TE OGH 2020/7/8 3Ob49/20g

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Veröffentlicht am 08.07.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Roch und Priv.-Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Hausberger Moritz Schmidt, Rechtsanwälte in Wörgl, gegen die beklagte Partei T*****, wegen Feststellung, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 2. März 2020, GZ 4 R 4/20s-5, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 2. Jänner 2020, GZ 4 Cg 1/20s-2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme von dem in Anspruch genommenen Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit einer Vereinbarung, mit der sich sein Rechtsvorgänger im Eigentum der im Bundesland Kärnten gelegenen Stammsitzliegenschaft verpflichtet habe, mit dieser verbundene Anteilsrechte an einer Agrargemeinschaft, die Eigentümerin einer im Bundesland Salzburg gelegenen Alpe sei, an den Beklagten, der nach den Klageangaben in Kärnten wohnhaft ist, unentgeltlich abzutreten; weiters sei dem Beklagten damit das alleinige Nutzungsrecht an den Anteilsrechten übertragen worden. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Landesgerichts Salzburg sei in der örtlichen Lage des Gemeinschaftsbesitzes (Alpe) begründet; bei den mit Stammsitzliegenschaften verbundenen Anteilen handle es sich um dingliche Rechte im Sinne des § 81 JN.

Das Erstgericht sprach seine (örtliche) Unzuständigkeit aus und wies die Klage a limine mit der Begründung zurück, das Klagebegehren sei nicht auf Feststellung eines dinglichen Rechts gerichtet.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der hier maßgeblichen Rechtsfrage noch nicht auseinandergesetzt habe. Es werde die Feststellung der Unwirksamkeit einer Vereinbarung begehrt, die die unentgeltliche abgesonderte Übertragung des Anteilsrechts zum Inhalt habe und daher einen obligatorischen Anspruch des Beklagten gegen den Rechtsvorgänger des Klägers begründe.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag auf ersatzlose Behebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und Zurückverweisung an das Erstgericht. Bei den streitgegenständlichen Anteilsrechten handle es sich um dingliche Rechte im weiteren Sinn, die auch durch Klagen auf Feststellung des (Nicht-)Bestehens geltend gemacht werden könnten. Da mit der angestrebten Entscheidung jedenfalls die Zugehörigkeit des dinglichen Rechts eindeutig geklärt werde, bilde dieses den Klagegegenstand.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig. Er ist auch berechtigt.

1. Gemäß § 81 Abs 1 JN gehören ua Klagen, durch welche ein dingliches Recht auf ein unbewegliches Gut, die Freiheit von einem solchen Recht oder die Aufhebung desselben geltend gemacht wird, vor das Gericht, in dessen Sprengel das unbewegliche Gut gelegen ist. Damit wird ein ausschließlicher örtlicher Gerichtsstand für Streitigkeiten um unbewegliches Gut geschaffen. Die Bestimmung bezweckt für unbewegliche Sachen eine Konzentration der Rechtsstreite bei dem Gericht, in dessen Sprengel die unbewegliche Sache gelegen ist (RIS-Justiz RS0108059). Nach dem Wortlaut des Gesetzes gehören neben den speziell erwähnten nur Klagen, mit denen ein dingliches Recht an einer unbeweglichen Sache, die Aufhebung oder die Freiheit von einem dinglichen Recht geltend gemacht wird, vor den Gerichtsstand der gelegenen Sache. Von der Rechtsprechung wurde in diesem Zusammenhang betont, dass das dingliche Recht Klagegegenstand, nicht nur Klagegrund sein muss (vgl RS0046617).

2. Den Gegenstand der vorliegenden Feststellungsklage bildet eine Vereinbarung über mit dem Eigentum an einer Stammsitzliegenschaft verbundene Anteilsrechte an einer Agrargemeinschaft.

2.1. Eine Agrargemeinschaft ist die Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer der sogenannten Stammsitzliegenschaften, an deren Eigentum ein Anteilsrecht an agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden ist, sowie allfälliger weiterer Personen, denen persönliche (walzende) Anteilsrechte zustehen. Ihr liegt historisch ein deutsch-rechtliches Nutzungsrecht zugrunde, das nicht einzelnen Personen, sondern bestimmten Höfen zugute kommen soll (1 Ob 231/18d; 9 Ob 35/11d je mwN). Die Agrargemeinschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass der jeweilige Eigentümer eines Hofs zur land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung berechtigt wird und die Anteile am Gemeinschaftsgut mit dieser „Stammsitz-“(„Rücksitz-“)Liegenschaft realrechtlich verbunden sind (vgl RS0013176; Rassi Grundbuchsrecht³ Rz 4.25). Gebundene Anteilsrechte, die als Realrecht mit dem Eigentum an einer Stammsitzliegenschaft verbunden sind, sind dingliche Rechte im weiteren Sinn (5 Ob 35/04i; 5 Ob 138/04m; 5 Ob 54/05k; 5 Ob 289/07x; RS0024421). Das Wesen von Realrechten besteht nach Judikatur und Lehre darin, dass sie nur von den Eigentümern der betreffenden Liegenschaft kraft dieses Eigentumsrechts ausgeübt werden können und nach Art eines Zubehörs mit der Liegenschaft verbunden sind und nicht vom berechtigten Gut gelöst und selbständig veräußert werden können (RS0013354 [T1]).

2.2. Die dargestellte Judikatur erlaubt es somit, Anteilsrechte an Agrarliegenschaften unter den (weiten) Begriff des unbeweglichen Guts zu subsumieren, das am Ort der Liegenschaft der Agrargemeinschaft gelegen ist, da die Anteile mit Nutzungsrechten an dieser Liegenschaft verbunden sind. Das entspricht wertungsmäßig der Bestimmung des § 81 Abs 2 JN, wonach die Lage des dienenden oder belasteten Grundstücks entscheidend ist, wenn die Klage eine Grunddienstbarkeit oder eine Reallast betrifft.

3. Zwar ist den Vorinstanzen zuzugestehen, dass den Gegenstand der vorliegenden Klage nicht ein dingliches Recht bildet, sondern die Feststellung des Nichtbestehens eines obligatorischen Anspruchs auf dessen Übertragung. Allerdings kommt dem Kläger der Gerichtsstand der gelegenen Sache nach § 91 Abs 3 JN als Wahlgerichtsstand für Klagen über Verträge über die Übergabe unbeweglicher oder für unbeweglich erklärter Sachen (Mayr in Rechberger/Klicka5 § 91 JN Rz 3 ua) zugute. Davon ist auch die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines solchen Vertrags erfasst (vgl Simotta in Fasching/Konecny³ § 91 JN Rz 7 ua; OLG Innsbruck 3 R 10/98i = RI0000054). Da die Liegenschaft der Agrargemeinschaft im Bundesland Salzburg gelegen ist, hat der Kläger zu Recht das örtlich zuständige Landesgericht Salzburg angerufen.

4. Damit waren aber in Stattgebung des Revisionsrekurses die Entscheidungen der Vorinstanzen zu beheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

Textnummer

E129010

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00049.20G.0708.000

Im RIS seit

07.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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