TE OGH 2020/7/7 5Ob107/20a

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Veröffentlicht am 07.07.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. C*****, vertreten durch Dr. Martin Neuwirth, Dr. Alexander Neurauter, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. A*****, vertreten durch die Jeannée Rechtsanwalt GmbH, Wien, wegen 27.700,16 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 8. April 2020, GZ 13 R 36/20i-69, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Die Bestimmung des § 24 Abs 2 JN, die den Rechtsmittelzug im Ablehnungsverfahren regelt, ist auch auf die Ablehnung von Sachverständigen anzuwenden (RIS-Justiz RS0046065 [T13]; RS0016522 [T9; T13]). Danach findet gegen die Zurückweisung der Ablehnung des Sachverständigen nur der Rekurs an das nächst übergeordnete Gericht, aber kein weiterer Rechtszug mehr statt.

1.2 Dies wird von der herrschenden Rechtsprechung dahin verstanden, dass in Ablehnungssachen ein Revisionsrekurs grundsätzlich unzulässig ist (vgl nur RS0122963). Das Gesetz spricht von der „Zurückweisung“ des Ablehnungsantrags, womit sowohl meritorische als auch formelle Entscheidungen des Erstgerichts erfasst sind. Haben zwei Instanzen dieselbe Frage übereinstimmend beurteilt, kommt ein weiterer Rechtszug nicht mehr in Betracht (1 Ob 240/07m). Das Berufungsgericht hat die in der Mängelrüge der Berufung enthaltene Anfechtung der Entscheidung des Erstgerichts über die Ablehnung des Sachverständigen für nicht berechtigt erachtet und ausdrücklich auf die zutreffende Beurteilung des Erstgerichts verwiesen.

2.1 Die ärztliche Aufklärung soll den Patienten in die Lage versetzen, die Tragweite seiner Einwilligung in die Heilbehandlung zu überschauen (RS0026413). Sie hat ihm die für seine Entscheidung maßgebenden Kriterien zu liefern (RS0026413 [T3]). Stehen für den konkreten Behandlungsfall mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden zur Verfügung, die – im Sinn einer echten Wahlmöglichkeit – gleichwertig sind, so ist über die zur Wahl stehenden diagnostischen oder therapeutischen adäquaten Alternativverfahren zu informieren und das Für und Wider mit dem Patienten abzuwägen (RS0026426 [T1, T12]).

2.2 Der Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab und ist daher regelmäßig nicht revisibel (RS0026529 [T18]). Eine auch im Einzelfall vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung zeigt der Kläger in seinem außerordentlichen Rechtsmittel nicht auf:

2.Nach den Feststellungen wurde die netzlose Shouldice-Operationstechnik von kunststoffverstärkenden Techniken, wie sie auch der Beklagte bei seinem laparoskopischen Eingriff vom 2. 12. 2014 zur Versorgung der Leistenhernie des Klägers einsetzte und lege artis anwendete, als Methode der Wahl abgelöst, weil sie gegenüber Letzteren gravierende Nachteile, insbesondere eine höhere Reziditivrate, eine höhere Rate an chronischen Schmerzen und eine deutlich längere Rekonvaleszenz bis zur Vollbelastung, aufweist, ohne dass dem relevante Vorteile für den Patienten gegenüberstünden. Dass die Vorinstanzen vor diesem Hintergrund eine Aufklärungspflicht des Beklagten über die grundsätzlich bestehende Möglichkeit einer netzlosen Operationstechnik verneinten und die in Österreich wenig verbreitete Shouldice-Operationsmethode nicht als therapeutisch adäquates Alternativverfahren anerkannten, ist daher nicht zu beanstanden. Die vom Kläger als erheblich erachtete Rechtsfrage „betreffend eine grenzüberschreitende Aufklärungspflicht über Behandlungsmethoden innerhalb der EU (konkret in Deutschland)“ stellt sich damit schon mangels Gleichwertigkeit nicht (vgl 3 Ob 237/19b). Worauf er mit seinem Hinweis, dass Leistenhernieoperationen in Lokalanästhesie auch in Österreich, wenn auch nur selten, durchgeführt werden, abzielt, bleibt schon deshalb unschlüssig, weil der Umstand, ob ein Eingriff unter Lokalanästhesie oder Vollnarkose erfolgt, noch nichts über therapeutisch adäquate Verfahren auszusagen vermag.

3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E129003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00107.20A.0707.000

Im RIS seit

07.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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