TE OGH 2020/6/25 6Ob89/20m

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Veröffentlicht am 25.06.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Huber Swoboda Oswald Aixberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei H*****, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Benn-Ibler Rechtsanwälte GmbH in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei S*****, vertreten durch BLS Rechtsanwälte Boller Langhammer Schubert GmbH in Wien, wegen Unwirksamkeit und Löschung eines Pfandrechts, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. Februar 2020, GZ 12 R 50/19i-54, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Normadressaten des in § 82 GmbHG und § 52 AktG enthaltenen Verbots der Einlagenrückgewähr sind die Gesellschaft und der Gesellschafter (Aktionär), nicht aber auch ein Dritter (RS0105536).

Bei einem Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr fordert eine Abwägung der Interessen des Kreditgebers einerseits und der durch die verbotene Einlagenrückgewähr geschädigten Gesellschaft und ihrer Gläubiger andererseits, das Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Kreditgeber nicht nur auf Kollusion zu beschränken. Die Interessen der Gesellschaft und ihrer Gläubiger müssen jedenfalls auch den Interessen jenes Kreditgebers vorgehen, der weiß, dass er den Kredit einem (mittelbaren) Gesellschafter gewährt, der damit den Anteilskauf finanziert, und dass die Sicherheit am Gesellschaftsvermögen bestellt wird. Das gleiche muss auch für jenen Kreditgeber gelten, dem sich dieses Wissen „geradezu aufdrängen“ muss, dessen Unkenntnis demnach auf grober Fahrlässigkeit beruht (vgl RS0105537). Eine allgemeine Erkundigungs- und Prüfpflicht der Bank besteht nicht für alle Fälle denkmöglicher Einlagenrückgewähr, sondern ist nur dort zu fordern, wo sich der Verdacht schon so weit aufdrängt, dass er nahezu einer

Gewissheit gleichkommt (vgl RS0105537 [T4]).

Diese für Kreditgeber (Kreditinstitute) als Dritte aufgestellten Grundsätze gelten auch für Dritte, die für andere Ansprüche als Kredite Sicherheiten empfangen, wie hier für die Beklagte.

Ob eine Erkundigungs- und Prüfpflicht bestand(en hätte), kann immer nur aufgrund der Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilt werden; der Beantwortung dieser Frage kommt regelmäßig nicht die von § 502 Abs 1 ZPO geforderte Bedeutung zu (RS0105537 [T11]).

2. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Beurteilung des Berufungsgerichts keineswegs korrekturbedürftig und zeigt die Revisionswerberin keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Das Erstgericht hat in seiner rechtlichen Beurteilung ausgeführt, die Beklagte habe mit einer anwaltlich vertretenen Gegenseite zu tun gehabt, die über die jeweiligen Innenverhältnisse Bescheid gewusst habe. Sie habe sich darauf verlassen, dass allfällige gesellschaftsrechtliche Beschränkungen dort berücksichtigt oder thematisiert würden. Diese Vermutung könne zwar durchaus als fahrlässig bezeichnet werden, erreiche jedoch nicht die Qualität eines zwingenden und sich geradezu aufdrängenden Verdachts.

Das Berufungsgericht hat der schon in der Berufung relevierten Frage, ob sich die Beklagte darauf verlassen durfte, dass die auf Klagsseite mit der Vertragsgestaltung befassten Rechtsanwälte eine – unter dem Blickwinkel der unzulässigen Einlagenrückgewähr – gesetzeskonforme Pfandrechtseinräumung sicherstellen würden, keine entscheidende Bedeutung beigemessen.

Die Revisionswerberin rügt, dass sich das Berufungsgericht mit diesem Argument nicht auseinandergesetzt hat. Dies begründet aus folgenden Erwägungen aber keine erhebliche Rechtsfrage:

Die Klagevertreterin war nicht nur Treuhänderin, sondern nach den Feststellungen auch mit der Vorbereitung und Verfassung des Pfandbestellungsvertrags beauftragt. Diesfalls ist aber ein Rechtsanwalt, der für eine GmbH auftragsgemäß eine Pfandbestellungsurkunde errichten soll, die eine fremde Schuld besichern soll, wegen der im Raum stehenden Möglichkeit, die Pfandbestellung könnte gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen, vor allem angesichts der massiven Rechtsfolgen einer verbotenen Einlagenrückgewähr (absolute Nichtigkeit [RS0105535; RS0117033]) sehr wohl verpflichtet, diese Verdachtsmomente zu prüfen. Denn er ist gemäß § 9 Abs 1 RAO verpflichtet, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Daher hat er auch dafür vorzusorgen, die von ihm vertretene Partei vor dem Abschluss möglicherweise nichtiger Rechtsgeschäfte abzuhalten.

Unter diesem Blickwinkel ist die Beurteilung des Erstgerichts im vorliegenden Einzelfall durchaus plausibel. Dies schließt entgegen der Ansicht der Revisionswerberin nicht aus, dass in anderen Fällen trotz anwaltlicher Vertretung der pfandbestellenden GmbH beim dritten Sicherheitenempfänger eine Verdachtslage vorliegt, die nahezu einer Gewissheit gleichkommt.

Textnummer

E128851

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00089.20M.0625.000

Im RIS seit

20.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.12.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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