TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/23 G312 2114243-1

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Veröffentlicht am 23.06.2020
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Entscheidungsdatum

23.06.2020

Norm

ASVG §4
ASVG §4 Abs1 Z1
ASVG §4 Abs2
ASVG §4 Abs4
ASVG §410
AVG §38
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §17

Spruch

G312 2114243-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela WILD als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch Franz KRENN, Wirtschaftstreuhänder-Steuerberater in 8950 Öblarn, gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, XXXX ) vom XXXX , Zl. XXXX ,

A) I. beschlossen:

Das mit hg. Beschluss vom 18.09.2019, G312 2114253-1/6Z gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG ausgesetzte Verfahren wird fortgesetzt.

A) II. zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
:

I. Verfahrensgang

1. Mit Bescheid der Österreichische Krankenkasse (ehemals Steiermärkischen Gebietskrankenkasse; im Folgenden: belangte Behörde) vom 22.04.2015, Zl. XXXX wurde gemäß § 410 Abs. 1 Z 2 ASVG iVm § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG ausgesprochen, dass XXXX (im Folgenden: MS) in den dort angeführten Zeiträumen aufgrund seiner Tätigkeit für die XXXX (im Folgenden: BF) der Voll- und Arbeitslosenversicherung unterliege (Spruchpunkt I.). Gemäß § 410 Abs. 1 Z 7 iVm §§ 44 Abs. 1 und 49 Abs. 1 ASVG wurde ausgesprochen, dass die BF wegen der im Zuge der bei ihr stattgefundenen Beitragsprüfung festgestellten Meldedifferenzen verpflichtet sei, die in der Beitragsabrechnung vom XXXX und vom XXXX sowie den dazugehörigen Prüfberichten vom XXXX und vom XXXX zu Dienstgeberkontonummer XXXX angeführten allgemeinen Beiträge, Nebenumlagen, Sonderbeiträge, Zuschläge für die jeweils näher bezeichneten Zeiten sowie Verzugszinsen im Betrag von gesamt EUR 14.687,74 nachzuentrichten.

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass es sich bei den von MS durchgeführten Arbeiten für die BF um einfache manuelle Hilfstätigkeiten gehandelt habe, welche in organisatorischer Einbindung in den Betrieb bzw. die Baustellen der BF erbracht worden seien. Die Baustellen und Termine seien von der BF vorgegeben worden und habe es daher Weisungsgebundenheit gegeben. Das Material sei von der BF zur Verfügung gestellt worden und habe MS ein Firmenauto der BF verwendet. MS verfüge zwar über diverses eigenes Werkzeug, habe dies jedoch bereits vor seiner Tätigkeit für die BF besessen. Eine Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der BF sei gegeben. Festgestellt wurde auch, dass das Finanzamt Judenburg das Bestehen von Lohnsteuerpflicht für den Zeitraum von XXXX festgestellt habe.

2. Gegen den im Spruch genannten Bescheid erhob der Vertreter des BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte zusammengefasst aus, dass MS vom Landesverwaltungsgericht hinsichtlich seiner Tätigkeit für die BF wegen Übertretung der Gewerbeordnung verurteilt worden sei und MS jedenfalls nicht nur einfache Tätigkeiten durchgeführt habe. MS erfülle jede Voraussetzung für ein selbständiges Gewerbe. MS sei zudem mindestens für eine weitere Firma tätig geworden.

3. Die gegenständliche Beschwerde wurde mit dem maßgeblichen Verwaltungsakt samt Vorlagebericht der belangten Behörde am XXXX dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. Die belangte Behörde beantragte die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesfinanzgerichts betreffend die Lohnsteuerpflicht der BF.

4. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.09.2019, G312 2114253-1/6Z wurde das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesfinanzgerichts zur Frage der Lohnsteuerpflicht ausgesetzt.

5. Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom XXXX wurde der Beschwerde der BF Folge gegeben und festgestellt, dass keine Lohnsteuerpflicht vorlag, da MS als selbständiges Unternehmer die Tätigkeit für die XXXX durchgeführt habe.

6. Am 25.02.2020 wurde der belangten Behörde im Rahmen des Parteiengehör die Möglichkeit eingeräumt, zu dem Ermittlungsergebnis (Entscheidung des BFG) binnen Fristsetzung Stellung zu nehmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF ist eine GmbH, die sich auf die Herstellung von Massivholzparkettdielen spezialisiert hat und auch deren Verlegung anbietet. Von XXXX stand MS in einem vollversicherungspflichtigen und von XXXX in einem geringfügigen Dienstverhältnis zur BF.

Aufgrund der mäßigen Auftragslage war eine weitere Anstellung des MS bei der BF nicht möglich. MS entschloss sich daher, als selbstständiger Unternehmer Parkettverlegungstätigkeiten anzubieten.

MS verfügte über eine Gewerbeberechtigung für das freie Gewerbe „Anbieten von Hausbetreuungstätigkeiten als persönliche Dienste an nicht öffentlichen Orten, bestehend aus der Beaufsichtigung des ordnungsgemäßen Zustandes von Liegenschaften, der Pflege von Außenanlagen durch Rasen mähen, Schnee schaufeln, kaputte Glühbirnen wechseln, Asphaltflächen kehren, Grünanlagen bewässern, die Reinhaltung der Müllsammelstelle überprüfen und diese nachreinigen, Kehren und Waschen von Stiegenhäusern und Gängen, Kehren von Gehsteigen und Hof, waschen von Stiegenhausfenster und Außentüren, Reinigung von Stiegen, Handläufen und Kehren des Kellers, das Ölen von Türen, Mitteilungen bzw. Beschwerden der Eigentümer und Mieter an die Hausverwaltung weiterleiten, sowie Botengänge gemäß § 2 Abs. 5 GewO 1994.“

Über eine Gewerbeberechtigung für Bodenverlegarbeiten verfügte er nicht.

MS beschäftigte keine Mitarbeiter und machte nur sehr selten Werbung für seine Tätigkeit.

1.2. BF beauftragte in weiterer Folge MS und auch andere Firmen mit Parkettverlegungsarbeiten. Diese Firmen, wie auch MS wurden von der BF geschult, um die Aufträge ordnungsgemäß ausführen zu können.

Für eine Auftragsvergabe wurden die Firmen, wie auch MS meist mehrere Wochen bzw. Monate vor der geplanten Ausführung von der BF kontaktiert, um den Termin zu koordinieren. MS wurden die Kontaktdaten des jeweiligen Kunden der BF mitgeteilt, woraufhin MS das jeweilige Objekt besichtigte. Bei Einigung über Leistung und Erfolg kam es zur Auftragsvergabe, welche immer mündlich erfolgte. MS konnte Aufträge auch ablehnen.

Zwischen den einzelnen Aufträgen lagen zum Teil mehrere Wochen.

1.3. MS richtete sich an seiner Wohnadresse ein Büro ein, in welchem er sämtliche Tätigkeiten organsierte und vorbereitete.

MS konnte sich seine Arbeitszeiten - innerhalb des mit dem jeweiligen Fertigstellungstermin begrenzten zeitlichen Rahmens - frei einteilen. Diesbezüglich gab es keine Weisung von Seiten der BF.

MS wurde während der Verrichtung seiner Arbeiten von der BF nicht kontrolliert. Er meldete lediglich die Fertigstellung seiner Arbeiten bei der BF.

MS konnte sich für seine Tätigkeiten auch vertreten lassen. Tatsächlich kam es aber nie dazu. Im Falle einer Erkrankung erstattete MS Meldung bei der BF.

1.4. Nach Fertigstellung des Auftrages legte MS eine Rechnung an die BF. Die Abrechnung erfolgte nach Quadratmetern (bei Parkettverlegung), Laufmetern (bei Sockelleisten) und Stückzahl (bei Stufen-Montage). In vereinzelten Fällen wurden Regiestunden verrechnet.

Die Preise für die einzelnen Positionen variierten innerhalb einer gewissen Bandbreite und orientierten sich an einer Preisliste, welche zwischen der BF und MS vor der ersten Auftragsausführung vereinbart wurde. Bei jeder Auftragsvergabe wurde MS gefragt, ob er mit dem Preis einverstanden sei.

MS hatte das Gewährleistungsrisiko für seine Arbeiten zu tragen.

1.5. MS verwendete für die Auftragsabwicklungen seine eigene Arbeitskleidung und sein eigenes Werkzeug. In der Regel verwendete er auch sein eigenes Kraftfahrzeug (Kastenwagen der Marke Fiat). MS erhielt hierfür kein Kilometergeld oder einen anderen Aufwandersatz. Ab 2014 wurde in seltenen Fällen eine Anfahrtspauschale verrechnet.

In einzelnen Fällen verwendete MS den Firmen-LKW der BF. Die Tankkosten wurden dabei von MS übernommen.

Die zu verarbeitenden Materialien wurden von der BF beigestellt.

1.6. Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts vom 09.02.2015, LVwG 30.25-6008/2014-16 wurde MS wegen unbefugter Gewerbeausübung (Bodenverlegungsarbeiten) verurteilt.

Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgericht vom 11.02.2020, GZ. RV/2100673/2015 wurde die Lohnsteuerpflicht des MS für die bei der BF verrichtenden Arbeiten verneint.

2. Beweiswürdigung:

Der oben dargestellte Verfahrensgang ergibt sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde.

Die Feststellungen gründen sich insbesondere auf die bei der BF durchgeführten Beitragsprüfung sowie auf den Niederschriften vom 26.11.2013 und 17.11.2014, sowie dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 11.02.2020, GZ. RV/2100673/2015 sowie des Landesverwaltungsgerichts vom 09.02.2015, LVwG 30.25-6008/2014-16.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A) I. Fortsetzung des Verfahrens

Gemäß § 38 AVG ist die Behörde, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.09.2019, G312 2114253-1/6Z wurde das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesfinanzgerichts in dem dort anhängigen Verfahren zur Frage der Lohnsteuerpflicht der BF ausgesetzt.

Am 11.02.2020, GZ. RV/2100673/2015 erging eine diesbezügliche Entscheidung des Bundesfinanzgerichts. Das gegenständliche Beschwerdeverfahren war daher amtswegig fortzusetzen.

3.2. Zu Spruchteil A) II. Stattgebung der Beschwerde:

3.2.1. Maßgebliche Bestimmungen des ASVG und AlVG:

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sind in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgeschlossen ist noch nach § 7 eine Teilversicherung begründet.

Dienstnehmer ist gemäß § 4 Abs. 2 ASVG, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 14 leg. cit. gilt die Vollversicherungspflicht in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auch für die den Dienstnehmern im Sinne des Abs. 4 gleichgestellten Personen, sohin für freie Dienstnehmer.

Gemäß § 4 Abs. 4 ASVG stehen Personen, die sich auf Grund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten, und zwar für einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes, seiner Gewerbeberechtigung, seiner berufsrechtlichen Befugnis (Unternehmen, Betrieb usw.) oder seines statutenmäßigen Wirkungsbereiches (Vereinsziel usw.), mit Ausnahme der bäuerlichen Nachbarschaftshilfe, den Dienstnehmern im Sinne dieses Bundesgesetzes gleich, wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im Wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen; es sei denn, a) dass sie auf Grund dieser Tätigkeit bereits nach § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 GSVG oder § 2 Abs. 1 BSVG oder nach § 2 Abs. 1 und 2 FSVG versichert sind oder b) dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine (Neben )Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Z 1 lit. f B-KUVG handelt oder c) dass eine selbständige Tätigkeit, die die Zugehörigkeit zu einer der Kammern der freien Berufe begründet, ausgeübt wird oder d) dass es sich um eine Tätigkeit als Kunstschaffender, insbesondere als Künstler im Sinne des § 2 Abs. 1 des Künstler- Sozialversicherungsfondsgesetzes, handelt.

Als Dienstgeber gilt gemäß § 35 ASVG derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht) geführt wird, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in den Dienst genommen hat, oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter anstelle des Entgelts verweist.

Gemäß § 539a Abs. 1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (z.B. Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend. Nach Abs. 3 leg. cit. ist ein Sachverhalt so zu beurteilen, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre. Scheingeschäfte und andere Scheinhandlungen sind gemäß Abs. 4 leg. cit. für die Feststellung eines Sachverhaltes nach diesem Bundesgesetz ohne Bedeutung. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Beurteilung maßgebend.

Für den Fall der Arbeitslosigkeit versichert (arbeitslosenversichert) sind gemäß § 1 Abs. 1 AlVG Dienstnehmer, die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigt sind, (...) soweit sie in der Krankenversicherung auf Grund gesetzlicher Vorschriften pflichtversichert sind oder Anspruch auf Leistungen einer Krankenfürsorgeanstalt haben und nicht nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen versicherungsfrei sind.

3.2.2. Im vorliegenden Fall ist strittig, ob MS als Dienstnehmer der BF, also in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wurde (§ 4 Abs. 2 ASVG) beziehungsweise ob - wie die Vertretung der BF meint – MS als selbständiger Unternehmer seine Tätigkeiten für die BF verrichtete.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Frage, ob jemand in einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 ASVG steht, immer in Bezug auf eine andere Person, nämlich - vom Fall der Indienstnahme durch Mittelspersonen abgesehen - den Dienstgeber zu prüfen (VwGH vom 15.07.2013, Zl. 2011/08/0151).

Das System der Versicherungspflicht abhängig Beschäftigter baut auf der Verschiedenheit von Dienstgeber (iSd § 35 Abs. 1 ASVG) und Dienstnehmer auf.

3.2.2.1. Mit der Abgrenzung des Dienstvertrages vom freien Dienstvertrag einerseits und vom Werkvertrag andererseits hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. Mai 1980, VwSlg. Nr. 10.140 A, grundlegend beschäftigt und - in Übereinstimmung mit der in diesem Erkenntnis zitierten Lehre - ausgeführt, dass es entscheidend darauf ankommt, ob sich jemand auf gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen (den Dienstgeber) verpflichtet (diesfalls liege ein Dienstvertrag vor) oder ob er die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt (in diesem Fall liege ein Werkvertrag vor), wobei es sich im zuletzt genannten Fall um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handelt, während es im Dienstvertrag primär auf die rechtlich begründete Verfügungsmacht des Dienstgebers über die Arbeitskraft des Dienstnehmers, also auf die Bereitschaft des Letzteren zur Erbringung von Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit (in Eingliederung in den Betrieb des Leistungsempfängers sowie in persönlicher und regelmäßig damit verbundener wirtschaftlicher Abhängigkeit von ihm) ankommt (vgl. VwGH vom 14.02.2013, Zl. 2011/08/0391).

Der Werkvertrag begründet grundsätzlich ein Zielschuldverhältnis. Die Verpflichtung besteht darin, die genau umrissene Leistung - in der Regel bis zu einem bestimmten Termin - zu erbringen. Mit der Erbringung der Leistung endet das Vertragsverhältnis. Das Interesse des Bestellers und die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers sind lediglich auf das Endprodukt als solches gerichtet. Für einen Werkvertrag essenziell ist ein "gewährleistungstauglicher" Erfolg der Tätigkeit, nach welchem die für den Werkvertrag typischen Gewährleistungsansprüche bei Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung des Werks beurteilt werden können (vgl. VwGH vom 20.03.2014, Zl. 2012/08/0024; VwGH vom 11.12.2013, Zl. 2011/08/0322; VwGH vom 23.05.2007, Zl. 2005/08/0003).

Aus einem Erwerbstätigen wird auch dann kein selbstständiger Erbringer von Werkleistungen, wenn die genannten Dienstleistungen gedanklich in einzelne zeitlich bzw. mengenmäßig bestimmte Abschnitte zerlegt und diese Abschnitte sodann zu "Werken" mit einer "gewährleistungstauglichen Leistungsverpflichtung" erklärt werden (VwGH vom 24.04.2014, Zl. 2013/08/0258).

Ausgehend von den genannten Grundsätzen ist im vorliegenden Fall aufgrund des festgestellten Sachverhaltes erkennbar, dass hier ein Werkvertrag bzw. mehrere Werkverträge vorliegen: Die von MS zu erbringenden Leistungen wurden schon im Vorfeld der Auftragsvergaben konkretisiert und individualisiert. Insbesondere wurden die jeweiligen Objekte von MS besichtigt und ein zeitlicher Rahmen für die Fertigstellung mit der BF vereinbart.

MS meldete erst die Fertigstellung bei der BF, zwischenzeitliche Kontrollen durch die BF fanden nicht statt. Auch hatte MS die Gewährleistung für seine Arbeiten zu tragen.

Ebenso spricht der Umstand, dass MS vorwiegend nach Quadratmetern abrechnete, für ein Werkvertragsverhältnis.

3.2.2.2. Gegen ein Dienstverhältnis weist zudem auch, dass im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen der persönlichen Abhängigkeit des MS nicht vorliegen.

Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG (und damit für ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis) ist die persönliche Arbeitspflicht. Fehlt sie, dann liegt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG schon deshalb nicht vor (vgl. VwGH vom 25.04.2007, VwSlg. 17.185/A, vom 25.06.2013, Zl. 2013/08/0093, und vom 15.07.2013, Zl. 2013/08/0124).

Unterscheidungskräftige Kriterien der Abgrenzung der persönlichen Abhängigkeit von der persönlichen Unabhängigkeit sind die Bindungen des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse, während das Fehlen anderer (im Regelfall freilich auch vorliegender) Umstände (wie z.B. die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Empfängers der Arbeit) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt. Erlaubt im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit des Beschäftigten in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit, so können im Rahmen der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamtbildes der Beschäftigung auch diese an sich nicht unterscheidungskräftigen Kriterien ebenso wie die Art des Entgelts und der Entgeltleistung (§ 49 ASVG), die an sich in der Regel wegen des gesonderten Tatbestandscharakters des Entgelts für die Dienstnehmereigenschaft nach § 4 Abs. 2 ASVG für das Vorliegen persönlicher Abhängigkeit nicht aussagekräftig sind, von maßgeblicher Bedeutung sein (VwGH vom 15.05.2013, Zl. 2013/08/0051).

Nach der Rechtsprechung kommt die Erteilung von Weisungen an den Dienstnehmer im Zusammenhang mit einem Beschäftigungsverhältnis im Wesentlichen in zwei (voneinander nicht immer scharf zu trennenden) Spielarten in Betracht, nämlich in Bezug auf das Arbeitsverfahren einerseits und das arbeitsbezogene Verhalten andererseits (VwGH vom 25.04.2007, Zl. 2005/08/0137, VwSlg 17185 A/2007). Auch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH B 30.10.2003, 8ObA45/03f) unterscheidet bei der Beurteilung der Weisungsunterworfenheit entsprechend zwischen sachlichen Weisungen, die auch bei Werkverträgen oder Dauerschuldverhältnissen ohne echten Arbeitsvertragscharakter vorkommen (wobei in vielen Fällen derartige Verträge ohne Weisungen nicht vorstellbar sind), und persönlichen Weisungen, die die persönliche Gestaltung der Dienstleistung zum Gegenstand haben (VwGH vom 27.04.2011, Zl. 2009/08/0123).

Die Erteilung von Weisungen betreffend das arbeitsbezogene Verhalten, somit nicht in Bezug auf den Arbeitserfolg, unterbleibt idR dann, wenn und sobald der Arbeitnehmer von sich aus weiß, wie er sich im Betrieb des Dienstgebers zu verhalten hat (VwGH vom 17.09.1991 Zl. 90/08/0152). Von einer "stillen Autorität" des Dienstgebers ist in der Rechtsprechung (VwGH vom 21.11.2007 Zl. 2005/08/0051) dann die Rede, wenn die Überwachung iSd Weisungs- und Kontrollrechtes des Dienstgebers von diesem nicht stets nach außen erkennbar ausgeübt wird, wie dies z.B. häufig bei leitenden Angestellten der Fall ist. Es muss aber für den Arbeitgeber zumindest die Möglichkeit der Ausübung des Weisungs- und Kontrollrechtes bestanden haben. Für die Annahme des Vorliegens einer "stillen Autorität des Dienstgebers" bedarf es daher der Feststellung von konkreten Anhaltspunkten, die zumindest einen Schluss auf das Vorliegen solcher Weisungs- oder Kontrollrechte zulassen. Dabei ist auch in Betracht zu ziehen, dass in Fällen, in denen der Arbeitnehmer von sich aus weiß, wie er sich im Betrieb des Dienstgebers zu bewegen und zu verhalten hat, in der Regel das Weisungsrecht überhaupt nicht zutage tritt, sondern nur in Form von Anhaltspunkten für Kontrollrechte erkennbar wird (Zehetner in Sonntag (Hrsg), ASVG6 (2015) §4 Rz 36f).

Ausgehend von den genannten Grundsätzen ist im vorliegenden Fall die persönliche Abhängigkeit des BF zu verneinen.

Wie festgestellt wurde, wurde MS von der BF zwar hinsichtlich der Verlegetechnik der zu verarbeitenden Materialen eingeschult, jedoch erfolgte in weiterer Folge keine Kontroll- oder Weisungstätigkeit von Seiten der BF an MS während der Tätigkeiten im Rahmen der Auftragsabwicklung selbst. Erst bei Abschluss der Verlegearbeiten teilte MS dies der BF mit.

Es fand keine organisatorische Gebundenheit des MS in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten statt. Abgesehen von der naturgemäßen Gebundenheit hinsichtlich des Ortes der Verlegearbeiten und hinsichtlich der Zeit aufgrund der zeitlichen Befristung der Erledigung der Arbeiten war MS an keine Vorgaben der BF gebunden. Vielmehr konnte er sich seine Arbeit zeitlich selbst einteilen und nahm sämtliche organisatorische Vor- und Nacharbeiten von seinem Büro aus vor.

Eine Eingliederung in die betriebliche Organisation war auch aus dem Grund zu verneinen, als MS seine eigene Arbeitskleidung, eigenes Werkzeug und auch sein eigenes Fahrzeug für die Verrichtung seiner Tätigkeit verwendete. Die Benutzung des Firmen-LKWs der BF kam nur in Ausnahmefällen zustande und wurde die Tankrechnung in diesen Fällen auch von MS selbst beglichen.

Aufgrund dieser Umstände war ein Dienstverhältnis des MS zur BF gemäß § 4 Abs. 2 ASVG zu verneinen.

3.2.3. Gemäß § 4 Abs. 4 ASVG stehen den Dienstnehmern im Sinne dieses Bundesgesetzes Personen gleich, die sich auf Grund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten, und zwar für

„1. einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes, seiner Gewerbeberechtigung, seiner berufsrechtlichen Befugnis (Unternehmen, Betrieb usw.) oder seines statutenmäßigen Wirkungsbereiches (Vereinsziel usw.), mit Ausnahme der bäuerlichen Nachbarschaftshilfe,

2. eine Gebietskörperschaft oder eine sonstige juristische Person des öffentlichen Rechts bzw. die von ihnen verwalteten Betriebe, Anstalten, Stiftungen oder Fonds (im Rahmen einer Teilrechtsfähigkeit),

wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen; es sei denn,

a) dass sie auf Grund dieser Tätigkeit bereits nach § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 GSVG oder § 2 Abs. 1 BSVG oder nach § 2 Abs. 1 und 2 FSVG versichert sind oder

b) dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine (Neben-)Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Z 1 lit. f B-KUVG handelt oder

c) dass eine selbständige Tätigkeit, die die Zugehörigkeit zu einer der Kammern der freien Berufe begründet, ausgeübt wird oder

d) dass es sich um eine Tätigkeit als Kunstschaffender, insbesondere als Künstler im Sinne des § 2 Abs. 1 des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes, handelt.“

Ein eigenes Betriebsmittel ist grundsätzlich dann für die (dadurch als unternehmerisch zu beurteilende) Tätigkeit wesentlich im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG, wenn es sich nicht bloß um ein geringwertiges Wirtschaftsgut handelt und wenn es der freie Dienstnehmer entweder durch Aufnahme in das Betriebsvermögen (und der damit einhergehenden steuerlichen Verwertung als Betriebsmittel der Schaffung einer unternehmerischen Struktur gewidmet hat oder wenn es seiner Art nach von vornherein in erster Linie der in Rede stehenden betrieblichen Tätigkeit zu dienen bestimmt ist (VwGH 26.01.2017, Ro 2016/15/0022).

Bei den von MS verwendeten Werkzeugen handelte es sich unzweifelhaft um Betriebsmittel, welche für die in Rede stehende betriebliche Tätigkeit verwendet wurden.

Die Qualifizierung des MS als freier Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 4 ASVG war somit schon deshalb zu verneinen, da MS über wesentliche eigene Betriebsmittel verfügte.

3.2.4. Zusammenfassend lag bei MS mangels Weisungsgebundenheit, mangels Verpflichtung zur persönlichen Arbeitserbringung und mangels Eingliederung in die betriebliche Organisation der BF weder ein abhängiges Dienstverhältnis gemäß § 4 Abs. 2 ASVG noch ein freies Dienstverhältnis nach § 4 Abs. 4 ASVG vor.

Der Beschwerde ist daher spruchgemäß stattzugeben.

3.3. Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Gemäß Abs. 5 kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, GZ 2005/05/0080).

Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Arbeitszeit Betriebsmittel Dienstnehmereigenschaft Fortsetzung Konkretisierung Lohnsteuerpflicht Versicherungspflicht Weisungsfreiheit Werkvertrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G312.2114243.1.00

Im RIS seit

29.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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