TE OGH 2020/9/10 12Os80/20m

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Veröffentlicht am 10.09.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. September 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Weinhandl in der Strafsache gegen Benjamin W***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Jugendschöffengericht vom 12. März 2020, GZ 39 Hv 6/20p-43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Benjamin W***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 19. April 2019 in H***** mit einer unmündigen Person, nämlich der am ***** geborenen L***** P*****, den Beischlaf und eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er zunächst einen Finger mehrfach in ihre Vagina einführte und anschließend mit seinem Penis mehrfach in ihre Vagina eindrang.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Entgegen dem Einwand der Mängelrüge sind die Feststellungen zum Schuldspruch (US 3) weder undeutlich noch unvollständig oder offenbar unzureichend begründet (Z 5 erster, zweiter und vierter Fall).

Diese leiteten die Tatrichter – den Kriterien logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend (RIS-Justiz RS0118317) – im Wesentlichen aus den für glaubwürdig erachteten Aussagen der Zeugin L***** P***** und einer Vielzahl aufgenommener Kontrollbeweise ab, berücksichtigten dabei sämtliche für und wider den Angeklagten sprechenden erheblichen Verfahrensergebnisse, verwarfen hingegen dessen leugnende Verantwortung als unglaubwürdig (US 3 bis 10).

Soweit der Beschwerdeführer releviert, das Erstgericht habe einen „gewaltigen Widerspruch“ in der Aussage der „angeblich glaubwürdigen“ Zeugin L***** P***** nicht berücksichtigt, weil – im Urteil durchaus erörtert (vgl US 7 und 10) – die DNA-Spur nicht mit den Angaben des Opfers in Einklang zu bringen sei und die Tatrichter sich mit dem erst sechs Monate nach der Tat erfolgten Therapiebeginn, dessen kurzer Dauer und der geringfügigen Medikation nicht auseinandergesetzt hätten, obwohl es „notorischer Erfahrungen in gleichgelagerten Prozessen/Fällen“ entspreche, dass „immer von schwerwiegenden seelischen und psychischen Folgen auszugehen ist und umgehende medizinische Therapien in Anspruch genommen werden“, wendet er sich bloß gegen die – als Akt freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) – alleine dem erkennenden Gericht zukommende (RIS-Justiz RS0099649, RS0098297) – Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Tatopfers.

Die behaupteten Widersprüche innerhalb der Aussage der Zeugin L***** P***** (zu deren konkreter Erinnerung betreffend die Verwendung eines Kondoms und zum Vollzug des Beischlafs mit ausgezogener oder angezogener Unterhose) beziehen sich nicht auf entscheidende Tatsachen und sind damit auch unter dem Aspekt einer Unvollständigkeit in Ansehung der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin ohne Relevanz (RIS-Justiz RS0119422 [T4]).

Soweit die Rüge auf die „schlüssige, nachvollziehbare und widerspruchsfreie“ Aussage des Angeklagten verweist und die Überzeugung des Erstgerichts von seiner Unglaubwürdigkeit als „undeutlich, unvollständig und widersprüchlich“ kritisiert, zeigt sie keinen Begründungsmangel auf, sondern bekämpft lediglich die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen Schuld (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431).

Mit der aktenfremden Spekulation, der „Amtsvermerk der Polizei, der danach als unverwertbar aus dem Akt genommen werden musste“ hätte „vermutlich“ die Beweiswürdigung beeinflusst, macht die Rüge keinen Begründungsmangel geltend.

Durch die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (in dubio pro reo) wird ein aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO beachtlicher Mangel nicht behauptet (RIS-Justiz RS0102162).

Soweit im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5a) auf die Ausführungen zur Mängelrüge verwiesen und das „diesbezügliche Vorbringen wiederholt“ wird, verkennt der Beschwerdeführer die wesensmäßige Verschiedenheit der Nichtigkeitsgründe, die eine gesonderte Ausführung erfordert (RIS-Justiz RS0115902).

Zum Beschwerdevorbringen einer „Verletzung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung“ durch das Unterlassen der „Beischaffung weiterer medizinischer Unterlagen“ genügt der Hinweis auf die Subsidiarität der Aufklärungsrüge (Z 5a) gegenüber der Verfahrensrüge (Z 4; RIS-Justiz RS0115823 [T2]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E129213

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00080.20M.0910.000

Im RIS seit

06.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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