lage, über den 31. 7. 2015 hinaus bis Ende Mai 2017 (Beginn der – neuerlichen – vorübergehenden Invalidität) in mehreren, vom Erstgericht aufgezählten Verweisungstätigkeiten eine halbtägige durchschnittliche Arbeitsbelastung am allgemeinen Arbeitsmarkt zu erbringen, dies bei zulässiger fallweiser ganztägiger Arbeitsleistung im Ausmaß von bis zu fünf Wochen im Jahr. Ausgehend davon ist das Berufungsgericht, das die oben dargestellte Rechtsprechung beachtet hat, in vertretbarer Weise davon ausgegangen, dass der Kläger im genannten Zeitraum noch in der Lage war, auch bei Teilzeitbeschäftigung in den Verweisungstätigkeiten die Lohnhälfte zu verdienen, sodass Invalidität gemäß § 255 Abs 3 ASVG im genannten Zeitraum nicht vorliegt. Eine Korrekturbedürftigkeit dieser Rechtsansicht zeigt der Revisionswerber mit seiner Forderung, es hätte – entsprechend den verba legalia des § 255 Abs 3 ASVG – (ausdrücklich) festgestellt werden müssen, dass der Kläger in der Lage sei, die „Lohnhälfte“ in diesem Zeitraum zu verdienen, nicht auf.

Textnummer

E129401

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:010OBS00088.20V.0901.000

Im RIS seit

21.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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