TE Bvwg Beschluss 2020/6/3 W165 2168285-2

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Veröffentlicht am 03.06.2020
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Entscheidungsdatum

03.06.2020

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W165 2168285-2/9E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.02.2020, Zl. 1067336301-200136945, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 in Verbindung mit § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren:

Der im Spruch angeführte Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans wurde anlässlich seiner irregulären Einreise nach Österreich am 05.05.2015 im Rahmen einer sicherheitspolizeilichen Kontrolle auf einem Bahnhof angehalten und stellte im Zuge dessen einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.

In seiner polizeilichen Erstbefragung am 06.05.2015 gab der BF im Wesentlichen an, er sei 16 Jahre alt und habe zuletzt im Iran gelebt, wo er seit seinem 10. Lebensjahr in einer Schuhfabrik gearbeitet habe. Er habe Afghanistan als Kleinkind im Alter von zwei Jahren nach der Scheidung seiner Eltern mit seinem Großvater verlassen, bei dem er aufgewachsen sei. Er habe damals keinen Fluchtgrund gehabt. Da er sich im Iran illegal aufgehalten und ihm deshalb die Abschiebung nach Afghanistan gedroht habe, wo er niemanden habe, zumal kein Kontakt zu seinen Eltern bestehe, sei er geflüchtet.

Aufgrund der behaupteten Minderjährigkeit des BF wurde ein Altersfeststellungsgutachten eingeholt, aufgrund dessen die Minderjährigkeit des BF im Zeitpunkt der Asylantragstellung nicht ausgeschlossen werden konnte und das fiktive Geburtsdatum mit XXXX angenommen wurde.

Mit Verfahrensanordnung vom 06.07.2015 wurde das Asylverfahren des BF zugelassen.

Mit Verfahrensanordnung vom 17.10.2016 wurde dem BF der Verlust seines Aufenthaltsrechtes mitgeteilt, da er wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden war.

In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) vom 06.07.2017 brachte der BF vor, dass sein Vater und seine Stiefmutter als er zwölf oder dreizehn Jahre alt gewesen sei, in den Iran gekommen seien und ihn zu sich nach Afghanistan geholt hätten, wo er mit ihnen etwa zwei Jahre zusammengelebt habe. Seine leibliche Mutter, die in Griechenland lebe, habe er nie persönlich getroffen, doch bestehe seit etwa einem halben Jahr telefonischer Kontakt. Zu seinen Fluchtgründen führte der BF aus, dass seine Stiefmutter drogenabhängig gewesen sei. Sein Vater habe ihm eines Tages mitgeteilt, dass er vierzehn Tage lang in Pakistan arbeiten müsse, sei aber nicht mehr zurückgekehrt. Seine Stiefmutter habe ihn gezwungen, Geld und Essen zu besorgen, wobei es ihr egal gewesen sei, ob er stehlen oder rauben müsse, er hätte nur nicht mit leeren Händen zurückkehren dürfen. Sie habe ihn verprügelt und geschlagen und er habe barfuß mit einem Fuß im Schnee stehen müssen, da er sich den Namen des Imams nicht gemerkt habe. Sie habe ihn immer wieder in ein Geschäft mitgenommen, wo sie den Verkäufer abgelenkt und dem BF aufgetragen habe, währenddessen teure Waren zu stehlen. Wenn er erwischt worden sei, habe sie ihn geschlagen, wobei er am Kopf noch Narben davon habe. Mit vierzehn Jahren habe er Afghanistan wieder verlassen und sei in den Iran zurückgekehrt.

Mit Bescheid vom 20.07.2017, Zl. 1067336301-150459308, wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (im Folgenden: AsylG), ab (Spruchpunkt I.) und erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG festgestellt, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab 19.09.2016 verloren habe (Spruchpunkt V.).

Begründend wurde ausgeführt, dass es dem BF nicht gelungen sei, die behaupteten Verfolgungsgründe glaubhaft zu machen und eine konkrete Gefährdung der Hazara seinem Vorbringen nicht zu entnehmen sei. Der BF sei gesund, verfüge in Kabul über ein soziales Netzwerk und habe mehrjährige Schulbildung sowie Berufserfahrung als Schuster, weshalb im Falle der Rückkehr eine Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK nicht zu erwarten sei. Der BF sei illegal eingereist, stütze seinen Aufenthalt auf einen unberechtigten Asylantrag, sei zweimal gerichtlich verurteilt worden und habe eine mehrmonatige Haftstrafe verbüßt, weshalb das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung die privaten Interessen des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiege. Aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung habe der BF sein Aufenthaltsrecht ex lege verloren.

In der gegen diesen Bescheid fristgerecht eingebrachten Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG), wiederholte der BF im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und brachte ergänzend vor, dass die Behörde seine Volksgruppenzugehörigkeit im Rahmen der Beweiswürdigung nicht berücksichtigt habe. Aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und seines wehrfähigen Alters falle der BF unter zumindest drei Risikoprofile der UNHCR-Richtlinien und könne zudem ein Nachfluchtgrund entstanden sein, da er sich über zwei Jahre im Westen aufgehalten habe, zuvor jahrelang im Iran gelebt habe und der deutschen Sprache mächtig sei. Angesichts seines iranischen Akzentes, der iranischen Lebensweise und der Unkenntnis der afghanischen Sitten und Gebräuche falle der BF in Afghanistan als "Iran-Rückkehrer" auf und sei als solcher erhöhter Gefahr ausgesetzt, da die Taliban dem Iran feindlich gesinnt seien und Rückkehrern, insbesondere Hazara, tendenziell mit Misstrauen begegnen würden. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre dem BF schon aufgrund der prekären Sicherheitslage zumindest der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen.

Das BVwG führte über die eingebrachte Beschwerde am 19.03.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der BF ausführlich zu seinen persönlichen Verhältnissen, seinem Leben im Iran, seinen Fluchtgründen und seiner Integration in Österreich befragt wurde. Ergänzend zu seinen bisherigen Angaben schilderte der BF, dass auf dem Weg nach Österreich von einigen Afghanen sein "christliches" Tattoo am Oberarm entdeckt worden sei und ihn diese köpfen hätten wollen. Im Falle, dass ein Taliban in Afghanistan dieses Tattoo sehe, würde er getötet werden. Zudem besuche er eine Kirche und wolle das Christentum kennenlernen, wobei nicht ausgeschlossen sei, dass er sich für eine Konversion entscheide.

Mit Erkenntnis vom 13.03.2019, Zl. W264 2168285-1/28E, wies das BVwG die Beschwerde als unbegründet ab.

Begründend wurde ausgeführt, dass der BF eine aktuelle und konkret gegen seine Person gerichtete Verfolgungshandlung nicht glaubhaft vorgebracht habe. In seine Herkunftsprovinz könne der BF zwar nicht zurückkehren, jedoch stehe ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative in Herat und Mazar-e Sharif offen. Der BF verfüge über eine in einem von islamischen Werten geprägten Land erworbene Schulausbildung und Arbeitserfahrung, sei ein gesunder, arbeitsfähiger junger Mann, weshalb seine Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne und im Falle der Rückkehr nicht zu erwarten sei, dass der BF in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde. Aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer von drei Jahren, der trotz unrechtmäßiger Einreise erfolgten Familiengründung und seines bisherigen Fehlverhaltens (zwei Wegweisungen und zwei Verurteilungen nach dem SMG) sei seine Integration als gering einzustufen und überwiege das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit die privaten Interessen des BF. Die Trennung von seiner Lebensgefährtin und den gemeinsamen Kindern sei im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.

Die Behandlung einer beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde wurde mit Beschluss vom 11.06.2019, Zl. E 1639/2019, abgelehnt. Der Verfassungsgerichtshof befand die vorgenommene Auseinandersetzung des BVwG mit Art. 8 EMRK nicht zu beanstanden.

2. Gegenständliches Verfahren:

Am 25.07.2019 wurde dem BF von der afghanischen Botschaft in Wien ein Laissez-Passer ausgestellt.

Im August 2019 begab sich der BF freiwillig nach Frankreich, um dort einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. In Frankreich wurde ein Dublin-Verfahren eingeleitet und dem BF mitgeteilt, dass seine Rücküberstellung nach Österreich beabsichtigt sei, sodass dieser in weiterer Folge im Jänner 2020 freiwillig nach Österreich zurückkehrte.

Am 25.01.2020 wurde der BF aufgrund des Verdachts der absichtlich schweren Körperverletzung festgenommen und einer Beschuldigtenvernehmung unterzogen. Der BF gab dabei an, dass er seit seiner Einreise nach Österreich bei Fremden wohne und er seine Familie lediglich besuche.

Im Hinblick auf den unrechtmäßigen Aufenthalt des BF im Bundesgebiet wurde die Festnahme gemäß § 40 BFA-VG aufrechterhalten und der BF am 26.01.2020 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu seinem unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet niederschriftlich einvernommen.

Mit der anschließenden Haftentlassung wurde dem BF aufgetragen, sich ab 27.01.2020 jeden zweiten Tag zwischen 10:00 Uhr und 14:00 Uhr auf einer bekanntgegebenen Polizeiinspektion zu melden.

Über Auftrag des BFA vom 28.01.2020 wurde der BF in der Folge in ein Polizeianhaltezentrum verbracht, wo dieser am 29.01.2020 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag) stellte.

In der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung gab der BF an, dass seine Fluchtgründe nach wie vor aufrecht seien, weshalb er nicht nach Afghanistan zurückkehren könne. Neue Fluchtgründe seien nicht vorhanden.

Mit Verfahrensanordnung vom 29.01.2020 wurde dem BF aufgetragen, in der ihm zugewiesenen Grundversorgungseinrichtung durchgängig Unterkunft zu nehmen und wurde der BF über die Folgen der Missachtung dieser Anordnung in Kenntnis gesetzt.

Am 05.02.2020 fand eine Einvernahme des BF vor dem BFA statt, in welcher der BF, nach einer Änderung der im ersten Verfahren angegebenen Ausreisegründe befragt, erklärte, dass sich seine Mutter in Griechenland befinde und sein Vater verschollen sei. Die Schwierigkeiten, die er damals gehabt habe, seien mehr geworden. Ansonsten führte der BF im Wesentlichen aus, dass er die Religion zu wechseln beabsichtige. Er habe dies jedoch noch nicht getan, da ihm dies als schiitischer Hazara nicht erlaubt sei und er nicht wisse, was mit ihm passieren würde. Er habe mehrere neue Tätowierungen, nämlich die Namen seiner Kinder sowie das Logo der Marke Adidas und sei das Tattoo auf seinem Oberarm zu einem Stammeszeichen verändert worden. Nach seinem Glauben dürfe er keine Tattoos tragen und sei auf seinem rechten Unterarm die zweite Frau Davids abgebildet, was große Probleme bedeute. Auf Frage seines Vertreters, bejahte der BF, dass er eine standesamtliche Heirat mit seiner Lebensgefährtin anstrebe, allerdings keine Dokumente habe.

Der BF wurde auf die Möglichkeit der Einsichtnahme und Stellungnahme zu den Länderberichten zu Afghanistan hingewiesen und wurde dem Rechtsvertreter eine Stellungnahmefrist bis 11.02.2020 eingeräumt.

Mit Verfahrensanordnung vom 05.02.2020 teilte das BFA dem BF gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mit, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege. Zudem sei beabsichtigt, den faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid aufzuheben (§ 12a Abs. 2 AsylG). Diese Mitteilung wurde dem BF nachweislich am selben Tag persönlich ausgehändigt.

Am 11.02.2020 wurde der BF neuerlich vor dem BFA einvernommen und brachte ergänzend vor, dass sein Vater gemeinsam mit seinem Großvater aufgrund von Grundstückstreitigkeiten in den Iran geflohen sei. Seine Eltern hätten ihn dann bei den Großeltern im Iran zurückgelassen und seien verschwunden. Sein Vater habe im Iran als Schuster gearbeitet und sei vor zwei bis drei Jahren aus seinem Betrieb entführt worden. Zuvor habe sein Vater bereits erfahren, dass er gesucht werde, weshalb er die leibliche Mutter des BF nach Europa geschickt habe. Er selbst habe seinen Vater, seit er bei den Großeltern "abgegeben" worden sei, nicht mehr gesehen. Seine Mutter habe ihm erst jetzt davon erzählt und könne alles bezeugen.

Mit mündlich verkündetem Bescheid des BFA vom 11.02.2020 wurde der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG in Anwendung des § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben.

Begründend wurde ausgeführt, dass der BF seine im Erstverfahren vorgebrachten Fluchtgründe, wonach er von seiner Stiefmutter geschlagen sowie zum Stehlen gezwungen worden sei, nicht habe glaubhaft machen können und sein Vorbringen, dass er aufgrund seiner Tattoos, einer möglichen Konversion bzw. einer Verwestlichung einer Verfolgung unterliegen könnte, mit Erkenntnis des BVwG als nicht zutreffend beurteilt worden sei. Im gegenständlichen Verfahren habe der BF keine neuen Verfolgungsgründe vorgebracht und habe sich der entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt seit rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens nicht geändert.

Da die gegen den BF erlassene rechtskräftige Rückkehrentscheidung weiterhin aufrecht sei, der BF über kein sonstiges Aufenthaltsrecht verfüge, er von der afghanischen Botschaft identifiziert und ihm ein Laissez-Passer ausgestellt worden sei und sich die allgemeine Lage wie auch seine persönlichen Verhältnisse sowie sein körperlicher Zustand seit der letzten Entscheidung des BFA nicht entscheidungswesentlich geändert hätten, könne davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat für den BF zu keiner Bedrohung der angeführten Rechte nach der EMRK führen werde.

Die Verwaltungsakten (samt Vorakten) langten am 12.02.2020 beim BVwG ein.

Mit Aktenvermerk vom 17.02.2020, Zl. W165 2168285-2/4Z, hielt das BVwG fest, dass nach dem Ergebnis einer unverzüglichen Prüfung seitens des BVwG aus derzeitiger Sicht nicht zu entscheiden gewesen sei, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht rechtmäßig gewesen wäre. Es sei aus ho. derzeitiger Sicht (auf Basis der aktuell vorliegenden Aktenlage) nicht anzunehmen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Ein diesbezügliches Vorbringen sei - nach dem Ergebnis einer Grobprüfung - nicht glaubhaft erstattet worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist afghanischer Staatsangehöriger und ist am XXXX geboren. Seine Identität steht fest. Der BF gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitischer Moslem.

Der BF stellte am 05.05.2015 erstmals in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, der nach Führung eines inhaltlichen Verfahrens mit Erkenntnis des BVwG vom 13.03.2019 rechtskräftig abgewiesen wurde.

Der BF ging in Österreich nie einer legalen Beschäftigung nach, bezog seit seiner Einreise Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der BF wurde zweimal wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften rechtskräftig verurteilt und wurde zweimal gegen den BF in Österreich ein Betretungsverbot ausgesprochen.

In Österreich leben die Lebensgefährtin und der gemeinsame, am 02.08.2017 geborene Sohn und die gemeinsame am 12.09.2018 geborene Tochter. Die Lebensgefährtin und der Sohn sind in Österreich seit 03.08.2018, die Tochter ist in Österreich seit 22.10.2018 asylberechtigt.

Nach dem rechtskräftigen, die Entscheidung des BFA bestätigenden Erkenntnis des BVwG vom 13.03.2019 wurde dem BF von der afghanischen Botschaft in Wien am 25.07.2019 ein Laissez-Passer ausgestellt. Im August 2019 verließ der BF freiwillig das Bundesgebiet und reiste nach Frankreich, wo ein Dublin-Verfahren eingeleitet und dem BF mitgeteilt wurde, dass seine Rücküberstellung nach Österreich beabsichtigt sei, sodass dieser in weiterer Folge freiwillig nach Österreich zurückkehrte.

Am 25.01.2020 wurde der BF wegen des Verdachts der absichtlich schweren Körperverletzung festgenommen. Im Zuge der daraufhin durchgeführten Beschuldigtenvernehmung stellte sich heraus, dass der BF Cannabiskraut in Form von täglich bis zu zwei Joints konsumiere. Von der strafrechtlichen Verfolgung des Suchtmittelvergehens trat die Staatsanwaltschaft unter Setzung einer Probezeit von einem Jahr vorläufig zurück.

Am 29.01.2020 stellte der BF den zweiten (gegenständlichen) Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Der BF bezieht sich im gegenständlichen Verfahren ausschließlich auf Fluchtgründe, die bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des ersten Asylverfahrens bestanden haben (Anm: Probleme wegen seiner Tätowierungen, beabsichtigte Konversion, Grundstückstreitigkeiten seines Vaters).

Seit rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens ist kein entscheidungsrelevanter neuer asylrelevanter Sachverhalt eingetreten. Auch hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse des BF sind keine geänderten entscheidungsrelevanten Umstände eingetreten.

In Bezug auf den BF besteht kein hinreichend schützenswertes Privat- und Familienleben im österreichischen Bundesgebiet. Es gibt keine Hinweise, dass beim BF etwaige schwerwiegende physische bzw. psychische Erkrankungen vorlägen, die einer Rückkehr nach Afghanistan entgegenstehen würden.

Eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation im Herkunftsstaat ist seit der letzten Entscheidung über den vorhergehenden Antrag des BF auf internationalen Schutz nicht eingetreten.

Die aktuelle Situation hinsichtlich der Covid-19-Pandemie begründet ebenso keine Unmöglichkeit einer Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat Afghanistan (siehe auch weiter unten).

Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des BF nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Es liegen keine (geänderten) Umstände vor, welche seiner Außerlandesbringung aus dem Bundesgebiet entgegenstünden. Gegen den BF liegt keine maßgebliche Bedrohung vor.

3. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des BFA und des BVwG.

3.1. Zur Person des BF:

Die Feststellungen zur Identität des BF ergeben sich aus dem von der afghanischen Botschaft in Wien ausgestellten Laissez-Passer, wobei das festgestellte Geburtsdatum auf einem amtswegig eingeholten Altersfeststellungsgutachten beruht, dem der BF nicht entgegengetreten ist.

Die Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit ergeben sich aus den plausiblen Angaben des BF vor dem BFA und dem BVwG.

Die Feststellung zur Bekundung einer allfälligen Konversionsabsicht zum Christentum beruht auf den Ausführungen in der Einvernahme vom 05.02.2020. Der BF gab darin an, zwar einen Religionswechsel in Erwägung zu ziehen, einen solchen jedoch noch nichtvollzogen habe, zumal er in Unkenntnis der möglichen negativen Folgen einer Konversion sei.

Die Feststellungen zum Erstverfahren sind aus dem Vorakt ersichtlich.

Die Feststellungen zu den rechtskräftigen Verurteilungen des BF beruhen auf dem amtswegig eingeholten Strafregisterauszug. Die gegen den BF ausgesprochenen Betretungsverbote sind den im Vorakt einliegenden Polizeiberichten zu entnehmen.

Die Feststellungen zu den Familienangehörigen des BF ergeben sich aus den amtswegig eingeholten Fremdenregisterauszügen und den Angaben des BF.

Die Feststellungen zum Aufenthalt des BF in Frankreich und zu seiner Rückkehr nach Österreich stützen sich auf die Angaben des BF in der Einvernahme vom 05.02.2020 sowie die im IZR-Auszug ersichtlichen Informationen.

Die am 25.01.2020 erfolgte Festnahme des BF geht aus dem entsprechenden polizeilichen Aktenvermerk, der Konsum von Cannabiskraut ergibt sich aus der im Akt erliegenden Beschuldigtenvernehmung sowie einem Bericht über eine durchgeführte amtsärztliche Untersuchung, der vorläufige Rücktritt von der Verfolgung beruht auf der diesbezüglich erfolgten Verständigung durch die Staatsanwaltschaft.

Die neuerliche Asylantragstellung in Österreich geht aus dem vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakt hervor.

3.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Im gegenständlichen Asylverfahren brachte der BF in seiner Erstbefragung am 29.01.2020 vor, dass seine bisherigen Fluchtgründe nach wie vor aufrecht seien und er keine neuen Fluchtgründe habe. Bei seiner Einvernahme am 05.02.2020 vor dem BFA verwies der BF darauf, dass er einen Religionswechsel in Erwägung ziehe, dieser aber noch nicht erfolgt sei, zumal er in Unkenntnis über dessen mögliche negative Folgen sei. Auch eine allfällige konkrete Auseinandersetzung mit der neuen Religion vermochte der BF nicht darzutun. Zudem brachte der BF vor, dass er auf seinem Unterarm die zweite Frau Davids tätowiert habe, was große Probleme bedeute und er sich seit rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens überdies die Namen seiner Kinder sowie die Marke Adidas habe tätowieren lassen. Das im Erstverfahren dokumentierte Tattoo auf seinem Oberarm sei zu einem Stammeszeichen verändert worden. Wie sich aus dem Erkenntnis des BVwG vom 13.03.2019 ergibt, schilderte der BF bereits im Erstverfahren, dass er einen Religionswechsel in Betracht ziehe, führte aber auch dort ausdrücklich aus, dass er Moslem sei, sodass eine Zugehörigkeit zum Christentum als unglaubhaft beurteilt wurde. Auch die vom BF ins Treffen geführte Tätowierung am Unterarm war bereits Gegenstand des Erstverfahrens und ist es dem BF auch diesbezüglich nicht gelungen, eine begründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen. Da das Vorbringen des BF zum beabsichtigten Religionswechsel im gegenständlichen Verfahren nahezu unverändert und weiterhin äußerst vage blieb und weder aus der Unterarmtätowierung noch aus den übrigen Tätowierungen des BF im Erstverfahren ein Verfolgungsgrund abgeleitet werden konnte, ist eine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhalts nicht ersichtlich.

In der Einvernahme vor dem BFA am 11.02.2020 schilderte der BF, sein Vater sei vor etwa 20 Jahren aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten gemeinsam mit seinem Großvater in den Iran geflohen und hätten ihn seine Eltern bei seinen Großeltern zurückgelassen. Sein Vater habe im Iran als Schuster gearbeitet und sei vor zwei bis drei Jahren aus seinem Betrieb entführt worden. Zuvor habe sein Vater erfahren, dass er gesucht werde, weshalb er die Mutter des BF nach Europa geschickt habe. Nachdem der BF bei seinen Großeltern abgegeben worden sei, habe er seine Eltern nicht mehr gesehen. Da der BF bereits im Erstverfahren ausführte, dass er mit seinem Großvater in den Iran übersiedelt sei und sich das neue Vorbringen des BF auch auf die tatsächlichen Fluchtgründe seines Großvaters beziehe, stehe dieses mit seinem im rechtskräftig negativ entschiedenen Vorverfahren als unglaubwürdig beurteilten Vorbringen in engem Zusammenhang. Zudem war dem BF bereits im Zeitpunkt der Rechtskraft des Erkenntnisses des BVwG bekannt, dass sich seine Mutter in Griechenland aufhalte und sein Vater verschwunden sei. Wie das BFA zutreffend ausführt, ergibt sich dies nämlich bereits aus der niederschriftlichen Einvernahme im Erstverfahren vom 06.07.2017.

Die Angaben zur Entführung seines Vaters stützte der BF auf ein nunmehriges angebliches Telefonat mit seiner leiblichen Mutter, konnte jedoch nicht einmal näher angeben, wann ein solches Telefonat stattgefunden haben sollte. Zudem stehen die Schilderungen, wonach der BF seine Eltern zuletzt gesehen hätte, als ihn diese bei den Großeltern zurückgelassen hätten, in offensichtlichem Widerspruch zu seinen Angaben im Erstverfahren, wonach der BF im Alter von 12 oder 13 Jahren nach Afghanistan zurückgekehrt sei und dort etwa zwei Jahre bei seinem Vater und seiner Stiefmutter gelebt habe. Diesen Widerspruch versuchte der BF damit zu rechtfertigen, dass er von seinem Großvater an einen Mann verkauft worden sei, von dem er geglaubt habe, dass es sich um seinen Vater handle. Vor dem Hintergrund des gesteigerten, neuen Vorbringens, erscheint dies allerdings als bloße Schutzbehauptung ebenso wie eine erstmals in der Einvernahme vom 11.02.2020 behauptete Vergewaltigung. Im Übrigen führte der BF aus, er könne die Entführung beweisen, da es behördliche Unterlagen zu einer im Iran erfolgten Anzeige gebe, die ehemaligen Mitarbeiter seines Vaters alles bezeugen könnten und die Überwachungskameras alles aufgenommen hätten. Über Nachfrage, ob er Belege für sein Vorbringen habe, antwortete der BF jedoch, dass er im Iran niemanden habe, der ihm die Anzeige vorlegen könne, jedoch seine Mutter alles bezeugen könne.

Aufgrund der im gegenständlichen Verfahren hervorgekommenen Abweichungen des BF von dessen früheren Darstellungen wohnt seinen neuen, auf den bereits rechtskräftig als unglaubhaft erkannten Angaben aufbauenden Behauptungen, kein glaubhafter Kern inne. Der BF konnte sohin seit Rechtskraft der ersten Entscheidung kein neues entscheidungsrelevantes Vorbringen dartun, sondern stützt seinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz auf dieselben Fluchtgründe, die er bereits im ersten Verfahren geltend gemacht hat und die in diesem für nicht stichhaltig befunden wurden.

Ein Vergleich der im gegenständlichen Ermittlungsverfahren hervorgekommenen privaten und familiären Interessen des BF mit den zum Zeitpunkt des Erkenntnisses des BVwG vorliegenden Umständen und den darin getroffenen Feststellungen ergab, dass auch diesbezüglich keine entscheidungswesentlichen Änderungen eingetreten sind. Die nunmehrige familiäre Situation des BF in Österreich - Existenz einer asylberechtigten Lebensgefährtin, mit der er zwei in den Jahren 2017 und 2018 geborene zum Zeitpunkt des rechtskräftigen Erkenntnisses des BVwG im Jahr 2019 ebenfalls bereits asylberechtigte gemeinsame Kinder hat - stellt sich als unverändert dar. Die Familiengründung, die Zeugung beider Kinder, erfolgten im Übrigen im Bewusstsein des unsicheren Aufenthaltsstatus des BF. Der BF hat nach seiner Rückkehr aus Frankreich, wie dieser in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 25.01.2020 selbst eingeräumt hat, nicht bei seiner Familie, sondern bei Freunden gelebt. Auch in seiner Einvernahme vor dem BFA am 11.02.2020 gab der BF ebenso zu Protokoll, dass er von seiner Familie getrennt wohne und nur mir dieser telefoniere. Laut aktuellem ZMR-Auszug ist der BF zwar nunmehr an der Adresse seiner Familie gemeldet und dürfte auch bei dieser wohnen. Wenn nunmehr die mit einer Abschiebung des BF verbundene Trennung von seinen Angehörigen reklamiert wird, ist darauf hinzuweisen, dass der BF ungeachtet seiner bereits vorliegenden familiären Situation, insbesondere der Existenz zweier kleiner Kinder mit seiner Lebensgefährtin, mit seiner aus freien Stücken selbst inszenierten Ausreise aus Österreich nach Frankreich, freiwillig und bewusst eine durchaus langfristig bzw auf Dauer angelegte Trennung von seinen Angehörigen in Kauf genommen hat. Diese wurde aufgrund der drohenden Dublin-Rücküberstellung des BF und demnach keineswegs aus freien Stücken zum Zweck einer Wiedervereinigung mit seiner Familie durch eine "freiwillige" Rückkehr nach Österreich beendet. Wie der Einvernahme des BF vom 11.02.2020 zu entnehmen ist, dürfte die Ausreise nach Frankreich und die damit notwendigerweise einhergehende nachhaltige Beendigung eines tatsächlichen Familienlebens darüber hinaus ohnehin im gegenseitigen Einvernehmen mit der Lebensgefährtin erfolgt sein ("Bevor ich nach Frankreich ging, habe ich ausführlich mit meiner Frau gesprochen"). Der BF hat zudem in seinen Einvernahmen dezidiert angegeben, dass er in Frankreich leben wolle.

Aus der Einvernahme des BF vor dem BFA am 05.02.2020 folgt, dass der BF an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leidet und keine Medikamente einnimmt, sodass auch der Gesundheitszustand des BF einer Rückkehr nach Afghanistan nicht entgegensteht.

Ein Abgleich zwischen den Länderfeststellungen des letzten Asylverfahrens und dem seitens des BFA in das Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan (Gesamtaktualisierung am 13.11.2019), das dem BF mit Schreiben des BVwG vom 19.05.2020 abermals mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übermittelt wurde, ergibt keine verfahrensrelevante Verschlechterung der allgemeinen Situation in Afghanistan und konnte auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens eine solche nicht abgeleitet werden. Der BF brachte zwar eine Studie zum Verbleib und zu den Erfahrungen abgeschobener Afghanen in das Verfahren ein, erstattete dazu aber - trotz konkreter Nachfrage während der Einvernahme vor dem BFA am 11.02.2020 - kein individuelles Vorbringen, sodass daraus abzuleitende Rückkehrhindernisse ebenso zu verneinen sind. Auch der zuletzt am 18.05.2020 in das Länderinformationsblatt eingefügten Information ist keine verfahrensrelevante Verschlechterung der allgemeinen Lage in Afghanistan zu entnehmen.

Was die aktuelle Covid-19-Pandemie betrifft, so ergibt sich auch daraus kein abweichendes Bild und führt diese ebenso nicht zu einer Unmöglichkeit einer Rückführung in den Herkunftsstaat:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet.

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

Mit Stichtag vom 02.06.2020 hat es in Österreich 16759 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen gegeben, davon 494 aktive Fälle und 669 Todesfälle. In Afghanistan sind zum selben Stichtag 16509 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen vorgelegen, davon 14789 aktive Fälle und 270 Todesfälle (siehe etwa unter www.bing.com/covid/local/afghanistan). Laut letzter Information zum Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Gesamtaktualisierung am 13.11.2019), eingefügt am 18.05.2020, zählen Nachbarländer von Afghanistan, wie China, Iran und Pakistan, zu jenen Ländern, die von Covid-19-Infizierten besonders betroffen waren bzw. nach wie vor sind. Dennoch ist die Anzahl der mit Covid-19 infizierten Personen in Afghanistan relativ niedrig. Aufgrund der Nähe zum Iran gilt die Stadt Herat als der Covid-19-Hotspot Afghanistans. Dort wurde die höchste Anzahl bestätigter Covid-19- Fälle registriert. Beim BF handelt es sich jedoch um einen jungen, an keinen schweren Erkrankungen leidenden Mann, der somit nicht der Covid-19-Risikogruppe (Personen über 65 Jahre, Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen), bei der mitunter schwere Verläufe der Erkrankung zu verzeichnen sind, zuzurechnen ist.

Im vorliegenden Fall ist der Behörde im Ergebnis nicht entgegen zu treten, wenn diese zur Auffassung gelangte, dass das Vorbringen des BF nicht glaubhaft ist, nur auf seinem bereits abgehandelten Fluchtgrund aufbaut und daher von einer entschiedenen Sache auszugehen wäre.

4. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

4.1. Anzuwendendes Recht:

Der mit "Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen" betitelte § 12a AsylG in der geltenden Fassung lautet:

§ 12a.

(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt und

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben, und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist und

3. darüber hinaus

a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;

b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder

c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.

Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.

(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn

1) der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder

2) sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.

(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG und Ausweisungen gemäß § 66 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht.

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG ergehen Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

Der mit "Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes" betitelte § 22 BFA-VG lautet:

(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.

4.2. Zu den Voraussetzungen des § 12a AsylG im Einzelnen:

4.2.1. Aufrechte Rückkehrentscheidung:

Gegen den BF liegt eine rechtskräftige aufrechte Rückkehrentscheidung vor. Der BF hat das Bundesgebiet nach Erhalt der (ersten) negativen Entscheidung verlassen und hat sich nach Frankreich begeben. Dort wurde ihm im Rahmen des durchgeführten Dublin-Verfahrens mitgeteilt, dass seine Rücküberstellung nach Österreich beabsichtigt sei, worauf der BF im Jänner 2020 freiwillig nach Österreich zurückreiste und am 29.01.2020 den vorliegenden Folgeantrag stellte. Die gegen den BF mit Bescheid des BFA vom 20.07.2017 ausgesprochene und mit Erkenntnis des BVwG vom 13.03.2019 bestätigte Rückkehrentscheidung ist noch aufrecht.

4.2.2. Res iudicata (entschiedene Sache):

Der BF hat im gegenständlichen zweiten Asylverfahren anlässlich seiner niederschriftlichen Erstbefragung bzw. seiner Einvernahmen vor dem BFA erklärt, im Wesentlichen aus den gleichen Gründen wie schon im ersten Asylverfahren erneut einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Aus dem Vorbringen zum Folgeantrag ergibt sich daher, wie auch in der Sachverhaltsdarstellung und der Beweiswürdigung aufgezeigt, kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt. Da die seitens des BF vorgebrachten Fluchtgründe bereits im ersten Asylverfahren bestanden haben und daher von der Rechtskraft der diesbezüglichen Entscheidung erfasst sind, kann das nunmehrige Vorbringen des BF nicht zu einer neuen Sachentscheidung zu führen (vgl. VwGH 03.04.2019, Ra 2019/20/0104).

Auch die für den BF maßgebliche Ländersituation ist seit dem Erkenntnis des BVwG vom 13.03.2019 im Wesentlichen gleich geblieben, und wurde Gegenteiliges auch nicht behauptet.

4.2.3. Prüfung der Verletzung von Rechten nach der EMRK:

Im vorangegangen Verfahren haben das BFA sowie das BVwG ausgesprochen, dass der BF bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung der Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde (§ 50 FPG).

Auch im gegenständlichen, zweiten Asylverfahren sind - im Lichte der eben getroffenen Erwägungen - keine Risiken für den BF im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden. Es sind auch keine erheblichen in der Person des BF liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie beispielsweise eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden (vgl. die oben dargelegten Erwägungen zum Gesundheitszustand des BF). Auch seitens des BF wurde kein entsprechendes konkretes Vorbringen hiezu getätigt und haben sich im Hinblick auf eine etwaige Integration des BF keine Änderungen ergeben, zumal der BF weder erwerbstätig noch selbsterhaltungsfähig ist und im Zuge der durchgeführten Beschuldigtenvernehmung wegen des Verdachts der absichtlich schweren Körperverletzung sowie des Konsums von Cannabiskraut neuerlich strafrechtlich in Erscheinung getreten ist.

Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat stellt für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

4.2.4. Rechtmäßiges Verfahren:

Im Verfahren zur Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG durch das BFA ist ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (vgl. § 18 AsylG), wobei auch der Grundsatz der Einräumung von rechtlichem Gehör (§§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist.

Ein solches Ermittlungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt, dem BF wurde Parteiengehör eingeräumt. Der BF wurde am 05.02.2020 und 11.02.2020 einvernommen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben, da gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG ohne Abhaltung einer solchen zu entscheiden ist.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH zum Themenbereich res iudicata (entschiedene Sache) auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung unter Spruchteil A) angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, jedoch auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag Körperverletzung non-refoulement Prüfung res iudicata strafrechtliche Verurteilung Suchtmitteldelikt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W165.2168285.2.00

Im RIS seit

17.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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