TE Bvwg Beschluss 2020/4/6 W226 2229335-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.04.2020
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Entscheidungsdatum

06.04.2020

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W226 2229335-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.03.2020, Zl. 800649002-200257616, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Weißrussland, beschlossen:

A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG und § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Betroffene ist ein Staatsangehöriger der Republik Weißrussland.

2. Am 30.01.2007 stellte der Betroffene unter der Identität XXXX , geb. XXXX , StA. Weißrussland, einen Antrag auf internationalen Schutz in Finnland. Dem Betroffenen wurde weder Asyl noch eine Aufenthaltserlaubnis gewährt und seine Abschiebung nach Weißrussland beschlossen. Weiters wurde ein Einreiseverbot für den Schengen-Raum für die Dauer von zwei Jahren erlassen.

3. Am 08.10.2008 legitimierte sich der Betroffene im Zuge einer fremdenrechtlichen Kontrolle mit einem total gefälschten rumänischen Personalausweis und Führerschein für die Identität XXXX , geb. XXXX . Am 14.03.2008 war eine INTERPOL-Fahndung nach dem Betroffenen ergangen, weil dieser von der Staatsanwaltschaft XXXX der schweren Erpressung (Tatzeitpunkt: 2006) verdächtigt wurde. Am 09.10.2008 wurde der Betroffene daher auf Anordnung der Staatsanwaltschaft XXXX festgenommen. Mit Schreiben vom 31.10.2008 ersuchten die weißrussischen Behörden um Auslieferung des Betroffenen.

4. Am 13.10.2008 verhängte die Bundespolizeidirektion XXXX ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von 10 Jahren gegen den Betroffenen (Zl. III-1263334/FrB/08) gem. § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG. Gegen den Betroffenen wurde am selben Tag auch die Schubhaft angeordnet. Der Bescheid wurde jedoch nach rechtzeitiger Berufung am 07.06.2011 behoben.

5. In der Folge stellte der Betroffene am 30.10.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz, Zl. 0810727, in Österreich, aus dem Stand der Untersuchungshaft. Dies unter der Identität XXXX bzw. XXXX , geb. XXXX .

6. Noch am selben Tag wurde der Betroffene von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Dabei gab er im Wesentlichen an, 8 Jahre die Grundschule und danach 2 Jahre die Berufsschule in seinem Heimatland besucht zu haben. Zuletzt habe er als Tischler gearbeitet. An Familienangehörigen habe er seine Eltern, zwei Brüder und zwei Kinder im Heimatland. In Österreich habe er keine Familienangehörigen. Er sei im Jänner 2007 aus seinem Heimatland ausgereist und habe seitdem die EU nicht mehr verlassen. Er habe sich ca. ein Jahr in Finnland aufgehalten und dort um politisches Asyl angesucht. Dies habe er verlassen, weil er Angst hatte dort von Weißrussland gefunden zu werden. Er sei dann am 01.10.2008 in Österreich eingereist. Nach ein paar Tagen in XXXX sei er dann ab Weg zur Stellung seines Asylantrags von der Polizei im Zuge einer fremdenrechtlichen Kontrolle angehalten und festgenommen worden.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er an, nicht Mitglied einer Partei aber gegen "Tukaszenko" (Anm.: gemeint wohl: Lukatschenko) zu sein. Er habe im Frühjahr 2006 in einer Zeitung von einem Meeting für Gegner des Machthabers in XXXX gelesen. Er sei mit zwei namentlich genannten Freunden auf dem Weg dorthin gewesen, als sie von der Polizei festgenommen und zu einem Militärstützpunkt außerhalb von XXXX gebracht worden seien. Dort seien sie 24 Stunden lang geschlagen worden. Der Betroffene habe dann fliehen können und werde seitdem von der Polizei oder dem KGB gesucht. Er könne nicht nach Finnland zurück, weil von dort seine Daten nach Weißrussland gelangt seien und er dort auch schon postalisch von der Polizei XXXX kontaktiert worden sei. Im Falle einer Rückkehr ins Heimatland habe er Angst um sein Leben.

7. Das Bundesasylamt (BAA) richtete daraufhin am 31.10.2008 ein Wiederaufnahmeersuchen an Finnland gemäß Art. 16 der Dublin-II Verordnung (VO Nr. 343/2003). Mit Schreiben vom 06.11.2008 akzeptierte Finnland das Ersuchen. Am 11.11.2008 wurde der Betroffene nach Haftunfähigkeit aus der Schubhaft entlassen.

8. Am 15.11.2008 wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz des Betroffene gem. § 5 AsylG wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurück (AS 111). Der Bescheid wurde mit 03.12.2008 rechtskräftig. Da der Betroffene unbekannten Aufenthalts war, wurde der Bescheid gem. § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustellG 1982 ohne vorhergehenden Zustellversuch beim BAA hinterlegt.

9. Am 23.07.2010 stellte der Betroffene einen (ersten) Folgeantrag, Zl. 1006490, und wurde noch am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Er gab im Wesentlichen an nach der negativen Erledigung seines ersten Asylantrags in sein Heimatland zurückgekehrt zu sein, nämlich in seinen Heimatort. Er sei in dieser Zeit zwei Mal stark verprügelt worden und habe auch im Krankenhaus versorgt werden müssen. Nach etwaigen neuen Fluchtgründen befragt, gab der Betroffene an seine alten Probleme würden noch immer bestehen und neue seien dazugekommen. Finnland habe die Niederschrift seiner Befragung zu seinem Asylantrag nach Weißrussland geschickt, was zu größeren Problemen geführt habe. Bei einer Rückkehr habe er Angst ermordet zu werden.

10. Am XXXX wurde der Betroffene vom Landesgericht für Strafsachen XXXX , GZ XXXX , nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer bedingten Freiheitstrafe von 3 Monaten verurteilt (siehe oben Punkt 3.).

11. Eine Nachschau am 26.01.2011 durch Organe der öffentlichen Sicherheit ergab, dass der Betroffene nicht mehr an der Meldeadresse im Bundesgebiet aufhältig war. Daher wurde eine amtliche Abmeldung veranlasst. Mit Aktenvermerk des Bundesasylamtes vom 31.01.2011 wurde das Asylverfahren zur Zl. 1006490 gem. § 24 Abs. 2 AsylG eingestellt, weil der Aufenthaltsort des Betroffenen wegen Verletzung seiner Mitwirkungspflicht (§ 15 AsylG) weder bekannt noch sonst leicht feststellbar war (§ 24 Abs. 1 Z 1 AsylG) und eine Entscheidung ohne weitere Einvernahme nicht erfolgen konnte. Gemäß § 26 AsylG wurde ein Festnahmeauftrag erlassen.

12. Am 17.12.2011 wurde der Betroffene aufgrund des aufrechten Festnahmeauftrags in XXXX festgenommen. Am 19.12.2011 wurde der Betroffene vom BAA einvernommen. Dabei gab der Betroffene im Wesentlichen an, verheiratet zu sein und zwei Kinder zu haben. Außerdem würden seine zwei Brüder und die Eltern im Heimatland leben. Der Betroffene habe acht Jahre lang die Schule besucht und danach in einem Eisenbahndepot gearbeitet. Er sei illegal vor 3 Jahren nach Österreich gekommen und habe seither das Bundesgebiet nicht verlassen. Gleich danach gab er an, eineinhalb Jahre vor der Einvernahme letztmalig im Heimatland gewesen zu sein. Nach Vorhalt dieser Divergenz gab der Betroffene an, die Fragen missverstanden zu haben und erklärte, vor drei Jahren in Österreich gewesen zu sein, dann ins Heimatland zurückgekehrt zu sein und schließlich wegen großer Probleme dort vor eineinhalb Jahren wieder nach Österreich gereist zu sein. Er habe keine Familienangehörigen im Bundesgebiet und arbeite illegal auf Baustellen. Deutsch spreche er nicht. Im Heimatland sei er nicht politisch oder religiös tätig gewesen, habe aber Meetings besucht.

Nach seinen Fluchtgründen befragt, gab er an große Probleme wegen Demonstrationen gehabt zu haben. Seine Probleme würden daher stammen, dass er in Österreich und Finnland um Asyl angesucht habe. Die finnischen Behörden hätten seine Asylunterlagen nach Weißrussland geschickt. Er fürchte um sein Leben, habe Angst getötet zu werden und werde von Behörden verfolgt. Das BAA merkte an, dass der Betroffene bei der Darstellung seiner Fluchtgründe lachte. Der Betroffene erklärte weiters, an einem Kopftrauma zu leiden und sich daher nicht an Zahlen bzw. Daten erinnern zu können. Sonst kommuniziere er normal. Nochmals auf die Verfolgung durch weißrussische Behörden angesprochen, gab der Betroffene an bei seiner Rückkehr vor eineinhalb Jahren in ein Auto gesetzt und geschlagen worden zu sein. Dies seien Leute des KGB gewesen. Die Täter hätten ihn "hinausgeworfen und mit Laub bedeckt", weil sie gedacht hätten, dass er tot sei. Als der Betroffene wieder zu sich gekommen war, sei er in die Stadt gegangen und Freunde hätten ihm geholfen mit einem LKW nach Österreich zu kommen. Er sei im Heimatland auch auf nicht näher beschriebenen "Meetings" einer Oppositionspartei gewesen. Im Weißrussland sei er dreimal in Haft gewesen. Danach gefragt, konnte der Betroffene den Stellvertreter des Machthabers Lukaschenko und auch Oppositionsparteien nicht nennen. Dieses Unvermögen erklärte er durch sein Kopftrauma.

Im Anschluss an die Einvernahme wurde dem Betroffenen die Möglichkeit eingeräumt die allgemeinen Länderinformationen des BAA zu Weißrussland zwecks Einbringung einer diesbezüglichen Stellungnahme einzusehen. Darauf verzichtete der ausdrücklich.

13. Am 07.02.2012 wurde das Asylverfahren erneut gem. § 24 Abs. 2 iVm Abs. 1 Z 1 AsylG mit Aktenvermerk eingestellt, weil der Betroffene unbekannten Aufenthalts war.

14. Am 08.11.2012 wurde der Betroffene im Rahmen einer Verkehrskontrolle in XXXX einer Amtshandlung unterworfen. Im Rahmen dieser wurde dem Betroffenen, aufgrund des abgeschlossenen Asylverfahrens, seine Asylkarte gem. § 48 AsylG abgenommen.

15. Am XXXX wurde der Betroffene vom Landesgericht für Strafsachen XXXX , GZ XXXX , nach §§ 127, 130 1. Fall iVm § 15 StGB zu einer Freiheitstrafe von 15 Monaten, davon 10 Monate bedingt, verurteilt.

16. Am 16.07.2015 wurde der Betroffene zwecks Parteiengehör vom Ergebnis der Beweisaufnahme bzgl. einer in Aussicht gestellten Rückkehrentscheidung verständigt.

17. Am 17.07.2015, beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingelangt am 23.07.2015, stellt der Betroffene, im Wege seines Rechtsvertreters, einen Antrag auf Fortführung des Asylverfahrens aus dem Jahr 2010, Zl. 1006490. Mit Schreiben des BFA, übernommen am 03.08.2015, wurde der Rechtsvertreter davon in Kenntnis gesetzt, dass eine Fortführung des Verfahrens gem. § 24 Abs. 2 AsylG nicht mehr zulässig war. Die Frist von 2 Jahren seit Einstellung war schon verstrichen.

18. Mit Bescheid des BFA vom 25.08.2015, Zl. 800649002-150865691, wurde dem Betroffenen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt und gem. § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Betroffenen gem. § 46 FPG nach Weißrussland zulässig ist (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Betroffenen ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Schließlich wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gem. § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dieser Bescheid wurde dem ausgewiesenen Vertreter am 28.08.2015 zugestellt und erwuchs am 12.09.2015 in Rechtskraft.

19. Der Betroffene stellte am 27.08.2015 aus dem Stand der Strafhaft erneut einen handschriftlichen Asylantrag (2. Folgeantrag), Zl. 800649002-151333167, in russischer Sprache. Dieser ging am 01.09.2015 beim BFA ein.

20. Am 14.09.2015 wurde erneut eine Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführt. Dabei gab der Betroffene im Wesentlichen an, ledig zu sein und zwei Kinder zu haben. Er habe 2010 illegal mit einem großen LKW sein Heimatland verlassen. Auch gab er an in Finnland aus politischen Motiven um Asyl angesucht zu haben, aber nun nicht mehr dorthin zurückkehren zu können.

21. Am 22.09.2015 wurde der Betroffene erneut vom Bundesamt einvernommen. Im Zuge dieser Einvernahme gab der Betroffene im Wesentlichen an geschieden zu sein und keine Familienangehörigen in Österreich zu haben. Seinen Angehörigen im Heimatland ginge es soweit gut. Er habe zur Zeit seines ersten Asylverfahrens im Zuge einer Gerichtsverhandlung erfahren, dass er von Europol gesucht werde. Das Gericht habe einer Auslieferung ins Heimatland aber nicht zugestimmt. Er sei dann selbst nach Weißrussland gefahren. Dies sei auf Grund einer schlechten Übersetzung eines Gerichtsdolmetscher geschehen, der ihm mitgeteilt habe, dass er im Heimatland nichts zu befürchten habe. Er sei seit 2010 durchgehend in Österreich aufhältig, aber nicht gemeldet, da er Angst vor dem KGB habe. Er bestreite sein Leben durch "Schwarzarbeit" auf Baustellen. Seine Fluchtgründe seien dieselben wie in seinem Antrag 2008. Neue Gründe für einen Asylantrag gab der Betroffene nicht an. Konkrete Angaben zu seinen Tätigkeiten in der politischen Opposition konnte der Betroffene nicht machen.

Im Anschluss an die Befragung wurde dem Betroffenen das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Weißrussland zwecks Einbringung einer diesbezüglichen Stellungnahme zur Kenntnis gebracht.

22. Am 02.02.2016 wurden dem damaligen Rechtsvertreter des Betroffenen vom BFA die Länderfeststellungen der Staatendokumentation zur Stellungnahme übermittelt. Eine solche langte bei der Behörde nie ein.

23. Mit Bescheid des BFA vom 07.03.2016, Zl. 800649002-151333167, wurde der Antrag des Betroffenen vom 27.08.2015 auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Weißrussland (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Weiters stellte die Behörde fest, dass der Betroffene gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG sein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem XXXX verloren hat (Spruchpunkt III.). Der Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt IV.).

Die Behörde stellte im Wesentlichen fest, dass der Betroffene weißrussischer Staatsangehöriger sei, an keinen lebensbedrohenden Krankheiten leide und arbeitsfähig sei. Er verfüge auch über Schulbildung und Berufserfahrung sowie familiäre Anknüpfungspunkte im Heimatland. Außerdem sei er zweimal in Österreich strafgerichtlich verurteilt worden. Die Fluchtgründe des Betroffenen seien unglaubwürdig und Verfolgungshandlungen seitens der heimatstaatlichen Behörden hätten nicht festgestellt werden können. Die Identität habe aufgrund seines weißrussischen Reisepasses festgestellt werden können. Auch bestehe im Heimatland keine exzeptionelle Gefährdungslage.

In Österreich habe sich der Betroffene zweimal seinen Asylverfahren entzogen und sei langjährig nicht gemeldet gewesen. Er spreche auch kaum Deutsch und gehe keiner legalen Beschäftigung nach. Eine Integrationsverfestigung könne nicht festgestellt werden.

Zur Lage im Herkunftsstaat stellte die Behörde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Weißrussland fest.

Beweiswürdigend stütze sich die Behörde im Wesentlichen darauf, die Identität des Betroffenen stehe aufgrund einer sicherheitsbehördlichen Überprüfung 2008 fest. Sein Fluchtvorbringen sei jedoch widersprüchlich bzw. höchst vage und unkonkret. Tatsächlich Verfolgte würden aus eigenem Antrieb das Asylverfahren vorantreiben und sich diesem nicht entziehen. Seinen ersten Asylantrag in Österreich habe er erst in Gerichtsgewahrsam gestellt und sich zuvor als EU-Bürger auszugeben versucht (Rumänien). Bei seinen Asylanträgen habe er nicht einmal ein Mindestmaß an Auskünften zu seiner Teilnahme an Meetings der Opposition machen können. Auch sein Vorbringen zum angeblich 2010 im Heimatland erlitten Kopftrauma sei unglaubwürdig.

Rechtlich führte das Bundesamt zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen aus, dass der Betroffene keine Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) glaubhaft machen habe können.

Zu Spruchpunkt II. führte die Behörde rechtlich aus, in Weißrussland bestehe keine jedermann betreffende Gefährdungslage und der Betroffene könne bei einer Rückkehr seine Existenz durch Arbeit sichern. Exzeptionelle Umstände habe er nicht dargetan.

Zu Spruchpunkt III. führte die Behörde nur aus, er habe sein Aufenthaltsrecht aufgrund seiner Straffälligkeit verloren. Eine Rückkehrentscheidung sei aufgrund der aufrechten und bereits rechtskräftigen Rückkehrentscheidung vom 25.08.2015 nicht mehr notwendig (§ 59 Abs. 5 FPG).

Zu Spruchpunkt IV. führte das BFA rechtlich aus, dass die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG erfüllt seien, durch die rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen des Betroffenen. Eine sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeenden Maßnahme sei im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten.

Der Bescheid wurde dem ausgewiesenen Rechtsvertreter am 10.03.2016 zugestellt und erwuchs am 25.03.2016 in Rechtskraft.

24. Am XXXX wurde der Betroffene vom Landesgericht für Strafsachen XXXX , GZ XXXX , nach §§ 223 Abs. 2, 224, 224a und §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 130 Abs. 1 1. Fall, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten verurteilt.

25. Am 04.02.2020 stellte der Betroffene, aus dem Stand der Strafhaft, erneut einen Asylantrag (3. Folgeantrag) und gab an, dass in seinem Heimatland sein Leben bedroht sei.

26. Am 13.02.2020 wurde der Betroffene durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erneut erstbefragt. Dabei gab er im Wesentlichen an, ledig zu sein und zwei Kinder zu haben, wobei eines noch minderjährig sei. Diese würden bei ihrer Mutter in Weißrussland leben. Auch die Brüder und die Mutter des Betroffenen seien im Heimatland wohnhaft. Er sei 2008 illegal ins Bundesgebiet eingereist und habe seinen ersten Asylantrag gestellt. Damals hätten weißrussische Behörden seine Auslieferung verlangt, was aber nicht geschah. 2010 habe er erneut einen Asylantrag gestellt. Er habe sich aber um beide Asylverfahren nicht gekümmert. Nach seinem zweiten Asylantrag sei er "untergetaucht", habe sich aber immer in Österreich aufgehalten. Er sei nun seit ca. 30 Monaten in Strafhaft und habe noch 2 Monate vor sich. Nach Vorhalt, dass sein Verfahren am 25.03.2016 bereits rechtskräftig entschieden worden sei, gab der Betroffene an, dass seine damaligen Gründe noch immer aufrecht seien und sich nicht geändert hätten. Die weißrussischen Behörden würden noch immer seine Auslieferung wollen.

27. Am 28.02.2020 wurde dem Betroffenen das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Weißrussland nachweislich übermittelt und er über die Möglichkeit einer Stellungnahe diesbezüglich informiert.

28. Am 06.03.2020 wurde der Betroffene aus der Strafhaft vorgeführt und, in Anwesenheit seines Rechtsberaters, vom BFA einvernommen. Nach seinem Gesundheitszustand befragt, gab der Betroffene u.a. an, herzkrank zu sein und im Jahr 2016 einen kleinen Schlaganfall gehabt zu haben. Deshalb könne er nicht sehr gut reden und habe Gedächtnislücken. Er nehme aber keine Medikamente regelmäßig und sei auch nicht lebensbedrohend krank. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er an, 2008 die Wahrheit gesagt zu haben und seine Angaben vollinhaltlich aufrecht zu halten. Geändert hätte sich sein Fluchtvorbringen nicht. Nach Vorhalt seiner Verurteilung in Österreich tat der Betroffene diese als "leichte Vergehen" ab oder bestritt diese derart begangen zu haben. Er habe Geld gebraucht. Deutsch spreche er nicht und habe auch keine Familienangehörigen in Österreich.

Nachdem der Betroffene angab sich nicht wohlzufühlen wurde er vom medizinischen Personal der Justizanstalt untersucht und bekam Medikamente verabreicht. Danach verzichtete der Betroffene ausdrücklich auf das Parteiengehör. Der Rechtsberater stellte auch keine weiteren Fragen oder Anträge. Sodann wurde die Einvernahme bis zur mündlichen Verkündung des gegenständlichen Bescheids unterbrochen.

Das BFA legte dem gegenständlichen Bescheid vom 06.03.2020, Zl. 800649002-200257616, das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Weißrussland zugrunde und stellte fest, dass sich die Lage im Herkunftsstaat seit der Entscheidung über den vorherigen Antrag auf internationalen Schutz des Betroffenen nicht wesentlich verändert habe. Eine allgemeine Gefährdungssituation in Weißrussland würde auch nicht bestehen.

Die Identität des Betroffenen stehe aufgrund der sicherheitsbehördlichen Überprüfung 2008 als weißrussischer Staatsbürger fest. Er leide auch unter keiner schweren Erkrankung und verfüge über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Es seine keine Umstände bekannt, die einer Ausweisung aus dem Bundesgebiet entgegenstünden. Das Fluchtvorbringen des Betroffenen sei unglaubwürdig und sei nicht feststellbar, dass er einer asylrelevanten Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt wäre. Bei einer Rückkehr ins Heimatland würde der Betroffene nicht in eine existenzbedrohende Lage geraten und sei auch keiner konkreten individuellen Gefahr ausgesetzt. Eine maßgebliche Integration in Österreich habe nicht festgestellt werden können. Doch sei der Betroffene arbeitsfähig, gesund und lebe seine Familie im Heimatland.

Auch der maßgebliche Sachverhalt für den Antrag habe sich seit Rechtskraft der Vorverfahren nicht maßgeblich verändert und daher werde der Antrag voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werden.

Beweiswürdigend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass das Fluchtvorbingen des Betroffenen ident mit jenem der vorangegangenen Asylverfahren sei und schon dort ausreichend gewürdigt worden sei. Eine Verschlechterung des Gesundheitszustands des Betroffenen könne auch nicht erkannt werden. Durch den nunmehrigen Asylantrag habe der Betroffene nur eine wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache bezwecken wollen. Neue Beweismittel seien im nunmehrigen Verfahren auch nicht vorgelegt worden. Eine Änderung eines bloßen Nebenumstandes, seines Gesundheitszustandes, könne nicht zu einer neuerlichen Entscheidung führen.

Rechtlich führte das BFA im Wesentlichen aus, dass die im Vorverfahren ausgesprochen Rückkehrentscheidung noch aufrecht sei, weil der Betroffene das Bundesgebiet seither nicht verlassen habe. Über einen sonstigen Aufenthaltstitel verfüge der Betroffene nicht. Es handle sich beim Antrag des Betroffenen um eine bereits entschiedene Sache und sei dieser daher voraussichtlich zurückzuweisen. Auch die faktischen Voraussetzungen für eine Heimreise würden vorliegen. Auch die allgemeine Lage im Herkunftsland habe sich nicht entscheidungswesentlich verändert. Es würden auch alle Voraussetzungen für die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG vorliegen.

29. Der gegenständliche Verfahrensakt langte am 11.03.2020 in der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts zur amtswegigen Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Betroffene ist weißrussischer Staatsbürger. Seine Identität steht fest.

Der Verfahrensgang wurde bereits umfangreich dargestellt. Der Betroffene stellte am 30.10.2008, 23.07.2010, 27.08.2015 und 04.02.2020 Anträge auf internationalen Schutz. Er begründete diese jeweils im Wesentlichen damit, von den Behörden im Heimatland wegen der Teilnahme an Meetings der Oppositionellen verfolgt zu werden und daher um sein Leben zu fürchten.

Der Antrag aus 2008 wurde wegen der Zuständigkeit Finnlands zurückgewiesen. Das Verfahren zum 1. Folgeantrag aus 2010 wurde wegen unbekannten Aufenthalts des Betroffenen eingestellt.

Am 25.08.2015 wurde eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot gegen den Betroffenen erlassen. Diese sind noch immer aufrecht, weil sich der Betroffene seit 2010 durchgehend im Bundesgebiet aufhält.

Der 2. Folgeantrag aus 2015 wurde mit Bescheid vom 07.03.2016 rechtskräftig abgewiesen.

Nachdem der Betroffene 2020 seinen 3. Folgeantrag stellte, hob das BFA mit gegenständlichem mündlich verkündetem Bescheid vom 06.03.2020 den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG auf.

Im aktuellen Asylverfahren zu seinem 3. Folgeantrag bezieht sich der Betroffene weiterhin auf Gründe, die bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verfahrens zum 2. Folgeantrag (2015) bestanden haben bzw. nennt nur geänderte Nebenumstände die unglaubwürdig bzw. nicht asylrelevant sind.

Der Betroffene leidet nicht an einer schweren, lebensbedrohenden Krankheit und ist arbeitsfähig. In Österreich ging der Betroffene keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, sondern betrieb "Schwarzarbeit".

Er hat keine Familienangehörigen oder andere enge soziale Kontakte in Österreich. Vielmehr lebt seine Familie weiterhin im Herkunftsstaat.

Im Strafregister der Republik Österreich scheinen die drei bereits oben im Verfahrensgang (Punkt 10., 15. und 24.) angegebenen Verurteilungen auf.

Die Lage im Herkunftsstaat des Betroffenen stellt sich gegenüber den im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen im Wesentlichen unverändert dar.

Es liegen keine Umstände vor, die einer Außerlandesbringen aus Österreich entgegenstünden. Auch im Hinblick auf die weltweite Ausbreitung des Covid-19 Erregers kann gerade für den Herkunftsstaat Weißrussland angesichts der medialen Berichterstattung derzeit keine derartige Entwicklung erkannt werden, die im Hinblick auf eine Gefährdung nach Art. 3 EMRK eine entscheidungsrelevante Lageveränderung erkennen lässt.

Der gegenständliche Folgeantrag wird daher voraussichtlich zurückzuweisen sein.

2. Beweiswürdigung:

Beweise wurden aufgenommen durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den Betroffenen.

Die Feststellungen zur Person des Betroffenen gründen auf seinen persönlichen Angaben in den Vorverfahren und insbesondere in der Einvernahme durch das BFA am 06.03.2020.

Dass es sich bei den im gegenständlichen Verfahren geltend gemachten Behauptungen und vorgebrachten Rückkehrbefürchtungen des Betroffenen nicht um einen Sachverhalt handelt, der erst nach Beendigung des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz verwirklicht wurde, ergibt sich aus den eigenen Angaben des Betroffenen im Verfahren. Dieser gab vor dem BFA zudem selbst an, dass seine Fluchtgründe aus dem Erstverfahren 2008 noch aufrecht seien. Zusammengefasst ergibt sich beim Betroffenen im neuerlichen Asylverfahren das Bild, dass dieser schlicht nicht gewillt ist, Österreich zu verlassen und nach Weißrussland zurückzukehren.

Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben des Betroffenen in Österreich gründen ebenfalls auf dessen Angaben in Zusammenschau mit der eigeholten Abfrage aus der Speicherdatenbank des Grundversorgungssystems GVS. Der Betroffene gab bereits im Erstverfahren zu Protokoll, keine Familienangehörigen in Österreich zu haben. Dass sich daran seit Abschluss des Erstverfahrens etwas geändert hätte, wurde weder behauptet noch gibt es hierfür Anhaltspunkte. Hinweise auf das Bestehen eines Familienlebens sind im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen.

Die Feststellung zum aktuellen Gesundheitszustand des Betroffenen gründet auf dessen eigenen Angaben in seiner Einvernahme vor dem BFA. Dieser gab hier zu Protokoll, weder in ärztlicher Behandlung zu stehen noch Medikamente zu nehmen. Seine Behauptung, dass er herzkrank sei und ein Kopftrauma sowie einen Schlaganfall erlitten habe, hat der Betroffene in keiner Weise nachgewiesen. Seine Aussage, sich aufgrund eines erlitten Kopftraumas nicht an Zahlen und Daten erinnern zu können, mutet als Schutzbehauptung an. Der Betroffene konnte geradezu keine Angaben zu seiner vermeintlichen Teilnahme an Meetings machen. Außerdem befindet sich der Betroffene derzeit in Strafhaft und hat damit Zugang zu ständiger medizinscher Betreuung. Vermeintliche Befunde bzgl. seiner behaupteten Erkrankungen wären ihm daher leicht zugänglich gewesen. Sein Vorbringen bzgl. seines Gesundheitszustandes ist daher als unglaubwürdig zu bewerten. Selbst bei Wahrunterstellung würden die behaupteten Erkrankungen nur einen nicht asylrelevanten Nebenumstand darstellen.

Dass die allgemeine Situation in Weißrussland seit rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens im Wesentlichen unverändert geblieben ist und sich die maßgebliche Lage im Herkunftsstaat für den Betroffenen nicht geändert hat, ergibt sich aus den in den Bescheiden des BFA enthaltenen Feststellungen zu Weißrussland.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10.10.2018 zu G 186/2018 u.a. wurden verwaltungsgerichtliche Normanfechtungsanträge zur Überprüfung von u.a. § 22 Abs. 10 dritter, vierter und fünfter Satz AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 68/2013, sowie gegen § 22 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013 abgewiesen, im Übrigen wurden die Anträge zurückgewiesen.

Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:

§ 12a AsylG lautet auszugsweise:

"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt und

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben, und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

[...]

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG und Ausweisungen gemäß § 66 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt werden."

§ 22 Abs. 10 AsylG 2005 lautet:

"Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden."

§ 22 BFA-VG lautet:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

Daraus folgt für das gegenständliche Verfahren:

Das Verfahren über den Antrag des Betroffenen auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.03.2016 rechtskräftig abgeschlossen (vgl. Punkt I.23.). Beim Antrag des Betroffenen auf internationalen Schutz vom 04.02.2020 handelt es sich somit um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG.

Die Rückkehrentscheidung des BFA vom 25.08.2015 wurde ebenfalls rechtskräftig (vgl. Punkt I.18.). Laut seinen eigenen Angaben vor dem BFA war der Betroffene seit 2010 durchgehend in Österreich aufhältig und hat daher seit der rechtskräftigen Erlassung der Rückkehrentscheidung das Bundesgebiet nicht verlassen. Die Zulässigkeit der Abschiebung ist weiterhin aufrecht.

Eine Prognoseentscheidung ergibt, dass der vierte Antrag des Betroffenen auf internationalen Schutz vom 04.02.2020 voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist: Eine entscheidungswesentliche Sachverhaltsänderung wurde weder behauptet noch ergibt sich eine solche aus der Aktenlage.

Wie dargestellt schildert der Betroffene selbst, seit 2008 von Behörden in Weißrussland auf politischen Gründen verfolgt zu werden. Der Betroffene macht zu keinem Zeitpunkt konkrete Angaben zu den vermeintlich besuchten Meetings der Opposition, obwohl ihm dafür über die Jahre in etlichen Einvernahmen die Möglichkeit gegeben wurde. Der Betroffene entzog sich auch wiederholt seinen laufenden Asylverfahren. Auch kehrte der Betroffene zwischen 2008 und 2010 ins Heimatland zurück. Die Beurteilung des Fluchtvorbringens als unglaubwürdig durch das BFA ist daher zu bestätigen. Sein Fluchtvorbringen blieb im Wesentlichen über die Jahre unverändert. Ein neuer Sachverhalt, der im vorherigen Verfahrensgang 2015/2016 nicht beschreibbar gewesen wäre, liegt daher nicht vor.

Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U1533/10; VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344 mwN). Auch diesbezüglich wurden keine entscheidungswesentlichen Sachverhaltsänderungen vorgebracht.

Im vorliegenden Fall gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung des Betroffenen nach Weißrussland eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK darstellen würde. Eine Gefährdung iSd Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK wurde vom Betroffenen zu keiner Zeit vorgebracht. Bereits im ersten Verfahrensgang wurde festgehalten, dass der Betroffene bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung der Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht (§ 50 FPG). Auch im Folgeverfahren sind keine Risiken für den Betroffenen im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden.

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063). Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände ist vor dem Hintergrund der Feststellungen jedenfalls zu verneinen.

Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte zu verweisen, wonach es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 05.10.2016, Ra 2016/19/0158, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Appl. 61.204/09 mwH).

Es sind auch keine erheblichen in der Person des Betroffenen liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Der Betroffene gab in diesem Zusammenhang selbst an, nicht in medizinscher Betreuung zu sein und keine Medikamente regelmäßig einzunehmen.

Ebenso wenig sind Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Betroffenen ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK erschlossenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht. Der Betroffene hat auch solche Umstände weder in der Erstbefragung noch in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl substantiiert vorgebracht.

Im Hinblick auf Art. 8 EMRK hat der Betroffene bereits im Verfahren betreffend Rückkehrentscheidung angegeben, in Österreich keine Familie oder familienähnliche Lebensgemeinschaft zu haben. Gegenteiliges wurde auch im gegenständlichen Verfahren nicht behauptet. Eine besondere Aufenthaltsverfestigung kann unverändert nicht angenommen werden. Es kann daher auch keine Verletzung seines Rechts auf Privat- oder Familienleben durch eine Abschiebung festgestellt werden.

Entsprechend den obigen Ausführungen stellt - nach einer Grobprüfung des Aktes - die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Betroffenen in seinen Herkunftsstaat für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

Da somit alle Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 erfüllt sind, ist spruchgemäß festzustellen, dass die mit mündlich verkündetem Bescheid vom 06.03.2020 ausgesprochene Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig war.

Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag Prognoseentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W226.2229335.1.00

Im RIS seit

10.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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